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Verkehrssicherungspflicht: Haftung des Gebäudeeigentümers bei einer Dachlawine

AG Leipzig, Az.: 105 C 3717/10

Urteil vom 04.04.2013

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten gesamtschuldnerisch vorher in gleicher Höhe Sicherheit geleistet haben.

Beschluss

Der Streitwert beträgt € 3.336,42.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aufgrund einer Dachlawine geltend.

Verkehrssicherungspflicht: Haftung des Gebäudeeigentümers bei einer Dachlawine
Symbolfoto: Alexander Piragis/Bigstock

Der Kläger parkte seinen Pkw Mitsubishi Galant, amtliches Kennzeichen …, am Abend des 17. Januar 2010 vor dem Haus … in Leipzig ab. Das Fahrzeug war parallel zur Häuserfront in einer hierfür vorgesehenen Parkbucht geparkt.

Am Morgen des 18. Januar 2010 stellte der Kläger Schäden an seinem Fahrzeug fest sowie Reste von Schnee und Eis, die sich noch auf seinem Fahrzeug und darum herum befanden.

Der Kläger macht die Nettoreparaturkosten aufgrund eines Kostenvoranschlages des Autohauses … in Höhe von € 3.311,42 sowie eine Kostenpauschale in Höhe von € 25,00, insgesamt € 3.336,42 geltend.

Der Kläger trägt vor, dass sich am Morgen des 18. Januar 2010 sich vom Dach des Gebäudes … in Leipzig größere Eisplatten mit aufliegenden Schneeresten sowie anhaftende Eiszapfen gelöst hätten, die auf sein Fahrzeug gefallen seien. Die Beklagten zu 1. bis 17. hafteten wegen schuldhafter Verletzung der Verkehrssicherungspflichten als Wohnungseigentümer; der Beklagte zu 18. als Hausverwalter.

Das Gebäude … in Leipzig verfüge über keinerlei Schneefanggitter; auch seien Warnschilder zum Schutz vor Dachlawinen nicht angebracht.

Bereits am 12. Januar 2010 hätte die Eigentümergemeinschaft durch die Feuerwehr Eiszapfen von der Dachrinne des Gebäudes entfernen lassen.

Das Anbringen von Schneefanggittern sei ortsüblich und darüber hinaus habe das Gebäude eine Dachneigung von 53 Grad, die trotz fehlender bauordnungsrechtlicher Vorschriften das Anbringen von Dachfanggittern notwendig mache. Bereits vor dem 12. Januar 2010 hätte für die Eigentümergemeinschaft und den Hausverwalter die Pflicht bestanden, weitere Schutzmaßnahmen, als das Entfernen der Eiszapfen, zu treffen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger € 3.336,42 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.02.2010 sowie

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 411,15 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten den Abgang einer Dachlawine vom Gebäude … und den durch die Dachlawine entstandenen Schäden am klägerischen Fahrzeug. Die Höhe der geltend gemachten Reparaturkosten sei nicht nachzuvollziehen; auch sei nicht nachvollziehbar, ob die Instandsetzung überhaupt wirtschaftlich vertretbar wäre.

Darüber hinaus träfe den Kläger ein erhebliches Mitverschulden, da seinerzeit die Gefahr von Dachlawinen von Gebäuden allgegenwärtig war und dem Kläger dies hätte auch bewusst sein müssen.

Auch entsprächen Schneefanggitter in Leipzig nicht der Ortsüblichkeit.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 15.09.2011 (Blatt 125 – 130 GA).

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 15.03.2012 (Blatt 152 -. 155 GA) und 22.11.2012 (Blatt 182-191 GA) verwiesen.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie die sonstigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Ergebnis unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch aus § 836 BGB.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Eis, Schnee sowie die daraus entstehenden Dachlawinen kein Gebäudebestandteil, so dass sich hieraus keine Anspruchsgrundlage ergibt.

Dem Kläger steht aber auch aus § 823 BGB gegen die Beklagten kein Anspruch zu, da diese nicht gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen haben.

Eine Verkehrssicherungspflicht trifft grundsätzlich jeden, der Gefahrenquellen schafft, durch die Dritte Schaden nehmen könnten. Notwendige und zumutbare Vorkehrungen sind zu treffen, die im möglichst hohen Maß gewährleisten, dass Dritte durch die Gefahr keinen Schaden erleiden.

In Leipzig und sonst schneearmen Gebieten im Bundesgebiet ist das Anbringen von Sicherungsvorkehrungen im Dachbereich grundsätzlich nicht ortsüblich. Leipzig liegt in der norddeutschen Tiefebene und ist schneearm. Demzufolge trifft die Beklagten auch keine Pflichtverletzung durch das Unterlassen des Anbringens derartiger Sicherungsvorkehrungen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.1992, Az.: 13 U 95/22; Beschluss vom 17.02.2012, Az.: I-24 U 217/11; OLG Dresden, Urteil vom 20.06.2012, Az.: 1 U 1827/11).

Der Kläger geht auch fehl in der Annahme, dass es bei der Ortsüblichkeit in Bezug auf Dachlawinen auf die baulichen Maßnahmen der näheren Umgebung, insbesondere der Nachbarhäuser ankommt. Entscheidend ist vielmehr, ob die Region, in der das schädigende Ereignis stattgefunden hat, als schneearm und schneereich eingestuft wird, was bezogen auf Leipzig mit einem niederschlagsarmen Gebiet und entsprechendem Schneemangel der Fall ist.

Die allgemeine Gefahr, dass von einem schneebedeckten Dach Dachlawinen abgehen können, begründet keine Pflicht, Vorkehrungen zu treffen; es sei denn, besondere Umstände hierfür seien erkennbar. Das ist nicht der Fall. Insbesondere die Winter 2010/2011 und 2011/2012 waren auf die winterlichen Witterungsverhältnisse atypisch. Eine Ortssatzung oder baurechtliche Vorschriften, die dieses vorschreiben würden, werden vom Kläger nicht benannt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Für die Frage der Erforderlichkeit von Schneeschutzvorrichtungen ist jedoch wesentlich auf das Kriterium der Ortsüblichkeit abzustellen (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 2011, 1535 f). Dem Vorbringen des Klägers ist im Detail nicht zu entnehmen, dass im Stadtgebiet Leipzig Schneefanggitter ortsüblich sind; dem erkennenden Gericht ist derartiges auch nicht bekannt. Fehlt indes die allgemeine Üblichkeit, so stellt es keinen Pflichtenverstoß dar, wenn entsprechende Schutzmaßnahmen fehlen (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 2010, 1535 f; OLG Jena, NJW-RR 2009, 168).

Die Verkehrssicherungspflicht ist allenfalls dann verletzt, wenn die Gefahr so hinreichend konkret ist, dass mit einem alsbaldigen Schadeneintritt gerechnet werden muss. Hierzu trägt der Kläger aber nicht substantiiert vor.

Dass die Beklagten darüber hinaus ihren Verkehrssicherungspflichten genüge getan haben, ergibt sich aus dem klägerischen Vorbringen, dass die von der Dachrinne abhängenden Eiszapfen am 12. Januar 2010 durch die Feuerwehr entfernt wurden. Dass eine besondere Gefahrenlage vom 17. auf den 18. Januar 2010 vorgelegen hat, trägt der Kläger nicht vor.

Aus § 32 Abs. 8 der Sachs. Bauordnung ergibt sich vorliegend auch nicht, dass das Anbringen von Schneefanggittern geboten ist. Ebenso ergibt sich die Winterdienstsatzung der Stadt Leipzig keine Pflicht der Beräumung von Dächern und der Schutz von Passanten durch Dachlawinen.

Es kommt auch nicht entscheidend auf den Grad der Dachneigung an. Vielmehr trägt jeder Passant und Verkehrsteilnehmer selbst die Verantwortung für sich und sein Eigentum, diese vor Gefahren von Dachlawinen zu schützen. Der Kläger selbst hätte sich nach der allgemeinen Gefahrenlage mit der Schneesituation auf den Dächern in seinem Wohngebiet auseinandersetzen müssen und hätte in Zweifel sein Fahrzeug anderen Orts abgeparkt.

Auch das etwaige Unterlassen der Aufstellung von Warnschildern zur Warnung von Dachlawinen stellt keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar. Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass an sämtlichen Gebäuden Warnschilder vor möglichen Gefahren aufgestellt würden, die dann allenfalls noch einen rituellen Charakter hätten, für den ein wirklicher Nutzen für Passanten und andere Verkehrsteilnehmer nicht entstehen würde (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 25.07.2012, Az.: 4 U 35/12).

Da die Beweisaufnahme zu keinem anderen Ergebnis gekommen ist, war die Klage abzuweisen, zumal die konkrete Schadenursache durch den Kläger nicht bewiesen wurde, denn die vorgelegten Lichtbilder lassen überall Schnee- und Eishaufen im Straßenbereich erkennen. Wer diese, wann aufgehäuft hat oder ob welche Menge von den Dächern abgerutscht ist, hat der Kläger nicht substantiiert dargetan und dies ergeben die Lichtbilder gerade nicht.

Die Nebenforderungen teilen das rechtliche Schicksal der Hauptforderung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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