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Verkehrsunfall – Schmerzensgeld wegen Tinnitus

Nach einem Verkehrsunfall klagte ein Autofahrer auf Schmerzensgeld wegen eines angeblich unfallbedingten Tinnitus. Doch die Beweisaufnahme vor Gericht ergab: Der lästige Pfeifton im Ohr des Klägers war höchstwahrscheinlich gar keine Unfallfolge. Nun bleibt der Betroffene auf seinem Ohrgeräusch sitzen – und muss sogar die Kosten des Verfahrens tragen.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 O 10/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Der Kläger verlangte nach einem Verkehrsunfall weiteres Schmerzensgeld wegen eines behaupteten unfallbedingten Tinnitus.
  • Die Beklagte hatte die Haftung für den Unfall anerkannt, jedoch nur 1.000 € für den Personenschaden gezahlt.
  • Der Kläger behauptete, durch den Unfall einen Tinnitus erlitten zu haben, was dieser als psychoreaktive Störung beschrieb.
  • Der Tinnitus wurde laut Kläger 2-3 Tage nach dem Unfall festgestellt, zunächst durch ein Schleudertrauma verursacht und später als psychosomatische Reaktion eingestuft.
  • Das Gericht stellte fest, dass der Kläger lediglich eine sehr leichte HWS-Distorsion erlitt und das gezahlte Schmerzensgeld von 1.000 € dafür angemessen war.
  • Es wurde festgestellt, dass der Kläger keinen Nachweis für eine unfallbedingte Ohrverletzung oder einen durch das Schleudertrauma ausgelösten Tinnitus erbringen konnte.
  • Die Gutachten bestätigten, dass ohne primäre Hörstörung ein Tinnitus als Unfallfolge nicht wahrscheinlich sei.
  • Das Gericht entschied, dass der Tinnitus des Klägers nicht als unfallbedingter Sekundärschaden anerkannt werden konnte.
  • Das Urteil führte zur Abweisung der Klage und verpflichtete den Kläger zur Tragung der Prozesskosten.
  • Die Entscheidung beruht auf der fehlenden Beweiskraft der vorgelegten medizinischen Befunde und der Gutachten, die keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Tinnitus nachweisen konnten.

Kein Schmerzensgeld für Verkehrsopfer mit Tinnitus-Beschwerden

Nicht selten ist es der Fall, dass bei einem Verkehrsunfall neben körperlichen auch psychische Schäden entstehen. Eine dieser häufigen Folgen ist Tinnitus, ein Symptom, das durch anhaltende Ohrgeräusche gekennzeichnet ist. Taube und summende Ohren können das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen und stellen eine enorme Belastung dar. In solchen Fällen müssen Gerichte prüfen, ob Schmerzensgeld zur Entschädigung gezahlt werden muss. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle, die sorgsam abgewogen werden. Eine Entscheidung des Gerichts, die dieses Thema exemplarisch behandelt, soll nun näher beleuchtet werden.

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✔ Der Fall vor dem LG Baden-Baden


Kein Anspruch auf Schmerzensgeld für Tinnitus nach Verkehrsunfall

Tinnitus nach Verkehrsunfall
Gericht weist Klage auf Schmerzensgeld wegen behaupteten unfallbedingten Tinnitus ab, da medizinische Voraussetzungen nicht erfüllt waren. (Symbolfoto: aleks333 /Shutterstock.com)

Im vorliegenden Fall ging es um eine Klage auf Schmerzensgeld wegen eines behaupteten unfallbedingten Tinnitus nach einem Verkehrsunfall. Der Kläger war am 30.08.2020 als Autofahrer in einen Unfall verwickelt, bei dem ihm der Versicherungsnehmer der beklagten Versicherung die Vorfahrt nahm. Die grundsätzliche Haftung war zwischen den Parteien unstrittig. Die Versicherung regulierte den Sachschaden, zahlte aber lediglich 1.000 € Schmerzensgeld für eine erlittene HWS-Distorsion (Schleudertrauma).

Der Kläger behauptete, einige Tage nach dem Unfall habe er begonnen, ein Pfeifen im Ohr wahrzunehmen, besonders bei Stille. Zwei Wochen nach dem Unfall diagnostizierte sein HNO-Arzt einen unfallbedingten Tinnitus. Zunächst führte der Kläger den Tinnitus auf das HWS-Schleudertrauma zurück, später behauptete er eine psychoreaktive Störung als Ursache. Er klagte auf ein weiteres Schmerzensgeld von 10.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden.

HWS-Schleudertrauma nur leichten Grades nachgewiesen

Das Gericht holte zwei Sachverständigengutachten ein. Diese kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass durch den Unfall lediglich eine HWS-Distorsion sehr leichten bis leichten Grades nachgewiesen werden konnte. Dafür sei das bereits gezahlte Schmerzensgeld von 1.000 € angemessen und ausreichend.

Die Voraussetzungen für einen unfallbedingten Tinnitus sahen die Gutachter dagegen nicht als gegeben an:

  • Eine direkte Schädigung des Innenohrs durch den seitlichen Anprall konnte aufgrund der fehlenden Verletzungszeichen wie Prellmarken oder Hämatome ausgeschlossen werden. Auch eine Schädigung durch die Airbag-Auslösung auf der anderen Seite wurde verneint.
  • Ein somatosensorischer Tinnitus als Folge des HWS-Traumas setzt nach den Gutachten eine Verletzung mindestens mittleren Grades voraus. Zudem erfüllte der geschilderte Tinnitus nicht die Kriterien eines solchen somatosensorischen Tinnitus, u.a. weil er erst Tage später und nur in Ruhephasen auftrat.
  • Die Sachverständigen schlossen auch eine psychoreaktive Störung als Unfallfolge aus. Der Kläger habe keinerlei psychische Belastungen durch den Unfall geschildert. Zudem sei ein Tinnitus lediglich ein Symptom, keine eigenständige Erkrankung. Für die Annahme einer eigenständigen psychischen Störung fehle jeder Anhaltspunkt.

Gericht weist Klage auf weiteres Schmerzensgeld ab

Das Gericht folgte den überzeugenden Ausführungen der Gutachter und wies die Klage auf weiteres Schmerzensgeld sowie Feststellung ab. Zur Überzeugung des Gerichts habe der Kläger weder bewiesen, dass er durch den Unfall eine Verletzung des Innenohrs erlitten habe, noch dass der Tinnitus als Unfallfolge einzustufen sei.

Das Gericht hielt es für wahrscheinlicher, dass der Kläger ein schon vorher bestehendes Ohrgeräusch erst nach dem Unfall bei der unfallbedingten Ruhephase bewusst wahrgenommen und dann zu Unrecht dem Unfall zugeordnet habe. Möglich sei auch ein durch sonstigen Stress oder Belastung ausgelöstes Ohrgeräusch ohne klaren Krankheitswert. Beides begründe aber keinen Anspruch auf unfallbedingtes Schmerzensgeld.

Das Urteil zeigt, dass bloße Ohrgeräusche nach einem Verkehrsunfall nicht automatisch zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld führen. Es müssen schon konkrete Anhaltspunkte für einen unfallbedingten Tinnitus vorliegen, etwa eine nachgewiesene Schädigung des Innenohrs oder ein traumatisches HWS-Schleudertrauma. Auch psychoreaktive Störungen als Ursache eines Tinnitus müssen substanziiert dargelegt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Gerichte – wie hier – einen Tinnitus als schon vorher latent vorhanden und nicht unfallbedingt einstufen. Eine genaue Prüfung und Aufbereitung des medizinischen Sachverhalts ist für die Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen daher unerlässlich.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil verdeutlicht, dass für die Zuerkennung unfallbedingten Schmerzensgeldes wegen eines Tinnitus konkrete medizinische Anhaltspunkte für dessen Unfallkausalität vorliegen müssen. Bloße subjektive Beschwerden oder Ohrgeräusche genügen nicht, vielmehr bedarf es einer nachgewiesenen Schädigung des Innenohrs, eines signifikanten HWS-Traumas oder einer substanziiert dargelegten psychoreaktiven Störung. Ohne solche Nachweise besteht die Gefahr, dass der Tinnitus als vorbestehend und nicht unfallbedingt eingestuft wird.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Tinnitus nach Verkehrsunfall wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Schmerzensgeld für Tinnitus nach einem Verkehrsunfall zu erhalten?

Um erfolgreich Schmerzensgeld für einen unfallbedingten Tinnitus zu erhalten, müssen mehrere rechtliche und medizinische Voraussetzungen erfüllt sein:

Zunächst muss der Unfall <strong>durch einen Dritten verschuldet</strong> worden sein. Der Geschädigte darf keine Mitschuld tragen. Nur dann bestehen Schadensersatzansprüche gegenüber dem Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung.

Des Weiteren muss ein <strong>kausaler Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Tinnitus</strong> nachgewiesen werden. Da ein Tinnitus auch durch Stress oder andere Faktoren ausgelöst werden kann, ist dies oft schwierig. <strong>Je enger der zeitliche Abstand</strong> zwischen Unfall und Auftreten des Tinnitus, desto wahrscheinlicher wird ein Zusammenhang angenommen.

<strong>Ärztliche Atteste und Gutachten</strong> sind das wichtigste Beweismittel. Der behandelnde Arzt muss den Tinnitus diagnostizieren und dessen Ursächlichkeit durch den Unfall bestätigen. Dafür werden oft spezielle Fragebögen und eine ausführliche Anamnese genutzt. <strong>Mehrere übereinstimmende Expertenmeinungen</strong> erhöhen die Beweiskraft.

Ergänzend kann der Geschädigte ein <strong>Schmerztagebuch</strong> führen, um die Alltagsbeeinträchtigungen durch den Tinnitus zu dokumentieren. Dies untermauert die Diagnose, hat aber für sich allein keine Beweiskraft.

Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der Geschädigte <strong>Schmerzensgeld einklagen</strong> oder sich <strong>außergerichtlich mit der gegnerischen Versicherung einigen</strong>. Die Höhe richtet sich nach dem Einzelfall und kann anhand von Schmerzensgeldtabellen abgeschätzt werden. Sie liegt meist im vier- bis fünfstelligen Bereich.


Welche Rolle spielen medizinische Gutachten bei der Feststellung eines unfallbedingten Tinnitus?

Medizinische Gutachten spielen eine zentrale Rolle bei der Anerkennung eines unfallbedingten Tinnitus durch die gesetzliche Unfallversicherung. Sie bilden eine wesentliche Grundlage für die Beurteilung, ob der Tinnitus tatsächlich durch den Unfall verursacht wurde. Nur wenn ein direkter Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Auftreten des Tinnitus nachgewiesen werden kann, besteht Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung wie Behandlungskosten, Rehabilitation und gegebenenfalls Rentenzahlungen.

Gutachter müssen anhand objektiver medizinischer Befunde beurteilen, ob der Tinnitus mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unfallbedingt ist. Dafür sind insbesondere begleitende Verletzungen oder Funktionsstörungen des Hör- und Gleichgewichtsorgans relevant, wie eine unfallbedingte Hörminderung, Trommelfellverletzungen oder neurologische Ausfälle. Ein isolierter Tinnitus ohne solche Begleitbefunde ist in der Regel nicht als Unfallfolge anzuerkennen, da er dann nicht mit ausreichender Sicherheit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden kann.

Auch Art und Schwere des Unfalls spielen eine wichtige Rolle. Bei leichten Verletzungen wie einer HWS-Distorsion ersten Grades ist ein unfallbedingter Tinnitus eher unwahrscheinlich, sofern keine weiteren Organschäden vorliegen. Die Frequenz und Lautstärke des Tinnitus geben ebenfalls Aufschluss: Während ein unfallbedingter Tinnitus typischerweise tieffrequent und mit geringer Lautstärke auftritt, spricht ein hochfrequentes, lauteres Ohrgeräusch eher gegen einen Zusammenhang mit dem Unfall.

Letztlich müssen Gutachter eine Gesamtschau aller medizinischen Befunde und Umstände des Einzelfalls vornehmen. Nur wenn die Argumente für einen Kausalzusammenhang klar überwiegen, kann der Tinnitus als Unfallfolge anerkannt werden. Bestehen erhebliche Zweifel oder gleichwertige Gründe für und gegen eine Unfallbedingtheit, ist der Tinnitus nicht zu entschädigen. Medizinische Gutachten haben somit oft eine „Zünglein-an-der-Waage“-Funktion bei der unfallversicherungsrechtlichen Bewertung eines Tinnitus.


Wie kann man den Unterschied zwischen einem vorbestehenden und einem unfallbedingten Tinnitus nachweisen?

Um einen unfallbedingten Tinnitus von einem vorbestehenden Tinnitus abzugrenzen, sind mehrere Faktoren entscheidend. Zunächst kommt es auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem erstmaligen Auftreten der Ohrgeräusche an. Treten die Beschwerden unmittelbar nach dem Unfall oder in engem zeitlichen Zusammenhang dazu auf, spricht dies für eine Unfallbedingtheit.

Wichtig sind außerdem die Art und Schwere des Unfalls. Je heftiger der Aufprall oder die einwirkenden Kräfte, desto wahrscheinlicher sind Verletzungen, die einen Tinnitus auslösen können. Dazu zählen insbesondere Schädel-Hirn-Traumata, Halswirbelsäulenverletzungen oder Knalltraumata.

Auch objektive Untersuchungsbefunde können Hinweise liefern. Lässt sich beispielsweise eine unfallbedingte Hörminderung, ein Hörsturz oder eine Trommelfellverletzung nachweisen, unterstützt dies die Annahme eines unfallbedingten Tinnitus. Rein subjektive Ohrgeräusche ohne begleitende Symptome sind hingegen schwerer einzuordnen.

Schließlich sind die Vorerkrankungen und Risikofaktoren des Geschädigten zu berücksichtigen. Bestanden bereits vor dem Unfall Ohrgeräusche oder eine Schwerhörigkeit, ist der Ursachenzusammenhang kritisch zu hinterfragen. Gleiches gilt, wenn andere Auslöser wie Stress, Lärmbelastung oder Medikamente vorliegen.

Im Ergebnis erfordert die Abgrenzung eine sorgfältige Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls. Je enger der zeitliche Zusammenhang, je schwerer der Unfall und je eindeutiger die medizinischen Befunde, desto eher ist von einem unfallbedingten Tinnitus auszugehen. Im Zweifel sind Zusatzgutachten von HNO-Ärzten oder anderen Spezialisten einzuholen.


Welche Schritte sollte man nach einem Verkehrsunfall unternehmen, um Ansprüche auf Schmerzensgeld wegen Tinnitus zu sichern?

Nach einem Verkehrsunfall sollten Betroffene, die einen Tinnitus erleiden, umgehend folgende Schritte unternehmen, um Ansprüche auf Schmerzensgeld zu sichern:

Zunächst ist es wichtig, den Unfall und die Verletzungen ärztlich dokumentieren zu lassen. Dazu sollte schnellstmöglich ein Arzt aufgesucht werden, der den Tinnitus feststellt und die Beschwerden genau beschreibt. Das ärztliche Attest dient als wichtiges Beweismittel für den Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Hörschädigung.

Parallel dazu muss der Unfall der gegnerischen Haftpflichtversicherung gemeldet werden. Dabei sollten auch die Tinnitus-Beschwerden erwähnt und das ärztliche Attest vorgelegt werden. So erfährt die Versicherung frühzeitig von dem Gesundheitsschaden und kann nicht später argumentieren, dass der Tinnitus gar nicht unfallbedingt sei.

Hilfreich ist zudem eine anwaltliche Beratung. Ein im Verkehrsrecht und Personenschadensrecht versierter Rechtsanwalt kann einschätzen, ob und in welcher Höhe Ansprüche auf Schmerzensgeld bestehen. Er unterstützt auch bei der oft zähen Korrespondenz mit Versicherungen und Gutachtern.

Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens sind aussagekräftige medizinische Befunde. Daher sollten Betroffene auch Fachärzte wie HNO-Ärzte oder Neurologen aufsuchen und den Krankheitsverlauf genau dokumentieren lassen. Je detaillierter die Beschwerden nachgewiesen sind, desto höher sind die Chancen auf eine angemessene Schmerzensgeldzahlung.


Welche Faktoren berücksichtigen Gerichte bei der Bemessung des Schmerzensgeldes für Tinnitus nach einem Verkehrsunfall?

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes für Tinnitus nach einem Verkehrsunfall berücksichtigen Gerichte verschiedene Faktoren. Entscheidend sind vor allem die Schwere und Dauer der Beeinträchtigung durch den Tinnitus. Je stärker die Ohrgeräusche sind und je länger sie anhalten, desto höher fällt in der Regel das Schmerzensgeld aus.

Gerichte ziehen auch in Betracht, welche konkreten Auswirkungen der Tinnitus auf die Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit des Betroffenen hat. Leidet er unter Konzentrationsstörungen, Schlafproblemen oder depressiven Verstimmungen und ist er in seiner Erwerbstätigkeit eingeschränkt, wird dies ebenfalls bei der Schmerzensgeldbemessung berücksichtigt.

Eine wichtige Rolle spielt zudem, ob der Tinnitus durch den Unfall verursacht wurde. Der Geschädigte muss diesen Zusammenhang nachweisen, etwa durch ärztliche Atteste und Gutachten. Darin sollte dokumentiert sein, dass der Tinnitus erst nach dem Unfall aufgetreten ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit unfallbedingt ist.

Weitere Kriterien können sein, ob der Unfallverursacher grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat und wie er sich nach dem Unfall verhalten hat, z.B. ob er Hilfe geleistet und sich entschuldigt hat. Auch das Alter des Geschädigten fließt ein, da Tinnitus gerade für jüngere Menschen eine große Belastung darstellt.

Letztlich erfolgt die Schmerzensgeldbemessung aber immer anhand der Umstände des Einzelfalls. Pauschale Beträge gibt es nicht. Als Orientierung können Schmerzensgeldtabellen dienen, die Urteile zu vergleichbaren Fällen auflisten. Für die genaue Einschätzung ist aber stets eine individuelle juristische Beratung zu empfehlen.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG): Regelt die Haftung des Fahrzeughalters bei Unfällen im Straßenverkehr. Im vorliegenden Fall unstrittig, dass die Beklagte die Haftung für den Unfall übernommen hat.
  • § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Schützt das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Eigentum. Relevant für die Schmerzensgeldforderung des Klägers aufgrund des behaupteten Tinnitus und anderer Verletzungen.
  • § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Beinhaltet die Ansprüche des Geschädigten gegen den Versicherer des Schädigers. Wichtig, da der Kläger gegen die Versicherung der Beklagten klagt.
  • § 286 Zivilprozessordnung (ZPO): Regelt die Beweisführung für Tatsachenbehauptungen. Der Kläger musste beweisen, dass der Tinnitus unfallbedingt ist, was ihm nicht gelang.
  • § 287 Zivilprozessordnung (ZPO): Betrifft die Beweiswürdigung und die richterliche Überzeugungsbildung bei Schadensersatzprozessen. Das Gericht war nicht überzeugt, dass der Tinnitus eine Unfallfolge war.
  • § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Betrifft die Erfüllung einer Verbindlichkeit durch Leistung. Das bereits gezahlte Schmerzensgeld von 1.000 € erfüllte nach Ansicht des Gerichts die Ansprüche des Klägers.
  • § 249 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Regelt den Umfang des Schadensersatzes. Relevant für die Frage, ob der Kläger weiteren Schadensersatz für den Tinnitus verlangen kann.
  • Schmerzensgeld: Ein zentrales Thema im Fall, das sich aus den allgemeinen Regeln des Schadensersatzrechts (§ 253 BGB) ergibt. Relevant für die Forderung des Klägers nach zusätzlicher Entschädigung für erlittene Schmerzen und Leiden.


⇓ Das vorliegende Urteil vom LG Baden-Baden

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil verdeutlicht, dass für die Zuerkennung unfallbedingten Schmerzensgeldes wegen eines Tinnitus konkrete medizinische Anhaltspunkte für dessen Unfallkausalität vorliegen müssen. Bloße subjektive Beschwerden oder Ohrgeräusche genügen nicht, vielmehr bedarf es einer nachgewiesenen Schädigung des Innenohrs, eines signifikanten HWS-Traumas oder einer substanziiert dargelegten psychoreaktiven Störung. Ohne solche Nachweise besteht die Gefahr, dass der Tinnitus als vorbestehend und nicht unfallbedingt eingestuft wird.

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LG Baden-Baden – Az.: 1 O 10/22 – Urteil vom 01.02.2023

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten weiteres Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall.

Der Kläger macht gegen die Beklagte restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 30.08.2020 in … auf der Kreuzung … geltend. An dem Verkehrsunfall waren der Versicherungsnehmer der Beklagten mit dem bei der Beklagten zum Unfallzeitpunkt versicherten PKW, amtliches Kennzeichen … und der Kläger mit seinem PKW, amtliches Kennzeichen … beteiligt. Der Versicherungsnehmer der Beklagten nahm dem Kläger die Vorfahrt, sodass es zur Kollision der beiden Fahrzeuge kam. Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat die 100%ige Haftung dem Grunde nach bestätigt und den Sachschaden reguliert. Streitig ist jedoch der unfallbedingt entstandene Personenschaden des Klägers, auf welchen die Beklagte lediglich 1.000 € zahlte.

Der Kläger begab sich am Unfalltag in die … Klinik. Es wurden dort zunächst ein Schleudertrauma der HWS und eine Prellung der linken Schulter diagnostiziert (Anlage K1), äußere Verletzungszeichen wurden nicht dokumentiert. Am 04.09.2020 wurde ein radiologischer Bericht bzw. MRT-Befund erstellt (Anlage K 14): „kein Nachweis typischer Traumafolgen, keine relevante Diskusprotrusion, keine ödematöse Veränderungen der Muskulatur“. Ca. 14 Tage später diagnostizierte ein HNO-Arzt, bei welchem der Kläger bereits zuvor vor dem Unfall wegen einer Hochtonschwerhörigkeit links mit steilem maximalem Abfall bei 2 kHz und Wiederanstieg auf 10-20 dB in Behandlung war, einen unfallbedingten Tinnitus (Anlage K 2, K 4, K 15, K 16). Dieser stellte unter dem 05.11.2021 ein Attest aus (Anlage K 13).

Der Kläger behauptet, 2-3 Tage nach dem Unfall habe er begonnen, immer wieder ein „Pfeifen“ im Ohr zu vernehmen. Ganz intensiv seien diese Empfindungen im Stillen. Unmittelbar nach dem Verkehrsunfall habe er das Pfeifen nicht vernommen. Es sei seitdem immer lauter, intensiver geworden und vor allem häufiger aufgetreten. Er habe deshalb nach 14 Tagen seinen behandelnden Arzt aufgesucht, der einen unfallbedingten Tinnitus diagnostizierte (Anlage K 2). Der Kläger behauptete zunächst, der Tinnitus sei durch ein unfallbedingt erlittenes HWS-Schleudertrauma ausgelöst worden. Nach Begutachtung behauptet der Kläger, es handele sich um eine psychoreaktive Störung im Sinne eines tinnitogenen Psychosyndroms.

Er höre bei Anstrengung ein Rauschen und Pfeifen. Der ständige Piepton wirke sich stark auf seine Psyche aus in Form von Stress, Nervosität und starkem Unwohlsein. Der Tinnitus störe auch das Einschlafen. Da es trotz pflanzlicher Medikamente aufgrund des Tinnitus eine erhebliche Zeit lang andauere, bis der Kläger in den Schlaf finde, sei er aufgrund dessen tagsüber müde und erschöpft. Heilung sei hinsichtlich des Tinnitus nicht zu erwarten. Es sei wahrscheinlich, dass ihm künftig weitere materielle Schäden entstehen, z.B. durch die Anschaffung eines sog. Tinnitus-Noiser-Hörgeräts.

Das Schleudertrauma habe außerdem Nacken- und Schulterprobleme, die er nur mit starken Schmerzmittel betäuben konnte, zur Folge gehabt. Der Kläger habe über vier Monate lang Ibuprofen 600 genommen. Zusätzlich habe er an 18 physiotherapeutischen Sitzungen teilgenommen (Anlage K 8), die angeordnet wurden, um die Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit der linken Schulter zu fördern (Anlage K 7). Er habe drei Monate eine Tens Eigentherapie durchgeführt (Anlage K 9). Er sei im Zeitraum 30.08.2020 bis einschließlich 27.09.2020  als Dauernachtwache bei der AWO Karlsruhe arbeitsunfähig gewesen. Ihm seien Nacht- und Sonntagszuschläge von insgesamt 534 € entgangen (Anlagen K 6, K 10, K 11).

Angemessen sei deswegen ein Schmerzensgeld von 11.000 € statt der lediglich gezahlten 1.000 €. Daneben seien die im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft im eigenen Namen (Anlage K 12) geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten (Gegenstandswert 17.645,07 €), soweit noch nicht erstattet, auszugleichen (AS 8).

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.03.2021 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weitere materielle Schäden zu ersetzen, die aus dem Verkehrsunfall vom 30.08.2020 in …, Kreuzung … resultieren, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 300,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Hilfsweise zu 3: Die Beklagte wird verurteilt, an die … unter der Schadennummer … vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 300,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Hilfsweise beantragt der Kläger im Wege des Parteiwechsels die Anträge aus der Klageschrift vom 12.07.2021, jedoch mit der Maßgabe, dass Zinsen aus Klageantrag Ziff. 3 erst seit Zustellung dieses Schriftsatzes an die neue Beklagte geltend gemacht werden, gegen die … u.a.

Die Beklagten beantragen Klageabweisung.

Die Beklagte wendet ein, lediglich aufgrund subjektive angegebener Beschwerden ohne objektive Verletzungsanzeichen (z.B. Hämatome, Prellmarken etc.) sei vom Krankenhaus die Verdachts- bzw. Arbeitsdiagnose einer HWS-Distorsion und einer Schulterprellung angegeben worden. Eine am 01.09.2020 durchgeführte Kernspintomografie habe dagegen keine Trauma-Folgen gezeigt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Der Kläger wurde informatorisch angehört. Es wurde Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschluss vom 13.10.2021 (AS 50 ff.) in der Fassung vom 02.12.2021 (AS 64) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insoweit auf das schriftliche Gutachten vom 04.02.2022 im Anlagenband Bezug genommen. Es wurde weiter Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren schriftlichen Gutachtens aufgrund Beweisbeschluss vom 26.04.2022 (AS 84 f), geändert unter dem 26.07.2022 (AS 105), in der Fassung vom 30.08.2022, AS 118 f.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 02.10.2022 Bezug genommen (Anlagenband).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die zulässige Klage richtete sich ausweislich der Ausführungen nebst Anlagen von Anfang an gegen die aktuell im Rubrum benannte Beklagte. Insoweit war das Rubrum zu berichtigen, die Beklagte hat dem zugestimmt.

I.

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen weiteren bzw. nicht erfüllten Anspruch aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 BGB i.V.m. § 115 VVG, auch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Auch hinsichtlich der zu erstattenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat der Zahlbetrag der Beklagten den berechtigten Anspruch erfüllt, § 362 BGB.

Der Kläger hat bei dem Verkehrsunfall eine HWS-Distorsion sehr leichten Grades erlitten. Das gezahlte Schmerzensgeld von 1.000 € hat insoweit den bestehenden Schmerzensgeldanspruch des Klägers erfüllt, § 362 BGB. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist die Dauer der Schmerzen und Behandlungen nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand, insbesondere der ärztlichen Unterlagen und der informatorischen Angaben des Klägers berücksichtigt worden. Ein erhebliches Verschulden des Fahrers des unfallverursachenden Fahrzeuges, welches für die Bemessung des Schmerzensgeldes deutlich relevant sein könnte, wurde nicht dargetan. Das Alter und die Lebenssituation des Klägers wie auch der Unfallhergang wurden gewürdigt. Die HWS-Distorsion ist lediglich sehr leichten Grades bewiesen.

Der Kläger hat weder bewiesen, dass er eine Verletzung am linken Ohr erlitten hat, noch dass als Folge der HWS-Distorsion ein Ohrgeräusch verblieben ist. Dem Kläger oblag insoweit hinsichtlich einer Ohrverletzung der Beweis nach dem Maß des § 286 ZPO, hinsichtlich einer Sekundärfolge in Form eines Tinnitus dagegen nach dem Maß des § 287 ZPO. Beides ist ihm nicht gelungen.

Dies ist das Ergebnis der Beweisaufnahme. Das Gericht ist davon überzeugt, dass keine primäre Verletzung des Ohres unfallbedingt eingetreten ist. Das Gericht hält es nicht für auch nur überwiegend wahrscheinlich, dass der Tinnitus des Klägers ein Sekundärschaden des Unfalls als Folge des HWS-Traumas ist. Wahrscheinlicher erscheint, dass der Kläger ein vorbestehendes Rauschen aufgrund der Arbeitsunfähigkeit, der dadurch bedingten Ruhephase, und der Konzentration auf sein körperliches Befinden aufgrund der Schmerzen durch das HWS-Trauma erst nach dem Unfall wahrgenommen und schließlich – menschlich nachvollziehbar – als Folge des Unfalls identifiziert hat. Möglich ist auch, dass die Ruhephase die Auseinandersetzung mit sonstigen Stressfaktoren im Leben des Klägers deutlicher in den Vordergrund rücken ließ und hierdurch der Tinnitus psychisch ausgelöst wurde. Letzteres ist allerdings auch nicht mit der nötigen Wahrscheinlichkeit, § 287 ZPO, zur Überzeugung des Gerichts erwiesen, sodass dahinstehen kann, ob eine solche „Folge“ als kausale Unfallfolge im Sinne des §§ 823, 249 BGB anzusehen wäre.

Der Sachverständige … hat in seinem Gutachten vom 04.02.2022 ausgeführt, dass nach anerkannter wissenschaftlicher Lehre ein Tinnitus aber kein führendes, sondern nur ein begleitendes Symptom ist, d.h. ohne primäre Hörstörung kann ein Tinnitus nicht als Unfallfolge wahrscheinlich gemacht werden. Im zu beurteilenden Fall kam es laut den Angaben des Klägers zu keiner Zeit zu einer Hörminderung, selbst eine kurzzeitige Vertäubung wird nicht berichtet. Insofern kann nach dem Sachverständigen aus dieser Tatsache heraus bereits eine akute Innenohrschädigung und damit ein otogener Tinnitus ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass dem explodierenden Airbag zugewandt (also rechts) keinerlei Hörminderung oder Hörveränderung geschildert wurde und wird, auch nicht dokumentiert oder bei der Vorstellung beim Sachverständigen erfasst wurde. Ein Tinnitus aufgrund akuter Schallexposition ist damit ausgeschlossen. Der weitere Sachverständige …  (dort S.17) stimmt den Ausführungen einschränkungslos zu.  Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht nach eigener Überprüfung an, da sie logisch nachvollziehbar sind.

Der Sachverständige … hat nachvollziehbar auch die anderweitige Verursachung eines Tinnitus durch einen Anprall ausgeschlossen, dem schließt sich das Gericht nach eigener Überprüfung an. Im vorliegenden Fall wird von einer seitlichen Gewalteinwirkung berichtet, dies macht eine Innenohrschädigung bereits weniger wahrscheinlich. Daneben finden sich in den vorliegenden Untersuchungsberichten an keiner Stelle Hinweise auf Prellmarken, Hämatome oder Vergleichbares. Im Arztbrief der … Kliniken … wird sogar ausdrücklich erwähnt: „kein Kopfanprall“ sowie „keine CommotioSymptomatik“. Es kann zu Gunsten des Klägers dahinstehen, ob er einen leichten Kopfanprall unmittelbar nach dem Unfall zwar nicht schilderte, ein solcher aber vorlag. Ein etwaiger seitlicher Anprall des Schädels ging jedenfalls mangels Prellmarken oder sonstigen Verletzungszeichen nicht über ein Bagatelltrauma hinaus. Dies reicht zur Begründung eines Innenohrtraumas nicht aus. Die hauptsächliche seitliche Gewalteinwirkung wurde im vorliegenden Fall von der Schulter abgefangen, dies wird durch die medizinischen Berichte belegt, die eine Schulterprellung diagnostizieren. Auch insoweit stimmt der weitere Sachverständige … den Ausführungen zunächst einschränkungslos zu  (dort S.17). Der Sachverständige … führt zur grundsätzlichen Möglichkeit eines Tinnitus im weiteren seines Gutachtens (insbesondere S. 26, leicht missverständlich innerhalb der Ausführungen zu einem HWS-Trauma induzierten Tinnitus) aus, dass ein stumpfes Schädelhirntrauma bzw. ein stumpfes Kopfanpralltrauma zu einer Knochenleitungsdruckwelle mit einer isolierten Schädigung des Innenohres führen könne. Typisches Merkmal einer solchen Schädigung ist eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit in Form einer c5-Senke. Die c5-Senke kann — je nach Lokalisation des Traumas — seitengleich, seitendifferent oder einseitig ausgeprägt sein. Eine unfallbedingte Innenohrschwerhörigkeit ist dabei gegen die häufige ein- oder beiderseitige endogen degenerative Schwerhörigkeit mit einem Schräg- oder Flachabfall abzugrenzen. In vielen Fällen liege dann ein Begleittinnitus vor, der Tinnitus ist hier, wie auch grds., ein Symptom, keine Erkrankung. Demnach ist der Tinnitus erstens keine Erkrankung, mithin keine Verletzung, sondern ein Symptom, also Verletzungsfolge. Zweitens ist ein solcher Tinnitus keine Folge eines HWS-Traumas, sondern immer Folge einer Schädigung des Innenohres durch eine Knochenleitungsdruckwelle, bedarf also eines Anstoßes, eines stumpfen Traumas. Ein solches stumpfes, aber auch signifikantes, also ausreichend erhebliches Trauma ist aber bereits von beiden Sachverständigen ausgeschlossen worden. Hinzu kommt, dass nach den Testungen des Sachverständigen … der Tinnitus des Klägers die audiologischen Charakteristika eines traumatisch induzierten Tinnitus nicht erfüllt. Dies bedingt zusammengefasst nach eigener Überprüfung die Überzeugung des Gerichts, dass kein solcher traumatisch induzierter Tinnitus vorliegt.

Der Sachverständige … hat daneben, allerdings unter der Einschränkung, dass er diesbezüglich seine Sachkunde selbst nicht gegeben sah, auch eine Verursachung durch ein HWS-Trauma ausgeschlossen. Ein geringgradiges HWS-Trauma mit leicht ausgeprägter HWS-Distorsion  ohne knöcherne Traumafolgen, noch Gefügestörungen oder Ödeme, sei keine relevante Pathologie an der Halswirbelsäule. Ohne signifikante Veränderungen an der Halswirbelsäule sei eine Verursachung eines Tinnitus jedenfalls auszuschließen. Der Sachverständige … hat hierzu näher erläutert (dort S. 23), dass nach den geschilderten Beschwerden von einem HWS-Trauma des Grades I oder II (nach beiden gängigen Skalen) auszugehen sei. Objektvierbare Befunde fehlen bei diesen Graden einer HWS-Traumaverletzung.

Das Gericht ist nach den vorliegenden Befunden und den klägerischen Angaben in der Anhörung allerdings davon überzeugt, § 286 ZPO, dass der Kläger tatsächlich ein solches HWS-Trauma des schwächsten oder zweitschwächsten Grades erlitten hat. Dafür sprechen auch die physiotherapeutischen Behandlungen über einen mehrwöchigen Zeitraum. Hierfür ist das gezahlte Schmerzensgeld von 1.000 € angemessen.

Weiter führt der Sachverständige … aus (S. 27 ff.), dass ein sogenannter somatosensorischer Tinnitus als anerkannt anzusehen sei. Neuronale Verschaltungen aus der HWS in den Nucleus cochlearis sind nachgewiesen worden. Ein reflexartiger, „vegetativer“ Einfluss der HWS auf den Hörkern ist deshalb nachvollziehbar. Es ist aus rechtlicher Sicht insoweit festzustellen, dass ein solcher Tinnitus eine Folge des HWS-Traumas ist, mithin insoweit der Kläger den Nachweis gem. § 287 ZPO eines solchen Sekundärschadens zu führen hat, nicht das Beweismaß des § 286 ZPO erreicht werden muss. Dieser erforderliche Nachweis ist jedoch nicht gelungen. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen muss ein Tinnitus verschiedene Kriterien (S. 28, 29) erfüllen, um als somatosensorischer Tinnitus festgestellt werden zu können. Daran fehlt es vorliegend. Insbesondere die Wahrnehmung fast ausschließlich in Zeiten der Ruhe und erst 2 bis 3 Tage nach dem Unfall stehen einer Überzeugung des Gerichts gem. § 287 ZPO vom Vorliegen eines solchen Tinnitus entgegen.

Schließlich führt der Sachverständige … aus, dass ein nach einem Unfall aufgetretener Tinnitus eine psychoreaktive Störung im Sinne eines tinnitogenen Psychosyndroms sein könne. Der Sachverständige geht nach seinen Ausführungen vom Vorliegen eines Tinnitus aus, nach dem Zusammenhang geht er offensichtlich auch davon aus, dass der Tinnitus vor dem Unfall nicht vorlag. Er schlussfolgert deshalb, dass eine solche psychoreaktive Störung vorliege (S. 30). Eine solche psychoreaktive Störung fällt allerdings nicht unmittelbar in das Fachgebiet des HNO-Sachverständigen.  Den Grundlagen seiner Schlussfolgerung stimmt das Gericht insoweit zu, als nach dem Sach- und Streitstand vor dem Unfall keine Tinnitus-Geräusche dokumentiert wurden. Auch die Beklagte hat nicht aufgezeigt, weshalb man entgegen der informatorischen Angaben des Klägers davon ausgehen könne, dass der ausdrücklich beim Facharzt in Behandlung befindliche Kläger Ohrgeräusche bereits vor dem Unfall hatte, diese aber nicht geschildert habe. Das Gericht ist jedoch nicht von der Schlussfolgerung überzeugt, denn die Sachverständigen auf dem HNO-Ärztlichen Gebiet haben zwar jede sonstige Ursache des Tinnitus ausgeschlossen. Nach den gutachterlichen Ausführungen sind aber auch Ohrgeräusche aus der Klinik bekannt, die ohne „klar abgrenzbare“ Ursache, beispielsweise durch Stress oder Anstrengung ausgelöst werden. Wenn mithin der Sachverständige … schlussfolgert, dass der gutachterlich – und zur Überzeugung des Gerichts – festgestellte Tinnitus auf der „einzig verbleibenden“, außerhalb seines Fachgebiets liegenden Ursache beruhen müsse, ist dies nicht überzeugend. Denn es kann sich auch um einen stressbedingten Tinnitus handeln, wobei nicht verkannt wird, dass das Erleben und die Abwicklung eines solchen Unfalls Stress bedeuten kann. Aber der Kläger hat bisher in keiner Weise geschildert, dass er relevante Belastungen im Sinne solchen Stresses verspürt habe. Die körperlichen Beschwerden hinderten ihn an der Arbeit, d.h. die Belastungen durch die Abwicklung des Unfalls etc. fallen mit einer beruflichen Entlastung zusammen. Insoweit stimmt das Gericht der letztlichen Feststellung des Sachverständigen … (S. 30) zu, dass der Unfall insgesamt nicht die bewiesene Ursache des Tinnitus ist.

Soweit der Kläger zuletzt im Anschluss an das Gutachten pauschal behauptet, es sei eine unfallbedingte psychoreaktive Störung im Sinne eines tinnitogenen Psychosyndroms festgestellt worden, fehlt es an jeglichem Tatsachenvortrag hinsichtlich einer psychoreaktiven Störung. Zu betonen ist dabei nochmals, dass ein Tinnitus nach den vorliegenden ausführlichen Fachgutachten ein Symptom ist, keine Erkrankung. Anknüpfungstatsachen für eine psychologische Begutachtung zur Behauptung einer psychoreaktiven Störung fehlen jedoch im klägerischen Vortrag gänzlich. Ausdrücklich gibt der Kläger z.B. an, dass Einschlafstörungen und Müdigkeit auf dem Ohrgeräusch beruhten. Es besteht deshalb keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten einzuholen.

Es fehlt mithin sowohl für den Zahlungsantrag als auch für den Antrag auf Feststellung am notwendigen Beweis eines unfallbedingten Tinnitus. Ein Anspruch auf die geltend gemachte Nebenforderung scheidet demnach ebenfalls aus.

II.

Der Kläger hat aufgrund Unterliegens die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 ZPO zu tragen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit war gem. § 709 ZPO auszusprechen.

 

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