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Vermieterhaftung bei Abschluss eines Mietvertrags in Kenntnis des zukünftigen Eigenbedarfs

AG Grünstadt, Az.: 3 C 273/12

Urteil vom 19.04.2013

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 428,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.08.2013 sowie weitere 102,82 € zu bezahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 428,00 € festgesetzt.

Gründe

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Den Klägern steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 428 € gemäß § 280 i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB zu.

Vermieterhaftung bei Abschluss eines Mietvertrags in Kenntnis des zukünftigen Eigenbedarfs
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Entgegen der Auffassung der Kläger folgte dieser Anspruch jedoch nicht aus einer positiven Vertragsverletzung, sondern aus dem nunmehr gesetzlich geregelten Verschulden bei Vertragsverhandlungen.

Der Beklagte hat im Rahmen des Mietvertragsschlusses mit den Klägern die ihm obliegenden Aufklärungspflichten verletzt.

Grundsätzlich bestehen auch im Vorfeld eines Vertragsschlusses zwischen den Parteien verschiedene Aufklärungspflichten gemäß §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB. Werden diese Pflichten von einer der Parteien verletzt, steht der anderen Partei ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu.

Dies gilt auch für den Abschluss eines Mietvertrages. Insbesondere trifft den Vermieter, der seinen zukünftigen Mietern einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit anbietet, obwohl er weiß oder in Erwägung ziehen müsste, dass er die Mietsache in absehbarer Zeit wieder benötigt, die Pflicht, die zukünftigen Mieter auf die voraussichtlich kurze Dauer des Mietverhältnisses hinzuweisen. Diese Pflicht besteht deshalb, da der Mieter im Allgemeinen mit einer längeren Mietdauer rechnet und weil ein Wohnungswechsel mit nicht unerheblichen finanziellen Aufwendungen und sonstigen Unannehmlichkeiten verbunden ist. Der Vermieter setzt sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn er eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.2010 – VIII ZR 180/09) Dementsprechend besteht grundsätzlich eine Hinweispflicht des Vermieters auf eine möglicherweise bald anstehende Eigenbedarfskündigung und die daraus folgende voraussichtlich kurze Dauer des Mietverhältnisses.

Eine solche Aufklärungspflicht besteht jedoch nur dann, wenn für die künftige Entstehung eines Eigenbedarfsgrundes bei Vertragsschluss bereits greifbare Anhaltspunkte bestehen. Der Vermieter muss sich hingegen nicht auf reine Spekulationen einlassen. Denn bei möglicherweise eintretenden Eigenbedarfsgründen handelt es sich in der Regel um Lebensplanungen und Lebensumstände des Vermieters bzw. seiner Angehörigen, deren Eintritt nicht genau vorhergesagt werden kann. Allein entscheidend ist daher, ob der Vermieter die Entstehung dieses Grundes ernsthaft für möglich halten musste. (vgl. LG Ravensburg, Urt. v. 25.10.2001 – 6 S 130/01)

Vorliegend hat der Beklagte selbst in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er eine Kündigung wegen Eigenbedarfs innerhalb eines Zeitraums von 1 bis 2 Jahren in Betracht gezogen hat, da sein Sohn nach Beendigung seiner Lehre in die Wohnung einziehen sollte. Letztlich hat er diese Absicht dann auch nach Mietvertragsschluss gegenüber den Klägern geäußert.

Darlegungs- und beweisbelastet für die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches nach §§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB ist grundsätzlich der Geschädigte, hier mithin die Kläger. Auch soweit es um die Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten geht, hat der Geschädigte darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, in welchem Verhalten die Pflichtverletzung zu sehen ist und wie der Schädiger sich hätte verhalten müssen. Sodann hat der Schädiger zu beweisen, dass er die geschuldete Handlung vorgenommen hat. (vgl. m.w.N. juris PK / Alpmann, 6. A. 2012, § 280 / Rn.53)

Die Kläger haben vorliegend dargelegt, der Beklagte habe sie vor Vertragsschluss nicht darauf hingewiesen, dass er sich Vorbehalte, das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs innerhalb einer Zeitspanne von 1 oder 2 Jahren zu kündigen. Ebenso wenig sei ein Verkauf des Mietobjekts zur Sprache gekommen. Erst nach Abschluss des Mietvertrages habe sich der Beklagte bei den Klägern gemeldet und erklärt, er müsse das Mietverhältnis in einem halben Jahr wegen Eigenbedarfs kündigen. Hierüber hätte er die Kläger jedoch vor Abschluss des Mietvertrages aufklären müssen. Mit diesen Ausführungen haben die Kläger ihrer Darlegungslast hinsichtlich einer Pflichtverletzung des Beklagten genüge getan.

Sie werfen dem Beklagten im Rahmen der Pflichtverletzung gerade vor, seine Aufklärungspflicht nicht nachgekommen zu sein. Dabei handelt es sich um eine negative Tatsache. Die Erfüllung der Beweislast erscheint für die Kläger insofern schwierig. Jedoch werden die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Beweisschwierigkeiten dadurch ausgeglichen, dass der Beklagte die behauptete Unterlassung der Aufklärung substantiiert bestreiten muss. Sodann muss er im Rahmen der sekundären Darlegungslast darlegen, wie er im Einzelnen seiner Aufklärungspflicht nachgekommen ist. Erst sofern er dieser Pflicht nachgekommen ist, ob liegt dem Geschädigten dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft, (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2006 – XI ZR 320/04)

Vorliegend hat der Beklagte lediglich ausgeführt, er habe die Kläger vor Abschluss des Mietvertrages darauf hingewiesen, dass er möglicherweise eine Kündigung wegen Eigenbedarfs in einem Zeitraum von etwa 1 bis 2 Jahren aussprechen müsse. Auch im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung konnte er lediglich diese pauschale Behauptung aufrecht erhalten. Er konnte nicht darlegen, wann er diese Aussage genau gegenüber den Klägern getätigt hatte. Er führte lediglich aus, dass es für ihn klar war, dass die Frage der Eigenbedarfskündigung zwischen den Klägern und ihm vor Abschluss des Mietvertrages geklärt war. Auch der Zeuge … konnte in der mündlichen Verhandlung einen Hinweis des Beklagten auf eine mögliche Eigenbedarfskündigung nicht bestätigen. Er konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern, dass der Beklagte den Klägern gegenüber gesagt habe, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs anstehe.

Mit seinem Vortrag genügt der Beklagte seiner Darlegungslast nicht. Er hätte im Detail ausführen müssen, wann und in welcher Form er seiner Aufklärungspflicht gegenüber den Klägern nachgekommen ist. Mangels hinreichender Darlegung bedurfte es auch Keines weitergehenden Beweises durch die Klägerseite. Es ist von einer Pflichtverletzung des Beklagten hinsichtlich seiner Aufklärungspflichten auszugehen.

Diese Pflichtverletzung hat er gemäß § 280 Abs. 1 Satz 3 BGB auch zu vertreten.

Den Klägern ist hierdurch ferner ein kausaler Schaden in Höhe von 428 € entstanden.

Nach § 249 Abs. 1 BGB ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte.

Der durch Verschulden bei den Vertragsverhandlungen Geschädigte hat einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens, der allerdings nicht durch das Erfüllungsinteresse begrenzt wird, dieses vielmehr im Einzelfall sogar übersteigen kann. Der Geschädigte kann also verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schuldhafte Verhalten stehen würde. Welcher Schaden dabei erstattungsfähig ist, richtet sich angesichts der Vielgestaltigkeit, in der ein Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht kommen kann, nach der Ursächlichkeit des schadenstiftenden Verhaltens für den eingetretenen Schaden im Einzelfall. (BGH, Urt. v. 25.05.1977 – VIII ZR 186/75)

Im Fall der Verletzung von Aufklärungspflichten ist zu fragen, wie sich der Mieter bei richtig erfolgter Aufklärung verhalten hätte. In der Regel ist davon auszugehen, dass er die Wohnung nicht angemietet hätte. So liegt der Fall auch hier. Denn die Eigenbedarfskündigung stand nach eigenen Angaben des Beklagten nach Mietvertragsschluss bereits innerhalb eines Zeitraumes von einem halben Jahr an. Die Anmietung des Mietobjekts durch die Kläger hätte im Hinblick auf den kurzen Zeitraum bis zu einem erneuten Auszug keinen Sinn gemacht. Sofern die Kläger jedoch den Mietvertrag nicht abgeschlossen hätten, hätten sie auch ihren ursprünglichen Mietvertrag nicht gekündigt. Dies war aber geschehen. Um daher nicht obdachlos zu werden, mussten die Kläger Aufwendungen tätigen, um sich einen Ersatzwohnraum zu beschaffen. Diese sind im Rahmen des Vertrauensschadens zu ersetzen. Hierzu zählen insbesondere auch die für den neuen Makler angefallenen Kosten, die den Betrag der Maklerkosten für den Zeugen … übersteigen. Dies erscheint hier aufgrund der erforderlichen Einzelfallbetrachtung auch angemessen. Zwar wären den Klägern bei Nichtabschluss des Mietvertrages zunächst gar keine Maklerkosten angefallen. Jedoch kündigten sie aufgrund des neuen Mietvertrages ihren bestehenden Vertrag. Dieser Umstand kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, weshalb die Maklerkosten aus Billigkeitsgesichtspunkten ersatzfähig sein müssen.

Der Beklagte haftet folglich nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo und war zur Zahlung zu verurteilen.

Auf einen möglichen Anspruch aufgrund einer Zusicherung des Beklagten, die Maklerkosten der Kläger zu übernehmen, kommt es insofern nicht mehr an.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Die von der Klagepartei geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten sind schlüssig dargetan. Insbesondere befand sich der Beklagte bei Beauftragung der Rechtsanwälte bereits mit der Zahlung in Verzug.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.

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