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WEG – Duldungspflicht Stromzähler in Wohnung

LG Hamburg – Az.: 318 S 46/17 – Urteil vom 06.06.2018

1. Die Berufung des Klägers zu 1) gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 20.03.2017, Az. 640 C 167/16, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger zu 1) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger zu 1) und der Beklagte streiten in der Berufungsinstanz um die Verpflichtung des Beklagten, Strom- und Wasserzähler sowie eine von ihm verlegte Gasleitung zu entfernen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des Urteils des Amtsgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat mit seinem am 20.03.2017 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Entfernung der Strom- und Wasserzähler hätten. Der Beklagte sei nicht passivlegitimiert. Die Kläger seien gegenüber dem Beklagten (vertraglich) verpflichtet gewesen, die Beeinträchtigung durch die Zähler zu dulden. Es habe mithin keine Rechtswidrigkeit des beeinträchtigenden Zustandes vorgelegen. Die Duldungspflicht der Kläger sei mit Übertragung des Wohnungseigentums zwar entfallen, dem notariellen Kaufvertrag lasse sich jedoch keine Rückbauverpflichtung entnehmen. Auch bestehe kein Beseitigungsanspruch bzgl. der vom Beklagten verlegten Gasleitung. Die Verlegung der Gasleitung entspreche der in der Teilungserklärung unter § 5 getroffenen Vereinbarung. Bei der Gasleitung handele es sich um eine Versorgungsleitung. Diese sei auch erforderlich. Denn sie diene der Erwärmung des vom Beklagten bewohnten Wohnhauses. Eine Erforderlichkeit liege auch vor, wenn die Heizungsanlage modernisiert bzw. auf den neusten Stand der Technik gebracht werden solle. Da im Zeitpunkt der Teilungserklärung in dem Wohnhaus des Beklagten bereits alle Ver- und Entsorgungsleitungen verlegt gewesen seien, wäre die Regelung in § 5 der Teilungserklärung ansonsten auch obsolet. Die Kläger hätten nicht substantiiert vorgetragen, welcher Nachteil für sie in der Verlegung der Gasleitung liege. Es sei allgemein bekannt, dass kein erhöhtes Gefährdungspotential von einer Gasleitung ausgehe, sofern sie nach den Regeln der Technik verlegt worden sei. Dass dies nicht der Fall sei, hätten die Kläger nicht vorgetragen.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 26.04.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger zu 1) am 16.05.2017 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.07.2017 mit einem am 20.07.2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet, soweit die Berufungsbegründung nicht bereits mit dem Berufungsschriftsatz erfolgt war.

Der Kläger zu 1) trägt vor, dass entgegen der Auffassung des Amtsgerichts der Kaufvertrag eine Rückbauverpflichtung des Beklagten hinsichtlich der Strom- und Wasserzähler enthalte. Dies folge aus den Grundsätzen einer ergänzenden Vertragsauslegung. Zudem folge die Verpflichtung aus der Entscheidung des BGH vom 26.01.2007 (V ZR 175/06). Zudem treffe es nicht zu, dass er nicht substantiiert zur Nachteiligkeit der Gasleitung vorgetragen habe. Hinsichtlich der Gefährlichkeit von Gasleitungen werde auf die Entscheidung des BGH vom 17.12.2009 (VII ZR 172/08) verwiesen.

Der Kläger zu 1) beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 20.03.2017 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,

1. den im Keller des Wohnhauses B. Straße …, … H. befindlichen Stromzähler (AEG Drehstromzähler Form C11G mit der HEW-Eigentumsnummer: D …), der den im Wohnhaus B. Straße …, … H. erfassten Strom misst, sowie den Wasserzähler, der den Wasserverbrauch im Wohnhaus B. Straße …, … H. erfasst, zu entfernen;

2. die Gasleitung, die dieser auf bzw. unter seinem ideellen Miteigentumsanteil ohne Genehmigung verlegt hat, zu entfernen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Auffassung des Amtsgerichts, dass der Kaufvertrag keine Rückbarverpflichtung bzgl. der Strom- und Wasserzähler enthalte, sei zutreffend. Ihm sei es aufgrund des Eigentumswechsels rechtlich auch nicht möglich, die Zähler zu entfernen. Er benötige hierfür die Zustimmung seiner Tochter. Auch hinsichtlich der begehrten Entfernung der von ihm verlegten Gasleitung sei er nicht passivlegitimiert. Für die Verlegung der Leitung hätte es auch keiner Zustimmung in Form eines Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft gebraucht. Die Maßnahme sei durch die Regelung in § 5 der Teilungserklärung legitimiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Berufungsbegründung des Klägers zu 1) vom 19.07.2017 ist von der Kammer berücksichtigt worden, da die Angabe des ursprünglichen Aktenzeichens auf dem Schriftsatz (304 O 296/16) nichts daran ändert, dass der Schriftsatz am 20.07.2017 und damit innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist bei Gericht eingegangen ist.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

1.

Dem Kläger zu 1) steht kein Anspruch gegen den Beklagten auf Beseitigung der Strom- und Wasserzähler zu.

Ein solcher Beseitigungsanspruch des Klägers zu 1) ergibt sich nicht aus dem notariellen Kaufvertrag (Anl. K 1).

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die schuldrechtliche Verpflichtung des Klägers zu 1) gegenüber dem Beklagten, den Strom- und den Wasserzähler in seinem Sondereigentum zu dulden, nicht mit Übertragung des Wohnungseigentums entfallen.

Die Frage, wann die zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten geltende Vereinbarung entfällt, ist in dem notariellen Kaufvertrag nicht geregelt. § 8 des Kaufvertrages stellt lediglich klar, dass die dortige Vereinbarung nur zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten gilt und im Falle einer Vererbung, einer Übertragung bzw. einem Verkauf für den jeweiligen Rechtsnachfolger nicht bindend ist, mithin jedenfalls von diesem beendet werden kann. Dass dies gleichermaßen für denjenigen Vertragspartner gelten soll, auf dessen Seite keine Rechtsnachfolge eingetreten ist, ist nicht explizit geregelt und lässt sich auch den Umständen nicht entnehmen. Unter welchen Voraussetzungen diesem ein Recht zur Beendigung der Vereinbarung und Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten zustehen soll, haben die Parteien nicht geregelt. Der Vertrag enthält daher eine Regelungslücke, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist (§§ 133, 157 BGB). Die Auslegung ergibt, dass die Duldungspflicht des Klägers zu 1) (jedenfalls) solange besteht, wie der Beklagte aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrags oder eines anderen Rechtsverhältnisses das Wohnungseigentum B. Straße …, … H. bewohnt.

WEG - Duldungspflicht Stromzähler in Wohnung
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Eine ergänzende Vertragsauslegung ist dann geboten, wenn die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke – eine planwidrige Unvollständigkeit – aufweist. Eine solche Regelungslücke liegt vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder wenn sie ihn bewusst offen gelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und wenn sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGH, Urteil vom 15.11.2012, VII ZR 99/10, Rn. 15, zitiert nach juris). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Regelung in § 8 des Kaufvertrages ist – wie ausgeführt – lückenhaft. Insbesondere haben die Parteien nicht geregelt, was geschehen soll, wenn der Beklagte sein Wohnungseigentum auf einen Dritten überträgt, aber dort wohnen bleibt. Ohne die Vervollständigung des Vertrages ist eine angemessene interessengerechte Lösung in diesem Fall auch nicht erzielbar.

Bei der Schließung der Vertragslücke durch ergänzende Auslegung ist sodann darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH, a.a.O., Rn. 16, zitiert nach juris). Dann hätten der Kläger zu 1) und der Beklagte nach dem von ihnen gewollten Vertragszweck vereinbart, dass die Duldungspflicht des Klägers zu 1) erst entfällt, wenn der Beklagte das Wohnungseigentum B. Straße …, … H. nicht mehr bewohnt und nicht bereits dann, wenn dieser sein Wohnungseigentum an einen Dritten überträgt. Die Duldungspflicht des Klägers zu 1) ist erkennbar an das persönliche nachbarschaftliche Verhältnis der Parteien geknüpft. Dies ergibt sich insbesondere aus der in § 8 des Kaufvertrages enthaltenen weiteren Vereinbarung, wonach der Beklagte unentgeltlich den Werkzeugkellerraum im Wohnhaus des Klägers zu 1) benutzen darf. Dafür, dass die Gültigkeit der in § 8 des Kaufvertrages zwischen den Parteien festgelegten Regelungen von der formellen Position des Beklagten als Wohnungseigentümer abhängen soll, gibt es hingegen keine Anhaltspunkte.

Aufgrund der schuldrechtlichen Verpflichtung des Klägers zu 1) gegenüber dem Beklagten, den Strom- und den Wasserzähler in seinem Sondereigentum zu dulden, besteht gegen diesen auch kein Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB.

2.

Dem Kläger zu 1) steht auch kein Anspruch gegen den Beklagten auf Beseitigung der Gasleitung gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB zu.

Zwar ist der Beklagte als unmittelbarer Handlungsstörer grds. passivlegitimiert (vgl. Kümmel/Niederführ in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 14 Rn. 33 f.; Merle in Bärmann, WEG, 13. Auflage, § 22 Rn. 314 a.E.).

Es liegt jedoch keine rechtswidrige Beeinträchtigung im Sinne dieser Vorschrift vor. Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Verlegung der Gasleitung von der in § 5 der Teilungserklärung enthaltenen Regelung gedeckt sei und mithin kein Genehmigungsbeschluss der Eigentümerversammlung erforderlich gewesen sei. Die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung kann auch durch Vereinbarung, z.B. wie vorliegend in der Teilungserklärung, erteilt werden (Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, a.a.O., § 22 Rn. 151).

Entgegen der Auffassung des Klägers zu 1) wird dieser durch die Verlegung der Gasleitungen auch nicht nach § 5 der Teilungserklärung unangemessen benachteiligt. Der Beklagte hat unter Einreichung von Unterlagen (Anl. B 2 und 3) dargetan, dass die Gasleitung durch die H. N. GmbH (jetzt G. H. GmbH), der Betreiberin des Gasverteilungsnetzes der Freien und Hansestadt Hamburg, nach vorheriger Prüfung der Aushubareale auf vergrabene Munition fachmännisch verlegt worden ist. Der Regelung in § 5 der Teilungserklärung lässt sich bei einer objektiv-normativen Auslegung auch nicht entnehmen, dass allein die abstrakte Gefährlichkeit von Gasleitungen eine unangemessene Benachteiligung begründen soll. Dann hätte es nahe gelegen, Gasleitungen ausdrücklich von der Regelung in § 5 der Teilungserklärung auszunehmen. Dies ist aber nicht geschehen, so dass für einen unbefangenen Leser die Regelung nur dahingehend verstanden werden kann, dass grds. auch eine Berechtigung besteht soll, Gasleitungen als Versorgungsleitungen zu verlegen. Der Kläger zu 1) kann sich bzgl. einer unangemessenen Benachteiligung auch nicht auf die Entscheidung des BGH vom 17.12.2009 (VII ZR 172/08) berufen. Die Entscheidung befasst sich ausschließlich mit der Gefährlichkeit von beschädigten Strom- und Gasleitungen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und Satz 2, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 49a GKG.

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