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Verkehrsunfall – Kosten für Heilbehandlungen und Untersuchungen 14 Jahre nach dem Unfall

AG Tirschenreuth – Az.: C 13/12 – Urteil vom 17.09.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.956,75 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz gemäß §§ 115 VVG, 3 a PflVG.

Am 22.01.2000 wurde die Klägerin auf der Staatsstraße 2665 in einen Verkehrsunfall verwickelt, welchen der Versicherungsnehmer der Beklagten, Herr M. S., schuldhaft verursacht hatte. Dieser beabsichtigte auf einer Geraden zwischen Kemnath und Löschwitz ein vor ihm fahrendes Fahrzeug zu überholen. Während des Überholvorgangs kam er von der Fahrbahn ab, lenkte zurück und stieß anschließend frontal mit dem entgegenkommenden PKW zusammen. Dieses Fahrzeug, es handelte sich um einen VW Polo, amtliches Kennzeichen …, wurde von der Klägerin gesteuert. Die Klägerin befand sich im Fond des Fahrzeugs. Bei Herrn M. S. ist später eine Blutalkoholkonzentration von 1,24 Promille festgestellt worden.

Infolge des Unfalls wurde die Klägerin schwer verletzt. Sie zog sich unter anderem folgende Verletzungen zu:

– Clavikularfraktur rechts

– stumpfes Bauchtrauma

– LWK 1 – Fraktur und LWK 2 – Fraktur (Deckplattenimpressionsfraktur) mit Höhenminderung

Kosten Heilbehandlungen & Untersuchungen 14 Jahre nach Unfall
Symbolfoto: Von Rocketclips, Inc./Shutterstock.com

Nach dem Unfall wurde die Klägerin in das Krankenhaus K. verbracht. Anläßlich des stationären Aufenthalts folgte eine Ruhigstellung der Clavikularfraktur rechts mit einem Rucksackverband. Es erfolgte die Einleitung von medikamentös analgetischen und antiphlogistischen Maßnahmen. Neben einem stumpfen Bauchtrauma wurde ein Bruch des LKW 1 und 2 diagnostiziert. Die Klägerin erlitt ferner eine Beckenschaufelfraktur rechts. Sie wurde vom 22.01. bis 27.01.2000 im Krankenhaus K. behandelt. Aufgrund anhaltender Rückenschmerzen stellt sie sich am 01.02.2000 erneut im Krankenhaus K. vor. Sie wurde sodann wieder stationär aufgenommen und weiter medikamentös analgetisch und antiphlogistisch therapiert. Anlässlich einer am 07.02.2000 durchgeführten Kernspintomographieuntersuchung der Lendenwirbelsäule zeigte sich dann die LKW 1 Deckenplattenimpressumsfranktur mit deutlicher vetraler Höhenminderung und Beteiligung der Hinterkante. Ferner wurde ein kontusionsbedingtes Marködem mit diskreter linksseitiger Vorderkantenbeteiligung des LWK 2 festgestellt. Am 11.02.2000 ist die Klägerin zur weiteren Therapie ins Klinikum W. stationär verlegt worden. Dort erfolgte zunächst die weitere Immobilisation der Klägerin. Gegen Ende des stationären Aufenthalts ist sie dann in einem Stabilisierungskorsett mobilisiert worden. Am 17.03.2000 erfolgte die stationäre Entlassung aus dem Klinikum W. in die LVA Klinik H. zwecks einer stationären Anschlussheilbehandlung. Die Klägerin hat sich auch in jüngster Vergangenheit krankengymnastischen Heilbehandlungsmaßnahmen unterzogen. Außerdem musste sie Kosten für Heilmittel vorschießen. Insgesamt verauslagte sie einen Gesamtbetrag von 2383,55 Euro, der ihr nach Abzug des Beihilfekostenanteils verblieb und den sich die Beklagte weigert, der Klägerin zu erstatten. Außerdem wurde die Klägerin von ihrer Arbeitgeberin – Dienststelle Regensburg Landesamt für Finanzen – aufgefordert, eine Untersuchung in der chirurgischen Klinik am Safranberg der Universitätsklinik Ulm durchführen zu lassen. Da sollte abgeklärt werden, ob die Beihilfestelle weiterhin die Kosten für die verordnete Krankengymnastik, Fango, klassische Massagetherapie und Lymphdrainage zu tragen habe. Die Klägerin kam dieser Aufforderung nach und begab sich mit ihrem Fahrzeug von Lindau zur Universitätsklinik nach Ulm. Insgesamt legte sie 244 Kilometer zurück. Unter Zugrundelegung einer Kilometerpauschale von 0,30 Cent pro Kilometer begehrt die Klägerin Fahrtkosten in Höhe von 73,20 Euro.

Die Klägerin behauptet, dass sie nach wie vor an gesundheitlichen Beschwerden und Schmerzen leide, die aus dem Unfallgeschehen vom 22.01.2000 herrühren würden. Deswegen müsse sie zur Besserung ihrer gesundheitlichen Situation regelmäßig an krankengymnastischen Behandlungen teilnehmen. Sie ist der Auffassung, dass die hierfür von ihr in der Vergangenheit verauslagten Kosten, soweit sie nicht von der Beihilfe übernommen wurden, von der Beklagten zu erstatten wären. Außerdem ist sie der Auffassung, dass die entstandenen Fahrtkosten zur Uniklinik in Ulm von der Beklagten zu übernehmen wären, weil sie in unmittelbarem Zusammenhang mit den Unfallfolgen stünden.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.456,75 Euro nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz aus 938,75 Euro seit dem 20.04.2012 sowie aus 1.518,00 Euro seit dem 08.10.2013 und 78,90 Euro vorgerichtliche Kosten zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftige Unkosten für krankengymnastische Massagetherapiemaßnahmen, Fangopackungen und Lymphdrainagen zu bezahlen, soweit diese aus dem Verkehrsunfallereignis vom 22.01.2000 resultieren und nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Beklagtenseits wird bestritten, dass die Klägerin nach wie vor an gesundheitlichen Beschwerden und Schmerzen leide, die aus dem Unfallgeschehen vom 22.01.2000 herrühren. Daher sei zur Verbesserung des aus dem Unfall vom 22.01.2000 herrührenden Gesundheitszustands der Klägerin keine Erforderlichkeit im Sinne von § 249 BGB mehr gegeben und zwar weder für die Durchführung krankengymnastischer Behandlungsmaßnahmen noch für Lymphdrainagen oder klassische Massagebehandlung und Fangopackungen. Außerdem ist die Beklagte der Rechtsauffassung, dass sie die der Klägerin entstandenen Fahrtkosten in Höhe von 73,20 Euro nicht zu erstatten habe. Dies deswegen, da die Fahrtkosten der Klägerin allein aufgrund der Anordnung ihres Arbeitgebers zur Durchführung einer medizinischen Untersuchung entstanden wären. Diese Kosten seien vom Arbeitgeber zu erstatten. Die Beklagte hafte nicht für solche aufgrund fremder Anordnung angefallener Kosten. Für die Erstattungsfähigkeit nach § 249 BGB fehle es am Zurechnungszusammenhang.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.

Im übrigen wird hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens Bezug genommen auf sämtlich gewechselte Schriftsätze, zudem auf die Sitzungsniederschrift vom 11.08.2014.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage war vollumfänglich abzuweisen, weil der Klägerin kein Anspruch mehr auf Übernahme von Heilmittel und Heilbehandlungskosten gegen die Beklagte weder für die jüngste Vergangenheit noch für die Zukunft mehr zusteht und die Klägerin die eingeklagten Fahrtkosten nicht von der Beklagten erstattet bekommen kann.

Im einzelnen ist hierzu auszuführt was folgt:

Der Sachverständige Dr. med. L. hat in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 13.02.2014 festgestellt:

„Alle bei der Klägerin durch den Verkehrsunfall vom 22.01.2000 eingetretenen Verletzungen sind günstig verheilt.

Der Schlüsselbeinbruch ist funktionell günstig ohne Hinterlassung von Funktionsstörungen oder Beschwerden ausgeheilt. Es sind weder jetzt noch in Zukunft Behandlungsmaßnahmen erforderlich oder eine Verschlimmerung zu erwarten.

Die Beckenschaufelfraktur/Beckenkammfraktur rechts ist ebenfalls stabil unter leichter Verformung verheilt. Sie hat weder zu statischen Veränderungen an den unteren Extremitäten noch zu einer Beeinflussung der Rumpfwirbelsäule speziell der Lendenwirbelsäule, beigetragen. Insbesondere ist es hierdurch nicht zu einer Lymphstauung, einem Lymphödem oder einem Lymphödem an den unteren Extremitäten gekommen. Insofern kann aus dieser Diagnose keine weitere Behandlungsbedürftigkeit für die Zukunft abgeleitet werden.

Es ist eine Behandlung ausschließlich zu Lasten der Krankenkasse beziehungsweise der privaten Krankenkasse geboten.

Bezüglich der Wirbelsäulenverletzung ist festzustellen, dass diese langjährig ausgeheilt ist. Im übrigen bestehen hier, wie schon aus früheren Untersuchungsbefunden hervorgeht, überhaupt keine Funktionsstörungen von Krankheitswert.

Die Beschwerden, die jetzt geklagt werden, bestehen eindeutig im Kreuzbeinübergang, also im lumbosakralen Scharnier, wo häufig Funktionsstörungen unterschiedlichster Ursache zu Stande kommen, häufig auch verursacht durch geringe Beinlängendifferenzen, die im vorliegenden Falle nachgewiesen werden konnten und zwar auch durch unterschiedliche Untersucher aber eben nicht als Unfallfolge in Betracht kommen, weil es unfallbedingt keine Beinlängendifferenz geben konnte. Dies wäre nur bei Frakturen der Extremitäten möglich gewesen. Insofern ist für die Behandlung der lumbosakralen Schmerzsymptomatik ebenfalls die Krankenkasse zuständig, nicht die Haftpflichtversicherung bzw. der Regulierer der Unfallfolgen. Der Verletzungsabschnitt wurde heute völlig unauffällig befundet, sowohl was die Bewegungsmaßnahme anlangt, als auch was die Beweglichkeit anlangt.

Insofern ist nun eindeutig nachgewiesen, dass Behandlung wegen den Unfallfolgen nicht mehr erforderlich ist, dies betrifft alle Verletzungsfolgen, die hier vorgelegen haben. Es ist erfreulicherweise von einem günstigen Ausheilungsergebnis auszugehen.“

Diesen in sich nachvollziehbaren, schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen hat sich das erkennende Gericht vollumfänglich angeschlossen. Dies deswegen, da es keinerlei Anhaltspunkte dafür hatte, dass der Sachverständige falsche Feststellungen getroffen hat. Bezeichnenderweise wurden insoweit auch seitens der Klägerin keine Einwände gegen die Feststellungen des Sachverständigen erhoben.

Nach alledem konnten der Klägerin die von ihr in der Vergangenheit verauslagten Unkosten für Heilmittel und Heilbehandlungskosten nicht zu Lasten der Beklagten als Haftpflichtversicherer zugesprochen werden. Das gleiche galt auch für zukünftig entstehende Kosten.

Ebenso konnten der Klägerin die von ihr begehrten Fahrkosten nicht zu Lasten der Beklagten zugesprochen werden, weil es tatsächlich am Zurechnungszusammenhang im Sinne von § 249 BGB fehlte. So ordnete die Arbeitgeberin der Klägerin die Untersuchung im Uniklinikum in Ulm an und hat auch insoweit für die die der Klägerin entstandenen Unkosten einzustehen. Dies auch insbesondere deswegen, weil der Sachverständige Dr. med. L. in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten ausführte, dass alle Unfallfolgen günstig ausgeheilt sind. Eine Einstandspflicht der Beklagten besteht mithin nicht mehr.

Mangels zugesprochener Hauptforderung konnte der Klägerin auch keine Nebenforderung zugesprochen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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