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Verkehrsunfall eines aus einer Kolonne Ausscherenden mit einem überholenden Fahrzeug

Haftungsverteilung nach Ausscheren aus Kolonne

Das Urteil des Landgerichts München im Fall 10 U 4448/16 befasst sich mit der Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall, bei dem ein Fahrzeug aus einer Kolonne ausscherte und mit einem überholenden Fahrzeug kollidierte. Es legt fest, dass nicht immer eine klare 100%-ige Haftung einer Partei vorliegt und betont die Bedeutung der individuellen Umstände jedes Unfalls.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 U 4448/16  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Liste der zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Haftungsverteilung: Das Gericht entschied auf eine Haftungsverteilung von 80:20 zu Lasten der Beklagten.
  2. Verschulden der Beklagten: Der Beklagten zu 1) wurde ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) nachgewiesen, da sie beim Überholen die Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs nicht ausschloss.
  3. Kein Verschulden des Klägers: Dem Kläger wurde kein Verschulden zugeschrieben, trotz der Annahme des Erstgerichts eines möglichen Verstoßes gegen das Überholverbot bei unklarer Verkehrslage.
  4. Relevanz der Verkehrssituation: Das Gericht betonte, dass das Überholen einer Kolonne nicht automatisch ein Verstoß bei unklarer Verkehrslage darstellt.
  5. Bedeutung der Betriebsgefahr: Die allgemeine Betriebsgefahr des klägerischen Pkws wurde mit 20 % bewertet und trat nicht zurück.
  6. Bemessung des Schadensersatzes: Es wurde ein Gesamtschaden von 7.901,20 Euro festgestellt, von dem 80 % von der Beklagten zu tragen sind.
  7. Berechnung der Anwaltskosten: Die vorgerichtlichen Anwaltskosten wurden detailliert berechnet.
  8. Betonung der Einzelfallbeurteilung: Das Urteil unterstreicht die Wichtigkeit einer individuellen Beurteilung jedes Verkehrsunfalls.

Im Zentrum dieses Verkehrsunfallfalles steht die juristische Auseinandersetzung um die Haftungsverteilung und die damit verbundene Anspruchshöhe. Solche Fälle werfen regelmäßig Fragen auf, die sich um die korrekte Anwendung und Auslegung von Verkehrsunfallregelungen drehen. Hierbei ist insbesondere das Verhalten der beteiligten Fahrzeugführer und deren Verantwortung bei einem Unfall von Interesse.

Die rechtliche Herausforderung liegt in der Bewertung, inwieweit das Handeln eines jeden Beteiligten zum Unfall beigetragen hat und wie dadurch die Haftungsquote bestimmt wird. Dies schließt sowohl die direkte Verantwortung, beispielsweise durch Verstöße gegen Straßenverkehrsordnungen, als auch die indirekte Beteiligung durch die allgemeine Betriebsgefahr des Fahrzeugs ein.

Ein wesentlicher Aspekt in solchen Verfahren ist die Berufungserwiderung, welche die Möglichkeit bietet, auf das erstinstanzliche Urteil zu reagieren und gegebenenfalls neue Beweismittel oder Argumente vorzubringen. Die Prozessführung erfordert dabei nicht nur juristische Expertise, sondern auch eine detaillierte Kenntnis des Straßenverkehrsrechts und der einschlägigen Rechtsprechung.

Abschließend spielt die Festlegung der Schadensersatzansprüche eine wichtige Rolle, da diese den finanziellen Ausgleich für den entstandenen Schaden regelt. In der Praxis ist dies oft ein komplexer Bereich, der eine genaue Untersuchung der Unfallumstände und eine umfassende Bewertung der Schäden erfordert.

Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen: Ein Fallbeispiel

Bei einem Verkehrsunfall, der sich aus dem Ausscheren eines Fahrzeugs aus einer Kolonne und der darauffolgenden Kollision mit einem überholenden Fahrzeug ereignete, hat das Landgericht München eine wesentliche Entscheidung zur Haftungsverteilung getroffen. Der Unfall, der zunächst wie viele andere zu sein scheint, wirft bei genauerer Betrachtung wichtige Fragen bezüglich der Haftungsregelungen und der Berufungserwiderung auf. In diesem konkreten Fall hat das Landgericht München unter Aktenzeichen 10 U 4448/16 am 21.12.2016 eine Verfügung erlassen, die wichtige Aspekte des Straßenverkehrsrechts beleuchtet.

Die Rolle der Betriebsgefahr und individuelles Verschulden

Das Gericht musste sich mit der komplexen Frage der Haftungsverteilung auseinandersetzen, die im Straßenverkehr oft von der Betriebsgefahr und dem individuellen Verschulden der Beteiligten abhängt. Die Betriebsgefahr, ein rechtlicher Begriff, der die Gefahren beschreibt, die von einem Fahrzeug im Betrieb ausgehen, spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Im vorliegenden Fall war es so, dass der Beklagten zu 1) ein Verschulden nachgewiesen werden konnte. Sie hatte gegen das Gebot des § 5 IV 1 StVO verstoßen, sich beim Überholen so zu verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Dieser Verstoß führte letztlich zu einer Haftungsverteilung von 80:20 zu Lasten der Beklagten.

Der Einfluss unklarer Verkehrslagen auf die Rechtsprechung

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Bewertung des Gerichts hinsichtlich der Handlungen des Klägers. Das Gericht wies darauf hin, dass das Überholen einer Kolonne per se noch keinen Verstoß gegen das Gebot darstellt, nicht bei unklarer Verkehrslage zu überholen. Dies steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung und unterstreicht, dass für ein solches Vergehen besondere Umstände erforderlich sind. Die vom Erstgericht angeführten Umstände – wie die erlaubte Geschwindigkeit und die Sichtverhältnisse – reichten in diesem Fall nicht aus, um dem Kläger ein Verschulden zuzuschreiben.

Anspruchshöhe und Schadensersatzansprüche im Fokus

Neben der Haftungsverteilung war auch die Höhe der Ansprüche von Bedeutung. Das Gericht stellte einen Gesamtschaden in Höhe von 7.901,20 Euro fest, von dem 80 Prozent, also 6.320,96 Euro, von der Beklagten zu tragen sind. Dies unterstreicht die finanziellen Konsequenzen, die ein Verkehrsunfall nach sich ziehen kann, und die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung aller Umstände durch das Gericht. Hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten wurde ebenfalls eine detaillierte Berechnung vorgenommen, die die Wichtigkeit der Berücksichtigung aller Aspekte in solchen Fällen hervorhebt.

Diese Entscheidung des Landgerichts München ist ein prägnantes Beispiel dafür, wie komplex und vielschichtig Fälle im Bereich des Verkehrsrechts sein können. Sie zeigt, dass bei der Beurteilung von Verkehrsunfällen nicht nur die unmittelbaren Umstände des Unfalls, sondern auch die allgemeinen Regelungen des Straßenverkehrsrechts und deren Interpretation eine Rolle spielen. Die Haftungsverteilung und die Feststellung der Anspruchshöhe sind dabei entscheidend und erfordern eine detaillierte und kenntnisreiche Betrachtung des jeweiligen Falls. Dieser Fall bietet somit wertvolle Einsichten sowohl für Rechtsanwälte als auch für Beteiligte in ähnlichen Verkehrssituationen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall?

Die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall in Deutschland bezieht sich auf die Bestimmung, wer für die durch den Unfall verursachten Schäden verantwortlich ist und in welchem Ausmaß. Dies kann von mehreren Faktoren abhängen, einschließlich der Umstände des Unfalls, des Verhaltens der beteiligten Parteien und der geltenden rechtlichen Bestimmungen.

Grundprinzipien

Die Haftungsverteilung basiert auf dem Prinzip, dass der Verursacher eines Unfalls für die entstandenen Schäden aufkommen muss. Wenn ein Verletzter den Unfall und damit seinen eigenen Schaden mitverursacht hat, wird die Haftung durch das Mitverschulden reduziert. Waren an dem Unfall mehrere Kraftfahrzeuge beteiligt, wird nach § 17 Absatz 1 und 2 StVG eine Haftungsquote gebildet.

Haftungsarten

Es gibt verschiedene Arten von Haftung im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen. Eine davon ist die Verschuldenshaftung, bei der die Haftung auf dem Verschulden des Verursachers basiert. Eine andere ist die Gefährdungshaftung, die unabhängig vom Verschulden besteht und sich auf die typische Betriebsgefahr eines Fahrzeugs bezieht.

Schadensersatz

Der Schadensersatz dient dazu, den Geschädigten so zu stellen, als ob der Schaden nicht eingetreten wäre. Dies kann verschiedene Formen annehmen, einschließlich der Erstattung von Reparaturkosten, Schmerzensgeld und Kosten für einen Mietwagen während der Reparaturzeit.

Beweislast

Die Beweislast bezieht sich auf die Verpflichtung einer Partei, die Richtigkeit ihrer Behauptungen zu beweisen. Im Kontext von Verkehrsunfällen trägt der Geschädigte die Beweislast für den Unfall, die Identität des Halters und/oder Fahrers, den eingetretenen Schaden und die Kausalität zwischen Unfall und Schadenseintritt. Der Halter hat die Beweislast für das Vorliegen höherer Gewalt und die Mithaftung des Geschädigten.

Versicherungen

Die Haftpflichtversicherung spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Schäden nach einem Verkehrsunfall. Sie deckt die Schäden, die beim Unfallgeschädigten entstehen, wenn der Versicherungsnehmer als Verursacher identifiziert wird. Wenn der Verursacher des Unfalls und das Kennzeichen seines Fahrzeugs nicht bekannt sind, können begrenzte Ansprüche gegen den Verein Verkehrsopferhilfe e. V. geltend gemacht werden.


Das vorliegende Urteil

LG München – Az.: 10 U 4448/16 – Verfügung vom 21.12.2016

I. Vor einer Sach- oder Verfahrensentscheidung wird den Beklagten gemäß § 521 II 1 ZPO eine Frist zur Berufungserwiderung bis zum 20.01.2017 gesetzt.

Die Beklagten werden gemäß §§ 521 II 2, 277 ZPO darauf hingewiesen, dass bei Versäumung der vorgenannten Frist eine Zurückweisung der Angriffs- und Verteidigungsmittel gemäß §§ 530, 296 I, IV ZPO erfolgen kann.

Gründe

II. Es wird gem. § 139 ZPO auf Folgendes hingewiesen:

1.) Zur Haftungsverteilung:

Ausgehend von den vom Erstgericht in nicht zu beanstandender Weise festgestellten und daher den Senat gem. § 529 I Nr. 1 ZPO bindenden Tatsachen ist weder eine Haftungsverteilung im Verhältnis 60 : 40 zu Lasten der Beklagten (so das Erstgericht) noch eine solche im Verhältnis 100 : 0 zu Lasten der Beklagten (so der Kläger und Berufungskläger) zutreffend, sondern eine solche von 80 : 20 zu Lasten der Beklagten. Denn während der Beklagten zu 1) ein Verschulden an dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall nachgewiesen worden ist, ist dem Kläger kein Verschulden nachgewiesen worden. Allerdings tritt die allgemeine, mit 20% zu bewertende Betriebsgefahr des klägerischen Pkws nicht zurück. Im Einzelnen:

a) Der Beklagten zu 1) ist ein Verschulden am streitgegenständlichen Verkehrsunfall nachgewiesen worden, nämlich ein Verstoß gegen das in § 5 IV 1 StVO normierte Gebot, sich beim Überholen so zu verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob sie gegen dieses Gebot dadurch verstoßen hat, dass sie sich schlicht nicht hinreichend vergewissert hatte, dass sie zum Überholen ausscheren konnte, ohne den nachfolgenden Verkehr zu gefährden, worauf die klägerische Version vom Unfallhergang hindeutet, oder ob es so war, wie sie selbst vorgetragen hat, dass sie nämlich den bereits im Überholvorgang befindlichen klägerischen Pkw erkannt hatte und gleichwohl – unter grober Verkennung der Umstände – nach links ausscherte, um noch vor dem klägerischen Pkw ihrerseits das erste Fahrzeug der Kolonne zu überholen.

b) Entgegen den Ausführungen im Ersturteil ist demgegenüber dem Kläger kein Verschulden nachgewiesen worden. Soweit das Erstgericht ein solches in einem vermeintlichen Verstoß des Klägers gegen das in § 5 III Nr. 1 StVO normierte Verbot, bei unklarer Verkehrslage zu überholen, sieht und dies damit begründet, dass es angesichts der Gesamtumstände (erlaubte 100 km/h, ungehinderte Sicht nach vorne, kein Gegenverkehr, Geschwindigkeit des vordersten Fahrzeugs nur 80 km/h) „überaus nahe“ gelegen habe, dass auch weitere in der Kolonne fahrende Fahrzeugführer zum Überholen ansetzen würden, entspricht dies nicht der ständigen Rechtsprechung, wonach das Überholen einer Kolonne als solches noch keinen Fall des Überholens bei unklarer Verkehrslage darstellt, sondern dass dafür besondere Umstände hinzukommen müssen (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 5 StVO, Rdnr. 34 m.w.N.). Die o.g. vom Erstgericht genannten Umstände stellen keinesfalls solche besonderen Umstände dar. Anders würde es sich beispielsweise verhalten, wenn – wie in dem vom Senat mit Urteil vom 09.04.2010, Az.: 10 U 4406/09, juris, entschiedenen Fall – die zu überholenden Fahrzeuge langsamer werden und nach links blinken oder – wie in dem vom OLG Karlsruhe mit Urteil vom 26.07.2001, Az.: 9 U 195/00, NZV 2001,473, entschiedenen Fall – die Kolonne nur mit ca. 25 km/h fährt und ein Überholen zuvor durch eine durchgezogene gerade Linie auf der Fahrbahnmitte untersagt war.

c) Die mit 20 % zu bewertende allgemeine Betriebsgefahr des klägerischen Pkws tritt nicht zurück. Denn zum einen war der Unfall für den Kläger bereits deswegen nicht unvermeidbar, weil das Überholen der Kolonne zwar nicht unzulässig war, ein Idealfahrer dies jedoch angesichts der mit derartigem Kolonnenspringen verbundenen abstrakten Selbst- und Fremdgefährdung unterlassen hätte. Zum anderen ist das Verschulden der Beklagten zu 1) auch nicht dermaßen überwiegend, dass unter diesem Gesichtspunkt nur eine Haftung im Verhältnis von 100 : 0 angemessen wäre. Dabei kann abermals dahin gestellt bleiben, ob die Beklagte zu 1) schlicht unaufmerksam war oder ob sie aufmerksam war, aber die Umstände grob verkannte. Denn beide Alternativen sind als gleichgewichtig zu bewerten. In jedem Fall stand diesem Fehlverhalten der Beklagten zu 1) das Kolonnenspringen durch den Kläger gegenüber, welches zwar nicht zu einer Erhöhung des Betriebsgefahr des klägerischen Pkws führt, diese aber eben auch nicht zurücktreten lässt.

2.) Zur Anspruchshöhe:

a) Auszugehen ist – entsprechend den insoweit nicht zu beanstandenden Ausführungen im Ersturteil – von einem Gesamtschaden in Höhe von 7.901,20 €. 80 % hiervon sind 6.320,96 €.

b) Hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten ergibt sich folgende Rechnung: (405,00 € x 1,3 + 20,00 €) x 1,19 = 650,34 €

 

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