Übersicht
- 1 Das Wichtigste in Kürze
- 2 Der Fall vor Gericht
- 2.1 Der Streitfall: Hohe Forderungen nach angeblichem Unfall
- 2.2 Verdacht der Manipulation: Die Verteidigung der Versicherung
- 2.3 Das Urteil der Vorinstanz: Klageabweisung wegen fingiertem Unfall
- 2.4 Die Berufung des Klägers: Angriff auf die Beweiswürdigung
- 2.5 Einschätzung des Kammergerichts: Berufung vor der Zurückweisung
- 2.6 Beweislast bei Unfallmanipulation
- 2.7 Rechtliche Einordnung: Einwilligung schließt Ansprüche aus
- 2.8 Bedeutung für Betroffene
- 3 Die Schlüsselerkenntnisse
- 4 Benötigen Sie Hilfe?
- 5 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 5.1 Was bedeutet „gewillkürte Prozessstandschaft“ und welche Risiken birgt sie für den Kläger?
- 5.2 Welche Indizien sprechen typischerweise für eine Unfallmanipulation und wie werden diese vor Gericht bewertet?
- 5.3 Was bedeutet „volle Überzeugung“ des Gerichts und welche Anforderungen werden an den Nachweis einer Unfallmanipulation gestellt?
- 5.4 Welche Rolle spielen Ermittlungsakten der Polizei bei der Beurteilung eines Verkehrsunfalls vor Gericht?
- 5.5 Was kann ich tun, wenn ich den Verdacht habe, Opfer einer Unfallmanipulation geworden zu sein?
- 6 Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- 7 Wichtige Rechtsgrundlagen
- 8 Hinweise und Tipps
- 9 Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 22 U 69/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: KG Berlin
- Datum: 16.12.2021
- Aktenzeichen: 22 U 69/21
- Verfahrensart: Berufungsverfahren (Hinweisbeschluss zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung)
- Rechtsbereiche: Schadensersatzrecht, Verkehrsrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Fordert Schadensersatz für einen angeblichen Verkehrsunfall im Namen des Fahrzeugeigentümers (Sicherungseigentümerin).
- Beklagte: Der beteiligte Fahrzeugführer und dessen Haftpflichtversicherung. Sie behaupten, der Unfall sei abgesprochen gewesen.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Streit um Schadensersatzforderungen (hauptsächlich fiktive Reparaturkosten, Wertminderung, Gutachterkosten) nach einem angeblichen Verkehrsunfall am 31. Mai 2019. Es wurde darauf hingewiesen, dass der beklagte Fahrer kurz vor und nach diesem Datum in weitere Unfälle verwickelt war.
- Kern des Rechtsstreits: Ob der Unfall vom 31. Mai 2019 ein tatsächliches Unfallereignis war oder ob er zur Täuschung der Versicherung inszeniert wurde.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht (Senat) kündigt an, dass es beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Vorinstanz (Landgericht) durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
- Folgen: Der Kläger erhält die Möglichkeit, bis zum 17. Januar 2022 zu den Gründen für die beabsichtigte Zurückweisung Stellung zu nehmen.
Der Fall vor Gericht
Der Streitfall: Hohe Forderungen nach angeblichem Unfall

Im Zentrum des Verfahrens vor dem Kammergericht Berlin stand ein angeblicher Verkehrsunfall vom 31. Mai 2019 in der Grüntaler Straße. Der Kläger forderte von der Haftpflichtversicherung (Beklagte zu 1.) und dem Fahrer des gegnerischen Fahrzeugs (Beklagter zu 2.) erheblichen Schadensersatz. Geltend gemacht wurden fiktive Reparaturkosten, Wertminderung und weitere Posten.
Der Kläger trat dabei nicht als Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs auf, sondern in sogenannter gewillkürter Prozessstandschaft für die finanzierende Bank, die Sicherungseigentümerin war. Dies bedeutet, er machte das Recht eines Dritten im eigenen Namen geltend. Die Gesamtforderung belief sich auf fast 47.000 Euro, zuzüglich Gutachter- und Anwaltskosten.
Verdacht der Manipulation: Die Verteidigung der Versicherung
Die beklagte Versicherung wehrte sich vehement gegen die Forderungen. Ihr zentrales Argument: Der Unfall sei kein zufälliges Ereignis gewesen, sondern ein verabredeter Unfall – eine sogenannte Unfallmanipulation. Ziel sei es gewesen, unberechtigt Versicherungsleistungen zu erschleichen. Die Versicherung trat dem Verfahren auch zur Unterstützung des nicht anwaltlich vertretenen Fahrers bei.
Auffällig war zudem, dass der beteiligte Fahrer, der Beklagte zu 2., kurz vor und kurz nach dem streitgegenständlichen Vorfall in weitere Unfälle verwickelt war (27. Mai und 4. Juli 2019). Die entsprechenden Ermittlungsakten der Polizei lagen dem Gericht vor und spielten eine Rolle bei der Bewertung des Geschehens.
Das Urteil der Vorinstanz: Klageabweisung wegen fingiertem Unfall
Das Landgericht Berlin hatte die Klage in erster Instanz vollständig abgewiesen. Nach umfassender Beweisaufnahme, zu der auch die Vernehmung des Beklagten zu 2. und eines weiteren Zeugen gehörte, gelangte das Gericht zur vollen Überzeugung, dass der Unfall gestellt war. Die Indizien sprachen aus Sicht des Landgerichts klar für eine Manipulation.
Die genauen Gründe für diese Überzeugung wurden im Urteil des Landgerichts dargelegt, wobei auf Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten in den Aussagen sowie auf die Gesamtumstände des Falles abgestellt wurde. Die hohe Schadenssumme bei einem relativ einfachen Unfallhergang könnte ebenfalls ein Faktor gewesen sein.
Die Berufung des Klägers: Angriff auf die Beweiswürdigung
Der Kläger legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein. Er war der Auffassung, die Tatsachenfeststellung des Landgerichts sei fehlerhaft und werde nicht durch die Aussagen des Fahrers und des Zeugen gestützt. Die Begründung des Landgerichts für seine Überzeugung sei nicht ausreichend tragfähig.
Der Kläger wiederholte im Berufungsverfahren im Wesentlichen seine Argumentation aus der ersten Instanz. Er versuchte, die festgestellten Widersprüche in den Aussagen des Fahrers damit zu erklären, dass dieser lediglich versucht habe, ein eigenes Verschulden am Unfallhergang zu bestreiten. Dies sei aber kein Beleg für eine Manipulation.
Rechtliches Argument: Halterhaftung trotz möglicher Absprache?
Ein weiterer Kernpunkt der Berufung war die Rechtsauffassung des Klägers zur Halterhaftung. Er argumentierte, selbst wenn eine Absprache oder Einwilligung vorgelegen haben sollte, schließe dies einen Anspruch aus der verschuldensunabhängigen Halterhaftung (§ 7 StVG) nicht aus. Diese Haftung trifft den Halter eines Fahrzeugs allein aufgrund der Betriebsgefahr, die von dem Fahrzeug ausgeht.
Einschätzung des Kammergerichts: Berufung vor der Zurückweisung
Das Kammergericht Berlin teilte in seinem Beschluss vom 16. Dezember 2021 mit, dass es nach vorläufiger Prüfung beabsichtige, die Berufung des Klägers einstimmig zurückzuweisen. Dies sollte gemäß § 522 Abs. 2 ZPO geschehen, einer Vorschrift, die eine schnelle Zurückweisung ohne mündliche Verhandlung ermöglicht.
Die Voraussetzungen für dieses Vorgehen sind, dass das Gericht die Berufung einstimmig für offensichtlich unbegründet hält, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
Dem Kläger wurde eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Die Ankündigung des Gerichts signalisiert jedoch deutlich, dass es die Argumentation des Klägers für nicht stichhaltig und die Entscheidung des Landgerichts für korrekt hält. Das Kammergericht sah offenbar keine ernsthaften Zweifel an der Überzeugung des Landgerichts, dass der Unfall manipuliert war.
Beweislast bei Unfallmanipulation
Der Nachweis einer Unfallmanipulation ist für die Versicherung oft schwierig, da direkte Beweise wie Geständnisse selten sind. Gerichte stützen ihre Überzeugung daher meist auf eine Gesamtschau von Indizien ( Indizienbeweis ). Typische Anzeichen können sein: Häufige Unfallbeteiligungen, untypische Unfallorte oder -zeiten, widersprüchliche Aussagen, auffällige Schadensbilder oder besonders hohe Schadenssummen bei einfachen Kollisionen.
Im vorliegenden Fall schienen die wiederholten Unfallbeteiligungen des Fahrers, mögliche Widersprüche in den Aussagen und die Überzeugung des Landgerichts nach der Beweisaufnahme ausschlaggebend für die Einschätzung des Kammergerichts zu sein.
Rechtliche Einordnung: Einwilligung schließt Ansprüche aus
Entgegen der Auffassung des Klägers führt eine nachgewiesene Unfallmanipulation zum vollständigen Ausschluss von Schadensersatzansprüchen. Wenn die Beteiligten den Unfall verabredet haben, liegt rechtlich eine Einwilligung in die Beschädigung des eigenen Fahrzeugs vor. Wer aber in die Beschädigung seines Eigentums einwilligt, erleidet keinen ersatzfähigen Schaden.
Dies gilt auch für Ansprüche aus der verschuldensunabhängigen Halterhaftung. Die Halterhaftung soll die Gefahren des normalen Straßenverkehrs abdecken, nicht aber selbst herbeigeführte, abgesprochene Ereignisse. Eine Einwilligung schließt daher sämtliche Ansprüche aus dem manipulierten Unfall aus.
Bedeutung für Betroffene
Für Versicherungsnehmer und Anspruchsteller
Das Urteil verdeutlicht die hohen Hürden bei der Geltendmachung von Ansprüchen, wenn Umstände vorliegen, die auf eine mögliche Unfallmanipulation hindeuten. Versicherungen prüfen Schadensfälle, insbesondere bei hohen Forderungen oder untypischen Konstellationen, sehr genau. Widersprüchliche Angaben oder eine auffällige Unfallhistorie können schnell zum Verdacht eines gestellten Unfalls führen.
Für ehrliche Unfallopfer ist es wichtig, den Unfallhergang präzise und widerspruchsfrei zu dokumentieren und darzulegen. Bereits kleine Ungereimtheiten können von der Gegenseite als Indiz für eine Manipulation gewertet werden. Die Beweislast für das Vorliegen eines „echten“ Unfalls liegt zwar zunächst nicht beim Geschädigten, jedoch muss er die Argumente der Versicherung, die für eine Manipulation sprechen, entkräften können.
Für Versicherungsunternehmen
Für Versicherer bestätigt die Entscheidung die Möglichkeit, sich erfolgreich gegen unberechtigte Forderungen aus manipulierten Unfällen zu wehren. Sie unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung und Beweiserhebung in Verdachtsfällen. Die Gerichte sind bereit, auch aufgrund einer Indizienkette zur Überzeugung einer Manipulation zu gelangen, wenn die Gesamtschau ein klares Bild ergibt.
Die Entscheidung stärkt Versicherer darin, bei begründetem Verdacht die Leistung zu verweigern und dies auch gerichtlich durchzusetzen. Dies dient nicht nur dem Schutz der Versicherungsgemeinschaft vor Betrug, sondern hilft auch, die Versicherungsprämien stabil zu halten.
Für Unfallbeteiligte mit verdächtigen Mustern
Personen, die in kurzer Zeit in mehrere Unfälle verwickelt sind, müssen damit rechnen, dass ihre Schadensmeldungen besonders kritisch geprüft werden. Selbst wenn ein Unfall tatsächlich unbeabsichtigt war, kann eine solche Häufung den Verdacht einer Manipulation nähren und die Durchsetzung von Ansprüchen erschweren. Es unterstreicht die Notwendigkeit, bei jedem Unfallhergang äußerste Sorgfalt bei der Dokumentation walten zu lassen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Der Fall zeigt, dass Gerichte bei gehäuften „Manipulationsmerkmalen“ einen Unfall als absichtlich herbeigeführt (gestellt) betrachten können. Das Urteil verdeutlicht die hohen Hürden für eine erfolgreiche Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil, besonders wenn die Beweiswürdigung nicht substantiiert angegriffen wird. Die Quintessenz liegt darin, dass Versicherungsbetrug durch fingierte Unfälle vom Gericht erkannt und sanktioniert wird, wobei die Beweiswürdigung des Erstgerichts im Berufungsverfahren grundsätzlich Bestand hat, solange keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel vorliegen.
Benötigen Sie Hilfe?
Vorsicht bei Verdacht auf Unfallmanipulation
Wenn Sie in einen Unfall verwickelt waren und die Versicherung den Verdacht einer Manipulation hegt, kann dies die Durchsetzung Ihrer Ansprüche erheblich erschweren. Versicherungen prüfen Schadensfälle genau, insbesondere bei hohen Forderungen oder untypischen Konstellationen.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Ihre Rechte in komplexen Versicherungsangelegenheiten zu wahren. Wir analysieren Ihren Fall sorgfältig und entwickeln eine Strategie, um Ihre Interessen effektiv zu vertreten. Erfahren Sie, wie wir Ihnen helfen können, Ihre Ansprüche durchzusetzen oder sich gegen unberechtigte Forderungen zu wehren.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „gewillkürte Prozessstandschaft“ und welche Risiken birgt sie für den Kläger?
Gewillkürte Prozessstandschaft bedeutet vereinfacht gesagt: Eine Person führt einen Gerichtsprozess im eigenen Namen, macht dabei aber nicht eigene Rechte, sondern die Rechte einer anderen Person geltend. Dies geschieht freiwillig („gewillkürt“) und mit Zustimmung des eigentlichen Rechteinhabers. Der Kläger steht also sozusagen „an Stelle“ des eigentlichen Berechtigten vor Gericht.
Wer klagt hier eigentlich?
Stellen Sie sich vor, Sie hatten einen Autounfall und Ihr Fahrzeug wurde beschädigt. Wenn dieses Fahrzeug über eine Bank finanziert oder geleast ist, ist oft die Bank die rechtliche Eigentümerin des Fahrzeugs. Streng genommen steht daher der Anspruch auf Schadensersatz (z.B. für Reparaturkosten oder den Wertverlust) formal der Bank zu, nicht Ihnen als Fahrer.
Damit Sie den Schaden dennoch selbst bei Gericht einklagen können (z.B. gegen die Versicherung des Unfallverursachers), kann die Bank Sie dazu ermächtigen. Sie erhalten also die Erlaubnis der Bank, deren Anspruch in Ihrem eigenen Namen gerichtlich durchzusetzen. In diesem Fall sind Sie der Kläger, obwohl der Anspruch materiell der Bank gehört. Die Bank könnte den Anspruch selbst verfolgen, überlässt dies aber durch die Ermächtigung Ihnen.
Warum macht man das?
Diese Vorgehensweise ist oft praktisch, insbesondere bei finanzierten oder geleasten Fahrzeugen. Sie als Fahrer kennen den Unfallhergang am besten und können den Prozess führen. Die Bank als Eigentümerin hat meist kein Interesse daran, jeden Unfallschaden selbst abzuwickeln. Sie erteilt daher häufig die Ermächtigung zur Prozessführung an den Fahrer oder Halter.
Was sind die Risiken für den Kläger?
Das wesentliche Risiko für Sie als Kläger in einer gewillkürten Prozessstandschaft liegt bei den Prozesskosten.
- Wenn Sie den Prozess verlieren, müssen Sie als Kläger die gesamten Kosten des Verfahrens tragen. Dazu gehören die Gerichtskosten und die Anwaltskosten der Gegenseite.
- Dieses Kostenrisiko tragen Sie persönlich, auch wenn der eingeklagte Anspruch eigentlich der Bank zusteht. Es spielt keine Rolle, ob Sie den (im Erfolgsfall) erstrittenen Betrag später ganz oder teilweise an die Bank weiterleiten müssten.
- Gerade wenn der Verdacht einer Unfallmanipulation im Raum steht und Versicherungen den Anspruch deshalb bestreiten, kann das Risiko einer Niederlage vor Gericht und damit das persönliche Kostenrisiko für den Kläger erheblich sein.
Welche Indizien sprechen typischerweise für eine Unfallmanipulation und wie werden diese vor Gericht bewertet?
Bei Verdacht auf eine Unfallmanipulation, also einen absichtlich herbeigeführten oder vorgetäuschten Unfall zum Zweck des Versicherungsbetrugs, achtet ein Gericht auf verschiedene Anzeichen, sogenannte Indizien. Es ist wichtig zu verstehen, dass ein einzelnes Anzeichen fast nie ausreicht, um eine Manipulation zu beweisen. Erst die Gesamtschau aller Umstände kann zu einer entsprechenden Bewertung führen.
Typische Anzeichen für eine mögliche Manipulation
Gerichte und Versicherungen werden hellhörig, wenn bestimmte Merkmale bei einem Unfall auffallen. Dazu gehören zum Beispiel:
- Auffällige Schadensbilder: Die Schäden an den beteiligten Fahrzeugen passen nicht zum geschilderten Unfallhergang. Stellen Sie sich vor, die Beschädigungen sind viel stärker oder an ganz anderen Stellen, als es bei dem beschriebenen Zusammenstoß zu erwarten wäre. Auch Altschäden, die nun als neue Unfallschäden geltend gemacht werden sollen, können ein Indiz sein.
- Widersprüche in Aussagen: Die Schilderungen der Beteiligten zum Unfallhergang widersprechen sich oder passen nicht zu den objektiven Beweisen (z.B. Spuren am Unfallort, Schadensbild laut Gutachten).
- Häufige Unfallbeteiligungen: Eine Person oder ein bestimmtes Fahrzeug ist auffällig oft in Unfälle verwickelt, insbesondere in solche mit unklarer Schuldfrage oder bei Alleinunfällen.
- Kurzfristige Versicherungsabschlüsse: Die Versicherung für das beteiligte Fahrzeug wurde erst kurz vor dem Unfall abgeschlossen oder der Versicherungsschutz (z.B. die Kaskoversicherung) kurz vorher erhöht.
- Ungewöhnliche Vereinbarungen: Die Beteiligten einigen sich sehr schnell und ohne Diskussion, möglicherweise wird direkt eine Abtretung der Schadensersatzansprüche an eine Werkstatt vereinbart, oder es wird auf eine Reparatur verzichtet und stattdessen auf Basis eines Gutachtens (fiktiv) abgerechnet, obwohl das Fahrzeug alt und wenig wert ist.
- Beziehungen zwischen den Beteiligten: Die angeblich fremden Unfallgegner kennen sich (Verwandtschaft, Freundschaft, Geschäftsbeziehung).
- Ungewöhnlicher Unfallort oder -zeitpunkt: Der Unfall ereignet sich an einer untypischen Stelle (z.B. abgelegene Straße ohne Zeugen) oder zu einer ungewöhnlichen Zeit (z.B. mitten in der Nacht ohne ersichtlichen Grund für die Fahrt).
- Besonderheiten beim Fahrzeug: Oft sind ältere Fahrzeuge mit geringem Marktwert, aber eventuell hohen Vorschäden beteiligt.
Wie bewertet das Gericht diese Anzeichen?
Ein Gericht prüft sehr genau, ob die Summe der Indizien ein stimmiges Bild ergibt, das auf eine Manipulation hindeutet. Dieser Vorgang nennt sich freie Beweiswürdigung. Das bedeutet, das Gericht ist nicht an starre Regeln gebunden, sondern bewertet alle vorgelegten Beweise (wie Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Fotos, Schriftstücke) nach seiner freien Überzeugung.
Entscheidend ist die Gesamtschau: Das Gericht betrachtet nicht jedes Indiz isoliert, sondern fügt alle Puzzleteile zusammen. Es fragt sich: Ist der geschilderte Unfallhergang unter Berücksichtigung aller Anzeichen plausibel und lebensnah, oder drängt sich der Verdacht einer Manipulation auf?
Dabei spielen die Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Plausibilität des gesamten Geschehens eine zentrale Rolle. Ein Sachverständigengutachten kann klären, ob die Schäden technisch zum behaupteten Hergang passen.
Ein bloßer Verdacht reicht nicht aus. Für eine Verurteilung wegen Betrugs oder die Abweisung von Schadensersatzansprüchen muss das Gericht die volle Überzeugung gewinnen, dass der Unfall manipuliert war. Die Messlatte dafür liegt hoch. Wenn jedoch viele starke Indizien zusammenkommen und der behauptete Unfallhergang nicht mehr glaubhaft erscheint, kann das Gericht zu dem Schluss kommen, dass eine Manipulation vorliegt.
Was bedeutet „volle Überzeugung“ des Gerichts und welche Anforderungen werden an den Nachweis einer Unfallmanipulation gestellt?
Wenn ein Gericht von einer Tatsache „voll überzeugt“ sein muss, bedeutet das, dass der Richter einen sehr hohen Grad an persönlicher Gewissheit erlangt haben muss. Es reicht nicht aus, dass etwas nur wahrscheinlich oder möglich erscheint. Der Richter muss nach der Beweisaufnahme alle vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit der behaupteten Tatsache überwunden haben.
Das Beweismaß: Mehr als Wahrscheinlichkeit, weniger als absolute Sicherheit
Die „volle Überzeugung“ ist das Standard-Beweismaß in deutschen Zivilprozessen (geregelt in § 286 der Zivilprozessordnung, ZPO). Es bedeutet:
- Hohe Gewissheit: Der Richter muss so sicher sein, dass er bereit wäre, auf dieser Grundlage eine wichtige persönliche Entscheidung zu treffen. Ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit ist ausreichend.
- Keine vernünftigen Zweifel: Es dürfen keine ernsthaften, nachvollziehbaren Zweifel mehr an der Richtigkeit der Behauptung bestehen. Leise, rein theoretische oder lebensfremde Zweifel schaden aber nicht.
- Kein mathematischer Beweis: Es wird keine absolute, naturwissenschaftliche oder mathematische Sicherheit verlangt. Eine solche ist bei menschlichen Handlungen wie einer Unfallmanipulation oft gar nicht möglich und wird vom Gesetz auch nicht gefordert.
Beweislast liegt bei der Versicherung
Im Fall einer vermuteten Unfallmanipulation, die oft im Zusammenhang mit Versicherungsbetrug steht, muss die Versicherung beweisen, dass der Unfall absichtlich herbeigeführt oder vorgetäuscht wurde. Man spricht hier von der Beweislast. Die Versicherung trägt also das Risiko, dass die Manipulation nicht nachgewiesen werden kann. Sie muss dem Gericht die Tatsachen und Beweise vorlegen, die für eine Manipulation sprechen und die ausreichen, um die volle Überzeugung des Gerichts zu begründen. Gelingt ihr das nicht, muss sie in der Regel für den Schaden aufkommen, auch wenn vielleicht ein Restverdacht bleibt.
Wie wird eine Unfallmanipulation nachgewiesen? (Indizienbeweis)
Da die Täter selten direkte Beweise wie ein Geständnis hinterlassen, stützt sich der Nachweis einer Unfallmanipulation meist auf Indizien. Das sind mittelbare Beweisanzeichen oder Hinweise, die für sich genommen vielleicht nicht ausreichen, aber in ihrer Gesamtheit ein klares Bild ergeben und den Schluss auf die Haupttatsache (die Manipulation) zulassen können.
Das Gericht betrachtet und würdigt alle Umstände des Einzelfalls in einer Gesamtschau. Typische Indizien, die für eine Unfallmanipulation sprechen können, sind beispielsweise:
- Ein Unfallhergang, der technisch kaum nachvollziehbar, lebensfremd oder sehr untypisch ist („gestelltes“ Unfallbild).
- Auffällige Vorschäden an den beteiligten Fahrzeugen, die nicht zum aktuellen Unfall passen, oder ein auffälliges Missverhältnis der Schäden.
- Widersprüchliche, detailarme oder auswendig gelernt wirkende Aussagen der Beteiligten.
- Besondere finanzielle Schwierigkeiten eines Beteiligten zur Unfallzeit.
- Häufige Unfallbeteiligungen oder Schadensmeldungen einer Person in der Vergangenheit.
- Keine oder untypische Bremsspuren trotz angeblich hoher Kollisionsgeschwindigkeit.
- Die Wahl eines abgelegenen Unfallortes oder einer ungewöhnlichen Unfallzeit (z.B. nachts ohne Zeugen).
Das Gericht prüft alle vorgelegten Indizien sorgfältig. Einzelne Indizien reichen meist nicht aus. Nur wenn die Gesamtheit der Indizien so stark und schlüssig für eine Manipulation spricht, dass keine vernünftigen Zweifel mehr bestehen, wird das Gericht zu der vollen Überzeugung gelangen, dass der Unfall manipuliert war und die Versicherung nicht zahlen muss.
Welche Rolle spielen Ermittlungsakten der Polizei bei der Beurteilung eines Verkehrsunfalls vor Gericht?
Polizeiliche Ermittlungsakten sind im Zivilprozess wegen eines Verkehrsunfalls kein direkter Beweis, der automatisch gilt. Sie sind jedoch eine wichtige Informationsquelle. Das Gericht kann die darin enthaltenen Informationen bei seiner Entscheidung berücksichtigen, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Was steht in einer Ermittlungsakte?
In einer polizeilichen Ermittlungsakte finden sich typischerweise Informationen, die direkt nach dem Unfall von der Polizei gesammelt wurden. Dazu gehören zum Beispiel:
- Zeugenaussagen, die Beamten vor Ort aufgenommen haben.
- Das Unfallprotokoll mit Beschreibungen, Skizzen und Fotos vom Unfallort sowie von den beteiligten Fahrzeugen.
- Vermerke über Spuren (z.B. Bremsspuren).
- Manchmal auch Ergebnisse von Alkohol- oder Drogentests oder Hinweise auf mögliche technische Gutachten.
Diese Informationen können erste Anhaltspunkte zum Unfallhergang und zur Schuldfrage liefern.
Wie kommt die Akte ins Zivilverfahren?
Die Informationen aus der Ermittlungsakte gelangen nicht automatisch in das Gerichtsverfahren vor dem Zivilgericht (z.B. wenn es um Schadensersatz geht). Sie müssen aktiv in den Prozess eingeführt werden.
Das geschieht in der Regel dadurch, dass eine der beteiligten Parteien (also zum Beispiel Sie oder die Gegenseite) beantragt, die Akte beizuziehen und Einsicht zu nehmen. Wichtige Inhalte daraus können dann als Beweismittel genutzt werden. Zum Beispiel können Zeugen, die bereits bei der Polizei ausgesagt haben, vor Gericht erneut als Zeugen benannt und vernommen werden. Fotos oder Unfallprotokolle können als Urkunden vorgelegt werden. Auch das Gericht selbst kann anordnen, die Akte beizuziehen, wenn es dies für die Aufklärung des Sachverhalts für erforderlich hält.
Die Bedeutung der Akte für das Gericht
Für das Gericht sind die Inhalte der Ermittlungsakte Indizien, also Anhaltspunkte, aber kein endgültiger Beweis. Das Gericht ist nicht an die Einschätzungen oder Schlussfolgerungen der Polizei gebunden. Es muss sich im Zivilprozess immer ein eigenes Bild vom Unfallhergang machen.
Das Gericht würdigt die Informationen aus der Polizeiakte im Zusammenhang mit allen anderen Beweisen, die im Laufe des Zivilprozesses gesammelt werden. Dazu zählen insbesondere die Aussagen von Zeugen, die direkt vor Gericht gemacht werden, und Gutachten von Sachverständigen, die oft erst vom Gericht beauftragt werden.
Gerade bei einem Verdacht auf Unfallmanipulation oder Versicherungsbetrug kann die Ermittlungsakte aber wertvolle erste Hinweise enthalten. Widersprüchliche Aussagen der Beteiligten gegenüber der Polizei oder auffällige Unfallspuren, die dokumentiert wurden, können für das Gericht wichtige Anhaltspunkte sein, um den Fall genauer zu untersuchen. Letztlich basiert die Entscheidung des Gerichts aber immer auf der gesamten Beweisaufnahme im Zivilprozess.
Was kann ich tun, wenn ich den Verdacht habe, Opfer einer Unfallmanipulation geworden zu sein?
Wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Unfall absichtlich herbeigeführt oder vorgetäuscht wurde (Unfallmanipulation), ist es wichtig, besonnen zu handeln und bestimmte Aspekte zu berücksichtigen. Unfallmanipulation ist oft mit dem Versuch eines Versicherungsbetrugs verbunden.
Sofortmaßnahmen nach dem Unfall
- Polizei informieren: Es ist generell ratsam, bei einem Verkehrsunfall die Polizei hinzuzuziehen, insbesondere wenn der Verdacht einer Manipulation besteht, der Hergang unklar ist oder Personen verletzt wurden. Die Polizei nimmt den Unfall offiziell auf, sichert Spuren und befragt Beteiligte sowie Zeugen. Diese objektive Aufnahme kann später sehr wichtig sein.
- Versicherung umgehend benachrichtigen: Informieren Sie Ihre eigene Kfz-Haftpflichtversicherung und gegebenenfalls Ihre Kaskoversicherung schnellstmöglich über den Unfall. Dies gehört zu Ihren vertraglichen Pflichten (Obliegenheiten). Schildern Sie dabei auch Ihren Verdacht auf Manipulation. Die Versicherung wird den Fall prüfen.
Beweise sichern und den Unfallhergang dokumentieren
- Detaillierte Dokumentation ist entscheidend: Halten Sie alle Details des Unfalls und der Umstände fest, solange die Erinnerung frisch ist. Dazu gehört:
- Fotos: Machen Sie umfassende Fotos von der Unfallstelle aus verschiedenen Blickwinkeln, von den Endpositionen der Fahrzeuge, von allen sichtbaren Schäden an den beteiligten Fahrzeugen (auch kleine Kratzer) und eventuell von Bremsspuren oder Trümmerteilen auf der Fahrbahn.
- Unfallskizze: Fertigen Sie eine Skizze an, die die Unfallstelle, die Positionen der Fahrzeuge vor und nach dem Zusammenstoß sowie die Bewegungsrichtungen zeigt.
- Notizen: Schreiben Sie den Unfallhergang aus Ihrer Sicht detailliert auf. Notieren Sie Datum, Uhrzeit, Ort, Wetterbedingungen und die amtlichen Kennzeichen aller beteiligten Fahrzeuge.
- Zeugen suchen und Kontaktdaten notieren: Unabhängige Zeugen sind oft sehr wertvoll. Bitten Sie Personen, die den Unfall beobachtet haben, um ihre Namen und Kontaktdaten. Zeugenaussagen können helfen, den tatsächlichen Hergang aufzuklären.
Verhalten gegenüber anderen Beteiligten
- Keine Schuldanerkenntnisse abgeben: Geben Sie am Unfallort keinerlei mündliches oder schriftliches Schuldanerkenntnis ab, auch wenn Sie sich unsicher sind oder unter Druck gesetzt fühlen. Aussagen zur Schuldfrage können weitreichende Folgen haben. Die Klärung der Schuldfrage erfolgt in der Regel erst nach Prüfung aller Umstände.
- Vorsicht bei direkten Absprachen: Seien Sie zurückhaltend bei direkten Absprachen oder schnellen Einigungen mit dem Unfallgegner oder dessen Versicherung, insbesondere wenn Ihnen Umstände des Unfalls oder das Verhalten des Gegners merkwürdig erscheinen. Es ist oft sinnvoll, die weitere Kommunikation über die eigene Versicherung abzuwickeln.
Rechtlicher Hintergrund: Unfallmanipulation als Betrug
Unfallmanipulation, also das absichtliche Herbeiführen oder Vortäuschen eines Unfalls, um Versicherungsleistungen zu erschleichen, stellt in der Regel einen Versicherungsbetrug dar. Versicherungsbetrug ist eine Straftat (§ 263 Strafgesetzbuch). Wer einen Unfall manipuliert, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen und zivilrechtlichen Forderungen (z.B. Rückzahlung erschlichener Leistungen, Übernahme von Gutachterkosten) rechnen. Für Sie als möglicherweise geschädigte Person ist es daher wichtig, bei einem entsprechenden Verdacht sorgfältig vorzugehen, um Ihre eigenen Rechte zu wahren und nicht unberechtigt für einen Schaden aufkommen zu müssen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Gewillkürte Prozessstandschaft
Dies bedeutet, dass eine Person im eigenen Namen ein fremdes Recht vor Gericht geltend macht. Dafür benötigt sie die Erlaubnis (Ermächtigung) des eigentlichen Rechteinhabers und ein eigenes, schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Durchsetzung dieses fremden Rechts. Im vorliegenden Fall klagte der Fahrer (Kläger) nicht als Eigentümer des Autos, sondern machte die Schadensersatzansprüche der finanzierenden Bank (Sicherungseigentümerin) in seinem eigenen Namen gegenüber der Versicherung geltend. Grundlage hierfür ist eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Bank.
Beispiel: Ihr Nachbar schuldet Ihrem Bruder Geld, der aber im Ausland lebt. Ihr Bruder ermächtigt Sie schriftlich, die Schuld in Ihrem eigenen Namen gerichtlich einzuklagen. Sie treten dann als Kläger auf, obwohl der Anspruch eigentlich Ihrem Bruder zusteht.
Vollen Überzeugung (§ 286 ZPO)
Dies ist der Beweismaßstab, den ein Zivilgericht erreichen muss, um eine Tatsachenbehauptung als bewiesen anzusehen. Der Richter muss einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit erlangen, dass vernünftige Zweifel an der Wahrheit der Behauptung schweigen, auch wenn eine absolute, naturwissenschaftliche Sicherheit nicht erreichbar ist. Es geht um eine persönliche Gewissheit des Richters aufgrund der gesamten Beweisaufnahme (z.B. Zeugenaussagen, Gutachten, Urkunden). Im Text war das Landgericht nach der Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung gelangt, dass der Unfall gestellt war.
Beispiel: Ein Richter hört widersprüchliche Zeugenaussagen zu einem Unfallhergang. Aufgrund weiterer Indizien (z.B. Unfallort, Schadensbild) und des persönlichen Eindrucks der Zeugen kommt er jedoch zu dem Schluss, dass die Version von Zeuge A so überzeugend ist, dass vernünftige Zweifel an ihrer Richtigkeit ausgeräumt sind.
Verschuldensunabhängige Halterhaftung (§ 7 StVG)
Dies ist eine spezielle Form der Haftung im Straßenverkehrsrecht, geregelt in § 7 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Danach haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden, die beim Betrieb des Fahrzeugs entstehen, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob ihn oder den Fahrer ein Verschulden trifft. Entscheidend ist allein die sogenannte Betriebsgefahr, also die Gefahr, die vom Betrieb eines Fahrzeugs typischerweise ausgeht. Im Text argumentierte der Kläger, dass diese Haftung auch bei einem abgesprochenen Unfall greifen müsse, was das Gericht aber ablehnte.
Beispiel: Ein technisch einwandfreies Auto erleidet plötzlich einen Reifenplatzer, wodurch ein anderes Fahrzeug beschädigt wird. Obwohl weder der Fahrer noch der Halter etwas dafürkonnten (kein Verschulden), haftet der Halter des Fahrzeugs mit dem geplatzten Reifen für den entstandenen Schaden allein aufgrund der Betriebsgefahr seines Wagens.
§ 522 Abs. 2 ZPO
Diese Vorschrift der Zivilprozessordnung (ZPO) ermöglicht es einem Berufungsgericht (wie dem Kammergericht im Text), eine Berufung durch einen einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Voraussetzung ist, dass alle drei Richter des Senats davon überzeugt sind, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Fall keine grundsätzliche Bedeutung für die Rechtsentwicklung hat und eine Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist. Dieses Verfahren dient der Prozessbeschleunigung in klaren Fällen.
Beispiel: Ein Kläger verliert in erster Instanz klar und eindeutig. Seine Berufung wiederholt nur bereits widerlegte Argumente und enthält keine neuen, relevanten Gesichtspunkte. Das Berufungsgericht kann dann nach § 522 Abs. 2 ZPO die Berufung schnell und ohne Verhandlung zurückweisen.
Indizienbeweis
Ein Indizienbeweis ist ein Beweis, der nicht auf einer direkten Wahrnehmung der zu beweisenden Haupttatsache beruht (z.B. ein Zeuge, der den Unfall selbst gesehen hat), sondern auf Hilfstatsachen (Indizien), die den Schluss auf die Haupttatsache zulassen. Das Gericht würdigt dabei eine Gesamtschau verschiedener einzelner Anhaltspunkte. Im Kontext von Unfallmanipulationen ist der Indizienbeweis oft das einzige Mittel, da direkte Beweise wie Geständnisse selten sind. Typische Indizien sind laut Text z.B. häufige Unfallbeteiligungen, widersprüchliche Aussagen oder ein untypisches Schadensbild.
Beispiel: Es gibt keinen Augenzeugen für einen Einbruch. Aber die Polizei findet Fingerabdrücke des Verdächtigen am Tatort, bei ihm wird Diebesgut gefunden, und er hat kein Alibi. Jedes dieser Elemente ist ein Indiz; in ihrer Gesamtheit können sie das Gericht davon überzeugen, dass der Verdächtige der Täter war (Indizienbeweis).
Einwilligung
Die Einwilligung ist eine Zustimmung zu einem Eingriff in die eigenen Rechte oder Rechtsgüter (z.B. Eigentum, körperliche Unversehrtheit). Liegt eine wirksame Einwilligung vor, ist der Eingriff rechtmäßig und löst keine Schadensersatzansprüche aus. Wer in die Beschädigung seines Eigentums einwilligt, erleidet rechtlich gesehen keinen ersatzfähigen Schaden. Im Fall der Unfallmanipulation willigen die Beteiligten konkludent (durch ihr Verhalten) in die Beschädigung ihrer Fahrzeuge ein, indem sie den Unfall absichtlich herbeiführen. Daher scheitern ihre Schadensersatzforderungen, auch die aus der Halterhaftung.
Beispiel: Sie bitten einen Freund, beim Renovieren eine Wand in Ihrer Wohnung einzureißen. Wenn er dies tut, können Sie ihn später nicht auf Schadensersatz verklagen, weil Sie in die Zerstörung der Wand eingewilligt haben.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Diese Vorschrift regelt den Schadensersatzanspruch. Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist zum Schadensersatz verpflichtet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger stützt seine Forderung nach Reparaturkosten, Wertminderung und weiteren Auslagen auf diese Grundlage, da er einen Unfallschaden geltend macht, für den die Beklagten vermeintlich verantwortlich sind.
- § 286 Zivilprozessordnung (ZPO): Dieses Gesetz bestimmt, dass das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung entscheidet, ob eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr ist. Das Gericht muss seine Überzeugung nicht zwingend auf einen förmlichen Beweis stützen, sondern kann auch Indizien berücksichtigen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht hat aufgrund der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass es sich um einen verabredeten Unfall handelte. Das Berufungsgericht scheint diese freie Beweiswürdigung zu teilen und deutet eine Zurückweisung der Berufung an, da es keine Fehler in der Beweiswürdigung des Landgerichts sieht.
- § 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO): Diese Vorschrift ermöglicht dem Berufungsgericht, eine Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn es einstimmig der Ansicht ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung erfordert.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Personen, die nach einem Verkehrsunfall Schadensersatzansprüche geltend machen zum Thema Vermeidung des Vorwurfs eines gestellten Unfalls
Ein kleiner Parkrempler oder ein Auffahrunfall – schnell ist es passiert und man möchte den Schaden ersetzt bekommen. Doch manchmal wird die Abwicklung komplizierter, besonders wenn die Versicherung Zweifel anmeldet und einen gestellten Unfall vermutet. Hohe Forderungen bei vermeintlich geringem Schaden können schnell Misstrauen wecken.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Unfallstelle lückenlos dokumentieren
Fertigen Sie unmittelbar nach dem Unfall Fotos oder Videos an. Dokumentieren Sie nicht nur die Schäden an den Fahrzeugen (Nah- und Übersichtsaufnahmen), sondern auch die Endposition der Fahrzeuge, die gesamte Unfallsituation (inkl. Verkehrszeichen, Fahrbahnmarkierungen), eventuelle Bremsspuren oder Trümmerteile. Notieren Sie Namen und Adressen von unabhängigen Zeugen. Rufen Sie im Zweifel oder bei unklarer Sachlage die Polizei hinzu – deren Protokoll kann später wichtig sein.
⚠️ ACHTUNG: Eine unvollständige oder widersprüchliche Dokumentation kann den Verdacht eines gestellten Unfalls nähren und Ihre Beweisführung erschweren.
Tipp 2: Forderungen realistisch halten
Stellen Sie sicher, dass Ihre Schadensersatzforderungen (Reparaturkosten, Wertminderung, Gutachterkosten etc.) nachvollziehbar und plausibel sind. Ein unabhängiges Sachverständigengutachten ist oft Grundlage, aber auch dieses sollte im Verhältnis zum Unfallhergang und dem Fahrzeugtyp stehen. Überhöhte Forderungen, insbesondere bei geringfügig erscheinenden Schäden („Blechschaden“), lassen Versicherungen schnell misstrauisch werden.
⚠️ ACHTUNG: Zwar ist die Geltendmachung fiktiver Reparaturkosten auf Gutachtenbasis grundsätzlich zulässig, jedoch erhöht ein krasses Missverhältnis zwischen Schadenbild und geforderter Summe das Risiko, dass die Versicherung Betrug unterstellt.
Tipp 3: Transparenz gegenüber der Versicherung zeigen
Melden Sie den Schaden zeitnah der gegnerischen Haftpflichtversicherung. Seien Sie bei der Schilderung des Unfallhergangs präzise und wahrheitsgemäß. Kooperieren Sie bei Nachfragen der Versicherung und legen Sie angeforderte Unterlagen (z. B. Kostenvoranschlag, Gutachten, Polizeiprotokoll) vollständig vor. Verschweigen Sie keine relevanten Umstände, wie etwa Vorschäden am Fahrzeug.
⚠️ ACHTUNG: Ausweichendes Verhalten, widersprüchliche Angaben oder das Zurückhalten von Informationen können als Indizien für einen Täuschungsversuch gewertet werden.
Tipp 4: Vorsicht bei Unfallhäufungen
Seien Sie sich bewusst, dass Versicherungen prüfen, ob die am Unfall beteiligten Personen bereits häufiger in Unfälle verwickelt waren. Eine solche Häufung – auch wenn die früheren Unfälle legitim waren – führt oft zu einer genaueren Prüfung des aktuellen Falls. Sorgen Sie daher für eine besonders sorgfältige Dokumentation und Plausibilität des jetzigen Unfallgeschehens.
⚠️ ACHTUNG: Eine auffällige Unfallhistorie kann, selbst wenn sie Zufall ist, den Verdacht auf ein System oder ein abgesprochenes Vorgehen lenken.
Tipp 5: Frühzeitig Rechtsrat einholen
Wenn die gegnerische Versicherung die Zahlung verzögert, nur einen Bruchteil des Schadens regulieren will oder Ihnen direkt oder indirekt vorwirft, der Unfall sei gestellt, sollten Sie umgehend einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt konsultieren. Dieser kann die Argumente der Versicherung prüfen, Ihre Rechte wahren und Sie im weiteren Verfahren professionell vertreten.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Versicherungen prüfen Unfälle auf typische Anzeichen für Betrug (z.B. unpassende Schäden, auffällige Zeugenaussagen, Unfallhäufungen der Beteiligten, ungewöhnliche Unfallorte oder -zeiten). Wenn genügend Verdachtsmomente bestehen, müssen Sie als Anspruchsteller oft detailliert nachweisen, dass der Unfall tatsächlich wie geschildert stattgefunden hat und die geltend gemachten Schäden daraus stammen (Vollbeweis). Das Gericht prüft dann alle Indizien in einer Gesamtschau.
✅ Checkliste: Schadensmeldung nach Verkehrsunfall
- Polizei bei unklarer Lage, Verletzten oder Verdacht auf Manipulation gerufen?
- Fotos von Schäden UND gesamter Unfallstelle (Übersicht) gemacht?
- Kontaktdaten von unabhängigen Zeugen gesichert?
- Bleiben die Forderungen (Reparatur, Gutachten) im plausiblen Verhältnis zum Schadenbild?
- Bei Verzögerung oder Betrugsvorwurf durch die Versicherung: Anwalt kontaktiert?
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 22 U 69/21 – Beschluss vom 16.12.2021
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