LG Osnabrück – Az.: 1 S 498/16 – Urteil vom 22.11.2017
1. Die Berufung des Klägers vom 07.12.2016 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Iburg vom 09.11.2016, Az. 4 C 406/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten, welche seine Nachbarn sind, auf Schadensersatz wegen des unsachgemäßen Beschneidens eines Baumes in Anspruch.
Die Parteien bewohnen jeweils als Mieter Häuser auf zwei nebeneinander liegenden Grundstücken an der S. Straße in H. die Gärten grenzen aneinander.
Der Kläger und seine Ehefrau pflanzten vor etwa 10 Jahren auf dem von ihnen angemieteten Grundstück einen Baum „Robinia Frisia“. Der Baum ist zwischenzeitlich ca. 8 m hoch, der Stammumfang beträgt ca. 56 cm in 0,30 m Höhe gemessen.
Zu Beginn des Jahres 2016 forderten die Beklagten den Kläger und seine Ehefrau zum Rückschnitt der auf ihr Grundstück überhängenden Äste auf und drohten an, den Überhang selbst zu entfernen. Ende März 2016 beschnitten die Beklagten einen Teil der Zweige des Baumes, welche auf ihr Grundstück herüberragten.
Die Ehefrau des Klägers hat sämtliche eigenen Schadensersatzansprüche bezüglich des Schadens an dem Baum an den Kläger abgetreten (vgl. die Abtretungserklärung Bl. 4 d.A.).
Der Kläger hat behauptet, dass der Baum von ihm und seiner Ehefrau bei Auszug mitgenommen werden würde. Er sei nur für die Dauer der Mietzeit der Kläger dort von ihnen eingepflanzt worden. Auch der Vermieter sehe sich nicht als Eigentümer des Baumes. Es sei möglich, den Baum herauszunehmen, ohne dass dieser Schaden nehmen würde.
Die überstehenden Zweige würden erst ab einer Höhe von 2,5 m beginnen und seien nicht störend gewesen. Der Baum sei von den Beklagten unsachgemäß beschnitten und dadurch zerstört worden. Von der Baumkrone stehe nur noch die Hälfte. Der Baum müsse erneuert werden; ein neuer Baum koste mindestens 3.800,- €.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten seien nicht berechtigt gewesen, ihn zum Rückschnitt des Baumes aufzufordern, dies sei Sache des Vermieters der Beklagten als Grundstückseigentümer.
Er hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 3.800,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2016 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, dass der Baum im Eigentum des Vermieters des Klägers stehe.
Der Rückschnitt habe den Baum weder zerstört noch beschädigt. Die Baumkrone sei nach wie vor unversehrt. Dem Kläger sei insoweit kein Schaden entstanden. Dieser werde auch der Höhe nach bestritten. Bei dem Baumtypus handele es sich um eine besonders robuste Art, die häufigen und radikalen Baumschnitt bestens vertrage.
Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des Baumes. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 19.10.2016, B. 29 ff. d.A. Bezug genommen.
Mit Urteil vom 09.11.2016, dem Kläger zugestellt am 14.11.2016, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Anspruch des Klägers bereits deshalb nicht gegeben sei, weil er nicht Eigentümer des Baumes sei. Er habe das Eigentum durch Einpflanzen des Baumes gemäß §§ 946, 94 BGB verloren. Bäume seien nach einigen Jahren nicht mehr ohne Schwierigkeiten für ihren Bestand zu entfernen. Hier liege es aufgrund der Größe des Baumes auf der Hand, dass dieser bei Auszug nicht mitgenommen werden könne. Auch hinsichtlich der Schadenshöhe bestünden Bedenken, da es sich um einen robusten Baum handele, der radikale Schnittmaßnahmen bestens vertrage.
Hiergegen richtet sich die am 08.12.2016 eingelegte und mit am 03.04.2017 eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung des Klägers.
Er ist der Ansicht, dass das Amtsgericht seinem Vortrag, der Baum habe nach seinem Willen und dem seiner Ehefrau nur für die Dauer der Mietzeit auf dem Grundstück verbleiben sollen und dies sei mit dem Vermieter so abgestimmt gewesen, rechtsfehlerhaft nicht nachgegangen sei. Hierüber hätte Beweis erhoben werden müssen. Zur Schadenshöhe hätte ggfls. ein Gutachten eingeholt werden müssen, das Gericht habe insoweit keine eigene Sachkunde und könne sich nicht auf Recherchen aus dem Internet verlassen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Bad Iburg vom 09.01.2016 aufzuheben und die Beklagten nach dem Schlussantrag 1. Instanz zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-Ing. agr. T.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2017 (Bl. 124 ff. d.A.) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg; das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
A.
Die Klage ist zulässig; insbesondere war ein Schlichtungsverfahren nach § 15 a Abs. 1 EGZPO i.V.m. § 1 Nds. Schlichtungsgesetz nicht erforderlich, da ausschließlich Zahlungsansprüche aus einem nachbarrechtlichen Verhältnis geltend gemacht werden.
§ 1 Abs. 2 Nds. Schlichtungsgesetz schreibt einen Schlichtungsversuch vor der Erhebung der Klage zu den ordentlichen Gerichten für eine Zahlungsklage nicht vor, selbst wenn diese im Zusammenhang mit einem Nachbarrechtstreit steht. Diese Einschränkung findet zwar im Wortlaut der Vorschrift keinen ausdrücklichen Niederschlag, ergibt sich aber aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Der niedersächsische Landesgesetzgeber hat von der Ermächtigung in § 15 a EGZPO, als Voraussetzung für bestimmte Klagen einen Schlichtungsversuch vorzuschreiben, erst im Jahr 2009 Gebrauch gemacht. Grundlage des Gesetzgebungsverfahrens waren insbesondere auch die Erfahrungen, die in der Vergangenheit bereits in anderen Bundesländern hinsichtlich der obligatorischen Streitschlichtung gewonnen worden waren. Eine obligatorische Streitschlichtung sollte von vornherein nur für die Sachgebiete eingeführt werden, in denen sie sich nach den Erfahrungen der anderen Bundesländer bewährt hatte, nicht dagegen für Bereiche, in denen sie keine Entlastungseffekte ausgelöst hatte. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte daher der obligatorische Schlichtungsversuch nach Maßgabe von § 15 a EGZPO in Niedersachsen für Nachbarstreitigkeiten und für Ehrverletzungsstreitigkeiten eingeführt werden, da er sich insoweit nach den vorliegenden Erfahrungen bewährt hatte (vgl. Gesetzentwurf v. 10.08.20019, Drucksache 16/1475 des Niedersächsischen Landtags, S. 8 ff.). Die Norm ist daher so zu verstehen, dass für einen auf Zahlung gerichteten Anspruch ein Schlichtungsverfahren auch dann keine Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage ist, wenn der Anspruch mit der Verletzung nachbarrechtlicher Pflichten begründet wird (vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 19.02.2016, V ZR 96/15, Rn. 10 ff. m.w.N., zitiert nach juris).
B.
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1.) Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen des Rückschnitts des Baumes „Robinia Frisia“ im März 2016 durch die Beklagten zu.

Der Kläger wurde mit der Vornahme des streitgegenständlichen Rückschnitts nicht in seinem Eigentumsrecht verletzt; nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger im Zeitpunkt des Rückschnitts des Baumes nicht dessen Eigentümer war. Der Kläger und seine Ehefrau haben das Eigentum an dem Baum durch das Einpflanzen in den von ihnen gemieteten Garten gem. §§ 946, 94 BGB verloren, da es sich bei dem streitgegenständlichen Baum „Robinia Frisia“ um einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks i.S. von § 94 BGB und nicht lediglich um einen Scheinbestandteil gem. § 95 BGB handelt.
Zwar können auch Baulichkeiten, Anlagen und Anpflanzungen nur Scheinbestandteile i.S. von § 95 BGB sein; werden diese Sachen von einem Pächter oder Mieter auf dem von ihm genutzten Grundstück eingebracht, spricht eine Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Pachtverhältnisses und damit nur zu einem vorübergehenden Zweck i. S. des § 95 Abs. 1 S. 1 BGB geschehen sollte, mit der Folge, dass diese eingebrachten Sachen als bloße „Scheinbestandteile“ nicht gem. §§ 93, 94 BGB in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergehen, sondern im Eigentum des Pächters verbleiben (…). Diese Vermutung wird nicht schon bei einer massiven Bauart des Gebäudes oder bei langer Dauer des Vertrags entkräftet (…) Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass der Pächter bei der Einbringung den Willen hat, die Sache bei Beendigung des Vertragsverhältnisses in das Eigentum des Verpächters bzw. eines dritten Grundstückseigentümers fallen zu lassen (…).“ (vgl. BGH NZM 2013, 315, 316).
Diese Vermutung ist vorliegend jedoch aufgrund der Feststellungen der gerichtlich mit der Begutachtung des Sachverhalts beauftragten Sachverständigen Dipl.-Ing. agr. T. widerlegt.
Die Sachverständige hat ausgeführt, dass der Baum, so wie sie ihn vorgefunden habe, nicht verpflanzt werden könne. Würde der Baum jetzt verpflanzt werden, würde er dies nicht überleben; den Baum in seinem gegenwärtigen Zustand ohne Schaden umzusetzen sei ausgeschlossen. Um eine Verpflanzbarkeit des Baumes zu erreichen, hätte dieser regelmäßig umstochen werden müssen, damit die Wurzeln nah am Stamm geblieben wären. Zwar sei es möglich, den Baum für ein Verpflanzen vorzubereiten; diese würde jedoch erfordern, dass ab jetzt über mehrere Jahre die Wurzelballen regelmäßig abgestochen würden.
Die Kammer macht sich die Feststellungen der Sachverständigen, an deren Sachkunde keine Zweifel bestehen, zu eigen. Die Sachverständige hat auf Grund des Akteninhalts und der bei dem Ortstermin erhobenen Befunde ein überzeugendes und auch für den Laien nachvollziehbares Gutachten entsprechend den fachlichen Standards ihres Sachgebiets erstattet. Die Feststellungen der Sachverständigen sind in sich logisch, für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbar und deshalb überzeugend.
Danach steht fest, dass der Kläger den Baum nicht in einem verpflanzbaren Zustand gehalten hat und der Baum im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Rückschnitts im März 2016 tatsächlich nicht hätte verpflanzt werden können.
Die Kammer ist daher überzeugt, dass der Baum „Robinia Frisia“ nicht lediglich zu einem vorübergehenden Zweck mit dem gemieteten Grundstück verbunden worden ist. Der Kläger stützt seine Behauptung, der Baum stehe im Eigentum von ihm und seiner Ehefrau, maßgeblich auf den Umstand, dass der Baum aus dem Garten herausgenommen werden könne, ohne Schaden zu nehmen; diese Behauptung erweist sich aufgrund der Feststellungen der Sachverständigen als nicht zutreffend.
Auch der klägerseits lediglich pauschal behauptete Wille, den Baum im Fall eines Auszugs mitnehmen zu wollen, wird vom Ergebnis der Beweisaufnahme nicht getragen. Da der Kläger den Baum nicht in einem verpflanzbaren Zustand gehalten hat, spricht im konkreten Fall nichts dafür, dass dieser im Fall eines Umzugs tatsächlich hätte mitgenommen werden sollen.
2.) Ein Schadenersatzanspruch des Klägers ist des Weiteren nicht gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Störung des berechtigten Besitzes als sonstigem geschützten Recht gegeben. Ein diesbezüglicher Schaden des Klägers ist nicht dargelegt; der behauptete Wertverlust des Baumes betrifft lediglich das Eigentumsrecht.
3.) Schließlich kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, dass ihm ein Schaden deshalb entstanden sei, weil der ihm im Fall eines Auszugs gegen seinen Vermieter ggf. zustehende Anspruch für das Belassen des Baumes auf dem Grundstück durch den Rückschnitt geschmälert sei. Inwieweit dem Kläger insoweit ein konkreter Schaden entstanden sein soll, hat er nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10 ZPO, 711, 713.