AG Darmstadt – Az.: 313 C 243/09 – Urteil vom 21.03.2011
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird gegen das Urteil zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, macht gegen den Beklagten Stromverbrauchskosten geltend.
Die Klägerin hat den Stromverbrauch in der Verbrauchsstelle ….., gemäß den Rechnungen vom 16. 11.2007 (Blatt 20 ff. d. A.) und 18.02.2008 (Blatt 17 ff d. A.) abgerechnet. Danach wurde in dem Zeitraum vom 01.02.2007 bis 08.11.2007 Strom verbraucht, der entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen mit 571,97 € brutto berechnet wurde. In dem Zeitraum vom 09.11.2007 bis 04.02.2008 entstanden Stromverbrauchskosten in Höhe von 106,40 €. Hierauf wurden Zahlungen in Höhe von 360,00 € geleistet. Für eine am 04.02.2008 erfolgte Liefersperre macht die Klägerin 71,33 € geltend, an Wiederinbetriebnahmekosten sind in die Rechnung vom 18.02.2008 121,98 € eingestellt. Der Beklagte wohnte in den streitgegenständlichen Zeiträumen in der Verbrauchsstelle zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin, Frau …… Die Vermieterin der Verbrauchsstelle hatte mit Schreiben vom 08.02.2007 (Blatt 31 d. A.) die Klägerin informiert, dass ab dem 01.02.2007 Nutzer der Verbrauchsstelle Frau …. und der Beklagte seien. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 15.02.2007 (Blatt 32 d. A.), gerichtet an Frau …. und den Beklagten, beide als Kunden der Klägerin begrüßt und den monatlichen Abschlag sowie die Vertragsdaten mitgeteilt. Eine Reaktion durch den Beklagten hierauf erfolgte nicht. Die Klägerin richtete ihre Rechnungen an den Beklagten und Frau …. gemeinsam.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte sei Mieter der streitgegenständlichen Verbrauchsstelle gewesen.
Nachdem die Klägerin die Klage hinsichtlich einem Teil der Hauptforderung in Höhe von 73,23 €, einem zunächst geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe von 238,00 €, Verzugszinsen zwischen dem 19.03.2008 und 11.11.2008 und vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 31,20 € zurückgenommen hat, beantragt die Klägerin,
den Beklagten als Gesamtschuldner neben der gesondert verfolgten Frau …. – Amtsgericht Hünfeld, Az.: …. – zu verurteilen, an die Klägerin 511,68 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2008 sowie 70,20 € an vorgerichtlichen Kosten zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet, Mieter des Verbrauchsanwesens zu sein. Er habe in der Verbrauchsstelle gewohnt, weil er der damalige Lebensgefährte von Frau …. gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf 318,37 € aus § 433 Abs. 2 BGB.
Zwischen den Parteien ist kein Vertrag über die Lieferung von Strom zustande gekommen.
Ein objektiver Dritter in der Position der Klägerin durfte zwar in dem Schreiben der Vermieterin der Verbrauchsstelle vom 08.02.2007 ein Angebot auf Abschluss eines Stromlieferungsvertrages im Namen auch des Beklagten sehen, das dann von der Klägerin durch Lieferung von Strom sowie durch Verwendung des Begrüßungsschreibens vom 15.02.2007 angenommen worden wäre. Die Klägerin hat jedoch nicht substantiiert vorgetragen, inwieweit das Schreiben der Vermieterin der Verbrauchsstelle vom 08.02.2007 mit Vollmacht des Beklagten erfolgt ist. Auch wurde nichts vorgetragen, wonach sich eine Zurechnung der Mitteilung der Vermieterin nach den Grundsätzen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht herleiten könnte.
Ein Vertrag ist nicht dadurch zustande gekommen, dass die Klägerin das Begrüßungsschreiben vom 15. Februar 2007 an Frau …. und den Beklagten gesandt hat und dieser hierauf nicht reagiert hat. Ein Schweigen auf dieses Angebot begründet keinen Vertragsabschluss.
Die Parteien haben nicht gemäß § 2 Abs. 2 StromGVV einen Vertrag geschlossen. Zwar kommt nach dieser Vorschrift ein Vertrag mit einem Energieversorgungsunternehmen durch eine faktische Stromentnahme zustande. § 2 Abs. 2 Strom GVV muss jedoch so ausgelegt werden, dass nicht jeder, der Strom an einer Verbrauchsstelle nutzt, automatisch Vertragspartner wird. Ansonsten könnte jeder Besucher einer Wohnung zum Vertragspartner des Energieversorgers werden. Gerechtfertigt ist eine vertragliche Bindung nur dann, wenn derjenige, der den Strom entnimmt, auch die grundsätzliche Sachherrschaft über die Stromentnahmestelle hat. Denn diese Person kontrolliert die Verbrauchsstelle, sie ist berechtigt, Dritten die Stromentnahme im Einzelfall zu erlauben oder sie zu verbieten.
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Denn nach unwidersprochener Einlassung des Beklagten bestand zwischen diesem und Frau …. lediglich eine Lebensgemeinschaft ohne vertragliche Beziehungen. Der Beklagte hat aufgrund der Partnerschaft mit Frau …. mit dieser in der Wohnung gewohnt. Dies allein ist für seine Sachherrschaft über die Stromentnahmestelle und damit für einen Vertragsschluss nach § 2 Abs. 2 StromGVV nicht ausreichend. Denn Frau …. hätte den Beklagten jederzeit von der Nutzung der Verbrauchsstelle ausschließen können. Sein Verweilen in der Wohnung war von der Erlaubnis von Frau …. abhängig, die jederzeit von dieser – beispielsweise bei einem Scheitern der Beziehung – hätte widerrufen werden können. Nur aufgrund einer mietvertraglichen Vereinbarung – entweder mit dem Wohnungseigentümer oder mit dem Hauptmieter – erlangt ein Bewohner ein eigenes Recht, eine Wohnung zu nutzen und damit auch die Sachherrschaft über die Entnahmestelle. Die Klägerin hat trotz Hinweises des Gerichts keinen Beweis dafür angeboten, dass der Beklagte mit Frau …. zusammen Hauptmieter der Wohnung oder Untermieter von Frau …. war.
Die Entnahme von Strom durch den Beklagten, der unstreitig die Verbrauchsstelle genutzt hat ohne aber die Sachherrschaft hierüber zu haben, stellt keine rechtsgeschäftliche Annahme eines Vertragsangebotes der Klägerin durch konkludentes Verhalten des Beklagten dar. Ein objektiver Dritter in der Position der Klägerin konnte gerade nicht davon ausgehen, dass der Beklagte einen Vertrag abschließen wollte, weil er Strom entnommen hat. Denn Strom verbraucht jeder, der sich in einer Wohnung aufhält, eine rechtsgeschäftliche Erklärung kann hierin nicht gesehen werden.
Eine andere Bewertung der Entnahme von Strom durch den Beklagten im vorliegenden Fall würde die beiden Möglichkeiten eines Vertragsschlusses mit einem Energielieferer, nämlich durch übereinstimmende Willenserklärungen und durch die Entnahme über § 2 Abs. 2 StromGVV, miteinander vermischen. Die Regelung des § 2 Abs. 2 StromGVV und die Rechtskonstruktion eines Vertragsschluss durch faktisches Handeln, die gerade voraussetzt, dass der Entnehmende die Sachherrschaft über die Entnahmestelle hat, wäre unnötig.
Die Einordnung der Entnahme von Strom durch den Beklagten als Willenserklärung ist auch nicht deshalb ausnahmsweise im vorliegenden Fall gerechtfertigt, weil die Klägerin davon ausgehen durfte, dass der Beklagte, der ja als Mieter mitgeteilt worden war, auch die tatsächliche Herrschaft über die Entnahmestelle hatte. Wenn man eine Mitwirkungspflicht des Beklagten dahingehend statuieren würde, dass dieser auf das Begrüßungsschreiben hin die Klägerin hätte aufklären müssen, dass er gerade nicht die Sachherrschaft über die Entnahmestelle hatte, würde man den Grundsatz, dass ein Schweigen im Rechtsverkehr keine rechtsgeschäftliche Annahme eines Angebotes darstellt, im Ergebnis aushebeln.
Ein anderes Ergebnis ist nicht zum Schutz der Klägerin, die als Energieversorgungsunternehmen verpflichtet ist, Verträge mit jedem abzuschließen, erforderlich. Ein Energieversorger kann sich immer an den Eigentümer halten, so lange nicht ein Mieter der Verbrauchsstelle bekannt ist. Im vorliegenden Fall ist der Klägerin die tatsächliche Mieterin der Verbrauchsstelle bekannt. Insofern kann sie sich an diese wenden. Eine Fehlinformation durch den Vermieter der Verbrauchsstelle an die Klägerin kann nicht zu Lasten des Beklagten gehen.
Mangels Vorliegens eines Vertrages besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Kosten für die Liefersperre vom 04.02.2008 und für die Wiederinbetriebnahme in Höhe von insgesamt 193,31 € aus §§ 433, 280 Abs. 1 BGB. Die Frage, ob die von der Klägerin berechneten Pauschalen § 19 Abs. 2 StromGVV entsprechen, kann dahingestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 zuzulassen. Die Definition des Entnehmenden in § 2 Abs. 2 Strom GVV sowie die Abgrenzung zwischen einem aufgrund von Willenserklärungen zustande gekommenen Vertrages und einem faktischen Vertrag ist von grundsätzlicher Bedeutung. Eine Fallgestaltung wie die vorliegende ist soweit ersichtlich noch nicht durch ein obergerichtliches Gericht entschieden worden.