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Verkehrssicherungspflichten für Rutschgefahren in Fußgängerzone

OLG Schleswig-Holstein – Az.: 11 U 167/13 – Urteil vom 17.06.2014

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 01.11.2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 2.108,99 € festgesetzt.

Gründe

(abgekürzt gem. § 313a ZPO)

Verkehrssicherungspflichten für Rutschgefahren in Fußgängerzone
Symbolfoto: Von Astrid Gast /Shutterstock.com

Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die beklagte Stadt zutreffend wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in der „H.“ in K. verurteilt. Die Berufungsangriffe vermögen an der Richtigkeit dieser Entscheidung nichts zu ändern. Der Senat merkt hierzu an:

1. Die Berufung weist zwar zutreffend darauf hin, dass sich die Verkehrssicherungspflicht vorliegend aus § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG i. V. m. § 10 Abs. 4 StrWG Schleswig-Holstein ergibt; hieraus folgt allerdings keine abweichende Beurteilung des Sachverhaltes.

Soweit die Beklagte nunmehr behauptet, im Bereich der Sturzstelle der Klägerin seien überhaupt keine Schaufenster vorhanden, handelt es sich um eine neue Behauptung, die nicht zuzulassen ist, da die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.  Ferner zeigen die in Bezug genommenen Fotos im Sachverständigengutachten nicht, dass sich im Sturzbereich keine Schaufenster befinden. Selbst wenn dies aber der Fall sein sollte, würde sich der von der Beklagten einzuhaltende Sorgfaltsmaßstab gegenüber den die „H.“ nutzenden Passanten nicht reduzieren, da es sich durchgängig um eine Fußgängerzone handelt, die darauf ausgerichtet ist, Spaziergänger und Kunden zum Einkauf anzuhalten. Selbst wenn in Teilbereichen Schaufenster fehlten, würde dies nichts an der grundsätzlichen Ablenkung der Passanten von dem Gehwegbereich ändern.

2. Das Landgericht hat zu Recht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die beklagte Stadt bejaht. Der Senat nimmt Bezug auf die in jeder Hinsicht zutreffenden und präzisen Ausführungen im angefochtenen Urteil und macht sich diese zu eigen. Das Landgericht hat, gestützt auf die Bewertung des Sachverständigen, festgestellt, dass die im Gehweg eingelassenen „Sprotten-Platten“  bei geringer Feuchtigkeit in erheblichem Maße in der Rutschfestigkeit herabgesetzt sind.

Die Berufung vermag diese Feststellung nicht in Frage zu ziehen. Im Hinblick auf diese Eigenschaft der Sprotten bei Feuchtigkeit trifft die Beklagte, die aus einer Reihe von Presseberichten diese Eigenschaften kannte, eine gesteigerte Sicherungspflicht. Insoweit kann auf die Entscheidung des Senates vom 11. Mai 2013 (11 U 51/12; Sturz auf dem ZOB in Neumünster) verwiesen werden.

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht scheidet auch nicht bereits deshalb aus, weil nach Meinung der Beklagten die Gefahr für die Klägerin direkt erkennbar gewesen sei. Der Senat hat eine solche Einschränkung der Verkehrssicherungspflicht bislang in sehr begrenzten Ausnahmefällen zugelassen. Ein solcher ist hier aber nicht gegeben. Die Platten sind zwar ohne Weiteres sichtbar, ein Benutzer der Fußgängerzone muss sich aber nicht durch eine entsprechende Weggestaltung darauf einstellen, dass er nicht zwangsläufig über diese Platten ausrutscht.

Hierbei muss die Größe der Platten berücksichtigt werden, die nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts eine Größe von lediglich 24 x 24 cm aufweisen. Ein Ausweichen wird auch nicht immer möglich sein, da die „H.“ zu den üblichen Ladenöffnungszeiten von Publikum stark frequentiert wird. Eine solche Frequentierung wurde i. Ü. auch für den Zeitpunkt des Sturzes der Klägerin behauptet (Klagschrift Seite 3, 3 GA).

3. Das Landgericht hat das Mitverschulden der Klägerin an der Schadensentstehung rechtsfehlerfrei mit einer Quote von 50 % festgesetzt. Der beklagten Stadt ist zwar insoweit zu folgen, dass die Platten ohne Weiteres erkennbar sind. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 20.06.2013; III ZR 326/12), der der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, kommt ein Ausschluss der Haftung wegen ganz überwiegenden Mitverschuldens nur in Ausnahmefällen in Betracht.

Der Bundesgerichtshof führt dort aus:

„Der Grad der vom Geschädigten erkannten Gefahr ist in Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge auch auf Seiten des Geschädigten einzubeziehen. Handelt der Verkehrsteilnehmer diesem Gebot im Falle einer erheblichen Gefahr zuwider, begründet dies in der Regel ein Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB. Indes lässt auch ein solches Verhalten nicht stets, unabhängig von den weiteren Umständen des Einzelfalles, den Verursachungsbeitrag des die Gefahr durch eine Pflichtverletzung begründenden Schädigers zurücktreten. Anderenfalls führte dies zu dem nicht hinnehmbaren Ergebnis, dass bei einer besonders deutlichen Gefahrenlage der der Geschädigte nicht ausweichen kann, und einer in solchen Fällen nicht seltenen besonders schwerwiegenden Verletzung der Räum- und Streupflicht die Pflichtverletzung folgenlos bliebe. Die haftungsrechtliche Gesamtverantwortung für das Unfallereignis würde auf den Geschädigten verlagert, obwohl der Verkehrssicherungspflichtige eine maßgebliche Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat“ (Rn. 24, Zitat nach Juris).

„Ein die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen ausschließender, weit überwiegende Verursachungsbeitrag des Geschädigten kann nur angenommen werden, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet ist „(BGH a. a. O., Rn. 27).

Die beklagte Stadt hat durch das Einbringen der „Sprotten-Platten“ in der Fußgängerzone eine potenzielle Sturzgefahr geschaffen. Die Rutschneigung der Platten hat sich im Laufe der Zeit aufgrund der zwischenzeitlichen Abnutzung erhöht. Mithin ist es gerechtfertigt, jedenfalls von einer 50 %-igen Mitverantwortung der Beklagten an der Schadensentstehung auszugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 10, 711,713 ZPO.

Gründe für eine Revisionszulassung (§ 543 Abs. 2 ZPO) bestehen nicht.

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