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Parkplatzunfall – Alleinhaftung bei falscher Einfahrt

AG Aurich – Az.: 12 C 814/17 – Urteil vom 15.06.2018

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 12,50 € sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 732,87 € für die Zeit vom 16.09.2017- 16.01.2018 und aus 12,50 € seit dem 17.01.2018 zu zahlen, sowie die Klägerin von vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 315,59 € freizustellen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den durch die Inanspruchnahme ihrer Kaskoversicherung infolge des Unfallereignisses vom verlorenen Schadensfreiheitsrabatt in der Kaskoversicherung der Klägerin bei der , Versicherungsschein Nummer zu ersetzen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 46 % und die Beklagten zu 54 % zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Zahlung weitergehenden Schadenersatzes sowie Feststellung nach einem Verkehrsunfallereignis vom … , welches sich in der … in … zutrug. Beteiligt waren die Klägerin als Fahrerin ihres PKW sowie der Erstbeklagte als Fahrer eines weiteren PKW, dieser war zum Unfallzeitpunkt bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert.

Die Klägerin befuhr die … in stadteinwärtiger Richtung und beabsichtigte, am Ende der Straße im lichtzeichengeregelten Einmündungsbereich zur … nach links abzubiegen. Im Einmündungsbereich sind zwei Fahrspuren angelegt. Eine für Linksabbieger, die andere für Geradeausfahrer sowie Rechtsabbieger. Im Einmündungsbereich hatte sich in der letztgenannten Fahrspur vor der Lichtzeichenanlage ein Rückstau gebildet. Der Erstbeklagte kam mit seinem PKW von einem in Fahrtrichtung der Klägerin am rechten Fahrbahnrand gelegenen Parkplatz und beabsichtigte, nach links in die … einzubiegen. Die Zeugin …. beabsichtigte, mit ihrem PKW an der Einmündung nach rechts abzubiegen. Sie erkannte die Absicht des Erstbekl. und ließ mit ihrem PKW eine Lücke vor der Zufahrt zum Parkplatz. Als der Erstbeklagte vor dem PKW der Zeugin auf die Straße einbog und versuchte, nach links abzubiegen, kam es zur Kollision mit dem PKW der Klägerin, die links u.a. den PKW der Zeugin überholte.

Der PKW der Klägerin wurde in beträchtlichem Umfang beschädigt. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 5.242,56 € netto. Die Klägerin ließ das Fahrzeug durch einen Sachverständigen begutachten, die dadurch entstandenen Kosten belaufen sich auf 840,74 €. Bereits vorprozessual ließ die Klägerin durch ihren nunmehrigen Prozessvertreter die Ansprüche gegenüber der Zweitbeklagten geltend machen. Mit anwaltlichen Schreiben vom 01.09.2017 forderte dieser die Versicherung auf, die grundsätzliche Einstandspflicht anzuerkennen. Hierbei wurde eine Frist zum 15.09.2017 gesetzt. Es entspann sich in der Folge ein weitergehender Schriftverkehr. Mit Schreiben vom 27.11.2017 kündigte die Zweitbeklagte die Regulierung eines Betrages in Höhe von 2.213,41 € an sowie eine weitergehende Zahlung von Sachverständigenkosten in Höhe von 420,37 €.

Nachdem eine weitergehende Zahlung durch die Zweitbeklagte zunächst nicht erfolgte, nahm die Klägerin wegen des Differenzbetrages ihren Kaskoversicherer in Anspruch. Hierbei hatte sie einen Eigenanteil in Höhe von 300,00 € zu tragen. Durch die Inanspruchnahme ihres Kaskoversicherers entstand der Klägerin ein Höherstufungsschaden der sich auf insgesamt 1.169,24 € beläuft (Anlage K 12 zur Klageschrift). Mit anwaltlichen Schreiben vom 27.122017 kündigte der Vertreter der Klägerin gegenüber der Zweitbeklagten an, ihren Kaskoversicherer in Anspruch zu nehmen. Am selben Tage wurde jedoch die Klageschrift gefertigt, die am Folgetag bei Gericht einging. Die Beklagte zu 2 ihrerseits bat mit Schreiben vom 03.01.2018 um Hergabe eines Abrechnungsschreibens des Kaskoversicherers. Dieses wurde dann der Zweitbeklagten auch vorgelegt. Auf der Grundlage dessen erfolgte dann am 17.01.2018 durch die Zweitbeklagte eine weitergehende Zahlung in Höhe von 720,37 €. Wegen dieses Teilbetrages, der zunächst Gegenstand des Antrages zu Ziffer 1 der Klageschrift war, erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Offen ist danach noch ein Zahlbetrag von 12,50 €, der Hälfte der allgemeinen Kostenpauschale.

Die Klägerin behauptet, dass sich an der Unfallörtlichkeit zwei Fahrspuren befänden. Sie selbst sei in der linken Fahrspur gefahren und allenfalls minimal nach links auf der Gegenfahrbahn geraten. Der Erstbeklagte habe den Unfall allein schuldhaft herbeigeführt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie weitere 12,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 732,87 € für die Zeit vom 16.09.2017 – 16.01.2018 und aus 12,50 € seit dem 17.01.2018 sowie vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 315,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise die Beklagten insoweit als Gesamtschuldner zu verpflichten, die Klägerin von dieser Rechtsanwaltsvergütung freizustellen,

sowie festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den durch die Inanspruchnahme ihrer Kaskoversicherung infolge des Unfallereignisses vom 23.08.2017 verlorenen Schadensfreiheitsrabatt in der Kaskoversicherung der Klägerin bei der … , Versicherungsscheinnummer … zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Klage die Klägerin ihrerseits habe den Unfall mit schuldhaft herbeigeführt. Der Erstbeklagte habe sich langsam in die Straße hineingetastet. Die Klägerin habe mindestens zwei Fahrzeuge überholt und sei hierbei auf der Gegenfahrspur gefahren. An der Unfallörtlichkeit selbst sei lediglich eine Fahrspur vorhanden. Angesichts dessen sei eine Schadensteilung von 50 zu 50 vorzunehmen.

Es werde bestritten, dass die geltend gemachte vorprozessual entstandene Rechtsanwaltsvergütung bereits in Rechnung gestellt wurde.

Im Hinblick auf die teilweise Erledigung der Hauptsache seien angesichts des Verfahrensganges der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Wegen des weitergehenden Tatsachenvortrages der Parteien wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugin … . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 04.05.2018.

Entscheidungsgründe

Parkplatzunfall - Alleinhaftung bei falscher Einfahrt
(Symbolfoto: Von Anton Marynenko/Shutterstock.com)

Die Klage ist zulässig und bis auf einen Teil der geltend gemachten vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltsvergütung begründet.

I.

Die Klägerin hat aus dem gegenständlichen Unfallereignisses gegen die Beklagten noch Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 12,50 € (§§ 7, 17, 18 StVG, 115 VVG, 421 BGB).

Keiner der unfallbeteiligten Fahrzeugführer nimmt für sich in Anspruch, dass das Unfallereignis auf höhere Gewalt zurückzuführen wäre.

Der Erstbeklagte hat schuldhaft zur Unfallentstehung beigetragen. Er beabsichtigte, von dem Parkplatz auf die Straße einzufahren. Hierbei oblag ihm gemäß § 10 Satz 1 StVO die Beachtung einer gesteigerten Sorgfaltspflicht. Kommt es im Zuge eines solchen Fahrmanövers zu einem Verkehrsunfall, so spricht regelmäßig bereits ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des auf die Straße Einfahrenden. Der Erstbeklagte hätte sich nötigenfalls eines Einweisers bedienen müssen.

Wegen der gesteigerten Sorgfaltspflicht des Ausfahrenden ist bei einem Unfall in der Regel von seiner Alleinhaftung auszugehen.

Eine schuldhafte Mitverursachung durch die Klägerin ist nicht bewiesen. Die Aussage der Zeugin … war insoweit unergiebig. Sie vermochte zum vorhergehenden Fahrmanöver der Klägerin keine konkreten Angaben zu machen. Insbesondere vermochte sie nicht zu bestätigen, dass die Klägerin tatsächlich auf der Gegenfahrspur fahrend ein Überholmanöver durchführte. Die Örtlichkeit ist dem Gericht bekannt. An der Unfallstelle verbreitert sich die Straße und die zweite Fahrspur wird eröffnet. Insoweit ist es nicht zwingend notwendig, dass die Klägerin tatsächlich auf der Gegenfahrspur gefahren ist.

Selbst wenn die Klägerin auf der Gegenfahrspur fahrend einen Überholvorgang durchführte, folgte hieraus keine andere Haftungsquote. Die Klägerin befuhr die Vorfahrtstraße. Das Vorfahrtsrecht erstreckt sich auf die gesamte Breite der Straße. An der Unfallörtlichkeit besteht kein Überholverbot, auch ist keine durchgehende Mittelmarkierung auf der Fahrbahn vorhanden. Für die Klägerin bestand auch keine unklare Verkehrslage. Die Rechtsprechung zu den sogenannten Lückenfällen ist grundsätzlich nicht auf Fälle anzuwenden, in denen ein Kraftfahrer aus einer Grundstücksausfahrt unter Benutzung einer Lücke nach links in die Gegenrichtung zu gelangen versucht (OLG Rostock 5 U 124/99 mit zahlreichen Nachweisen). Auch das erkennende Gericht geht davon aus, dass eine Ausdehnung der Anwendung der zu Lückenfällen entwickelten Grundsätze auch auf normale Grundstücksausfahrten zu einer unzumutbaren Belastung für den fließenden Verkehr führen würde.

Selbst wenn man von einem Überholmanöver der Klägerin auf der Gegenfahrspur ausginge, bestand für diese keine unklare Verkehrslage. Allein daraus, dass die Zeugin eine Lücke ließ, ergab sich für die Klägerin keine Verhaltensanforderung dahin, ein Überholmanöver zu unterlassen.

Es ist auch nicht hinreichend dargetan, dass die Klägerin durch überhöhte Geschwindigkeit schuldhaft zur Entstehung des Unfalls beigetragen hat. An der Örtlichkeit gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h.

Bei Abwägung aller erwiesenen und unstreitigen Umstände (§17 StVG) erachtet es das Gericht daher als angemessen, von einer Alleinhaftung des Erstbeklagten auszugehen.

Der der Klägerin entstandene Schaden blieb unstreitig. Offen ist noch ein Zahlungsanspruch in Höhe von 12,50 € für die hälftige Kostenpauschale.

Soweit die Klägerin Feststellung im Hinblick auf die Erstattungspflicht bezüglich des Rückstandsabstufungsschadens begehrt, ist die Klage ebenfalls begründet. Die Entstehung eines solchen Schadens wird hinreichend substantiiert dargetan und von Beklagtenseite auch nicht bestritten.

II.

Der Anspruch auf Freistellung von vorprozessual entstandener Rechtsanwaltsvergütung folgt aus § 280 BGB. Ein Zahlungsanspruch besteht derzeit noch nicht. Von Beklagtenseite wird bestritten, dass eine formgültige Rechnung gelegt worden ist. Entsprechender Beweis wird von Klägerseite nicht angeboten. Mithin besteht lediglich ein Anspruch auf Feststellung. Bezüglich des weitergehenden Antrages war die Klage abzuweisen.

III.

Die zugesprochene Zinsforderung folgt aus §§ 286, 288 BGB.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich vorliegend aus § 92 Abs. 1i.V.m. § 91a ZPO. Bezüglich des Rückstufungsschadens geht das Gericht von einem fiktiven Streitwert von 818,47 € aus. Mit der Anlage K9 zur Klage wird dargelegt, dass insgesamt ein Schaden in Höhe von 1.169,24 € entstehen wird. Da insoweit Feststellung begehrt wird, ist ein Abschlag von 30 % vorzunehmen.

Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache bezüglich eines Teilbetrages in Höhe von 720,37 € nach Zahlung durch die Zweitbeklagte für erledigt erklärt wurde, erachtet ist das Gericht als billig, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die Beklagten haben insoweit nämlich keine Veranlassung zur Klageerhebung geboten. Mit Schreiben vom 27.12.2017 erklärte der Vertreter der Klägerin gegenüber der Zweitbeklagten, dass die Klägerin nunmehr ihren Kaskoversicherer in Anspruch genommen habe. Bereits mit Schreiben vom 03.01.2018 erklärte die Zweitbeklagte sodann ihrerseits, dass das Abrechnungsschreiben des Kaskoversicherers übersandt werden möge, so dass dann unter Berücksichtigung des Quotenvorrechts eine Abrechnung vorgenommen werden könne. Es wäre sachgerecht gewesen, der Zweitbeklagten den entsprechenden Nachweis zur Prüfung zu übersenden und deren Regulierungsverhalten abzuwarten. Stattdessen wurde bereits unter dem 27.12.2017 die Klage verfasst, die dann am Folgetag bei Gericht einging.

Insoweit hat die Klägerin bezüglich einer Teilforderung in Höhe von 720,37 € gemäß § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Ausgehend von einem Gesamtstreitwert von 1.551,34 € ergibt sich danach eine Kostenquote von 46 % für die Klägerin und 54 % für die Beklagten.

V.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.

 

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