OLG Karlsruhe – Az.: 10 Sch 2/18 – Beschluss vom 18.06.2018
1. Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsgerichtlichen Verfahrens für die Klage der Antragsteller auf Meilensteinzahlung von 3,2 Mio. € gemäß Ziff. 4.3 des „Agreements for the Sale and Purchase of all of the Shares in A. GmbH“ vom 26.02.2015 in der Fassung des „Agreements on the Second Amendment of all of the Shares in A. GmbH and regarding the Milestone Deadline“ vom 20.06.2016 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 1.070.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens.
Die Antragsteller waren die Gesellschafter der A. GmbH. Mit notariellem Vertrag vom 26.02.2015 („Agreement for the Sale and Purchase of all of the Shares in A. GmbH“, Anl. AS4; im Folgenden: ursprünglicher Kaufvertrag) verkauften sie sämtliche Geschäftsanteile an die Antragsgegnerin zu 1. Diese verpflichtete sich in Ziff. 4.3 des Vertrags (Anl. AS4, S. 19 f.), einen Betrag von 3,2 Mio. € als „Meilensteinzahlung“ an die Antragsteller zu zahlen. Abhängig vom Erfüllen bestimmter Voraussetzungen wurden verschiedene Zahlungstermine vereinbart. Die Antragsgegnerin zu 2 übernahm als Garantin die gesamtschuldnerische Mithaftung für die Verpflichtungen der Antragsgegnerin zu 1. Ferner enthielt der Kaufvertrag in Ziff. 31.2. folgende Schiedsklausel:
„Any and all disputes or differences arising out of or in connection with this Agreement, or its breach, termination or invalidity shall be finally settled in accordance with the Arbitration Rules of the German Institution of Arbitration (Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit DIS e.V.) as amended from time to time without recourse to the ordinary courts of law by a tribunal of three arbitrators. The place of arbitration is B. …“
(„Alle Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten, die aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über seine Verletzung, Beendigung oder Unwirksamkeit entstehen, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit DIS e.V. in ihrer jeweiligen Fassung unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges von einem Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern endgültig entschieden. Schiedsort ist B. …“)
Mit privatschriftlichem Nachtrag vom 20.11.2015 (Anl. AS6; im Folgenden: erster Nachtrag) nahmen die Parteien verschiedene Vertragsänderungen vor. Dieser erste Nachtrag enthält unter § 9 (4) eine Schiedsklausel, die mit derjenigen des ursprünglichen Kaufvertrags wörtlich übereinstimmt, außer dass sie sich auf „this Amendment“ (statt „Agreement“) bezieht.
Mit einem weiteren privatschriftlichen Nachtrag vom 20.06.2016 (Anl. AS7; im Folgenden: zweiter Nachtrag) verlängerten die Parteien die Fristen für die Voraussetzungen der Meilensteinzahlung in Ziff. 4.3 des ursprünglichen Kaufvertrags jeweils um ein Jahr. Ferner enthält der zweite Nachtrag unter § 5 (4) wörtlich dieselbe Schiedsklausel wie der erste Nachtrag (wiederum bezogen auf „this Amendment“).
Im Folgenden verlangten die Antragsteller die Meilensteinzahlung mit der Begründung, sie hätten die Voraussetzungen gemäß Ziff. 4.3 des ursprünglichen Kaufvertrags in der Fassung des zweiten Nachtrags erfüllt. Soweit dies in einzelnen Punkten nicht der Fall sei, falle dies in den Verantwortungsbereich der Antragsgegner. Die Antragsgegner lehnten eine Zahlung ab.
Die Antragsteller meinen, ihre Forderung unterfalle keiner wirksamen Schiedsvereinbarung. Sie sind der Auffassung, die Forderung richte sich nicht nach dem ursprünglichen Kaufvertrag, sondern nach dem zweiten Nachtrag, dessen Schiedsklausel formnichtig sei, weil daran ein Verbraucher beteiligt gewesen sei. Denn der Antragsteller zu 3 sei Arbeitnehmer der A. GmbH und habe damit als Verbraucher gehandelt. Die (formgültige) Schiedsklausel des ursprünglichen Kaufvertrags erstrecke sich nicht auf die nunmehr geltend gemachte Meilensteinforderung, da die Nachträge jeweils eigenständige (allerdings formunwirksame) Schiedsklauseln enthielten.
Die Antragsteller beantragen, die Unzulässigkeit eines schiedsgerichtlichen Verfahrens für die Klage der Antragsteller auf Meilensteinzahlung von 3,2 Mio. € gemäß Ziff. 4.3 des „Agreements for the Sale and Purchase of all of the Shares in A. GmbH“ vom 26.02.2015 in der Fassung des „Agreements on the Second Amendment of all of the Shares in A. GmbH and regarding the Milestone Deadline“ vom 20.06.2016 festzustellen.
Die Antragsgegner beantragen, den Antrag zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, dass die geltend gemachte Forderung von der Schiedsklausel des ursprünglichen Kaufvertrags abgedeckt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags ergibt sich aus § 1032 Abs. 2 ZPO, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aus § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es nicht, § 1063 Abs. 2 ZPO.
2. Inhaltlich hat der Antrag keinen Erfolg. Der von den Antragstellern geltend gemachte Anspruch auf die Meilensteinzahlung unterfällt der Schiedsklausel des ursprünglichen Kaufvertrags.
a) Zugunsten der Antragsteller kann zunächst unterstellt werden, dass der zweite Nachtrag keine formwirksame Schiedsklausel enthält.
Nach § 1031 Abs. 5 S. 3 ZPO müssen Schiedsvereinbarungen, an denen ein Verbraucher beteiligt ist, entweder in einer eigenen Urkunde, die keine weiteren Vereinbarungen enthalten darf, geschlossen oder notariell beurkundet werden. Hier kommt ein Verbrauchergeschäft iSd. § 13 BGB in Betracht. Grundsätzlich stellt der Erwerb und das Halten von GmbH-Geschäftsanteilen bloße private Vermögensverwaltung und keine gewerbliche Tätigkeit dar (BGHZ 133, 71; NJW-RR 2000, 3496; NJW 2007, 759; MüKo-BGB/Mücklitz/Purnhagen, 7. Aufl., § 13 Rn. 56; Staudinger/Kannowski, BGB [2013], § 13 Rn. 51). Ob das auch für den Verkauf solcher Anteile – in dem hier betroffenen Umfang – gilt, kann letztlich dahinstehen.
Denn auch wenn man die Formunwirksamkeit der Schiedsklausel des zweiten Nachtrags unterstellt, ist jedenfalls die Schiedsklausel im – notariell beurkundeten – ursprünglichen Kaufvertrag wirksam, § 1031 Abs. 5 S. 3 Hs. 2 ZPO.
b) Die Meilensteinforderung unterfällt dem Anwendungsbereich der Schiedsklausel des ursprünglichen Kaufvertrags.
aa) Welche Ansprüche von einer Schiedsvereinbarung erfasst werden, ist durch Auslegung festzustellen. Bei der Ermittlung dieses Parteiwillens ist insbesondere die Interessenlage beider Seiten zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass eine Schiedsklausel im Allgemeinen weit auszulegen ist, auch um eine in der Regel unerwünschte Aufspaltung des Rechtswegs zu vermeiden (vgl. BGHZ 53, 315; OLG München NJW 2005, 832; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 23. Aufl., § 1029 Rn. 35; Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 1029 Rn. 23 m.w.N.; Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl., § 1029 ZPO Rn. 78). Im Zweifel umfasst eine Schiedsvereinbarung auch spätere Nachträge oder Konkretisierungen (OLGR Stuttgart 2002, 57; OLG Karlsruhe SchiedsVZ 2008, 47; OLG München, Beschl. v. 30.08.2011 – 34 SchH 8/11; Zöller/Geimer, a.a.O. Rn. 81 m.w.N.; einschränkend MüKo-ZPO/Münch, 5. Aufl., § 1029 Rn. 112), unter Umständen sogar Streitigkeiten aus anderen, zusammenhängenden Verträgen (Stein/Jonas/Schlosser aaO. Rn. 36 m.w.N.). Denn im Regelfall ist ein Wille der Parteien zu unterstellen, die Rechtsfolgen aus einem einheitlichen Sachverhalt einem einheitlichen Spruchkörper zu unterstellen; Zusammengehörendes soll zusammenbleiben (Stein/Jonas/Schlosser aaO. Rn. 36 f.; MüKo-ZPO/Münch aaO. Rn. 71, 110, je m.w.N.).
bb) So liegt es auch hier. Die Schiedsklausel im ursprünglichen Kaufvertrag ist ausdrücklich weit gefasst („alle Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten … aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag“) und bezieht sogar etwaige Streitigkeiten über die Beendigung oder Unwirksamkeit mit ein. Der zweite Nachtrag lässt sich nicht sinnvoll vom ursprünglichen Kaufvertrag trennen. Beides gehört zusammen. Das zeigt schon die Formulierung des hiesigen Verfahrensantrags, die nicht ohne Verweis (auch) auf den ursprünglichen Kaufvertrag auskommt. Der geltend gemachte Anspruch auf die Meilensteinzahlung ist ein Anspruch aus dem ursprünglichen Kaufvertrag. Daran hat der zweite Nachtrag nichts geändert; er hat insbesondere die inhaltlichen Voraussetzungen für die Meilensteinzahlung unberührt gelassen und lediglich die zeitlichen Fristen modifiziert. Soweit aus dem hiesigen Prozessvortrag ersichtlich, betrifft im Übrigen auch die konkrete Streitigkeit zwischen den Parteien allein die Frage, ob die im ursprünglichen Kaufvertrag geregelten inhaltlichen Voraussetzungen erfüllt sind, und nicht speziell die Verlängerung der Fristen, die den (alleinigen) Gegenstand des zweiten Nachtrags bildet.
cc) Wenn der zweite Nachtrag keine Ausführungen zur Schiedsgerichtsbarkeit enthielte, würde die Schiedsklausel des ursprünglichen Kaufvertrags eingreifen. Dass die Parteien eine gespaltene Zuständigkeit für sämtliche Streitigkeiten aus dem ursprünglichen Kaufvertrag einerseits und für etwaige Streitigkeiten aus der späteren Fristverlängerung andererseits gewollt haben könnten (worauf die Auffassung der Antragsteller hinausliefe), erscheint – schon angesichts der oben skizzierten Abgrenzungsschwierigkeiten – lebensfremd.
Dass die Parteien im zweiten Nachtrag sogar eine ausdrückliche, auf diesen Nachtrag bezogene, allerdings (unterstellt) formunwirksame Schiedsklausel aufgenommen haben, kann an diesem Ergebnis nichts ändern. Im Gegenteil: Unabhängig von seiner rechtlichen Wirksamkeit bestätigt dieses tatsächliche Verhalten im Nachhinein (vgl. zum späteren Verhalten der Parteien als Auslegungshilfe Stein/Jonas/Schlosser a.a.O. Rn. 35) die Regelvermutung, dass der Parteiwille schon beim ursprünglichen Kaufvertrag auf einen möglichst umfassenden Anwendungsbereich der Schiedsklausel gerichtet war. Die Parteien haben in § 1 Abs. 3 und § 3 des zweiten Nachtrags ausdrücklich klargestellt, dass sich der Nachtrag ausschließlich auf die Fristverlängerungen beschränken und alle übrigen Vertragsbestimmungen unverändert lassen soll. Demnach sollte auch die Schiedsklausel des ursprünglichen Kaufvertrags nicht verändert oder eingeschränkt werden.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller lässt die Aufnahme einer nochmaligen Schiedsklausel im zweiten Nachtrag auch nicht zwingend darauf schließen, dass die Parteien davon ausgegangen wären, die Meilensteinforderung falle nicht mehr unter die Schiedsklausel des ursprünglichen Kaufvertrags und deshalb sei eine neue Schiedsklausel erforderlich. Wesentlich näher liegt vielmehr, dass es ihnen lediglich um eine wiederholende Klarstellung ging, so dass die Klausel bloß deklaratorische Wirkung gehabt hätte. Ohnehin aber ergibt sich die streitgegenständliche Meilensteinforderung – wie ausgeführt – nicht aus dem zweiten Nachtrag, sondern aus dem ursprünglichen Kaufvertrag.
Aus demselben Grund steht auch der Schutz- und Warnzweck der Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO nicht entgegen. Denn dieser Zweck ist bereits dadurch gewahrt, dass bei dem maßgeblichen ursprünglichen Vertragsschluss die Form eingehalten wurde.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
Für den Streitwert ist ein Bruchteil – in der Regel und so auch hier rund ein Drittel – der beim Schiedsgericht zu verfolgenden Forderung anzusetzen (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 GKG; BGH HmbSchRZ 2009, 5; MüKo-ZPO/Münch, 5. Aufl., § 1032 Rn. 30).
Einer Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, da diese kraft Gesetzes zulässig ist, §§ 1065 Abs. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.