LG Wuppertal – Az.: 7 O 60/14 – Urteil vom 24.11.2016
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.
Der Beklagte zu 2. ist Halter des PKW Mercedes-Benz 201, mit dem amtlichen Kennzeichen … . Dieses Fahrzeug war bei der Beklagten zu 1. haftpflichtversichert.
Der Kläger war seit dem Jahr 2008 im Besitz des PKW Mercedes-Benz SL 500 mit dem amtlichen Kennzeichen … .
Durch einen Verkehrsunfall wurde dieses Fahrzeug am 19.02.2010 im vorderen rechten Bereich beschädigt. Hierdurch wurde die Frontverkleidung verformt und war gebrochen, die lichttechnischen Einrichtungen rechts waren ebenfalls gebrochen und die Motorhaube rechts im vorderen Teil verformt. Der Kotflügel vorne rechts war eingedrückt und die Einstiegsschwellerverkleidung rechts im vorderen Radbereich verformt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beklagtenschriftsatz vom 27.08.2014 (Bl. 234 d. GA) Bezug genommen. Der Kläger beauftragte den Sachverständigen W. mit der Begutachtung des Schadens, der auf einen Reparaturaufwand von 23.893,97 EUR kam. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage B 3 (Bl. 120 ff. d. GA) Bezug genommen. Die Beschädigungen reparierte der Kläger in Eigenregie.
Am 21.09.2011 erlitt das klägerische Fahrzeug erneut einen Verkehrsunfall, von dem die linke Fahrzeugseite betroffen war und für welche der Sachverständige L… einen Reparaturaufwand von 23.007,79 EUR ansetzte (Anlage B 6, Bl. 150 GA). Diese Schäden reparierte der Kläger ebenfalls in Eigenregie.
In der Folgezeit erlitt das klägerische Fahrzeug weitere Unfallschäden, unter anderem einen Lackschaden im vorderen rechten Bereich der Stoßstange durch den Anstoß eines Fahrradfahrers; dieser Lackschaden wurde durch den Kläger mit Lackspray bearbeitet (Bl. 212 GA).
Das streitgegenständliche Unfallgeschehen ereignete sich wie folgt:
Am 07.10.2013 gegen 12.15 Uhr befuhr der Kläger mit dem vorgenannten PKW Mercedes-Benz SL 500 mit dem amtlichen Kennzeichen … den Kreisverkehr B. in H. . Dieser Kreisverkehr ist mit dem Zeichen 215 beschildert. Der Beklagte zu 2. fuhr mit seinem PKW aus der Landstraße kommend in den Kreisverkehr ein. Im Kreisverkehr kam es zu einem Zusammenstoß des klägerischen Fahrzeuges (dort vorne rechts) mit dem Beklagtenfahrzeug, dessen Fahrerseite (Tür vorne und hinten) betroffen war.
Die hinzu gerufenen Polizeibeamten nahmen den Verkehrsunfall unter dem Aktenzeichen 516000/08448/13/2 auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte des Landkreises M., Aktenzeichen 32-32/213041354/6 Bezug genommen.
Der Kläger holte zur Bewertung des Unfallschadens ein Sachverständigengutachten ein, wofür er 792,54 EUR aufwandte. Nach dem Sachverständigengutachten belief sich der Reparaturaufwand ohne Mehrwertsteuer auf 6.009,25 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten W. vom 08.10.2013 (Bl. 8 GA) verwiesen.
Nach der Klageerhebung erlitt das klägerische Fahrzeug am 01.03.2014 einen weiteren Frontschaden, den der als Wildschaden der Versicherung meldete (Anl. B9, Bl. 165 GA).
Der Kläger behauptet, er sei vor dem Zusammenstoß vom 07.10.2013 mit seinem Sohn aus Richtung BAB 46, Fahrtrichtung W., gekommen und habe vor einem Arzttermin des Sohnes diesen zu einem der an der Ausfahrt befindlichen Schnellrestaurant bringen wollen, damit dieser noch etwas essen könne. Aufgrund eines Streitgespräches darüber, ob überhaupt und wenn ja in welchem der Schnellrestaurants der Sohn noch etwas essen solle, habe ersieh entschlossen, zu keinem der Restaurants zu fahren und wieder zur Autobahn zurückzufahren. Insoweit hat er später behauptet, aufgrund der fortgeschrittenen Zeit sich zur Weiterfahrt entschlossen zu haben. Soweit das Beklagtenfahrzeug – insoweit unstreitig – unter Missachtung seines Vorfahrtsrechts in den Kreisverkehr einfuhr, behauptet er, der Zusammenstoß sei für ihn unvermeidbar gewesen. Er behauptet, die vom Sachverständigen W. in die Kalkulation einbezogenen Fahrzeugschäden seien durch diesen Zusammenstoß verursacht worden und die angesetzten Reparaturkosten seien zur Beseitigung des unfallbedingten Schadens erforderlich.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 6.826,79 EUR nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.11.2013 zu zahlen;
2. ihn von der Zahlung vorgerichtlichten Rechtsanwaltsgebühren an Brück Rechtsanwälte, Düsseldorfer Str. 33, 40822 Mettmann, in Höhe von 663,43 EUR freizustellen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupteten, der Kläger sei nicht Eigentümer des klägerischen Fahrzeugs gewesen. Sie behaupten, der Kläger habe den Unfall bewusst herbeigeführt, um seinen Unfallschaden geltend zu machen. Soweit die Beklagten bestreiten, dass die geltend gemachten Schäden auf dem streitgegenständlichen Unfallereignis beruhen, berufen sie sich auf die – als solche unstreitigen – Vorschäden und behaupten, diese seien zum Unfallzeitpunkt nicht fachgerecht instandgesetzt gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2014 (Bl. 211 GA), 26.02.2015 (Bl. 281 GA) und 10.10.2016 Bezug genommen.
Die o.g. Akte des Landkreises M. war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 18.12.2014 (Bl. 248 GA) durch Vernehmung von Zeugen und die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 26.02.2015 (Bl. 281 GA) sowie das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. H. vom 15.10.2015 (Bl. 346 GA) sowie die ergänzende Stellungnahme vom 29.08.2016 (Bl. 435 GA) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I.
Der Kläger hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Ersatz von unfallbedingten Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 07.10.2013 in H. gegen die Beklagten.
Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus §§ 7, 17 StVG i.V.m. § 115 VVG.
1.
Im Ergebnis kann dahin stehen, ob es sich bei dem Unfallereignis um ein solches im Sinne des § 7 StVG handelte. Ein Unfallereignis setzt einen plötzlichen, unerwarteten Schadenseintritt voraus und liegt nicht vor, wenn der Geschädigte diesen Unfall bewusst und gewollt selbst herbeiführt.
Ob – wie die Beklagte meint – aus den Auffälligkeiten des Unfallhergangs und insbesondere des vorgerichtlichen Einlassungsverhaltens des Klägers und der Vielzahl an unstreitig erlittenen Vorschäden auf eine solche Unfallprovokation zu schließen ist, kann im Ergebnis dahinstehen. Auch wenn eine Unfallprovokation nicht derart offensichtlich ist, dass sie ohne Weiteres anzunehmen wäre, ist vorliegend besonders eigentümlich, dass der Kläger ausweislich der Verkehrsunfallanzeige gegenüber der Polizei angegeben haben soll, er habe vorgehabt, mit seinem Sohn zu Burger King zu fahren – was mit seinem Fahrweg nicht zu vereinbaren wäre, da er dann vor dem Kollisionsort den Kreisverkehr hätte verlassen müssen – und abweichendem schriftsätzlichen Vortrag (Bl. 212) sodann in der persönlichen Anhörung vom 23.06.2014 (Bl. 211R GA) angab, er habe sich nach einem Blick auf die Uhr im Kreisverkehr insoweit umentschieden und sich entschlossen, wieder zurück in Richtung Autobahn zu fahren, aus der er nur wenige Augenblicke vorher gekommen war. Auch die Zeugenaussage seines Sohnes vom 26.02.2015 weicht von diesen divergierenden Angaben wiederum teilweise ab.
2.
Jedenfalls lässt sich die Zuordnung des geltend gemachten Schadens zu dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Im Rahmen der insoweit zu beurteilenden haftungsausfüllenden Kausalität ist der Beweismaßstab des § 287 ZPO anzuwenden. Eine ursächliche Beteiligung des Fahrzeuges des Beklagten an den streitigen Beschädigungen muss danach nur deutlich wahrscheinlicher sein als das Gegenteil (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06. Mai 2014 – I-1 U 160/13,-, Rn. 17, juris). Auch unter Zugrundelegung dieses erleichterten Beweismaßstabs lassen sich die Behauptungen des Klägers auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht wahrscheinlich machen.
a)
Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten „tieferen“ Unfallschäden, d.h. der Beschädigungen unterhalb der Karosserie, verbleiben nach der Begutachtung erhebliche Zweifel an der Behauptung des Klägers, diese seien durch den streitgegenständlichen Unfall verursacht worden. Diese Zweifel gehen zu Lasten des insoweit beweisbelasteten Klägers. Der Sachverständige H. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass die als Unfallschaden geltend gemachten „tieferen“ Unfallschäden, insbesondere am Querträger und Pralldämpfer ausgehend von den ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungsgrundlagen dem Vorschaden vom 19.02.2010 mit größerer Wahrscheinlichkeit zuzuordnen waren, als dem streitgegenständlichen Zusammenprall. Das Gericht macht sich, die überzeugenden, erkennbar von Sachkunde getragenen Ausführungen des Sachverständigen, gegen die der Kläger insoweit auch keine Einwände erhoben hat, aus eigener Überzeugung zu Eigen.
b)
Soweit der gerichtliche Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.08.2016 hinsichtlich der oberflächlicheren Schäden an Stoßfänger, Scheinwerfer, Kühlergrill und Radabdeckung zur Berechnung von „kausalen Reparaturkosten“ gelangt ist, sind diese gleichwohl nicht ersatzfähig, da die Kausalität nicht mit der gemäß § 287 ZPO erforderlichen Sicherheit festzustellen ist. Insoweit verbleiben erhebliche Zweifel, inwieweit der streitgegenständliche Zusammenstoß tatsächlich zu einem von fortbestehenden Vorschäden ersatzfähigen Schaden geführt haben kann. Zum Zeitpunkt der Besichtigung durch den Sachverständigen waren diese Schäden weitgehend in Eigenregie instandgesetzt, so dass sich der Sachverständige einen unmittelbaren Eindruck von dem Zustand nach dem Zusammenprall nicht verschaffen konnte. Zugleich konnte er feststellen, dass nicht nur die aktuellen Unfallschäden, sondern auch die Altschäden in bedeutendem Umfang nicht fachgerecht instand gesetzt waren und dass auch vor dem streitgegenständlichen Zusammenprall weiterhin Vorschäden vorhanden gewesen sein müssen. Dies hat der Kläger – nachdem er noch auf die Klageerwiderung hin ausdrücklich hatte vortragen lassen, „etwaige Beschädigungen vor dem Unfall dieses Rechtsstreits [seien] in Eigenregie technisch und optisch ordnungsgemäß repariert worden“ (Schriftsatz vom 06.06.2014, dort S. 6, Bl. 202 GA), in der mündlichen Anhörung vom 23.06.2014 auf Nachfrage jedenfalls teilweise zugestanden, indem er angab, den Vorschaden an der rechten Stoßstange mit einer Sprühdose bearbeitet zu haben, so dass insoweit „fairerweise“ ein Abzug vorzunehmen sein könne. Ferner hat der gerichtliche Sachverständige unter Hinzuziehung der Gutachten W. und N… vom 24.07.2013 eine Kotflügeldeformation den der Mitte des Radlaufs und Kratzspuren an der Rammschutzleiste der Stoßstange rechtsseitig und Altschäden am rechten Scheinwerfer wie auch an den Ziergittern der Lüftungsöffnung des Kotflügels nachvollziehen können (vgl. S. 6-7 des Gutachtens, Bl. 351 f. GA).
Soweit der gerichtliche Sachverständige gleichwohl in dem Ergänzungsgutachten zur Bestimmung eines Verursachungsanteils gelangt ist, erfolgte dies – wie der Gutachter selbst ausgeführt hat – auf der Grundlage einer Schätzung. Auch wenn dieser ergebnisorientierte Ansatz des Gutachters einer achtenswerten Motivation entspringt, vermag das Gericht diese Schätzung der Entscheidung nicht zugrundezulegen. Fehlt es an einer ausreichenden Schätzungsgrundlage, und ist eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens wegen erheblicher Vorschäden nicht möglich, so hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge. Ein Geschädigter kann selbst kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen, wenn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06. Mai 2014- I-1 U 160/13 -, Rn. 18, juris).
So liegt der Fall hier. Denn der Gutachter konnte eine vor diesem Hintergrund ausreichende Schätzgrundlage nicht selbst gewinnen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung die oberflächlichen Unfallschäden – einschließlich der Schäden aus dem vorhergehenden und dem nachfolgenden Unfall – bereits weitgehend beseitigt hatte und der Sachverständige auf die näheren Einzelheiten aus eigener Anschauung nicht eingehen konnte.
II.
Der Kläger hat aus den vorgenannten Gründen keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Gutachter- und Rechtsanwaltskosten sowie die geltend gemachten übrigen Nebenforderungen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
Streitwert: 6.826,79 EUR.