LG Lübeck – Az.: 10 O 51/18 – Urteil vom 26.04.2021
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 11.734,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 8.234,48 Euro seit dem 3. Mai 2017 und auf 3.500 Euro seit dem 24. April 2018 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dazu verpflichtet sind, dem Kläger 70 % seiner weiteren materiellen und immateriellen Schäden – letztere soweit sie nicht vorhersehbar waren – zu ersetzen, die im ursächlichen Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom 26. Januar 2017 stehen, soweit die Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.
3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die ADAC-Rechtsschutzversicherung AG zur Schadennummer … außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.029,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Mai 2017 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 40 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 60 % zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
7. Der Streitwert wird auf 23.668,54 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche und Ansprüche auf Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 26. Januar 2017 gegen 20:28 Uhr auf der Autobahn 1 zwischen … und … kurz vor der Abfahrt … bei Streckenkilometer … ereignete.
An diesem Tag befuhr der damals in … wohnende Kläger nach Beendigung einer Dienstreise in … mit seinem Pkw Hyundai (amtliches Kennzeichen …) die Autobahn 1, um nach Hause zu gelangen. Gegen 20:28 Uhr näherte er sich mit seinem Fahrzeug auf der sechsspurig ausgebauten, zu dieser Zeit mäßig befahrenen Autobahn bei trockener Witterung dem Streckenkilometer …. Auf dem weitab von beleuchteten Straßen und Gebäuden befindlichen Streckenabschnitt herrschte Dunkelheit.
Kurz zuvor war an der bezeichneten Stelle auf dem linken Fahrstreifen das schwarze Fahrzeug Toyota des V (amtliches Kennzeichen …) in einem spitzen Winkel zur Fahrbahn so liegen geblieben, dass es mit seinem Heck in die mittlere Fahrspur hineinragte. Etwa auf gleicher Höhe standen auf dem seitlichen Notstreifen der Autobahn hintereinander zwei Fahrzeuge mit eingeschalteten Warnblinkleuchten. Die Fahrer dieser Fahrzeuge hatten jeweils angehalten, weil sie beobachtet hatten, dass das Fahrzeug Toyota auf den linken Fahrstreifen geschleudert worden war. Einer der Fahrer befand sich bereits bei dem Toyota, um V aus dem Auto zu helfen.
Der Kläger prallte mit seinem Fahrzeug gegen das Heck des Toyotas, ohne dass er zuvor eine Notbremsung oder einen Ausweichversuch unternommen hätte. Auf der Fahrerseite seines Fahrzeugs lösten der Kopfairbag, der Seitenairbag und die Knieairbags aus. Er kam mit seinem Auto einige Meter hinter der Unfallstelle ebenfalls auf dem linken Fahrstreifen zu stehen. V und der Ersthelfer H wurden durch den Aufprall getötet. Für die anschließenden Rettungsarbeiten musste der gesamte Autobahnabschnitt in beide Richtungen gesperrt werden. Die Staatsanwaltschaft nahm unmittelbar Ermittlungen auf und entsandte einen Sachverständigen zur Unfallstelle.
Der Kläger erlitt durch den Unfall multiple Prellungen an Unterbauch, Thorax, linker Schulter und Knie sowie eine Sternumfraktur. Er wurde mit dem Rettungsdienst in das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein gebracht und dort bis zum Mittag des nächsten Tages behandelt. Das im November 2012 erstzugelassene Fahrzeug des Klägers erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden. Unter anderem wurden durch den Unfall die Motorhaube gestaucht, der Kotflügel abgerissen, die Achshälfte herausgerissen und in die Stirnwand gedrückt, die Windschutzscheibe zerbrochen sowie die Fahrertür, ein Außenspiegel und sämtliche Anbauteile im linken Motorraumbereich zerstört.
Der Kläger behauptet, dass das Fahrzeug Toyota infolge eines ersten Unfalles, den der Beklagte zu 2) verursacht habe, auf der Autobahn liegen geblieben sei. Der Beklagte zu 2) habe kurz zuvor stark alkoholisiert den Streckenabschnitt mit seinem Fahrzeug Mazda (amtliches Kennzeichen …) befahren und sei auf das Fahrzeug Toyota aufgefahren, sodass dieses zunächst gegen die rechte Leitplanke gestoßen, dann über die drei Fahrspuren hinweg gegen die Mittelleitplanke geraten und auf dem linken Fahrstreifen zu stehen gekommen sei. Der Beklagte zu 2) habe den Unfall wahrgenommen, jedoch nicht angehalten, sondern sei trotz eines geplatzten Reifens und mit ausgelöstem Airbag vom Unfallort weggefahren, ohne diesen abzusichern. Er habe sich in der folgenden Nacht vor der Polizei versteckt.
Der Toyota habe im Anschluss an diesen Unfall unbeleuchtet auf dem linken Fahrstreifen gestanden und sei für den Kläger nicht zu erkennen gewesen. Er selbst habe aus einiger Entfernung die haltenden Fahrzeuge mit Warnblinklicht gesehen, daraufhin seine Geschwindigkeit reduziert und mit seinem Fahrzeug vom rechten auf den mittleren Fahrstreifen gewechselt. Er sei mit einer Geschwindigkeit zwischen 100 und 120 km/h weiter gefahren. Als er sich mit seinem Fahrzeug nahezu auf Höhe der beiden auf dem Notstreifen haltenden Fahrzeuge befunden habe, sei ein rechts von ihm fahrender Lkw in einer leichten Bewegung nach links gefahren, sodass der Kläger sein Fahrzeug ebenfalls leicht nach links gesteuert habe. Gleich darauf sei sein Fahrzeug auf den Toyota aufgeprallt.
Er sei vor dem Unfalltag selbstständig im Außendienst tätig gewesen und habe verschiedene Baumärkte angefahren. An jedem Tag, an dem er sich für acht Stunden in einem Markt aufgehalten habe oder bei Warendispositionen über das Liefersortiment habe er eine Tagespauschale von 200 Euro netto verdient. Weitere Einkünfte habe er dadurch generiert, dass er zehn Angestellte beschäftigt habe. Er sei beruflich jedes Jahr 120.000 bis 130.000 km unterwegs gewesen. Sein Beruf habe ihn zufriedengestellt. Nach dem Unfall habe er bis zum 24. Februar 2017 seiner Arbeit nicht weiter nachgehen können. Dadurch seien ihm 4.200 Euro Gewinn entgangen. Danach sei er nicht in der Lage gewesen, ein Auto zu steuern, weil sein Brustkorb gebrochen gewesen sei. Er habe sich von seinem Vater und seinem Onkel zu seinen Einsatzorten fahren lassen und diesen insgesamt 17 Fahrten im Monat März 2017 mit jeweils 50 Euro vergütet. Schließlich sei er nicht mehr dazu in der Lage gewesen, seiner bisherigen Tätigkeit im gleichen Umfang wie zuvor nachzukommen und die gleichen Umsätze zu generieren wie vor dem Unfall. Er habe daher nach über zehn Jahren seine Tätigkeit als Selbstständiger aufgegeben und sich fest anstellen lassen. Er gehe heute einer Bürotätigkeit nach.
Durch den Unfall sei nicht nur das erst vier Jahre alte Fahrzeug des Klägers zerstört worden. Er habe auch die Kosten eines Schadensgutachtens, des Rettungsdienstes für die Überführung ins Universitätsklinikum und Heilbehandlungskosten, für die seine private Krankenversicherung nicht einstehe, selbst tragen müssen. Auch dafür, dass er nochmals nach Bad Oldesloe habe fahren müssen, um die persönlichen Sachen abzuholen, die sich in seinem Fahrzeug befanden, seien Kosten entstanden. Der Kläger habe sich Geld bei seiner Familie leihen und Schulden machen müssen.
Durch die Prellungen und die Sternumfraktur habe der Kläger Schmerzen erlitten, die noch bei Einreichung der Klage im Februar 2018 nicht vollständig abgeklungen seien. Seelisch trage er schwer daran, dass durch den Unfall zwei Menschen getötet wurden. Er selbst sei nur durch Zufall mit seinem Leben davongekommen. Er durchlebe die Situation in Alpträumen und wache nachts auf. Autofahrten seien ständig von Angst begleitet. Nachts könne er nicht Auto fahren, da er schon erschrecke, wenn ein Blatt vor der Windschutzscheibe hochfliege. Vor Kurzem habe er eine Psychotherapie begonnen. Sein Therapeut empfehle die stationäre Aufnahme in einer psychiatrischen Klinik für 8 bis 10 Wochen. Er warte auf einen freien Klinikplatz, für den die Krankenkasse die Kosten bereits bewilligt habe. Ihm seien auch Psychopharmaka verschrieben worden. Er könne nicht verstehen, dass die Beklagten nicht zu ihrer Verantwortung stünden. Der Beklagte zu 2) habe seine Tat nicht eingeräumt. Die Beklagte zu 1) habe ihm, dem Kläger, nicht einmal einen Vorschuss gezahlt. Er halte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000 Euro für angemessen.
Die Beklagten hätten seiner Ansicht nach für alle Schäden und ein Schmerzensgeld aufzukommen, da der Unfall für ihn unvermeidbar gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 14.668,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Mai 2017 sowie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dazu verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen zukünftigen Schäden zu ersetzen, die aus dem Verkehrsunfall vom 26. Januar 2017 resultieren, soweit sie nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die ADAC-Rechtsschutzversicherung AG zur Schadennummer … außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.029,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Mai 2017 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 2) sei an dem hier streitgegenständlichen Verkehrsunfall nicht beteiligt gewesen und hafte daher nicht für etwaige materielle oder immaterielle Schäden des Klägers. Keinesfalls stelle sich der Verkehrsunfall für den Kläger als unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG dar. Der Kläger habe den Unfall vermeiden können, wenn er das Sichtfahrgebot beachtet und dafür zuvor seine Geschwindigkeit deutlich reduziert hätte. Spätestens nachdem der Kläger zwei haltende Fahrzeuge mit eingeschaltetem Warnblinklicht am Seitenstreifen gesehen habe, hätte er von einer besonderen Gefahrensituation ausgehen und seine Geschwindigkeit anpassen müssen. Selbst wenn sich ein Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 2) an dem gesamten Unfallgeschehen erweisen lasse, sei ein Mitverschulden des Klägers so hoch zu bewerten, dass Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten ausschieden.
Die Klage ist den Beklagten am 21. April 2018 bzw. am 23. April 2018 zugestellt worden.
Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Lübeck zum Aktenzeichen … hat als Zweitschrift (im Folgenden: „Ermittlungsakte“) auszugsweise vorgelegen; diese ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Ausweislich der Akte verurteilte das Landgericht Lübeck den Beklagten zu 2) am 6. Dezember 2019 – rechtskräftig – wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung, wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung, wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit einer vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr und wegen Vortäuschung einer Straftat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und entzog ihm die Fahrerlaubnis (Aktenzeichen …).
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F, C, J und M. Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) W hat ein mündliches Gutachten erstattet. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 21. Oktober 2019 (Blatt 107 bis 111 der Akte) und vom 8. März 2021 (Blatt 160 bis 192 der Akte) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Insbesondere ist das Landgericht Lübeck gemäß der §§ 32 ZPO, 20 StVG örtlich zuständig, da sich der Unfall im Bezirk des Landgerichts ereignet hat.
2. Der auf die Zahlung eines angemessenen, nicht konkret bezifferten Schmerzensgeldbetrages gerichtete Klagantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Ein nicht bezifferter Zahlungsantrag ist nach ganz überwiegender Ansicht jedenfalls dann hinreichend bestimmt, wenn die Höhe des Anspruchs von einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO abhängt und der Kläger die für die Schätzung maßgebliche Tatsachengrundlage darlegt sowie die ungefähre Größenordnung, in der er sich vorstellt, ein Schmerzensgeld zu beanspruchen, angibt.
3. Das für den Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche, nicht nur ausschließlich wirtschaftliche Interesse an der Feststellung des Rechtsverhältnisses liegt vor. Denn dem subjektiven Recht des Klägers droht eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch, dass die Beklagten dieses ernsthaft bestreiten. Das erstrebte Urteil ist infolge seiner Rechtskraft geeignet, die Unsicherheit zu beseitigen. Außerdem steht dem Kläger keine bessere Rechtsschutzmöglichkeit, insbesondere die Leistungsklage, zur Verfügung, da nach dem Vortrag des Klägers die zumindest entfernte Möglichkeit besteht, dass weitere Schadensersatzansprüche entstehen, auch wenn Eintritt, Art und Umfang der Ansprüche noch ungewiss sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2001 – VI ZR 381/99 – NJW 2001,1431, Rn. 7; Zöller/Greger, Zivilprozessordnung 33. Aufl. 2020 § 256 Rn. 7a).
II.
Die Klage ist weitgehend begründet.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Ersatz von 70 % seiner materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 26. Januar 2017 gemäß der §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG, 254, 823 Abs. 1 BGB, § 1 PflVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 VVG.
a) Der Unfall, in dessen Folge der Kläger Schäden erlitt, erfolgte „bei dem Betrieb“ (§ 7 Abs. 1 StVG) des Fahrzeugs des Beklagten zu 2), obwohl es nicht zu einer Berührung der beiden Fahrzeuge dieser Parteien kam, sondern der Beklagte zu 2) mit seinem Fahrzeug zunächst mit dem Fahrzeug Toyota des V kollidierte. Es besteht insoweit ein Zurechnungszusammenhang auch zu dem weiteren Unfall zwischen dem Fahrzeug des Klägers mit dem des Fahrzeugs Toyota.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18 –, NJW 2019, 2227, Rn. 8 m.w.N.) ist das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird. Die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (BGH, Urteile vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14 – NJW 2015, 1681 Rn. 5, vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13 – BGHZ 199, 377 Rn. 5, und vom 31. Januar 2012 – VI ZR 43/11 – BGHZ 192, 261 Rn. 17). Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung der Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll. Die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (BGH, Urteile vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14 – NJW 2015, 1681, Rn. 5, vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13 – BGHZ 199, 377 Rn. 5, und vom 31. Januar 2012 – VI ZR 43/11 – BGHZ 192, 261 Rn. 17).
Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14 – NJW 2015, 1681, Rn. 5, vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13 – BGHZ 199, 377, Rn. 5, vom 26. Februar 2013 – VI ZR 116/12 – NJW 2013, 1679, Rn. 15, und vom 13. Juli 1982 – VI ZR 113/81 – NJW 1982, 2669; OLG Celle, Urteile vom 22. Januar 2020 – 14 U 150/19 – NJW-RR 2020, 533, Rn. 42, und vom 20. November 2019 – 14 U 172/18 – DAR 2020, 26, Rn. 7). Auf eine Berührung der beteiligten Kraftfahrzeuge oder sonstigen Unfallbeteiligten kommt es nicht an. Bei einem berührungslosen Unfall ist Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs eines Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis, dass es über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat (BGH, Urteil vom 22. November 2016 – VI ZR 533/15 – VersR 2017, 311 ff.). Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt erst, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs keine Rolle mehr spielt oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14 – NJW 2015, 1681, Rn. 6).
bb) Nach diesen Maßstäben steht fest, dass der von dem Beklagten zu 2) verursachte Unfall mit dem Pkw Toyota auch den nachfolgenden Unfall zwischen dem Fahrzeug des Klägers und dem Toyota mitgeprägt hat.
Dass der Beklagte zu 2) den ersten Unfall mit dem Fahrzeug Toyota des V in schuldhafter Weise verursachte, was die Beklagten in diesem Rechtsstreit in Abrede gestellt haben, ist erwiesen. Der Beklagte zu 2) hat in seiner persönlichen Anhörung am 21. Oktober 2019 trotz erdrückender Hinweise auf seine Unfallbeteiligung in dem parallel laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Lübeck und selbst später angesichts einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen der Tat nicht eingestanden, einen Unfall mit dem Fahrzeug Toyota verursacht zu haben. Stattdessen hat er lediglich angegeben, er könne sich, was das Unfallgeschehen angehe, nur noch an einen Knall erinnern. Er wisse auch nicht, woher der Knall gekommen sei. Er habe vor dem Vernehmen dieses Geräuschs auch kein anderes Fahrzeug gesehen. Er erinnere sich nur, dass sich sein Fahrzeug irgendwie gedreht habe. Er sei dann weitergefahren und habe später, als er schon nicht mehr auf der Autobahn gefahren sei, gemerkt, dass sein Auto nicht mehr richtig fahre. Das Fahrzeug habe er dann irgendwo abgestellt.
Diese Angaben des Beklagten zu 2) sind schon nicht glaubhaft. Denn ausweislich der Ermittlungsakte steuerte der Beklagte zu 2) sein Fahrzeug bis zum Unfallzeitpunkt zwar stark alkoholisiert, legte aber dennoch von … kommend eine lange Strecke zurück, was eine gewisse Aufmerksamkeit voraussetzt. Auch an das Geschehen, das sich an den Verkehrsunfall anschloss, hatte der Beklagte zu 2) eine ausreichende Erinnerung. So unterhielt er sich ausweislich der Ermittlungsakte während einer Taxifahrt zu seinem Wohnort in … ausführlich mit dem Taxifahrer, ohne dass diesem besondere Konzentrations- oder Artikulationsschwierigkeiten oder ein sonstiges Verhalten des Beklagten zu 2), das auf Bewusstseinsdefizite schließen ließe, aufgefallen waren. Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass sich der Beklagte zu 2) auch an das eigentliche Unfallgeschehen mit dem Toyota erinnert und seine Wissenslücken nur vorgibt, um sich auch der zivilrechtlichen Verantwortung nicht stellen zu müssen.
Außerdem hat der Sachverständige W auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass aufgrund der Spurenlage eindeutig erwiesen sei, dass das Fahrzeug Mazda des Beklagten zu 2) auf das Fahrzeug Toyota aufgefahren sei, bevor dieses zunächst an die rechte Leitplanke gestoßen und von dort über die gesamte Fahrbahn hinweg gegen die Mittelleitplanke geschleudert worden sei. An der Unfallstelle seien sogar Fahrzeugteile mit der Aufschrift „Mazda“ gefunden worden, die zum Fahrzeug des Beklagten zu 2) gepasst hätten. Dieser Unfallablauf deckt sich ohne weiteres auch mit den Wahrnehmungen der Zeugen F und C, die zwar nicht den Anstoß des Fahrzeugs des Beklagten zu 2) an das Fahrzeug Toyota gesehen hatten, jedoch beide übereinstimmend bekundeten, sie hätten zunächst auf Höhe der rechten Leitplanke einen Funkenflug erkannt und anschließend wahrgenommen, wie ein Fahrzeug von rechts über die gesamte Fahrbahn hinweg zur Mittelleitplanke geschleudert sei.
Ohne das Verhalten des Beklagten zu 2), der mit seinem Fahrzeug den Erstunfall mit dem Toyota verursachte, wäre es nicht zu dem nachfolgenden Unfall des Klägers mit diesem Toyota, der auf dem linken Fahrstreifen der Autobahn liegengeblieben war, gekommen. Es besteht danach ein adäquater Ursachenzusammenhang. Dass ein gewisser Zeitraum von möglicherweise sogar mehreren Minuten zwischen dem Erst- und dem Zweitunfall liegt, rechtfertigt keine andere Bewertung (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt mit Kettenunfällen OLG Celle, Urteil vom 22. Januar 2020 – 14 U 150/19 – NJW-RR 2020, 533, Rn. 46).
b) Der streitgegenständliche Verkehrsunfall war weder für den Kläger noch für den Beklagten zu 2) unabwendbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG.
aa) Ein unabwendbares Ereignis ist ein schadensstiftendes Ereignis, das auch bei Anwendung der über die gewöhnliche Sorgfalt hinausgehenden, nach den Umständen des konkreten Falles gebotenen besonderen Aufmerksamkeit, Geistesgegenwart und Umsicht nicht zu vermeiden gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 1985 – VI ZR 258/83 – NJW 1986, 183, Rn. 7). Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines unabwendbaren Ereignisses trägt derjenige, der sich darauf beruft. Er muss alle ernsthaft in Betracht kommenden Unfallursachen ausräumen, die der Beurteilung eines Verhaltens als das eines Idealfahrers entgegenstehen. Verbleibende Unsicherheiten hinsichtlich des Unfallhergangs gehen zu seinen Lasten, soweit es um die Unabwendbarkeit des Unfalls geht (OLG Köln, Urteil vom 20. Oktober 1993 – 2 U 48/93 – NZV 1994, 230).
bb) Beide Parteien haben jedenfalls nicht bewiesen, dass sie sich wie ein Idealfahrer verhalten haben bzw. der Unfall auch bei entsprechendem Verhalten unvermeidbar war.
Dies gilt zunächst für den Beklagten zu 2). Dass das Fahren unter Alkoholeinfluss mit den Anforderungen an einen gewissenhaften Kraftfahrer unvereinbar ist, liegt auf der Hand. Der Beklagte zu 2) hat auch nichts zu einer Unabwendbarkeit vorgetragen, obwohl er diese beweisen müsste. Zudem gingen etwaige Zweifel hinsichtlich einer Feststellung, dass ein nüchterner Fahrer den Unfall mit dem Toyota hätte abwenden können, insoweit zu seinen Lasten (Greger in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 6. Aufl. 2021, Haftung des Kfz-Halters, Rn. 3-318). Zudem ist dem Beklagten zu 2) der Beweis einer Unabwendbarkeit auch hinsichtlich des nachfolgenden Unfalls zwischen dem Hyundai des Klägers und dem Toyota versagt, da der Beklagte zu 2) mit dem Erstunfall auch eine Ursache für den nachfolgenden Unfall setzte und zudem als Unfallbeteiligter des ersten Verkehrsunfalls nicht das Vernünftigste unternahm, insbesondere die Unfallstelle zu sichern (in diese Richtung bereits BGH, Urteil vom 28. September 1976 – VI ZR 219/74 – VersR 1977, 36 zu einem Geschehen noch vor Inkrafttreten des § 34 StVO).
Aber auch für den Kläger war der Verkehrsunfall mit dem Toyota nicht unabwendbar. Schon nach seinem eigenen Vortrag fuhr der Kläger mit einer Geschwindigkeit von 100 bis 120 km/h, als er auf das Fahrzeug Toyota auffuhr. Nach den Angaben des Sachverständigen W betrug die Geschwindigkeit des Fahrzeugs Hyundai des Klägers jedoch 120 bis 140 km/h. Da die Erkennbarkeitsentfernung eines unbeleuchteten Fahrzeugs bei Dunkelheit jedoch lediglich 25 bis 28 m beträgt, wie der Sachverständige ebenfalls ausgeführt hat, wäre der Unfall nur dann vermeidbar gewesen, wenn der Kläger mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h gefahren wäre, da er dann mit einer Vollbremsung noch vor dem Fahrzeug Toyota zu stehen gekommen wäre. Um noch ausweichen zu können, hätte die Geschwindigkeit allenfalls „geringfügig höher“ sein können.
Auch wenn sich allgemeine Aussagen dazu verbieten, welche Geschwindigkeit Autofahrer nachts idealerweise nicht überschreiten, da es auf die jeweiligen Sichtverhältnisse, die auch durch fremde Lichtquellen und den Verkehrsfluss beeinflusst werden, ankommt, hätte zumindest die konkrete Situation ein deutlich langsameres Fahren des Klägers erfordert, sollte dieses noch als „ideal“ anzusehen sein. Ein Kraftfahrer muss gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 4 StVO seine Fahrweise so einrichten, dass er auch in der Dunkelheit vor auf der Straße liegengebliebenen Kraftfahrzeugen, mögen sie auch unbeleuchtet sein, rechtzeitig anhalten kann (vgl. BGH, Urteile vom 23. Juni 1987 – VI ZR 188/86 – NJW-RR 1987, 1235, Rn. 13, und vom 8. Dezember 1987 – VI ZR 82/87 – NJW-RR 1988, 406, Rn. 11).
Am Abend des 26. Januar 2017 herrschte auf dem Streckenabschnitt der Autobahn 1 kurz vor der Abfahrt … Dunkelheit. Beleuchtete Straßen oder Gebäude befanden sich nicht in der Nähe. Um eine Notbremsung vor einem liegen gebliebenen Fahrzeug durchzuführen, hätte Anlass dazu bestanden, die Geschwindigkeit jedenfalls deutlich unter die Richtgeschwindigkeit zu reduzieren. Die Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung empfiehlt, „auch bei günstigen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen“ nicht schneller als 130 km/h zu fahren. Ein „Idealfahrer“ fährt nicht schneller als Richtgeschwindigkeit. Ihm ist bewusst, dass die Gefahr, einen Unfall nicht mehr vermeiden zu können, aber auch, von anderen Verkehrsteilnehmern nicht rechtzeitig wahrgenommen zu werden, durch höhere Geschwindigkeiten deutlich steigt (OLG Nürnberg, Urteil vom 9. September 2010 – 13 U 712/10 – NJW 2011, 1154). Günstig waren die Sichtverhältnisse wegen der Dunkelheit jedoch nicht, so dass ein Idealfahrer in der Situation deutlich langsamer als mit Richtgeschwindigkeit gefahren wäre. Dadurch, dass am Seitenstreifen der Autobahn Fahrzeuge hielten, die die Warnblinkleuchten eingeschaltet hatten, bestand ein weiterer Grund dafür, die Geschwindigkeit deutlich unterhalb der Richtgeschwindigkeit zu verringern, sich bremsbereit zu halten und unter erhöhter Aufmerksamkeit weiterzufahren.
Dies hat der Kläger nicht getan. Statt seine Geschwindigkeit deutlich unter die Richtgeschwindigkeit zu reduzieren, fuhr er kurz vor dem Unfall mit einer Geschwindigkeit von 120 bis 140 km/h. An den diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen W, der sein Gutachten detailliert und nachvollziehbar erstattet hat und auch auf Nachfragen der Parteien und der Kammer im Termin zusätzliche Auskunft erteilt hat, hat die Kammer, wie auch im Übrigen hinsichtlich seines Gutachtens, keinen Zweifel. Ein Idealfahrer wäre unter den gegebenen Umständen nicht derart schnell gefahren. Dass der Kläger von der rechten auf die mittlere Fahrspur wechselte, um einer vermeintlichen Gefahrenquelle auszuweichen, entlastet ihn ebenfalls nicht vollständig. Denn bei beibehaltener hoher Geschwindigkeit verminderte ein solcher Spurwechsel nicht das Risiko eines Zusammenstoßes mit einem auf einer Fahrspur liegen gebliebenen Fahrzeug.
Der Kläger hätte es zudem vermeiden müssen, bei Passieren der Stelle, an der sich sichtbar Fahrzeuge auf dem Seitenstreifen befanden, noch einen Lastwagen zu überholen, wie er es jedoch nach seinem eigenen Vortrag getan hat. Denn es ist keinesfalls unwahrscheinlich, dass der Fahrer eines den rechten Fahrstreifen nutzenden Fahrzeugs abrupte Lenkbewegungen nach links vornimmt, wenn dieses an eine Stelle gelangt, an der sich auf dem Seitenstreifen haltende Fahrzeuge befinden. Mit einem solchen Verhalten ist vielmehr deshalb zu rechnen, weil sich in der Nähe der haltenden Fahrzeuge Personen aufhalten können oder die Türen des haltenden Fahrzeugs geöffnet werden und ein vorbeifahrendes Fahrzeug deshalb Ausweichbewegungen vornimmt. Kann ein Fahrer deswegen vorhersehen, dass er nicht unwahrscheinlichen Ausweichbewegungen des überholten Fahrzeugs an der bezeichneten Gefahrenstelle seinerseits auszuweichen haben würde, muss er den Überholvorgang hier idealerweise unterlassen, um andere Personen weder zu gefährden noch zu behindern (§ 1 Abs. 2 StVO).
c) Im Rahmen der nach §§ 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 Abs. 3 StVG vorzunehmenden Abwägung der Haftungsanteile hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dabei dürfen nur feststehende, d.h. unstreitige oder bewiesene Umstände berücksichtigt werden, die sich nachweislich auf den Unfall ausgewirkt haben (Heß in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, § 17 StVG Rn. 12). Die so ermittelten Verursachungsanteile sind gegeneinander abzuwägen.
aa) Für eine schuldhafte Unfallverursachung des Beklagten zu 2), der nach den Feststellungen des Sachverständigen W anhand der eindeutigen Spurenlage mit seinem Fahrzeug Mazda auf den Toyota das V auffuhr, spricht ein Anscheinsbeweis. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei Auffahrunfällen, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der erste Anschein dafür bestehen kann, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 Satz 1 StVO), unaufmerksam war (§ 1 Abs. 1 StVO) oder aber mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO). Denn der Kraftfahrer ist verpflichtet, seine Fahrweise so einzurichten, dass er notfalls rechtzeitig anhalten kann, wenn ein Hindernis auf der Fahrbahn erscheint (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2016 – VI ZR 32/16 – NJW 2017, 1177, Rn. 10 m.w.N.). Ein Auffahrunfall reicht als solcher allerdings als Grundlage eines Anscheinsbeweises nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen (BGH, a.a.O.). Fehlen solche bekannten Umstände – wie hier insbesondere im Hinblick auf ein Verkehrsverhalten des V – bleibt als Grundlage für tatrichterliche Feststellungen allein das typische Kerngeschehen, das für das Verschulden des Beklagten zu 2) spricht.
Der Beklagte zu 2) hat jedoch nicht nur den Erstunfall mit dem Toyota verursacht, sondern zudem gegen die Pflichten eines Unfallbeteiligten gemäß § 34 Abs. 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift hat der Beklagte zu 2) als Unfallbeteiligter (§ 34 Abs. 2 StVO) u.a. unverzüglich zu halten, den Verkehr zu sichern, sich über die Unfallfolgen zu vergewissern, Verletzten zu helfen, anderen am Unfallort anwesenden Beteiligten und Geschädigten anzugeben, dass man am Unfall beteiligt war und sich auf Verlangen auszuweisen und so lange am Unfallort zu bleiben, bis zu Gunsten der anderen Beteiligten und Geschädigten die erforderlichen Feststellungen getroffen werden konnten bzw. bei berechtigter Entfernung vom Unfallort unverzüglich die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen. Der Beklagte zu 2) hat sich an keine dieser Sicherungspflichten gehalten, sondern ist in seinem Auto mit geplatztem Reifen und ausgelöstem Airbag von der Unfallstelle weggefahren, ohne sich um das weitere Schicksal der offensichtlich geschädigten oder erheblich gefährdeten Insassen des Toyotas zu kümmern.
Ein Verstoß gegen § 34 Abs. 1 StVO kann als ein die Betriebsgefahr erhöhender Umstand Berücksichtigung finden, wenn es ein Unfallbeteiligter schuldhaft unterlässt, die Unfallstelle abzusichern (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1976 – VI ZR 219/74 – VersR 1977, 36). Der Beklagte zu 2) hätte nach Überzeugung der Kammer Zeit und Gelegenheit gehabt, zumindest erste Maßnahmen der Unfallsicherung zu ergreifen, insbesondere unverzüglich anzuhalten und sich einen Überblick über die Unfallfolgen zu verschaffen. Ob daneben ggf. die Möglichkeit bestanden hätte, eine Rettungsweste überzuziehen, ohne Selbstgefährdung ein Warndreieck in ausreichendem Abstand vor dem Fahrzeug Toyota aufzustellen und sodann dem offenbar aus eigener Kraft nicht dazu fähigen V aus seinem Fahrzeug zu helfen, ist angesichts des erwiesenen zeitlichen und tatsächlichen Ablaufs ungewiss. Der Beklagte zu 2) hat es aber nicht einmal versucht, diese Hilfeleistung zu unternehmen. Er hat auch seine Unfallbeteiligung nicht offengelegt. Stattdessen hat er die Unfallstelle verlassen, ohne sich um das weitere Schicksal anderer Unfallbeteiligter zu kümmern.
bb) Der Kläger hat gegen § 3 Abs. 1 Satz 2 und 4 StVO verstoßen. Nach diesen Vorschriften ist die Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen und es darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Nach der bereits oben angeführten ständigen Rechtsprechung darf ein Kraftfahrzeugführer bei Dunkelheit – auch auf der Autobahn und auf der Überholspur – grundsätzlich nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten kann. Auf eine Ausnahme im Sinne des § 18 Abs. 6 StVO kann sich der Kläger nicht berufen, da er nicht dargelegt hat, dass die Schlussleuchten eines vorausfahrenden Kraftfahrzeugs klar erkennbar gewesen seien und er einen ausreichenden Abstand zu diesem eingehalten habe oder dass der Verlauf der Fahrbahn durch Leiteinrichtungen mit Rückstrahler erkennbar war und er, zusammen mit fremdem Licht, Hindernisse rechtzeitig wahrnehmen konnte.
Dass der Kläger mit der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit nicht rechtzeitig innerhalb seines Sichtfeldes vor dem unvermutet auftauchenden Hindernis, dem liegengebliebenen Toyota, anhalten konnte, steht aufgrund der Angaben des Sachverständigen W fest. Denn bereits bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 120 km/h hätte der Bremsweg 70 bis 80 Meter betragen, wobei der Kläger mit 120 bis 140 km/h fuhr. Er hätte das liegengebliebene Fahrzeug aber erst aus einer Entfernung von 25 bis 28 Metern erkennen können.
Dabei hält es die Kammer für erwiesen, dass das schwarze Auto Toyota, nachdem es an der Mittelleitplanke stehen geblieben war, mangels funktionierender Warnleuchten oder deutlich reflektierender Anbauteile trotz möglicherweise noch eingeschaltetem Rücklicht äußerst schwer zu erkennen war.
Dass an dem Toyota kein Warnblinklicht eingeschaltet war, steht aufgrund der Angaben der Zeugen F, C und M fest. Während der Zeuge M, der selbst mit seinem Fahrzeug die Unfallstelle zwischen den beiden Unfällen befuhr und das stehende Fahrzeug Toyota links von sich mit einem Seitenblick erkannte, angab, der Toyota sei vollständig unbeleuchtet gewesen, konnten sich die Zeugen F und C jedenfalls an eingeschaltete Warnblinkleuchten des Fahrzeugs Toyota nicht erinnern. Auch als die Kammer die Zeugin C mit ihrer Aussage konfrontierte, die sie am 20. Februar 2017 beim Polizei-Autobahn- und Bezirksrevier … machte und in der sie angab, dass der Fahrer des Toyotas versucht habe, dass Warnblinklicht seines Pkw einzuschalten, sodass sie im Fahrzeuginnern eine blinkende Symbolleuchte erkennen konnte, dass aber außen am Fahrzeug „nichts“ geleuchtet habe und der Pkw rundherum stark beschädigt gewesen sei, wiederholte die Zeugin, dass sie sich an solche Einzelheiten nicht mehr erinnere und lediglich bestätigen könne, dass das verunfallte Fahrzeug stark beschädigt gewesen sei.
Demnach hat lediglich der Zeuge J angegeben, er habe an dem Fahrzeug Toyota vor dem zweiten Unfall eingeschaltete Lichter und Warnblinklichter wahrgenommen. Diesen Angaben glaubt die Kammer jedoch nicht. Denn der Zeuge hatte auch im Übrigen Erinnerungen an die Unfallsituation, die sich mit den Angaben der übrigen Beteiligten nicht in Übereinstimmung bringen ließen. So gab er unter anderem an, dass er selbst sowie die Zeugen F und C ihr Fahrzeug bereits verlassen und mit der Ehefrau des Ersthelfers H Kontakt aufgenommen hätten, bevor sich der zweite Unfall ereignete. Ein solcher Tathergang ist jedoch aufgrund der Schilderungen der Zeugen F und C, die insoweit glaubhaft eine andere Erinnerung hatten und diese durch zahlreiche Einzelheiten untermauerten, widerlegt. Mit diesem und weiteren Widersprüchen seiner Angaben konfrontiert, legte sich der Zeuge J schließlich auch nicht mehr auf seine Aussage fest, die Warnblinkleuchte des Fahrzeugs Toyota sei vor dem zweiten Unfall eingeschaltet gewesen.
Zur Wahrnehmbarkeit des Fahrzeugs Toyota hat sich auf Bitten der Kammer auch der Sachverständige W geäußert und angegeben, dass sich an diesem Fahrzeug nach dem ersten Unfall keine Reflektoren mehr befunden hätten. Des Weiteren führte der Sachverständige aus, dass, wie jeder Gegenstand, auch ein schwarzes Auto Lichtreflexe abgebe. Allerdings sei zweifelhaft, ob bzw. ab welcher Entfernung man solche Reflexe einem Gegenstand „Auto“ zuordnen und es als solches erkennen könne.
Ob die Rückleuchten des Fahrzeugs Toyota im Zeitpunkt des zweiten Unfalls noch funktionsfähig und eingeschaltet waren, vermag die Kammer aufgrund der insoweit widersprüchlichen Angaben der Zeugen und des Fehlens von Anknüpfungstatsachen für den Sachverständigen, der das Fahrzeug erst nach dem zweiten Unfall in Augenschein nehmen konnte, nicht sicher festzustellen. Denn soweit der Zeuge F in seiner Vernehmung bekundete, die Beleuchtung an dem Fahrzeug Toyota sei nach dem ersten Unfall noch an gewesen, relativierte er diese Aussage, indem er auf Nachfrage angab, dass jedenfalls die Innenraumbeleuchtung des Fahrzeugs eingeschaltet gewesen sei, er sich aber aufgrund des langen Zeitablaufs nicht mehr genau daran erinnere, ob auch die Rückleuchte des Fahrzeugs noch funktionierte. Das Licht vorne am Fahrzeug, sollte es noch in Funktion gewesen sein, habe er nicht sehen können. Die Zeugin C bekundete, sich nicht mehr erinnern zu können, ob die Rückleuchten des Fahrzeugs Toyota noch funktionierten und konnte sich – wie ausgeführt – auch an ihre frühere Angabe bei der Polizei, es habe außen am Fahrzeug „nichts“ geleuchtet, nicht mehr erinnern. Nach den Angaben des Zeugen M, der nachvollziehbar und detailreich geschildert hat, er sei an dem stehen gebliebenen Fahrzeug Toyota vorbeigefahren und habe dieses erst im letzten Moment erkannt und als unbeleuchtet wahrgenommen, wäre davon auszugehen, dass die Rückleuchten nicht in Funktion waren.
Allerdings misst die Kammer diesem Umstand keine besondere Bedeutung bei. Denn selbst wenn noch eine oder beide Rückleuchten des Fahrzeugs Toyota geleuchtet haben sollten, wären diese infolge der Stellung des in einem spitzen Winkel zur Fahrbahn liegen gebliebenen Fahrzeugs nur schwer wahrnehmbar gewesen. Zudem haben Rückleuchten, deren Leistung 5 bis 10 Watt betrügen, nach den Ausführungen des Sachverständigen auf die passive Wahrnehmbarkeit nicht denselben Effekt, wie Warnblinkleuchten, die über eine deutlich stärkere Leistung von 21 Watt verfügten. Demnach hält es die Kammer – in weiterer Übereinstimmung mit den Angaben des Sachverständigen – jedenfalls für äußerst naheliegend, dass die Aufmerksamkeit eines Fahrers in der Situation des Klägers auf die am Standstreifen stehenden Fahrzeuge mit eingeschaltetem Warnblinklicht fokussiert ist und der Kläger deswegen etwa eingeschaltete und noch funktionstüchtige Rücklichter des Fahrzeugs Toyota in der konkreten Situation nur sehr schwer hätte wahrnehmen können.
cc) Bei Abwägung aller Verursachungs- und Verschuldensbeiträge erachtet die Kammer eine Haftungsverteilung von 30 % zu 70 % zu Lasten der Beklagten für angemessen.
Eine Alleinhaftung der Beklagten kommt bereits im Hinblick auf den dem Kläger zuzurechnenden eigenen Verkehrsverstoß nicht in Betracht. Der Verkehrsverstoß des Beklagten zu 2) wiegt auch nicht derart schwer, dass hier gleichwohl eine Alleinhaftung der Beklagten gerechtfertigt erschiene.
Allerdings hat der Beklagte zu 2) die maßgebliche, erste Ursache für das weitere Geschehen gesetzt und dabei einen Verkehrsverstoß begangen, der dadurch besonders schwer wiegt, dass er nach der Verursachung des ersten Unfalls auch seinen Pflichten zur Sicherung der Unfallstelle nicht nachgekommen ist, sondern sich vielmehr unerlaubt vom Unfallort entfernt hat.
Dem Umstand, dass der Beklagte zu 2) im Unfallzeitpunkt alkoholisiert war, kommt hier darüber hinaus keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine lediglich abstrakte Gefahrerhöhung, wie im Falle des Führens eines Kraftfahrzeugs wegen absoluter oder relativer Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses, im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge nur von Bedeutung sein kann, wenn sie sich bei dem Unfall ausgewirkt hat (BGH, Urteile vom 10. Januar 1995 – VI ZR 247/94 –, VersR 1995, 357, Rn. 10, und vom 21. November 2006 – VI ZR 115/05 – VersR 2007, 263).
Geht es um die Haftungsverteilung zwischen den an einem Unfall beteiligten Fahrzeughaltern bzw. -führern, müssen die Umstände, die das Gewicht der einzelnen Verursachungsbeiträge bestimmen und damit als die Betriebsgefahr erhöhende Faktoren den Haftungsanteil des jeweils anderen beeinflussen, bewiesen werden (BGH, Urteil vom 10. Januar 1995, a.a.O., Rn. 12). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs spricht zwar der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit der Trunkenheit, wenn sich der Unfall in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können (BGH, Urteil vom 10. Januar 1995, a.a.O., Rn. 14, m.w.N.). Der Kammer fehlen vorliegend jedoch hinreichende Anhaltspunkte dafür, inwieweit ein nüchterner Fahrer den Auffahrunfall hätte vermeiden können, da das Verschulden hinsichtlich dieses Auffahrunfalls wiederum nur im Wege eines Anscheinsbeweises festgestellt werden konnte.
Im Vergleich zu dem Verursachungs- und Verschuldensbeitrag des Beklagten zu 2) an dem Verkehrsunfall hat der Kläger nur in geringem, wenngleich aber mitentscheidendem Maß gegen das Sichtfahrgebot verstoßen.
Das Oberlandesgericht Celle hat in einem vergleichbaren Fall, der seinem Urteil vom 22. Januar 2020 (14 U 150/19) zugrunde liegt, eine entsprechende Haftungsverteilung von 70 % zu 30 % zulasten des Verursachers des ersten Unfalls vorgenommen. Auch hier war ein Fahrzeug mit einer schnelleren Geschwindigkeit als der Richtgeschwindigkeit auf ein zuvor verunfalltes Fahrzeug aufgefahren, das bei Dunkelheit schwer erkennbar auf der Fahrbahn liegengeblieben war. Zu einer noch strengeren Haftungsquote von 25 % zu 75 % zulasten des Fahrers eines infolge eines Fahrfehlers liegengebliebenen Fahrzeugs, der nicht über eine gültige Fahrerlaubnis verfügte und keine Sicherungsmaßnahmen gemäß § 15 StVO ergriffen hatte, so dass ein weiteres Fahrzeug unter Verstoß gegen das Sichtfahrgebot auf dieses auffuhr, gelangte das Oberlandesgericht Frankfurt in seinem Urteil vom 2. Juni 2020 (10 U 49/19). Gegenüber der zuletzt genannten Fallgestaltung wertet es die Kammer im vorliegenden Fall jedoch nicht als gleichbedeutend, wenn der Verursacher des ersten Unfalls gebotene Sicherungsmaßnahmen gemäß § 34 StVO unterlässt. Während ein Unfallbeteiligter nach § 34 StVO zunächst anhalten und geeignete Maßnahmen zur Eigensicherung ergreifen muss, bevor er ggf. den Verkehr sichern und Verletzten Hilfe leisten kann, verlangt § 15 StVO zunächst Maßnahmen, die in der Regel zügig und problemlos ausgeführt werden können, wie das Einschalten des Warnblinklichts.
d) Dem Kläger sind aufgrund des Unfalls vom 26. Januar 2017 mit Ausnahme des Gewinnausfalls in der von ihm geltend gemachten Höhe alle vorgetragenen Schäden entstanden.
Unstrittig ist der Schaden an seinem Fahrzeug Hyundai mit dem Zeitwert in Höhe von 7.950 Euro abzüglich eines Restwerts von 1.100 Euro und somit 6.850 Euro zu bemessen. Daneben sind Gutachterkosten in Höhe von 757,44 Euro entstanden.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass dem Kläger bis zum 24. Februar 2017 aufgrund der Unfallfolgen ein Verdienst in Höhe von 1.300 Euro entgangen ist. Dieser Einkommensverlust kann aufgrund richterlicher Schätzung unter Würdigung aller Umstände zugrunde gelegt werden (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Aus der Anlage K3 zur Klageschrift (Blatt 23 bis 24 der Akte) ist ersichtlich, dass der Kläger in diesem Zeitraum lediglich geringe Einnahmen von etwa 1.200 Euro auf seinem Konto verbuchen konnte, während diese ab März 2017 auf monatlich durchschnittlich über 2.500 Euro anstiegen. Umgekehrt ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass der Einkommensverlust in diesem Zeitraum, wie vom Kläger dargelegt, 4.200 Euro betragen habe. Der genannten Kontenübersicht kann nämlich ebenfalls entnommen werden, dass auf Rechnungen vom 2. Januar 2017 und vom 24. Januar 2017, also jeweils für Zeiträume, die vor dem Unfall liegen, ebenfalls nur geringe Zahlungen erfolgten. Zwar kann es nach Auffassung der Kammer durchaus sein, dass der gesamte Einkommensverlust des Klägers infolge des Unfalls höher gewesen ist als hier zugesprochen, doch fehlt dazu entsprechender Sachvortrag.
Dass die weiteren Schadenspositionen auf den Unfall zurückzuführen sind, glaubt die Kammer dem Kläger. Die Annahme, dass sich der Kläger im März 2017 wegen der erlittenen Sternumfraktur der Hilfe Verwandter bediente, um seiner Tätigkeit im Außendienst nachgehen zu können und diesen für Fahrdienste täglich 50 Euro zahlte, ist lebensnah und der entsprechende Vortrag des Klägers, er habe 850 Euro hierfür aufwenden müssen, überzeugend. Ebenso glaubhaft ist, dass der Kläger eine weitere Fahrt nach Bad Oldesloe und zurück nach Köln (Kilometerkosten 78,96 Euro) unternehmen musste, um Gegenstände aus seinem zerstörten Fahrzeug zu holen. Die von der Krankenkasse des Klägers nicht übernommenen Kosten für den Rettungsdienst, Medikamente und Heilbehandlungen hat dieser glaubhaft mit insgesamt 1.907,14 Euro dargelegt und entsprechende Belege eingereicht. Die Unkostenpauschale schätzt das Gericht nach ständiger Rechtsprechung auf 20 Euro.
Die berücksichtigungsfähigen Schäden betragen daher insgesamt 11.763,54 Euro. Davon sind 70 %, also 8.234,48 Euro, zu ersetzen.
2. Darüber hinaus hat der Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 3.500 Euro gemäß der §§ 7 Abs. 1, 11 StVG, § 1 PflVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 VVG.
Im Hinblick auf die Körperverletzung des Klägers sind die Beklagten gemäß § 11 Satz 2 StVG verpflichtet, eine billige Entschädigung in Geld zu zahlen. Dadurch soll ihm einerseits ein angemessener Ausgleich für die erlittenen Beeinträchtigungen geboten und er in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, die die Beeinträchtigungen jedenfalls teilweise wieder ausgleichen, und dem Kläger soll andererseits Genugtuung für das erlittene Unrecht verschafft werden. Die Höhe der billigen Entschädigung ist infolge des unbezifferten Zahlungsantrages des Klägers gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO von der Kammer zu schätzen. Die Kammer hat sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes an vergleichbaren Fällen zu orientieren und das Schmerzensgeld unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgebenden Umstände festzusetzen, welches in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzung steht. Auch ein Mitverschulden des Klägers ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen.
Der Kläger erlitt durch den Unfall multiple Prellungen an Unterbauch, Thorax, linker Schulter und Knie sowie eine Sternumfraktur und musste einen Tag im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein behandelt werden. Die Schmerzen dauerten, was die Kammer dem Kläger glaubt, bis mindestens Februar 2018 an. Daneben trägt der Kläger seelisch schwer daran, dass durch sein Zutun zwei Menschen getötet wurden. Infolge des Verkehrsunfalls und der in Gedanken immer wieder durchlebten Unfallsituation musste der Kläger seinen Beruf wechseln. Auch dass die Beklagten bisher jegliche Regulierung von materiellen und immateriellen Schäden unterlassen haben, wirkte sich nachteilig auf die Gesamtsituation des Klägers, der dazu gezwungen war, Verwandte um finanzielle Unterstützung zu bitten, aus.
Unter Berücksichtigung der Haftungsanteile der Parteien ist dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.500 Euro zuzusprechen. Dieser Betrag ist angemessen, aber auch ausreichend, um die erlittenen Schmerzen und körperlichen und seelischen Verletzungen des Klägers zu kompensieren.
3. Der Feststellungsantrag ist bezogen auf eine Haftungsquote von 70 % begründet. Insbesondere ist bislang nicht abzusehen, in welcher Höhe gegebenenfalls weitere Schäden dadurch entstehen, dass der Kläger vor wenigen Wochen eine psychotherapeutische Behandlung begonnen hat und ihm möglicherweise auch ein stationärer Aufenthalt für eine psychotherapeutische Behandlung bevorsteht.
4. Soweit die Klageanträge unbegründet sind, ist die Klage abzuweisen.
5. Der Anspruch auf Zinsen ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB.
Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst daneben auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schädiger jedenfalls solche Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dabei ist der Geschäftswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, NJW 2017, 3588, Rn. 6). Die mit der Klage geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten errechnen sich nach einem Gegenstandswert bis zu 16.000 Euro. Dieser Betrag entspricht auch dem Betrag, mit dem der Kläger obsiegt (8.234,48 Euro Sachschäden + 3.500 Euro Schmerzensgeld + 2.800 Euro wegen des Feststellungsantrages).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht für den Kläger auf § 709 ZPO und für die Beklagten auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
IV.
Der festgesetzte Streitwert in Höhe von 23.668,54 Euro setzt sich aus den folgenden Beträgen zusammen: 14.668,54 Euro wegen geltend gemachter Sachschäden, 5.000,00 Euro Schmerzensgeldforderung und 4.000,00 Euro wegen des Feststellungsantrages.