Skip to content
Menu

Verkehrsunfall mit Personenschaden – Bemessung Schmerzensgeld – Anpassungsstörung

OLG Düsseldorf – Az.: I-1 U 67/17 – Urteil vom 13.11.2018

Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das am 10. April 2017 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg – Einzelrichter – werden kostenpflichtig zurückgewiesen.

Das Berufungsurteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aus einem Verkehrsunfall, der sich am 5. August 2011 … ereignete.

Die im Unfallzeitpunkt 24-jährige Klägerin beabsichtigte, als Fußgängerin die K.-Straße zu überqueren. Hierbei wurde sie von einem Mercedes, der von dem Beklagten zu 2) geführt und gehalten wurde und der bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert war, bei dessen Abbiegevorgang … erfasst. Die Klägerin stürzte zu Boden. Durch den Unfall erlitt die Klägerin eine Prellung des linken Mittelfußes und eine Schürfverletzung am Ellenbogen.

Die Beklagte zu 1) zahlte an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 400,00 €.

Die Klägerin hat behauptet, der Mercedes habe sie mit der Beifahrerseite erfasst und sie zwei Meter weit mitgeschleift. Anschließend sei das Fahrzeug mit einem Vorderrad über ihren rechten Fuß und mit einem Hinterrad über ihren linken Fuß gefahren. Sie sei durch die Kollision auf die Straße geprallt und mit dem Rücken aufgekommen. Kurzzeitig habe sie das Bewusstsein verloren und multiple Prellungen nicht nur im Bereich des linken Fußes sondern auch der rechten Schulter, im Bereich der Hüfte und der Hand sowie des Knies erlitten. Zudem sei es zu einer Blockierung der Brust- und Halswirbelsäule gekommen. Sie habe weiterhin Schmerzen an den betroffenen Stellen. Durch den Unfall sei es ferner zu einer schwerwiegenden Anpassungsstörung mit einer ängstlich-depressiven Folgesymptomatik gekommen. In Folge dessen habe sie eine erhebliche Leistungseinbuße in sämtlichen Lebensbereichen erfahren. Insbesondere würden sich kognitive Defizite wie eine erhöhte Stressanfälligkeit und vermindertes Konzentrationsvermögen nachteilig auf ihre Studienleistung auswirken. Deshalb habe sie ihr Jurastudium bislang nicht abschließen können. Eine geplante Pilotenausbildung habe sie aufgrund ihrer Beschwerden ebenfalls nicht realisieren können.

Aufgrund dessen sei die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens weiteren 30.000,00 € gerechtfertigt.

Die Klägerin hat weiter behauptet, ihr seien Heilbehandlungs- und Hilfsmittelkosten, Taxikosten und Mobilfunkkosten für die Vereinbarung von Terminen mit Ärzten, Therapeuten und der Polizei von insgesamt 565,77 € entstanden. Ferner seien durch den Unfall die von ihr getragene Kleidung bestehend aus Jacke, T-Shirt, Hose und Schuhen wie auch ein Mobiltelefon, eine neuwertige Sonnenbrille, eine Umhängetasche, eine Armbanduhr, ein Ring, mitgeführte Fußballschuhe und eine Festplatte nebst Gehäuse beschädigt worden. Zudem sei ein Ohrring sturzbedingt nicht mehr verschließbar. Der Wiederbeschaffungsaufwand betrage insgesamt 1.579,80 €.

Unfallbedingt habe sie darüber hinaus einen Verdienstausfall in Höhe von 3.885,00 € erlitten. Dieser resultiere daraus, dass sie für zwei Modemessen als Organisationskraft in der Zeit vom 8. August 2011 bis zum 4. September 2011 gebucht gewesen sei, jedoch die Aufträge wegen ihres Gesundheitszustandes nicht habe ausführen können.

Die Klägerin hat zunächst die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 4.000,00 € begehrt und nach einer Klageerhöhung hinsichtlich des Schmerzensgeldes beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 4.647,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

die Beklagten als Gesamtschuldner weiter zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 30.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche künftige immaterielle und materielle Schäden zu ersetzen, die ihr aus dem Unfallereignis vom 5. August 2011 noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Klage insgesamt entgegengetreten und haben die Auffassung vertreten, durch die vorgerichtlich geleisteten 400,00 € sei der Schaden der Klägerin vollständig ausgeglichen.

Die Klage ist der Beklagten zu 1) am 15. Juni 2012 und dem Beklagten zu 2) am 14. Juni 2012 zugestellt worden.

Das Landgericht hat die Klägerin angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … und Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen … sowie eines orthopädisch-traumatolgischen Gutachtens des Sachverständigen … und eines psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen …, der ergänzend mündlich angehört worden ist.

Sodann hat es der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 4.285,00 € und ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € jeweils nebst Zinsen seit dem 5. Juni 2012 zugesprochen, die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz von zukünftigen immateriellen und materiellen Schäden festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat es Folgendes ausgeführt:

Die Beklagten würden dem Grunde nach für den Verkehrsunfall haften. Nach den Erkenntnissen des Sachverständigen … sei der Pkw des Beklagten zu 2) mit einer Geschwindigkeit von 10 bis 20 km/h gegen die Klägerin gestoßen, die mit einer Geschwindigkeit von 4 bis 7 km/h gegangen sei. Dabei sei das Fahrzeug gegen die Beine der Klägerin gestoßen. Durch den unten liegenden Anstoßpunkt sei der Körper der Klägerin in Rotation versetzt und dabei angehoben worden. Ob es weitere Kontakte mit der Karosserie im Bereich der Motorhaube oder des rechten Kotflügels gegeben habe, habe der Sachverständige hingegen nicht eindeutig beantworten können. Im weiteren Verlauf sei die Klägerin in die direkte Fahrbahn des Pkw geraten und auf die Fahrbahn geprallt. Hierbei sei die größte Beschleunigung entstanden, da die Fahrbahn im Gegensatz zur Karosserie unnachgiebig sei. Ausgehend von einer Aufprallgeschwindigkeit auf die Fahrbahn von 15 bis 23 km/h habe eine Spitzenbeschleunigung von 18 bis 27 G stattgefunden. Anschließend sei die Klägerin bis zum Stillstand über die Fahrbahn gerutscht.

Die Klägerin habe einen Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall. Ein solcher sei ihr nach den überzeugenden Angaben der Zeugin B. in Höhe von 3.885,00 € entstanden.

Den hinsichtlich der defekten Gegenstände entstandenen Schaden hat das Landgericht auf 200,00 € geschätzt, da es sich um Gebrauchsgegenstände gehandelt habe, die zum Unfallzeitpunkt keinen Zeitwert mehr gehabt hätten.

Die Kosten für Telefonate, Heilbehandlung und Taxikosten hat das Landgericht ebenfalls auf 200,00 € geschätzt.

Hinsichtlich der Bemessung des Schmerzensgeldes habe das Landgericht ausgehend von den Ausführungen des Sachverständigen … eine Prellung des linken Mittelfußes, eine Prellung des rechten Daumens, eine Prellung des linken Sprunggelenks, eine Prellung des linken Hüftgelenks und eine Zerrung der Halswirbelsäule berücksichtigt. Eine Gehirnerschütterung habe hingegen nicht festgestellt werden können. Ferner seien eine Blockierung der Handwurzelknochen, des Handgelenks, der Tibio-Fibula-Gelenke, der Schultergelenke und der Hals- und Brustwirbelsäule sowie eine Zervikobrachialgie wie auch ein Triggerpunktschmerzsyndrom der Hals- und Nackenwurzelknochen unberücksichtigt geblieben.

Die Klägerin leide zudem unfallbedingt unter psychischen Problemen. Nach den Erkenntnissen des Sachverständigen … liege zwar keine Posttraumatische Belastungsstörung vor, jedoch sei es offensichtlich zu einer schwerwiegenden Anpassungsstörung gekommen. Das Landgericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an, wobei es aber davon ausgeht, dass die Klägerin zumindest versucht habe, die Belastungsstörung stärker darzustellen, als diese möglicherweise tatsächlich vorhanden gewesen sei.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände und der körperlichen Verletzungen sieht das Landgericht ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € für angemessen, aber auch ausreichend an.

Dem Feststellungsantrag sei stattzugeben, da die Klägerin zumindest in psychischer, möglicherweise auch in körperlicher Hinsicht leide.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes und trägt auf eine Erhöhung um mindestens 20.000,00 € an. Sie rügt, das Landgericht habe gegen den Grundsatz einer einheitlichen Schmerzensgeldbemessung verstoßen, da es das Schmerzensgeld in einen bereits bemessenen Teil und einen zukünftigen Teil im Rahmen des Feststellungstenors aufteile.

Ferner habe das Landgericht die lange Regulierungszeit und die nahezu verhöhnende Schmerzensgeldzahlung von nur 400,00 € unberücksichtigt gelassen. Das zögerliche Regulierungsverhalten hätte zu einer Erhöhung des ausgeurteilten Schmerzensgeldes um 50 % führen müssen.

Zudem habe das Landgericht eine Blockierung der Handwurzelknochen, des Handgelenks, der Tibio-Fibulagelenke, der Schultergelenke und der Hals- und Brustwirbelsäule sowie eine Zervikobrachialgie wie auch ein Triggerpunktschmerzsyndrom der Hals- und Nackenwurzelknochen zu Unrecht nicht berücksichtigt, obwohl das eingeholte Gutachten dies bestätigt habe.

Die Klägerin beantragt, das am 10. April 2017 verkündete Urteil des Landgerichts teilweise abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber weitere 20.000,00 € nicht unterschreiten sollte, zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 5. Juni 2012.

Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und mit eigener Berufung in Abänderung des am 10. April 2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Duisburg die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagten wenden sich gegen das zuerkannte Schmerzensgeld und sind der Auffassung, die Klägerin habe keine körperlichen wie auch psychischen Verletzungen nachgewiesen, die ein weitergehendes Schmerzensgeld als den bereits vorgerichtlich geleisteten Betrag rechtfertigen würden. Die leichte Schwellung bzw. Verletzung des Fußes, die unstreitige Schürfwunde im Bereich des Ellenbogens und die mit dem Unfall und der anschließenden Behandlung einhergehenden Unannehmlichkeiten seien durch den Betrag von 400,00 € ausreichend kompensiert.

Die Beklagten wenden sich gegen die Feststellungen des Landgerichts zu weiteren unfallbedingten Verletzungen und rügen die diesbezügliche Beweiswürdigung. Insoweit lägen keinerlei objektivierte Befunde vor. Der Sachverständige … habe ausschließlich anhand der in der Akte vorhandenen Atteste einen Unfallzusammenhang für möglich erachtet, ohne diesen selbst überprüft zu haben. Insbesondere sei trotz Antrags die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen … unterblieben. Zudem habe das Landgericht Vorerkrankungen der Klägerin nicht berücksichtigt. Nach alledem fehle es sowohl nach dem Beweismaßstab des § 286 ZPO wie auch des § 287 ZPO an der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit, dass die streitigen Verletzungsfolgen unfallbedingt eingetreten seien.

Die Beklagten wenden sich ferner gegen die Feststellungen des Landgerichts zu einer unfallbedingten Anpassungsstörung und rügen auch insoweit die Beweiswürdigung. Diese sei widersprüchlich. Denn das Landgericht gehe einerseits von einer Aggravation aus, bejahe aber andererseits ohne objektive Anhaltspunkte eine Anpassungsstörung. Die Klägerin habe zudem keine psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert nachgewiesen. Es fehle daher insoweit bereits an einer Gesundheitsbeschädigung. Darüber hinaus bestehe bei der Klägerin eine unfallunabhängige Persönlichkeitsstörung, durch die eine Anpassungsstörung dem Schädiger nicht zugerechnet werden könne, da der Unfall nur eine Gelegenheitsursache darstelle. Insbesondere sei nicht auf den Unfall zurückzuführen, dass die Klägerin weder ihr Jurastudium beendet noch die von ihr angestrebte Pilotenausbildung begonnen hat. Vielmehr habe sie den Unfall zum Anlass genommen, die Schuld an ihrem Scheitern dem Unfall zuzuweisen. Das Landgericht hätte zudem berücksichtigen müssen, dass die Klägerin keine nachhaltigen Anstrengungen unternommen habe, die Hindernisse bezüglich des Jurastudiums und der Pilotenausbildung zu beseitigen.

Ein materieller Schaden sei nicht nachgewiesen.

Die Beklagten rügen, das Landgericht habe hinsichtlich des zuerkannten Verdienstausfalles keine Feststellungen zu einer Arbeitsunfähigkeit getroffen. Aus der Prellung des Fußes und der Schürfwunde des Ellenbogens ließe sich jedenfalls ein Verdienstausfall nicht herleiten.

Soweit das Landgericht Schadenersatz für die beschädigten Gegenstände zuerkannt habe, fehle es an Feststellungen, dass überhaupt Gegenstände beschädigt worden seien.

Schließlich mangele es der Klägerin an einem Feststellungsinteresse. Eine fortdauernde körperliche Beeinträchtigung der Klägerin werde vom Landgericht nur für möglich erachtet und eine fortbestehende psychische Beeinträchtigung sei weder nachgewiesen noch der Schädigerseite zuzurechnen.

Der Senat hat die Klägerin zu den Unfallfolgen angehört und den Sachverständigen … ergänzend befragt.

II.

Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

A. Berufung der Beklagten

1.

Die Beklagten sind der Klägerin dem Grunde nach zum Ersatz ihres Schadens aus dem Verkehrsunfall in voller Höhe gemäß den § 7 Abs. 1 StVG, § 18 Abs. 1. StVG (Beklagter zu 2)) bzw. nach 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG in Verbindung mit den vorgenannten Vorschriften (Beklagte zu 1)) verpflichtet, da sie als Fußgängerin beim Betrieb des vom Beklagten zu 2) gefahrenen und gehaltenen und bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Beklagtenfahrzeuges verletzt worden ist.

Die vollständige Haftung der Beklagten steht in der Berufungsinstanz nicht im Streit.

2.

Gegen das landgerichtliche Erkenntnis eines Schmerzensgeldes im Sinne von § 11 Satz 2 StVG in Höhe von insgesamt 10.400,00 €, auf das bereits 400,00 € gezahlt sind, ist nichts zu erinnern.

a)

Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Schmerzensgelderkenntnis auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß § 513 Abs. 1, § 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob es überzeugt. Es darf sich nicht darauf beschränken, die Ermessensausübung der Vorinstanz auf Rechtsfehler zu überprüfen (BGH, Urteil vom 28. März 2006, VI ZR 46/05, VersR 2006, 710). Dem entspricht die ständige Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 25. Oktober 2016, I-1 U 20/16).

Bei der Bemessung der Höhe eines dem Verletzten zustehenden Schmerzensgeldes sind die Schwere der erlittenen Verletzungen, das hierdurch bedingte Leiden, dessen Dauer, die subjektive Wahrnehmung der Beeinträchtigungen für den Verletzten und das Ausmaß des Verschuldens des Schädigers maßgeblich (BGH, Urteil vom 12. Mai 1998, VI ZR 182/97, Rn. 13, zitiert nach juris).

Dabei ist die Doppelfunktion des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für Schäden nichtvermögensrechtlicher Natur bieten. Es soll zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955, GSZ 1/55, Rn. 14, zitiert nach juris). In der Regel hat die Ausgleichsfunktion ein wesentlich höheres Gewicht als die Genugtuungsfunktion. Insbesondere bei Straßenverkehrsunfällen tritt die Genugtuungsfunktion gegenüber der Ausgleichsfunktion regelmäßig in den Hintergrund (Doukoff in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2016, § 253 BGB, Rn. 18 m. w. Nw.). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 25. Oktober 2016, I-1 U 20/16; Urteil vom 15. März 2018, I-1 U 57/17).

b(1)

Die Klägerin hat durch den Unfall unstreitig eine Prellung des linken Mittelfußes sowie eine Schürfverletzung am Ellenbogen erlitten.

(2)

Schmerzensgelderhöhend sind darüber hinaus folgende Verletzungen und Verletzungsfolgen zu berücksichtigen, die mit der nach § 287 ZPO notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückgehen:

Der Sachverständige … hat festgestellt, dass die Klägerin durch den Unfall eine Prellung des rechten Daumens, des linkes Sprunggelenks und des linkes Hüftgelenks, eine Zerrung der Halswirbelsäule, eine Blockierung der Tibio-Fibula-Gelenke und der Hüftgelenke, eine Schultergelenksblockierung, eine Zervikobrachialgie, eine Blockierung im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule, ein Triggerpunktschmerzsyndrom der Hals- und Nackenmuskulatur sowie eine Blockierung der Handwurzelknochen und des Handgelenks erlitten hat.

Zu Unrecht hat das Landgericht – entgegen den Feststellungen des Sachverständigen – nicht alle diese Beschwerden berücksichtigt.

Hingegen hat das Landgericht zu Recht eine Arthrose nicht berücksichtigt, da deren Unfallursächlichkeit durch den Sachverständigen … nicht festgestellt ist. Vielmehr spricht eine am 16. Dezember 2011 erfolgte Diagnose durch den behandelnden Arzt … für eine bereits vor dem Unfall bestehende Degeneration.

Das Landgericht hat die Beklagten auch nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es den Sachverständigen nicht zu einer ergänzenden Stellungnahme aufgefordert hat. In ihrem Schriftsatz vom 28. September 2015 haben die Beklagten nämlich nur vorsorglich die Einholung einer solchen beantragt, und zwar zum Nachweis der Tatsache, dass die von dem Sachverständigen getätigten Annahmen allein auf der Übernahme der Richtigkeit des Attests ohne Vorliegen entsprechender objektivierbarer Befunde beruhe. Die Unterlagen, an die der Sachverständige seine Stellungnahme anknüpft, sowie der Umstand, dass seinen Feststellungen auch die persönlich von ihm durchgeführte Untersuchung der Klägerin zugrunde lag, ergeben sich aus der Einleitung seines Gutachtens. Dass konkrete Rückfragen durch den Sachverständigen hätten beantwortet werden müssen, rügen die Beklagten nicht.

Der Senat hat auch keine Veranlassung gesehen, den Sachverständigen … ergänzend anzuhören. Zwar kann in Verfahren, in denen maßgeblich der medizinische Fachbereich berührt wird, sich gemäß § 412 ZPO aus den Umständen des Einzelfalls die Pflicht des Gerichts ergeben, bei Einwendungen gegen die Gutachten gerichtlich bestellter Sachverständiger den medizinischen Sachverhalt weiter aufzuklären und dazu die Sachverständigen zu befragen und zur Ergänzung zu veranlassen und gegebenenfalls bei schwierigen Fragen ein weiteres Gutachten einzuholen (BGH, Urteil vom 13. Juli 1988, IVa ZR 204/87, Rn. 16, zitiert nach juris; Urteil vom 6. März 1986, III ZR 245/84, Rn. 40, zitiert nach juris). Die Ausführungen des Sachverständigen lassen sich jedoch gut nachvollziehen und lassen keine Rückfragen offen.

(3)

Schmerzensgelderhöhend ist weiter Folgendes zu berücksichtigen:

Die Klägerin wurde nach dem Unfall ambulant im Krankenhaus behandelt. Ihr wurden Unterarmgehstützen, Schmerzmittel, das Anlegen von Salbenverbänden und eine Thomboseprophylaxe verordnet. In der Zeit vom 8. August bis zum 12. August 2011 war die Klägerin krankgeschrieben. Bis zum 20. August 2011 war die Klägerin vollständig in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert und anschließend bis zum 20. September 2011 um 50 %. Dies hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie … festgestellt. Bei der Klägerin erfolgten eine Elektrobehandlung, eine Behandlung mit Warmpackungen und eine manuelle Therapie, die nach den Erkenntnissen des behandelnden Orthopäden am 20. September 2011 erfolgreich abgeschlossen war.

(4)

Soweit die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung vordem Landgericht fortbestehende körperliche Beschwerden beschrieben hat, nämlich Verspannungen im Nacken und Schulter mit Taubheitsgefühlen bis in die Hand und Schmerzen im Kiefer mit Erforderlichkeit der Einnahme von Schmerzmitteln und Anlegen einer Halskrause sowie Tinnitus mit der Folge, dass die Klägerin keine größeren sportlichen Aktivitäten mehr ausführen könne, hat sich dies durch die weitere Beweisaufnahme nicht bestätigt.

Der Sachverständige … hat hierzu festgestellt, dass zum Zeitpunkt seiner Untersuchung am 11. August 2015 außer den seitens der Klägerin vorgetragenen – und von ihm nachvollzogenen – Beschwerden auf orthopädisch-traumatologischem Fachgebiet keine verletzungsbedingten Unfallfolgen fortbestünden. Vielmehr stünden die weiter vorgetragenen Beschwerden in Diskrepanz zu den objektivierbaren Unfallfolgen.

Korrespondierend hiermit hat der Sachverständige … bei seiner Anhörung vor dem Senat geäußert, dass bei seiner Exploration die körperlichen Beschwerden nicht im Vordergrund der Äußerungen der Klägerin gestanden haben.

(5)

Durch den Unfall kam es jedoch bei der Klägerin zu einer schwerwiegenden Anpassungsstörung.

(aa)

Der Sachverständige … der die Klägerin begutachtet hat und sich dabei intensiv damit auseinander gesetzt hat, ob die Angaben der Klägerin nachvollziehbar sind, ist zu der Diagnose einer schwerwiegenden Anpassungsstörung – als Reaktion auf den Unfall – gelangt. Der Senat ist nach Anhörung der Klägerin und des Sachverständigen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin ihre psychischen Beschwerden nicht vorgespielt hat.

Im Rahmen ihrer Anhörung hat die Klägerin dem Senat von Schlafstörungen, Flashbacks sowie einer Geräuschempfindlichkeit berichtet. Vor dem Landgericht hat die Klägerin hinsichtlich ihres psychischen Befindens zudem von Konzentrationsschwierigkeiten und einer verringerten Belastbarkeit berichtet.

Die geäußerten Beschwerden konnte der Sachverständige … nachvollziehen.

Durch die schwere Anpassungsstörung hätten – so der Sachverständige – Angstsymptome mit einer fast kontinuierlichen Fokussierung auf das Unfallereignis, emotionaler Anspannung, Verlust der Integrität und der psychischen Abwehr, häufigen Erinnerungen an das Unfallereignis (Flashbacks) und Schlafstörungen bestanden. Aufgrund einer unfallunabhängig aufgetretenen Gürtelrose sei es im Oktober 2015 zu einer Zunahme der Symptomatik gekommen. Im Anschluss habe die Intensität der subjektiven Folgeschäden des Unfallereignisses gewechselt.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen … hat die Klägerin im Zeitraum 2011 bis 2015 ihre Leistungsfähigkeit um 60 bis 100 % vermindert erlebt. Ab 2015/2016 habe sich dieses Empfinden auf eine Verminderung der Leistungsfähigkeit von 20 % reduziert. Es beständen Defizite durch Konzentrationsstörungen, ängstlich-depressive Vermeidungstendenzen, ein Rückzugsverhalten und eine deutlich reduzierte Stresstoleranz.

(bb)

Die Anpassungsstörung ist den Beklagten zuzurechnen.

Grundsätzlich haftet ein Schädiger für alle gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Geschädigte durch die Schädigungshandlung erlitten hat, und zwar unabhängig davon, ob es sich um körperliche oder psychisch bedingte Folgewirkungen handelt (Senat, I-1 U 211/13, Urteil vom 25. November 2014). Der Schädiger kann sich nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte aufgrund seiner Disposition für die aufgetretene Symptomatik besonders anfällig gewesen ist. Dies gilt auch für psychische Schäden, die aus einer besonderen seelischen Labilität des Geschädigten erwachsen und sich als seelische Fehlreaktionen darstellen (BGH, Urteil vom 10. Juli 2012, VI ZR 127/11, Rn. 8, zitiert nach juris; Urteil vom 30. April 1996, VI ZR 55/95, Rn. 14, zitiert nach juris; Urteil vom 16. März 1993, VI ZR 101/92, Rn. 11, zitiert nach juris; Senat, I-1 U 159/14, Urteil vom 17. November 2015, Rn. 31, zitiert nach juris; I-1 U 211/13, Urteil vom 25. November 2014).

Jedoch bestehen für die Pflicht zum Ersatz psychischer Unfallfolgen bestimmte Grenzen. Nimmt der Geschädigte aufgrund seiner besonderen Persönlichkeitsstruktur den Unfall lediglich zum Anlass, latente innere Konflikte zu kompensieren, und flüchtet er sich so in eine Neurose, die keinen inneren Bezug zu dem Unfallgeschehen mehr aufweist, sondern bei der sich dieses Geschehen nur als ein durch beliebige andere Ereignisse auswechselbarer Kristallisationspunkt für eine neurotische Fehlverarbeitung darstellt, dann ist es nach dem Normzweck des § 823 Abs. 1 BGB – und gleiches gilt für § 7 Abs. 1 StVG – nicht gerechtfertigt, auch die psychischen Beeinträchtigungen des Geschädigten dem Schädiger zuzurechnen. Sie sind in einem solchen Fall nur rein zufällig durch das Unfallgeschehen ausgelöst worden, hätten in gleicher oder ähnlicher Weise auch aus womöglich geringfügigen anderen Anlässen eintreten können und gehören deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum allgemeinen Lebensrisiko des Versetzten, das dieser entschädigungslos zu tragen hat (BGH, Urteil vom 16. März 1993, VI ZR 101/92, Rn. 9, zitiert nach juris). Entscheidend ist, ob der geltend gemachte Schaden noch in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage steht. Ein rein äußerlicher, gewissermaßen zufälliger Zusammenhang genügt nicht (BGH, Urteil vom 10. Juli 2012, VI ZR 127/11, Rn. 13, zitiert nach juris).

Nach den Erkenntnissen des Sachverständigen … handelt es sich bei der Klägerin zwar um eine verletzbare und kränkbare Persönlichkeit mit einem sehr hohen Leistungsanspruch. Naheliegend sei es, dass sich die Klägerin bislang deshalb nicht der Ausbildung als Pilotin gestellt und ihr Studium zum Abschluss gebracht hat, weil sie sich persönlichkeitsbedingt dem Risiko des Scheiterns nicht habe aussetzen wollen. Es spreche jedoch nichts dafür, dass die Klägerin diese Krise nicht hätte überwinden können. Dies sei ihr jedoch durch den Unfall erschwert worden.

Verkehrsunfall mit Personenschaden - Bemessung Schmerzensgeld - Anpassungsstörung
(Symbolfoto: Von LightField Studios/Shutterstock.com)

Nicht jeder Anlass habe jedoch bei der Klägerin eine zu einer solchen Erschwernis führenden Erschütterung auslösen können, sondern nur Anlässe von einigem Gewicht. Dies hat der Sachverständige nachvollziehbar daraus geschlossen, dass er aus ihrer Biographie keine Anhaltspunkte für eine gestörte Persönlichkeitsentwicklung gefunden habe. Ebenso wenig habe er Indizien dafür, dass die Fähigkeit der Klägerin, mit Kränkungen umzugehen, herabgesetzt gewesen sei. Aus den Umständen, dass die Klägerin ein Auslandsschuljahr in den U.S.A. erfolgreich durchgeführt, Abitur gemacht und sich einem Studium gestellt hat, leite sich vielmehr eine allgemeine psychische Kompetenz ab.

Das Unfallereignis stellt damit ein besonderes Ereignis im Leben der Klägerin dar und gerade keine geringfügige, alltägliche Ursache, so dass es hier bei einer Haftung der Schädigerseite auch für die psychischen Störungen der Klägerin verbleiben muss.

(6)

Deutlich anspruchsmindernd muss sich die Klägerin entgegenhalten lassen, dass sie ihrer Obliegenheit zur Schadensgeringhaltung im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB nicht nachgekommen ist. Denn sie hat sich kaum angestrengt, ihre psychischen Belastungen zu reduzieren, obwohl ihr dies möglich gewesen wäre. Insbesondere hat sie keine ernsthaften Therapieversuche unternommen. Die Klägerin hat – nach ihrer eigenen Schilderung – lediglich alle paar Monate Kontakt zu einer Psychiaterin gesucht, die in M., also weit vom Wohnort der Klägerin … entfernt, ansässig ist. Der letzte Kontakt fand vor etwa einem Jahr statt. Nach der nachvollziehbaren Auffassung des Sachverständigen … hat die Klägerin damit nicht alles Zumutbare getan, um ihrer Anpassungsstörung „Herr“ zu werden. Vielmehr hätte sie therapeutische Angebote finden können, die im Internet oder anderweitig niederschwellig zur Verfügung stehen. Hierzu sei die Klägerin hinreichend intelligent und habe sich in der Exploration auch interessiert an der Beantwortung von Fragen zu ihrem psychischen Befinden gezeigt. Auch ihre Erkrankung habe sie nicht daran gehindert, jedenfalls etwas mehr Bemühung entfalten zu können. Nach Auffassung des Sachverständigen sind die Anpassungsstörungen therapierbar, so dass eine frühere therapeutische Intervention auch wahrscheinlich zum Erfolg, jedenfalls zu spürbaren Entlastungen geführt hätte.

c)

Die Unfallfolgen rechtfertigen unter Berücksichtigung auch des im Unfallzeitpunkt noch recht jungen Alters der Klägerin von 24 Jahren einerseits sowie ihrer Verletzung der Obliegenheit, den Schaden gering zu halten, andererseits ein Schmerzensgeld in Höhe von jedenfalls nicht unter 10.400,00 €.

Bei der Bestimmung der konkreten Höhe des Schmerzensgeldes hat sich der Senat an Entscheidungen mit einem ähnlichen Verletzungsbild orientiert. Beispielhaft sind hierfür bei Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeiträge 2019, 37. Auflage, nach juris zu nennen:

  • OLG Hamm, Urteil vom 26. Juli 2016, 9 U 169/15, Lfd. Nummer 37.2963: 8.000,00 € (Indexanpassung 2019: 8.268,00 €) bei HWS-Distorsion, Daumenprellung, Gehirnerschütterung, weitere Prellungen und Platzwunden und einer Posttraumatischen Belastungsstörung als Dauerschaden, die durch eine nicht unfallbedingte Depression überlagert wird,
  • OLG Saarbrücken, Urteil vom 31. Januar 2013, 4 U 349/11, Lfd. Nummer 37.2872: 10.000,00 € bei Depression, Ängsten und Panikattacken als Folge einer 14 Jahre vorausgegangenen Unfallverletzung (Oberschenkelfraktur mit Schädel-Hirn-Trauma), für die bereits ein Schmerzensgeld von 15.000,00 € zuerkannt war,
  • OLG Stuttgart, Urteil vom 9. Juni 2011, 13 U 26/09, Lfd. Nummer 37.2972: 11.300,00 € (Indexanpassung 2019: 12.319,00 €) bei einem fortbestehenden Posttraumatischen Belastungssyndrom als Folge von zwei zeitlich hintereinanderliegenden Verkehrsunfällen, bei dem die 40-jährige Klägerin je eine Verletzung der Halswirbelsäule erlitten hat,
  • LG Leipzig, Urteil vom 30. September 2011, 5 O 4189/06, Lfd. Nummer 37.1905: 17.000,00 € (Indexanpassung 2019: 18.443,00 €) bei psychischer Fehlverarbeitung mit noch nach sieben Jahren anhaltenden erheblichen Beschwerden nach Prellungen, Schürfwunden und Stauchungen im Bereich der Wirbelsäule, im Unfallzeitpunkt 25-jähriger Mann, kann unfallbedingt keinen Sport mehr ausüben, Belastungsbeeinträchtigung, erhöhte Schmerzempfindlichkeit, Gereiztheit.

3.

Die Berufung hat hinsichtlich des Feststellungsantrages keinen Erfolg.

Der Feststellungsantrag ist zulässig, da die Möglichkeit des Eintritts künftiger Schäden, resultierend aus dem Verkehrsunfall, besteht.

Begründet ist ein Feststellungsantrag, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2017, VI ZR 423/16, VersR 2018, 120, 126, Rn. 49).

Durch die fortbestehende Anpassungsstörung ist der Eintritt weiterer Schäden möglich.

Darauf, ob der Eintritt weiterer künftiger Schäden wahrscheinlich ist, kommt es in den Fällen, in denen die Verletzung eines – durch § 823 Abs. 1 BGB oder durch § 7 Abs. 1 StVG geschützten – Rechtsguts und darüber hinaus ein daraus resultierender Vermögensschaden bereits eingetreten sind, nicht an. Es gibt keinen Grund, die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere, künftige Schäden von der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts abhängig zu machen. Denn materiell-rechtlich wird es den Anspruch auf Ersatz dieser Schäden ohnehin nicht geben, solange diese nicht eingetreten sind. Da dementsprechend der Feststellungsausspruch nichts darüber aussagt, ob ein künftiger Schaden eintreten wird, ist es unbedenklich, die Ersatzpflicht des Schädigers für den Fall, dass der Schaden eintreten sollte, bereits jetzt festzustellen (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2017, VI ZR 423/16, VersR 2018, 120, 126, Rn. 49).

4.

Ohne Erfolg wenden sich die Beklagten gegen die Zuerkennung eines Verdienstausfalls in Höhe von 3.855,00 €, Das Landgericht ist zurecht davon ausgegangen, dass die Klägerin in der Zeit vom 8. August bis zum 4. September 2011 für insgesamt 21 Arbeitstage zu einem Tagessatz von 185,00 € für Organisationstätigkeiten auf zwei Modemessen gebucht war und diese Tätigkeit unfallbedingt nicht ausüben konnte.

Dass die Klägerin für diese Zeiträume für Modemessen gebucht war, wird von Berufung nicht angegriffen.

Die Klägerin war unfallbedingt nicht in der Lage, diese Tätigkeit auszuüben. Angesichts einer Verordnung von Unterarmgehstützen noch am Unfalltag, einer Krankschreibung durch den Hausarzt vom 8. bis zum 12. August 2011 und einer durch den Orthopäden und Unfallchirurgen … bescheinigten vollständigen Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zum 20. August 2011 und einer anschließenden 50 %-igen Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zum 20. September 2011 steht es außer Frage, dass die Klägerin die Tätigkeit unfallbedingt nicht wahrnehmen konnte.

5.

Ohne Erfolg wenden sich die Beklagten gegen die Zuerkennung von Schadensersatz in Höhe von 200,00 € für Telefon-, Heilbehandlungs- und Fahrtkosten. Denn der Klägerin sind folgende Auslagen unfallbedingt entstanden:

  • Zuzahlung Unterarmgehstützen 27,82 €
  • Praxisgebühr 3. Quartal 2011 10,00 €
  • Praxisgebühr 4. Quartal 2011 10,00 €
  • Taxifahrt vom Krankenhaus am 5. August 2011 7,00 €
  • Taxifahrten zum und vom Krankenhaus am 8. August 2011 11,00 €
  • Taxifahrt zum Hausarzt am 9. August 2011 9,00 €
  • Zuzahlung Medikament vom 12. August 2011 5,00 €
  • Zuzahlung Medikament vom 30. September 2011 5,00 €
  • Bandagen 9. August 2011 2,25 €
  • Bandagen 7. September 2011 4,50 €
  • Voltaren und Lastotel vom 7. September 2011 7,30 €
  • Lastotel-Binden vom 7. September 2011 2,38 €
  • Bandagen 15. November 2011 14,97 €
  • Bandagen 20. November 2011 12,34 €
  • Therapiezuzahlung vom 2. September 2011 17,20 €
  • Therapiezuzahlung vom 23. November 2011 5,00 €
  • Therapiezuzahlung vom 8. Dezember 2011 26,60 €
  • Auslagen für Telefonate 25,00 €
  • Gesamt 202,36 €

Die Klägerin hat dabei Anspruch auf Ersatz der Praxisgebühr für das dritte und vierte Quartal 2011, denn nach dem ärztlichen Bericht des Orthopäden und Unfallchirurgen … über die Unfallfolgen befand sich die Klägerin in diesem Zeitraum bei ihm unfallbedingt in Behandlung.

Angesichts der verordneten Unterarmgehstützen sind auch die Taxikosten für Fahrten vom und zum Krankenhaus wie auch zum Hausarzt zu ersetzen.

Ebenfalls zu ersetzen sind die Kosten für die verordneten Medikamente und Salbenverbände. Ferner ist die Zuzahlung für die manuelle Therapie zu ersetzten, da diese ausdrücklich als unfallbedingt verordnet wurde und die zugrundeliegende Diagnose auch vom Sachverständigen … als unfallbedingt bestätigt worden ist.

Die Kosten für Telefonate und Schreibauslagen werden vom Senat in ständiger Rechtsprechung gemäß § 287 ZPO auf 25,00 € geschätzt, da Auslagen in dieser Höhe regelmäßig anlässlich von Unfällen entstehen.

6.

Ohne Erfolg wenden sich die Beklagten auch gegen die Zuerkennung von weiterem Schadensersatz in Höhe von 200,00 € für durch den Unfall beschädigte Gegenstände.

Angesichts der von dem Sachverständigen T. ermittelten Aufprallgeschwindigkeit der Klägerin auf die Fahrbahn zwischen 15 und 23 km/h und einem anschließenden Rutschen der Klägerin über die Fahrbahn ist von einer ganz erheblichen Beschädigung der von der Klägerin getragenen Kleidung auszugehen. Ebenso plausibel ist angesichts des harten Aufpralls die Beschädigung von mitgeführten Gegenständen wie eines Mobiltelefons, einer Armbanduhr und einer Sonnenbrille.

Für den Senat steht außer Frage, dass die Klägerin die Gegenstände mit sich geführt hat. Denn es kann nicht ernsthaft davon ausgegangen werden, dass die Klägerin unbekleidet über die Straße gelaufen ist. Auch das Mitführen weiterer Gegenstände wie einer Sonnenbrille, einer Armbanduhr, eines Mobiltelefons, aber auch einer mobilen Festplatte ist üblich und zu erwarten.

Nicht zu beanstanden ist es daher, dass das Landgericht den unfallbedingt entstandenen Schaden an Kleidung und mitgeführten Gegenständen gemäß § 287 ZPO auf zumindest 200,00 € geschätzt hat.

Es besteht auch eine ausreichende Schätzgrundlage. Die Klägerin hat zu den Gegenständen substantiiert unter Angabe der Anschaffungspreise vorgetragen.

Die Annahme eines Gesamtschadens von 200,00 € durch das Landgericht für beschädigte Schuhe, eine zerrissene Hose, eine zerrissene Jacke, ein eingerissenes T-Shirt, eine zerkratzte und funktionsunfähige Armbanduhr, ein beschädigtes Mobiltelefon und eine verbogene und verkratzte Sonnenbrille mit fehlendem Nasensteg erscheint – auch wenn nicht der Wiederbeschaffungsaufwand, sondern der Zeitwert maßgeblich ist – äußerst moderat. Der Senat schließt aus, dass der Klägerin ein geringerer Schaden entstanden ist.

B. Berufung der Klägerin

Die zulässige Berufung der Klägerin, mit der diese ein höheres Schmerzensgeld anstrebt, ist unbegründet. Ein Anspruch über den vom Landgericht zuerkannten Betrag von – neben gezahlter 400,00 € – weiteren 10.000,00 € besteht nicht.

1.

Ohne Erfolg rügt die Klägerin, das Landgericht habe nicht alle zu erwartenden Folgen bei der Schmerzensgeldbemessung berücksichtigt, indem es dem Antrag auf Feststellung einer Ersatzpflicht hinsichtlich zukünftiger immaterieller Schäden stattgegeben habe, statt diese schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen.

Denn jedenfalls die vom Senat vorgenommene eigene Ermessensentscheidung berücksichtigt alle Folgen, die bereits eingetreten bzw. vorhersehbar sind und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eintreten werden.

Die Feststellung der Verpflichtung, zukünftige immaterielle Schäden auszugleichen, umfasst daher nur Unfallfolgen, die nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eintreten werden und die daher bei der Bemessung des zuerkannten Schmerzensgeldes keine Berücksichtigung finden können.

2.

Eine treuwidrig verzögerte Schadensregulierung kann zwar zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen (Senat, Urteil vom 12. August 2014, I-1 U 52/12, Rn. 55, zitiert nach juris). Das Bestreiten der Verletzungsfolgen stellt jedoch kein treuwidriges Regulierungsverhalten dar, so dass sich das Schmerzensgeld nicht dadurch erhöht, dass sich die Beklagten gegen eine Verurteilung zur Wehr gesetzt haben und vorgerichtlich nur einen Ausgleich von 400,00 € vorgenommen haben.

3.

Der Senat hat bei der Ausübung seines billigen Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass das Landgericht einerseits zu Unrecht nicht alle sachverständigenseits festgestellten körperlichen unfallbedingten Verletzungen und Verletzungsfolgen berücksichtigt hat (oben II.A.2.b)(2)). Andererseits war schmerzensgeldmindernd zu bedenken, dass die Klägerin ihre Obliegenheit zur Schadensgeringhaltung erheblich verletzt hat (oben II.A.2.b)(6)).

III.

1.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

2.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 713, § 543, § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

3.

Der Streitwert wird für

– die Berufung der Klägerin auf 20.000,00 € und für

– die Berufung der Beklagten auf 19.285,00 €, wobei 10.000,00 € auf den Schmerzensgeldantrag, 4.285,00 € auf den Schadensersatzantrag und 5.000,00 € auf den Feststellungsantrag entfallen,

festgesetzt.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Wie können wir Ihnen helfen?

Wir sind Ihr Ansprechpartner in allen rechtlichen Angelegenheiten. Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Ersteinschätzung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Rechtstipps

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!