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Pauschalreisevertrag – Minderungs- und Schadensersatzansprüche

AG Westerburg – Az.: 23 C 227/18 – Urteil vom 08.05.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.297,35 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.06.2018 sowie weitere 112,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.09.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Minderungs- und Schadensersatzansprüche aus einem Pauschalreisevertrag.

Der Kläger buchte ausweislich der Buchungsbestätigung nebst Rechnung (Bl. 12f, 58) für sich und seine Ehefrau, die Zeugin … bei der Beklagten die Kreuzfahrt „Karibik: 18 Tage …“ für den Reisezeitraum vom 02.03.2018 bis 19.03.2018 zu einem Gesamtreisepreis in Höhe von 4.598 Euro, wobei dem Reisevertrag die AGBs der Beklagten (Bl. 14ff) zugrunde liegen.

In Ziffer 9.2. der AGBs ist dabei folgendes geregelt:

„Ist vom Reiseveranstalter eine eigene Reiseleitung nicht eingesetzt und nach den vertraglichen Vereinbarungen auch nicht geschuldet, so ist der Reisende verpflichtet, zunächst beim Leistungsträger (Hotel, Fluggesellschaft usw.) unverzüglich auftretende Reisemängel zu rügen. Soweit eine Abhilfe danach nicht erfolgt, ist der Reisende verpflichtet, Mitteilung über die Reisemängel unverzüglich (auch während des Aufenthaltes) an den Geschäftssitz der … GmbH in … zu machen.“

Ausweislich des Flugplans (Bl. 16) beinhaltete die Reise auch eine Flugbeförderung am 02.03.2018 von Frankfurt via New York nach Fort Lauderdale, wobei der Zubringerflug von Frankfurt um 09:50 Uhr geplant war und um 13:00 Uhr Ortszeit in New York ankommen sollte. Der Anschlussflug in New York sollte um 15:45 Uhr starten und um 19:15 Uhr in Fort Lauderdale landen. Die Einschiffung auf der „…“ sollte gemäß dem Reisverlauf (Bl. 17) nach einer Hotelübernachtung am 03.03.2018 erfolgen, wobei auch die Transfers vom Flughafen bzw. zum Schiff in der Reiseleistung enthalten waren.

Tatsächlich war bereits der Flug von Frankfurt nach New York verspätet und erhielt der Kläger bei Ankunft in New York die Information, dass der Anschlussflug nach Fort Lauderdale nicht durchgeführt wird.

Im bis um 22.00 Uhr deutscher Zeit erreichbaren Callcenter der Beklagten gingen am 02.03.2018 Anrufe von anderen Reisenden ein, die auf dieselbe Flugverbindung wie der Kläger gebucht waren und die Beklagte vom Ausfall des Anschlussfluges nach Fort Lauderdale in Kenntnis setzten, woraufhin diese Passagiere nach St. Kitts befördert wurden.

Der Kläger buchte in New York Ersatzflüge nach Fort Lauderdale bei … Airways zum Preis von 1182,40 Euro (Bl. 18ff), sodass er am 03.03.2018 gegen 5 Uhr in Fort Lauterdale eintraf und den Transfer zum Hotel in Eigenregie durchführte.

Mit Emails vom 03.03.2018 und 18.03.2018 (Bl. 20f) machte der Kläger reisevertragliche Ansprüche bei der Beklagten geltend, woraufhin die Beklagte mit Email vom 11.05.2018 (Bl. 24) u.a. mitteilte, dass sie die Zusatzkosten nicht übernehmen könne, weil der Kläger nicht um Abhilfe gebeten habe.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers forderte die Beklagte mit Schreiben vom 04.06.2018 und 25.06.2018 (Bl. 25ff) erfolglos zur Zahlung der Klageforderung unter Fristsetzung bis zum 20.06.2018 auf.

Die Beklagte teilte dem Prozessbevollmächtigen des Klägers mit Email vom 25.06.2018 (Bl. 28) u.a. folgendes mit:

Pauschalreisevertrag - Minderungs- und Schadensersatzansprüche
(Symbolfoto: Aleksandr Ryzhov/Shutterstock.com)

„Wir hatten weitere Kunden, die die selbe Flugverbindung hatten, welche sich mit uns in Verbindung gesetzt haben. Laut Eintrag in der Buchung erfolgte die Mitteilung um 21:45 Uhr Deutsche Zeit. Es kann daher nicht korrekt sein, dass Sie um eine andere Uhrzeit angekommen sind. Dies lässt sich anhand der Flugpläne der Fluggesellschaft belegen. Unser Callcenter ist bis 22:00 Uhr besetzt und jegliche Kommunikation wird dokumentiert. Wenn Sie allerdings erst nach Mitternacht versucht haben uns zu kontaktieren, war eine Abhilfeverlangen über uns generell nicht mehr möglich.“

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger eine Minderung des Reisepreises in Höhe von 114,95 Euro für die verspätete Ankunft und die ausgefallene Transferleistung sowie 1182,40 Euro für die Ersatzflüge und vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 112,75 Euro nebst Zinsen geltend.

Der Kläger behauptet, er wäre gehalten gewesen, den Ersatzflug selbst zu organisieren, zumal weder die Beklagte noch ihre örtliche Repräsentanz trotz mehrfacher Kontaktversuche erreichbar gewesen wären. Einen von der ausführenden Fluggesellschaft angebotenen Ersatzflug habe er abgelehnt, weil er damit – unstreitig – das Schiff nicht rechtzeitig erreicht hätte.

Der Kläger beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1297,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2018 zu zahlen.

2) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 112,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass Ansprüche des Klägers an einem fehlenden Abhilfeverlangen scheitern würden. Andere Kunden hätten sich bereits um 21:50 Uhr bei dem Callcenter der Beklagten gemeldet und der Ausfall des Flugs nach Fort Lauderdale sei auf schlechtes Wetter und damit auf höhere Gewalt zurückzuführen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 01.10.2018 hat die Beklagte der … Lines Inc. den Streit verkündet.

Die Schriftsätze vom 11.04.2019 und 24.04.2019 waren gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe von 1182,40 Euro gegen die Beklagte aus § 651c III a.F. BGB.

Auf die Frage, warum der Flug von New York nach Fort Lauterdale von … nicht durchgeführt werden konnte, kommt es dabei nicht an. Beeinträchtigungen der Reiseleistungen durch höhere Gewalt, berührend nicht die Einstandspflicht des Reiseveranstalters (Vgl. Führich, 6. Auflage 2010, Rn. 221).

Es kann ferner dahinstehen, ob und wann und gegenüber wem der Kläger vorliegend ein Abhilfeverlangen getätigt hat, da sich die Beklagte aus Rechtsgründen hierauf nicht berufen kann.

Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Erfordernis einer Mangelanzeige, darf der Reiseveranstalter einem Ersatzanspruch aus § 651c Abs. 3 BGB grundsätzlich nicht entgegenhalten, dass der Reisende von einem Abhilfeverlangen und einer Fristsetzung abgesehen hat (Vgl. BGH MDR 2018, 1301-1302 mwN).

Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB -InfoV hat der Reiseveranstalter den Reisenden in der Reisebestätigung darauf hinzuweisen, dass er einen aufgetretenen Mangel anzuzeigen und vor der Kündigung des Reisevertrags grundsätzlich eine angemessene Frist zur Abhilfeleistung zu setzen hat. Schon dieser Obliegenheit ist die Beklagte im Streitfall nicht nachgekommen. Die Beklagte hat einen Hinweis des genannten Inhalts nur in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen erteilt und in der Reisebestätigung noch nicht einmal pauschal auf diese verwiesen. Dies genügt den auch insoweit maßgeblichen Anforderungen aus § 6 Abs. 4 BGB -InfoV nicht.

Aber selbst wenn man dies anderes sehen wollte, so wäre das fehlende Abhilfeverlangen unverschuldet gewesen. Insofern haben sich nach dem Vortrag der Beklagten andere Reisende gegen 21.45 Uhr bzw. 21.50 Uhr beim um 22.00 Uhr schließenden Callcenter in Deutschland gemeldet, was zur Folge hatte, dass der schwerbehinderte Kläger bereits aufgrund einer Verzögerung von maximal 16 Minuten im Vergleich zu den anderen Reisenden bereits keine Kontaktmöglichkeit nach Deutschland mehr gehabt hätte.

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen, war der Beklagten nach eigenem Vortrag bereits seit 21.45 Uhr bekannt gewesen, dass ein ganzer Zubringerflug ausgefallen ist. Mithin erscheint dem Gericht vorliegend ein Abhilfeverlangen entbehrlich. Dies mag zwar der BGH in der von Beklagtenseite zitierten Entscheidung (NJW 2016, 3304-3306) für Urlaubslärm anders beurteilt haben, der Unterschied im vorliegenden Fall ist aber darin zu sehen, dass die Beklagte mit Email vom 25.06.2018 sinngemäß mitgeteilt hatte, dass ein Abhilfeverlangen nach 22 Uhr über die Beklagte nicht mehr möglich gewesen wäre. Dementsprechend hätte die Beklagte – wenn sie denn an einer Abhilfe interessiert gewesen wäre – von sich aus tätig werden müssen oder aber dem Kläger eine längerfristige Kontaktmöglichkeit einräumen müssen.

Letztendlich erscheint dem Gericht die von Beklagtenseite bei anderen Reisenden vorgenommene Abhilfe auch nicht zumutbar. Insofern erschließt sich dem Gericht nicht, weshalb diese Reisenden nach St. Kitts geflogen worden sind, was nicht einmal auf der Route der streitgegenständlichen Kreuzfahrt lag.

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises in der geltend gemachten Höhe gemäß § 651d BGB a.F.

Die Minderung erscheint aufgrund der gegebenen Beeinträchtigungen als angemessen, wobei auch zu berücksichtigen war, dass neben einem Transfer auch eine weitere Leistung der Beklagten in Form einer Vorübernachtung in Fort Lauderdale erheblich beeinträchtigt gewesen ist, da der Kläger erst gegen 5 Uhr dort angekommen war.

Die vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen sind unter dem Gesichtspunkt des Verzugs bzw. als Prozesszinsen begründet, da die Beklagte die Ansprüche des Klägers mit Email vom 11.05.2018 abgelehnt hatte.

Die Entscheidung über Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 91, 709 ZPO.

Beschluss – Der Streitwert wird auf 1.297,35 € festgesetzt.

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