AG Meinerzhagen – Az.: 4 C 33/16 – Urteil vom 17.01.2018
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 275,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.12.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.12.2015 durch Zahlung an die D. Versicherung AG zu Schadensnummer … zu erstatten.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 75% und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 25%.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1.) gemäß § 7 Abs. 1 StVG, gegen die Beklagte zu 2.) gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG und gegen den Beklagten zu 3.) gemäß §§ 18 Abs. 1, 7 Abs. 1 StVG einen Schadensersatzanspruch in tenorierter Höhe. Die Beklagten haften gesamtschuldnerisch, §§ 116 Abs. 1 VVG, 421 BGB.
1.
Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs.
Ferner sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein Fall höherer Gewalt, also ein von außen kommendes, unvorhersehbares Ereignis, das selbst bei größter Sorgfalt nicht hätte vermietet werden können, vorgelegen hat.
Auch handelte es sich für keinen der am Unfall beteiligten Fahrer, also weder für die Zeugin … noch für den Beklagte zu 3.), um ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG.
Für die Annahme eines solchen unabwendbaren Ereignis wäre es erforderlich, dass der jeweilige Fahrer den Unfall auch bei sachgemäßem, geistesgegenwärtigem Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinausgehend nicht hätte vermeiden können. Es müsste sich also um einen sogenannten „Idealfahrer“ handeln. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines „Idealfahrer“ trifft jeweils diejenige Partei, die sich ür den auf ihrer Seite beteiligten Fahrer auf § 17 Abs. 3 StVG beruft.
Es steht zunächst nicht zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 Abs. 1 ZPO fest, dass für die Zeugin … ein unabwendbares Ereignis vorgelegen hat. Von einem Idealfahrer, der nach rechts abbiegen möchte, wäre, wenn er die Verkehrslage in der avisierten vorfahrtberechtigten Straße, wie vorliegend, nicht durch augenscheinliche Einsicht, erkennen kann, zu erwarten, dass er zunächst anhält und sich dann rollend und mit sofortiger Bremsbereitschaft in die Straße hineintastet. Gegebenenfalls müsste zur Erfüllung der an einen „Idealfahrer“ zu stellenden Anforderungen sogar eine Einweisung erfolgen. Diese Erwägungen gelten umso mehr, als dass die von rechts kommenden Fahrer aus der Höherstraße aufgrund der Vorfahrtsregelung „rechts-vor-links“ und des Umstandes, dass im Kreuzungsbereich selber keine Straße von rechts auf die … straße trifft, ihre Geschwindigkeit nicht allzu stark verringern müssen. Auch diesen Umstand hätte ein Idealfahrer zu erkennen.
Ferner steht zur Überzeugung des Gerichts auch nicht fest, dass der Beklagte zu 3.) sich wie ein Idealfahrer verhalten hat. Ein solcher würde, auch wenn er sich auf der vorfahrtsberechtigten Straße befindet, in einer Situation, in der er aufgrund am rechten Fahrbahnrand parkender Fahrzeuge auf die Gegenfahrbahn ausweichen muss, seine Geschwindigkeit deutlich bis hin zur Schrittgeschwindigkeit verlangsamen, da er die entstehende Gefahr eines Zusammenstoßes mit einem von der … straße in die von ihm befahrene Straße abbiegenden Fahrzeug erkennen würde. Dies gilt umso mehr, als dass für einen „Idealfahrer“ an Stelle des Beklagten zu 3.) die unübersichtliche Situation aufgrund der im Kreuzungsbereich befindlichen Mauer, welche die Sicht der dort nach rechts abbiegenden Fahrzeuge erheblich beeinträchtigt, erkennbar gewesen wäre.
Da für keine Seiten eine Unabwendbarkeit vorliegt, hängt die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie deren Umfang gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG davon ab, welche Verursachungsbeiträge den jeweiligen Parteien anzulasten sind.
Der Zeugin … ist ein Verstoß gegen § 8 Abs. 1, S.1, Abs. 2, S. 3 StVO zur Last zu legen.
Die Zeugin hat, da an der streitbefangenen Kreuzung unstreitig die Regelung „rechts-vor-links“, § 8 Abs. 1, S.1 StVO, gilt, dem von rechts kommenden Fahrzeug der Beklagten die Vorfahrt genommen. Insoweit ist es auch unschädlich, dass der Beklagte zu 3.) zum Unfallzeitpunkt auf der eigentlich für den Gegenverkehr bestimmten Fahrbahn fuhr, denn dies lässt seine Vorfahrt nicht erlöschen. Der Zeuge ist, da er den am rechten Fahrbahnrand der von ihm befahrenen Spur geparkten Fahrzeugen ausweichen musste, berechtigterweise, insbesondere da die Fahrbahn der Höherstraße keine Mittellinie aufweist, auf die eigentlich für den Gegenverkehr bestimmte Fahrbahn ausgewichen. Im Interesse einer eindeutigen Vorfahrtsregelung erstreckt sich das aus § 8 Abs. 1, S. 1 StVO folgende Vorfahrtsrecht jedenfalls auch auf den berechtigterweise die Gegenfahrbahn befahrenden Verkehrsteilnehmer.
Dadurch, dass die Zeugin …, die nach überzeugenden Angaben des Sachverständigen die … straße nur mit einer Sichtweite von weniger als 40 m im Abbiegezeitpunkt einsehen konnte, und die aufgrund ihrer eigenen Wartepflicht auch mit einen die … straße mit höherer als der erlaubten Geschwindigkeit befahrenden Fahrzeug rechnen musste (vgl. Urteil des OLG Düsseldorf vom 11.08.2015, Az.: 1 U 130/14), in die Kreuzung eingefahren ist, ohne sich im erforderlichen Maße darüber zu vergewissern, dass die von ihr avisierte Spur frei ist, hat diese gegen § 8 Abs. 2, S. 3 StVO verstoßen. Sie hätte sich, insbesondere, da die besondere Unübersichtlichkeit der Straße für sie einerseits aufgrund der rechts von ihr befindlichen Mauer und andererseits aufgrund der geringen Sichtweite im aufgestellten Spiegel erkennbar war, entweder einweisen lassen oder aber langsam und mit sofortiger Bremsbereitschaft in die Straße hereintasten müssen.
Bezüglich der Beklagten steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Beklagten zu 3.) ein Verursachungsbeitrag in Form des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit anzulasten ist. Es steht insoweit zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 3.) schneller als die an der Unfallstelle unstreitig erlaubten 30 km/h gefahren ist.
In seinem unter dem 31.03.2017 erstatteten Gutachten kommt der Sachverständigen … auf Seite 19 zunächst zu dem Ergebnis, dass der Beklagte zu 3.) zum Kollisionszeitpunkt mit einer Geschwindigkeit von ca. 35 bis 40 km/h gefahren sein müsse. Diese Angaben korrigierte er im Rahmen seines unter dem 26.07.2017 erstellten Ergänzungsgutachtens dahingehend, dass eine Kollisionsgeschwindigkeit von 37 bis 42 km/h und eine Ausgangsgeschwindigkeit von 46 bis 50 km/h angenommen werden müsse. Diese neuerlichen Überlegungen des … Sachverständigen fußen auf erst nach Erstattung seines ersten Gutachtens zur Akte gereichten Lichtbildern. Insoweit kommt der Sachverständige, aus Sicht des Gerichts nachvollziehbar, zu dem Ergebnis, dass die vor Ort dokumentierte Bremsspur, deren Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Unfall von den Beklagten bestritten wird, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von dem linken Vorderrad des Beklagtenfahrzeugs stammen. Ob diese Zuordnung der Bremsspuren zutreffend ist, bedarf aber letztendlich keiner Entscheidung, da auch die vom Sachverständigen in Rahmen seines ersten Gutachtens, in dem er die Bremsspuren insoweit nicht berücksichtigt hat, ermittelte Kollisionsgeschwindigkeit bereits ca. 20-30 % über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit lag und damit einen Verstoß begründet.
Im Rahmen der erfolgten Abwägung der vorgenannten Verursachungsbeiträge kommt das Gericht im Ergebnis zu einer Haftungsverteilung von 25% zu 75% zulasten der Klägerin. Der sich zulasten der Beklagten auswirkende Geschwindigkeitsverstoß kann im Ergebnis nur in Höhe der Betriebsgefahr gewichtete werden, da der Vorfahrtsverstoß der Zeugin … deutlich schwerer ins Gewicht fällt. Ein Zurücktretender der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeug kommt vor dem Hintergrund, dass die Zeugin … zwar einen erheblichen Verkehrsverstoß begangen, dieser jedoch insbesondere vor dem Hintergrund der geringen von ihr gefahrenen Geschwindigkeit nicht als besonders grob zu bewerten ist.
2.
Bezüglich der Höhe des entstandenen Schadens waren zunächst die zwischen den Parteien unstreitigen Abschleppkosten in Höhe von 200,00 € und die Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 € zu berücksichtigen.
Soweit die Klägerin, die vorliegend unstreitig zur Abrechnung auf Basis des Wiederbeschaffungswertes berechtigt ist, diesen mit 1.200,00 € angibt, vermag das Gericht dieser Angabe nicht zu folgen. Ob das seitens der Klägerin vorgelegte Internetinserat bezüglich eines VW Golf GL, Erstzulassung 01/1991 (Bl. 29 der Gerichtsakte) mit ihrem verunfallten Fahrzeug vergleichbar ist, was durch die Beklagten bestritten wird, ist bereits aufgrund des Umstandes, dass über den tatsächlichen Zustand des verunfallten wie des angebotenen Fahrzeugs keine genauen Angaben gemacht werden, nicht feststellbar. Das Gericht geht daher von einem Wiederbeschaffungswert, wie der Sachverständige ihn nachvollziehbar mit 800,00 € angegeben hat, aus.
Bezüglich der An- und Abmeldekosten hat die Klägerin entgegen der Ansicht der Beklagten einen Anspruch auf Ersatz einer Pauschale in Höhe von 75,00 €. Da die Klägerin die Abmeldung des verunfallten Fahrzeugs durch Vorlage des entsprechenden Fahrzeugscheins mit dem Vermerk „Außer Betrieb gesetzt am 15.06.2015“ (Bl. 28 der Gerichtsakte) und die Anmeldung eines neuen Fahrzeugs durch Vorlage des Fahrzeugscheins bezüglich des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen MK-S-4619 (Bl. 52 der Gerichtsakte) nachgewiesen hat, konnte der entsprechende Schaden gemäß § 287 Abs. 1 ZPO durch das Gericht geschätzt werden.
Rechtsverfolgungskosten sind in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus dem der Klägerin aufgrund des Schadensereignisses insgesamt zustehenden Betrag von 275,00 € ersatzfähig. Dies sind netto 58,50 Euro. Zuzüglich Kostenpauschale und Umsatzsteuer ergeben sich insgesamt 83,54 €.
3.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Der Streitwert wird auf 745,00 EUR festgesetzt.