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WEG – Haftung des Erben für Hausgeldforderungen

AG Wilhelmshaven, Az.: 6 C 448/15, Urteil vom 10.02.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.650,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.06.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 139,83 € für vorgerichtlich entstandene, nicht anrechenbare, Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu voll-streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Zahlung rückständigen und künftigen Hausgeldes geltend.

Der verstorbene Ehemann der Beklagten Herr K. E. war zu Lebzeiten Miteigentümer der Klägerin und Eigentümer der Erdgeschoßwohnung links Nr. 26 sowie der im 1. Obergeschoss links gelegenen Wohnung Nr. 28. Gemäß dem am 23.05.2013 vor dem Amtsgericht Wilhelmshaven eröffneten Testament vom 31.10.2012 setzte er die Beklagte als Alleinerbin ein. Die Tochter des Verstorbenen Frau S. E. sollte aber die vorstehend genannten Wohnungen erhalten. Insoweit wird auf das Testament Blatt 27 d. A. Bezug genommen.

Die Klägerin beschloss bei der Wohnungseigentümerversammlung vom 28.07.2014 mit beschlossenem und unangefochten gebliebenen Wirtschaftsplan für 2015 ein monatliches Haus-geld in Höhe von 94,00 € für die Wohnung Nr. 26 und in Höhe von 60,00 € für die Wohnung Nr. 28. Bei der Wohnungseigentümerversammlung vom 25.10.2011 beschloss die Klägerin einstimmig und unangefochten die Vorfälligkeit des Jahreshausgelds bei Verzug von zwei Monatsraten.

Am 7.08.2014 schloss die Beklagte mit Frau S. E. vor dem Notar einen Teilerbauseinandersetzungsvertrag zur Eigentumsübertragung der vorstehend benannten Wohnungen. Die Erbbaurechtgeberin, die Bundesanstalt für Immobilien, verweigerte aber die Zustimmung zu diesem Vertrag. Im Grundbuch ist weiterhin Herr K. E. als Eigentümer der beiden Wohnungen eingetragen.

WEG - Haftung des Erben für Hausgeldforderungen
Symbolfoto: Jirapong Manustrong/Bigstock

Die Beklagte zahlte seit Januar 2015 kein Hausgeld. Die Klägerin macht daher das gesamte Jahreshausgeld geltend und zwar für die Wohnung Nr. 26 in Höhe von 1.033,01 € (94,00 € x 12 abzüglich eines Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung 2014 in Höhe von 94,99 €) und für die Wohnung Nr. 28 in Höhe von 617,55 € (60,00 € x 12 abzüglich eines Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung 2014 in Höhe von 102,45 €), insgesamt einen Betrag von 1.650,56 €.

Die Klägerin ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 24.04.2015 auffordern das Jahreshausgeld an sie zu zahlen. Die Beklagte zahlte nicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte Eigentümerin der streitgegenständlichen Wohnung sei. Maßgebend sei ausschließlich die Eigentümerstellung im Grundbuch, wonach die Beklagte als Alleinerbin hafte.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.650,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 26.06.2015 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie die Kosten der außergerichtlichen, nicht anrechenbaren Kosten der anwaltlichen Inanspruchnahme in Höhe von 139,83 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass Frau S. E. mit Abschluss des Teilerbauseinandersetzungsvertrages Eigentümerin der Wohnungen geworden sei. Eine Zustimmung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sei hierzu nicht erforderlich gewesen.

Zudem behauptet sie, dass die Wohnungen ausschließlich durch Frau S. E. genutzt worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und Urkunden der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.) Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte aus Erbenstellung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf Zahlung des Jahreshausgeldes in Höhe von 1.650,56 € zu. Der Anspruch ergibt sich aus dem von der Eigentümerversammlung am 28.07.2014 durch förmlichen Beschluss beschlossenen und unangefochtenen Wirtschaftsplan für das Jahr 2015 gem. §§ 28 Abs. 2 i. V. m. 10 Abs. 1, 16 Abs. 2 WEG, 1922 Abs. 1 BGB.

Der Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Jahreshausgelds ist fällig. Denn die Klägerin beschloss einstimmig und unangefochten bei der Wohnungseigentümerversammlung vom 25.10.2011, dass das Jahreshausgeld zu Beginn des Kalenderjahres fällig ist, es aber in monatlichen Raten zu zahlen ist. Sobald ein Eigentümer mit zwei Monatsraten aber in Verzug gerät, wird das gesamte Jahreshausgeld fällig, sog. Vorfälligkeit. Der Beschluss der Klägerin zur sofortigen Fälligkeit ist auch zulässig gem. § 21 Abs. 7 WEG (Merle in: Bärmann, WEG, § 21 Abs. 7, Rn. 152).

Die Beklagte zahlte seit Januar 2015 kein Hausgeld. Im Februar 2015 ist sie daher mit zwei Raten in Verzug geraten, sodass das gesamte Jahreshausgeld dann fällig wurde und von der Klägerin eingefordert werden kann.

Die Beklagte ist als Alleinerbin auch Schuldnerin des Hausgeldes gem. §§ 16 Abs. 2 WEG i. V. m. 1922 Abs. 1 BGB.

Nach § 16 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen.

Hiernach ist Schuldner der Beitragsansprüche der jeweilige aktuelle Wohnungseigentümer, der zum Zeitpunkt der Fälligkeit im Grundbuch eingetragenen ist (Merle in: Bärmann, WEG, 11.A., § 28 Rd. 151). Die Kostentragungspflicht für den veräußernden Wohnungseigentümer endet erst mit Eigentumsumschreibung im Grundbuch (BGH 87, 138; 107, 285; 131, 228; NJW 1994, 3352; Düsseldorf NZM 2001, 198; ZWE 2001, 77).

Im Grundbuch war zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Verstorbene K. E. eingetragen. Eine Umschreibung des Grundbuchs auf Frau S. E. ist nicht erfolgt. Da es vorliegend aber ausschließlich auf die Eigentümerstellung im Grundbuch zum Zeitpunkt der Fälligkeit ankommt, kann es dahinstehen, ob der Teilerbauseinandersetzungsvertrag aufgrund der fehlenden Zustimmung der Bundesanstalt für Immobilien wirksam zustande gekommen ist oder nicht. Der Vertrag stellt nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Eigentumsübertragung dar, während das Eigentum erst mit der Eintragung ins Grundbuch auf den Erwerber übergeht. Frau S. E. ist daher nicht Eigentümerin geworden.

Die Beklagte ist Alleinerbin der Wohnungen und damit im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch Eigentümerin der Wohnungen i. S. v. § 16 Abs. 2 WEG. Eine Haftungsbefreiung der Beklagten ist auch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich.

Selbst wenn die Wohnungen ausschließlich durch Frau S. E. genutzt würden und der Teilerbauseinandersetzungsvertrag wirksam zustande gekommen wäre, kommt eine Haftung des „werdenden“, „faktischen“ oder „wirtschaftlichen“ Eigentümers, der im Grundbuch noch nicht als Wohnungseigentümer eingetragen ist, nicht in Betracht, auch nicht analog § 16 Abs. 2 WEG, für Verbindlichkeiten, die noch vor seinem Eigentumserwerb begründet und fällig wurden, und zwar erst durch Beschluss einer Eigentümerversammlung, in der er kein eigenes Stimmrecht hatte (BGH, Beschl. v. 18. Mai 1989 – V ZB 14/88 -, BGHZ 107, 285-288).

Denn zum einen werden die Wohnungseigentümer im Innenverhältnis erst durch den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Zahlung des Hausgeldes verpflichtet, sodass ein solcher Beschluss auch nur Verbindlichkeiten für die zur Beschlussfassung, berufenen Wohnungseigentümer begründen könne, weil sonst ein unzulässiger Gesamtakt zu Lasten Dritter vorliegen würde (BGHZ 104, 197, 202). Zum anderen besteht schon kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG, da der im Grundbuch eingetragene Eigentümer die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums auch dann noch zu tragen hat, wenn er das Wohnungseigentum veräußert, nicht mehr nutzt und für den Erwerber schon eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde (BGHZ 87, 138 ff).

Ferner bleibt es dem Erwerber frei eine frühere Haftung zu übernehmen, indem er sich in dem Kaufvertrag in Form eines echtes Vertrages zugunsten Dritter i. S. d. § 328 Abs. 1 BGB der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber verpflichtet, die Hausgelder bereits ab Besitzübergang zu zahlen (LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 17.12.2008 – 14 S 7346/08). Der Veräußerer kann auch seinen Freistellungsanspruch gegen den Erwerber an die übrigen Wohnungseigentümer abtreten, so dass diese den Erwerber unmittelbar in Anspruch nehmen können.

Dies ist vorliegend jedoch nicht geschehen, sodass die Beklagte nicht von ihrer Haftung frei wurde und Schuldnerin des Anspruchs ist.

2.) Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen zu. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB. Der Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 280, 286 BGB.

3.) Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 2 ZPO.

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