Luxusauto beschädigt: Nutzungsausfallentschädigung trotz weiterer Fahrzeuge zugesprochen
In einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg wurde entschieden, dass ein Kläger Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für seinen beschädigten Bentley hat, obwohl er über weitere Fahrzeuge verfügte. Diese Fahrzeuge waren entweder nicht angemessen nutzbar oder nicht zumutbar für den alltäglichen Gebrauch. Der Kläger erhält somit eine Entschädigung für den Zeitraum, in dem der Bentley nicht nutzbar war.
Übersicht
- 1 Luxusauto beschädigt: Nutzungsausfallentschädigung trotz weiterer Fahrzeuge zugesprochen
- 2 ✔ Das Wichtigste in Kürze
- 2.1 Unfall auf der Straße: Wer zahlt die Nutzungsausfallentschädigung bei weiteren Fahrzeugen?
- 2.2 Der Fall: Ein Bentley und die Suche nach Gerechtigkeit
- 2.3 Die Herausforderung: Ersatzfahrzeuge als strittige Lösung
- 2.4 Die Entscheidung des Gerichts: Berücksichtigung individueller Umstände
- 2.5 Rechtliche Erwägungen und ihre Bedeutung für die Praxis
- 3 ✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
- 3.1 Wie wird der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nach einem Verkehrsunfall rechtlich begründet?
- 3.2 Welche Kriterien bestimmen die Zumutbarkeit der Nutzung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Verkehrsunfall?
- 3.3 Inwiefern spielt die Verfügbarkeit weiterer Fahrzeuge eine Rolle bei der Bewertung von Nutzungsausfallentschädigungen?
- 3.4 Wie berechnet sich die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung?
- 4 § Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- 5 Das vorliegende Urteil
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Oberlandesgericht Hamburg entschied zu Gunsten des Klägers auf Nutzungsausfallentschädigung für einen beschädigten Bentley.
- Der Kläger verfügte zwar über weitere Fahrzeuge, diese waren jedoch entweder nicht verkehrssicher oder aufgrund ihrer Beschaffenheit (z.B. fehlende Winterreifen) nicht zumutbar für den täglichen Gebrauch.
- Die Entschädigungssumme beträgt 13.475,00 € für den Zeitraum vom 13.1.2020 bis zum 31.3.2020.
- Der Kläger hat zudem Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 €.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits sowohl in erster Instanz als auch im Berufungsverfahren.
- Das Urteil beruht auf der Anerkennung, dass die Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs ein vermögenswertes Gut darstellt.
- Die Schadensminderungspflicht des Klägers wurde nicht verletzt, da keine zumutbaren Alternativen zur Nutzung des beschädigten Fahrzeugs bestanden.
Unfall auf der Straße: Wer zahlt die Nutzungsausfallentschädigung bei weiteren Fahrzeugen?
Ein Verkehrsunfall ist schnell passiert und die Folgen können teuer werden. Nicht nur die Reparaturkosten für das beschädigte Fahrzeug, sondern auch der Ausfall des Fahrzeugs während der Reparaturzeit kann zu finanziellen Einbußen führen. Die Nutzungsausfallentschädigung soll dies ausgleichen, doch was passiert, wenn der Geschädigte mehrere Fahrzeuge besitzt? Muss er dann auf die Entschädigung verzichten? In diesem Artikel werden die grundlegenden Regelungen zur Nutzungsausfallentschädigung bei Vorhandensein weiterer Fahrzeuge erläutert.
Im Zentrum des Falls steht ein Verkehrsunfall, der zur Beschädigung eines Bentley führte. Der Kläger, Besitzer des Bentley, forderte von der Beklagten eine Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum, in dem sein Fahrzeug repariert wurde. Besonders interessant an diesem Fall ist, dass der Kläger über weitere Fahrzeuge verfügte, diese jedoch aus verschiedenen Gründen nicht als Ersatz genutzt werden konnten.
Der Fall: Ein Bentley und die Suche nach Gerechtigkeit
Der Vorfall ereignete sich am 13. Januar 2020, woraufhin der beschädigte Bentley bis zum 31. März 2020 in der Werkstatt verblieb. Während dieser Zeit beantragte der Kläger eine Nutzungsausfallentschädigung, argumentierend, dass die Verfügbarkeit seines Fahrzeugs ihm einen vermögenswerten Vorteil biete, dessen temporärer Verlust zu einem finanziellen Schaden führe. Diese Sichtweise stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich als vermögenswertes Gut anerkennt.
Die Herausforderung: Ersatzfahrzeuge als strittige Lösung
Ein zentrales Element der rechtlichen Auseinandersetzung war die Frage, ob der Kläger zur Minderung seines Schadens verpflichtet gewesen wäre, indem er eines seiner anderen Fahrzeuge nutzt. Hierbei wurde festgestellt, dass die Alternativfahrzeuge, ein BMW 318 compact und ein McLaren 720, aus verschiedenen Gründen nicht zumutbar waren. Der BMW wies erhebliche Mängel auf und war lediglich bedingt fahrbereit, während der McLaren aufgrund seiner Ausstattung und Beschaffenheit nicht als Alltagsfahrzeug geeignet war. Dies verdeutlicht die Komplexität der Schadensminderungspflicht in der Praxis und zeigt, dass nicht jedes theoretisch verfügbare Fahrzeug auch eine praktisch zumutbare Alternative darstellt.
Die Entscheidung des Gerichts: Berücksichtigung individueller Umstände
Das Oberlandesgericht Hamburg entschied zugunsten des Klägers und verurteilte die Beklagte zur Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 13.475,00 € sowie zur Übernahme vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger aufgrund der individuellen Umstände und der Unzumutbarkeit der Alternativfahrzeuge einen Anspruch auf Entschädigung habe. Diese Entscheidung unterstreicht, wie individuelle Faktoren und die spezifische Situation des Geschädigten in der Beurteilung von Nutzungsausfallentschädigungen Berücksichtigung finden.
Rechtliche Erwägungen und ihre Bedeutung für die Praxis
Die Urteilsbegründung zeigt deutlich, wie das Gericht die rechtlichen Prinzipien auf den spezifischen Fall anwendet. Besonders hervorzuheben ist die Anerkennung der Gebrauchsmöglichkeit eines Fahrzeugs als vermögenswertes Gut sowie die differenzierte Betrachtung der Schadensminderungspflicht. Dieser Fall illustriert, dass die Rechtsprechung bereit ist, die konkreten Lebensumstände der Betroffenen eingehend zu prüfen und ihre Entscheidungen darauf basierend zu treffen.
In der Summe hebt das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg hervor, dass die Bewertung von Nutzungsausfallentschädigungen eine sorgfältige Abwägung der individuellen Umstände erfordert. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit, über die bloße Verfügbarkeit von Ersatzfahrzeugen hinaus auch deren Zumutbarkeit und Eignung für den Alltagsgebrauch zu berücksichtigen.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Wie wird der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nach einem Verkehrsunfall rechtlich begründet?
Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nach einem Verkehrsunfall wird rechtlich durch das deutsche Schadensersatzrecht begründet. Dieser Anspruch entsteht, wenn jemand unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wird und dadurch sein Fahrzeug nicht nutzen kann, weil es repariert werden muss oder einen Totalschaden erlitten hat. Die Nutzungsausfallentschädigung soll den finanziellen Verlust ausgleichen, der durch die temporäre Unmöglichkeit entsteht, das Fahrzeug zu nutzen.
Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Grundlage für die Nutzungsausfallentschädigung findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in § 249 Abs. 2 BGB. Dieser Paragraph regelt, dass der Schädiger den Zustand wiederherstellen muss, der bestehen würde, wenn der schädigende Umstand nicht eingetreten wäre. Kann die Wiederherstellung nicht in Natur erfolgen, ist der Geschädigte berechtigt, eine Geldentschädigung zu verlangen. Die Nutzungsausfallentschädigung wird als Teil des Schadensersatzes betrachtet, der dem Geschädigten für den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit seines Fahrzeugs zusteht.
Voraussetzungen für den Anspruch
Um einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung geltend machen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Unverschuldeter Verkehrsunfall: Der Anspruch besteht nur, wenn der Geschädigte unverschuldet oder teilweise unverschuldet in den Unfall verwickelt wurde.
- Reparatur oder Totalschaden: Das Fahrzeug muss entweder repariert werden oder einen Totalschaden erlitten haben. Bei einem Totalschaden besteht der Anspruch, wenn ein Ersatzfahrzeug angeschafft wird.
- Nutzungswille und -bedarf: Der Geschädigte muss den Willen und die Notwendigkeit zur Nutzung des Fahrzeugs nachweisen. Dies kann beispielsweise durch die Reparatur des Fahrzeugs oder die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs geschehen.
- Schadenminderungspflicht: Der Geschädigte ist verpflichtet, den Schaden so gering wie möglich zu halten, indem er sich um eine schnelle Begutachtung und Reparatur bemüht.
Berechnung und Dauer
Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung richtet sich nach der Dauer der Reparatur oder der Zeit bis zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs und wird anhand von Tabellen ermittelt, die den täglichen Nutzungsausfall für verschiedene Fahrzeugklassen festlegen. Die Entschädigung wird für die tatsächlich erforderliche Reparaturzeit gezahlt. Verzögert sich die Reparatur aus Gründen, die der Geschädigte nicht zu vertreten hat, kann auch für diesen Zeitraum eine Entschädigung verlangt werden.
Praktische Umsetzung
Um eine Nutzungsausfallentschädigung zu beantragen, sollte der Geschädigte die Reparaturdauer dokumentieren und der gegnerischen Versicherung zusammen mit dem Schadensgutachten und gegebenenfalls einem Reparaturablaufplan vorlegen. Bei Unklarheiten oder Streitigkeiten mit der Versicherung kann die Einschaltung eines Rechtsanwalts sinnvoll sein. Zusammengefasst ist die Nutzungsausfallentschädigung ein wichtiger Bestandteil der Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall, der den Geschädigten für den Verlust der Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeugs entschädigt. Die rechtliche Grundlage bildet § 249 Abs. 2 BGB, und der Anspruch setzt ein unverschuldetes Unfallereignis, einen Nutzungswillen sowie die Erfüllung der Schadenminderungspflicht voraus.
Welche Kriterien bestimmen die Zumutbarkeit der Nutzung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Verkehrsunfall?
Die Zumutbarkeit der Nutzung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Verkehrsunfall wird durch verschiedene Kriterien bestimmt. Diese Kriterien sind wichtig, um zu beurteilen, ob der Geschädigte Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung hat oder ob die Nutzung eines Ersatzfahrzeugs als angemessen betrachtet wird.
Kriterien für die Zumutbarkeit eines Ersatzfahrzeugs:
- Fahrzeugklasse: Die Nutzung eines Ersatzfahrzeugs einer niedrigeren Fahrzeugklasse als das beschädigte Fahrzeug ist nicht zumutbar.
- Verfügbarkeit eines Zweitwagens: Besitzer eines Zweitwagens müssen darlegen, dass dieser nicht als Ersatzfahrzeug benutzt werden konnte, beispielsweise wegen beruflicher Nutzung durch den Ehepartner.
- Geringe Nutzung: Bei nur geringem Fahrbedarf (unter 20 km pro Tag) kann kein Nutzungsersatz für ein Ersatzauto verlangt werden. Stattdessen sollte auf öffentliche Verkehrsmittel oder Taxifahrten zurückgegriffen werden.
- Gewerbliche Nutzung: Bei gewerblicher Nutzung und Gewinneinbußen aufgrund der fehlenden Nutzung des Fahrzeugs können diese Verluste geltend gemacht werden. Allerdings kann in einem solchen Fall nicht zusätzlich ein Nutzungsausfall für das Fahrzeug gefordert werden.
- Fehlende Benutzbarkeit: Wenn der Geschädigte infolge des Unfalls im Krankenhaus liegt und gar keinen Wagen fahren kann, kann er keinen Nutzungsersatz beanspruchen.
- Fehlender Nutzungswille: Wenn die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs unnötig verzögert wird, kann dies als Indiz gegen einen Nutzungswillen gewertet werden.
- Angemessenheit des Modells: Bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs sollte ein Modell gewählt werden, das der Fahrzeugklasse des eigenen Autos entspricht, um Schwierigkeiten mit der Versicherung zu vermeiden.
- Fühlbare Beeinträchtigung: Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung besteht nicht, wenn ein adäquater Ersatzwagen zur Verfügung steht und keine fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung vorliegt.
- Schadensminderungspflicht: Der Geschädigte muss die Schadensminderungspflicht beachten und kann nicht auf einen bestimmten Mietwagen pochen, wenn dieser nicht verfügbar ist oder mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre.
- Ersatzbeschaffung: Wenn sich der Geschädigte keinen Ersatzwagen beschafft hat, kann dennoch ein Nutzungsausfall ohne Ersatzbeschaffung gewährt werden, sofern ein konkreter Vortrag zum Nutzungswillen erfolgt.
Diese Kriterien zeigen, dass die Zumutbarkeit der Nutzung eines Ersatzfahrzeugs von den individuellen Umständen des Geschädigten und den spezifischen Gegebenheiten des Einzelfalls abhängt. Entscheidend ist, dass der Geschädigte durch die Nutzung des Ersatzfahrzeugs keine unzumutbaren Einbußen erleidet und dass die Nutzung des Ersatzfahrzeugs den normalen Gebrauch des beschädigten Fahrzeugs adäquat ersetzt.
Inwiefern spielt die Verfügbarkeit weiterer Fahrzeuge eine Rolle bei der Bewertung von Nutzungsausfallentschädigungen?
Die Verfügbarkeit weiterer Fahrzeuge spielt eine wesentliche Rolle bei der Bewertung von Nutzungsausfallentschädigungen nach einem Verkehrsunfall. Grundsätzlich ist die Nutzungsausfallentschädigung ein Schadenersatzanspruch, der dem Geschädigten zusteht, wenn er sein Fahrzeug aufgrund eines unverschuldeten Verkehrsunfalls nicht nutzen kann. Die Verfügbarkeit eines weiteren Fahrzeugs kann jedoch diesen Anspruch beeinflussen.
Wesentliche Punkte zur Rolle weiterer Fahrzeuge:
- Zweitwagen: Wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung steht, dessen Nutzung ihm zumutbar ist, kann dies den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung ausschließen. Die Zumutbarkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Vergleichbarkeit der Fahrzeugklasse oder der tatsächlichen Verfügbarkeit des Zweitwagens für den Geschädigten.
- Ersatzfahrzeug von Dritten: Ähnlich verhält es sich, wenn dem Geschädigten unentgeltlich ein Ersatzfahrzeug von Dritten, beispielsweise Familienmitgliedern, zur Verfügung gestellt wird. Auch in diesem Fall kann der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung entfallen, sofern die Nutzung des Ersatzfahrzeugs dem Geschädigten zumutbar ist.
- Gewerbliche Nutzung: Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen kann die Situation komplexer sein. Hier kann anstelle des Verdienstentgangs eine Nutzungsausfallentschädigung verlangt werden, wenn ein konkret bezifferter Verdienstentgang nicht nachgewiesen werden kann. Die Verfügbarkeit weiterer Fahrzeuge kann auch hier relevant sein, insbesondere wenn sie den Betriebsablauf aufrechterhalten können.
- Zweitwageneinwand: Der sogenannte „Zweitwageneinwand“ ist nicht in allen Fällen relevant. Insbesondere wenn der Zweitwagen ständig von einem anderen Familienmitglied genutzt wird, kann der Geschädigte dennoch einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung haben. Die Gerichte berücksichtigen hierbei die individuellen Umstände des Einzelfalls.
Die Verfügbarkeit weiterer Fahrzeuge kann den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung beeinflussen, indem sie diesen unter bestimmten Umständen ausschließt oder einschränkt. Entscheidend sind die Zumutbarkeit der Nutzung des weiteren Fahrzeugs und die individuellen Umstände des Geschädigten. Die Gerichtspraxis zeigt, dass eine pauschale Beurteilung nicht möglich ist und jeder Fall individuell betrachtet werden muss.
Wie berechnet sich die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung?
Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung wird anhand der sogenannten Nutzungsausfalltabelle berechnet, die auch als Eurotax-Schwacke-Liste bekannt ist. Diese Tabelle ordnet verschiedene Fahrzeugtypen und -modelle unterschiedlichen Gruppen zu und legt für jede Gruppe einen Tagessatz fest, der als Entschädigung für den Nutzungsausfall gilt.
Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung:
- Fahrzeuggruppe bestimmen: Zunächst wird das beschädigte Fahrzeug anhand von Kriterien wie Modell, Hubraum, Ausstattung und Alter einer bestimmten Gruppe in der Nutzungsausfalltabelle zugeordnet.
- Tagessatz ermitteln: Für jede Gruppe ist ein spezifischer Tagessatz festgelegt, der die Höhe der täglichen Nutzungsausfallentschädigung angibt. Die Tagessätze variieren je nach Fahrzeugklasse und können zwischen 23 Euro und 175 Euro pro Tag liegen.
- Reparaturdauer feststellen: Die Dauer der Reparatur oder, im Falle eines Totalschadens, die Dauer der Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeugs wird ermittelt. Diese Zeitspanne ist maßgeblich für die Berechnung der Gesamtentschädigung.
- Gesamtentschädigung berechnen: Die Gesamtentschädigung ergibt sich aus der Multiplikation des Tagessatzes mit der Anzahl der Tage, an denen das Fahrzeug nicht genutzt werden konnte.
Beispiel:
Angenommen, ein Fahrzeug wird einer Gruppe zugeordnet, für die ein Tagessatz von 50 Euro festgelegt ist. Wenn die Reparaturdauer 10 Tage beträgt, würde die Nutzungsausfallentschädigung wie folgt berechnet:
Gesamtentschädigung = Tagessatz x Reparaturdauer = 50 Euro Tag x 10 Tage = 500 Euro
Es ist zu beachten, dass die Nutzungsausfallentschädigung nur dann beansprucht werden kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, wie der Nachweis des Nutzungswillens und der Nutzungsmöglichkeit. Außerdem muss der Geschädigte in der Regel die Reparatur durchführen lassen oder bei einem Totalschaden ein Ersatzfahrzeug beschaffen, um den Anspruch geltend zu machen.
§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- § 249 BGB – Schadensersatz in Natur
- Erklärt die Verpflichtung des Schädigers, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Im Kontext des Urteils bedeutet dies, dass der Kläger Anspruch auf Entschädigung für den Nutzungsausfall seines Fahrzeugs hat.
- § 286 BGB – Verzugsschaden
- Regelt die Schadensersatzpflicht bei Verzug. Der Kläger hat Anspruch auf Zinsen, da die Beklagte mit der Zahlung der Nutzungsausfallentschädigung in Verzug war.
- § 288 BGB – Verzugszinsen
- Legt die Höhe der Verzugszinsen fest, die der Schuldner bei Verzug zu entrichten hat. Im Urteil wird darauf Bezug genommen, um die Zinsforderung des Klägers zu begründen.
- § 823 BGB – Schadensersatzpflicht
- Begründet die Haftung für Schäden, die durch die Verletzung eines Rechtsguts entstehen. Obwohl im Urteil nicht direkt erwähnt, liegt dem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung eine Haftung nach § 823 BGB zugrunde.
- § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB – Geldentschädigung
- Ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen statt der Naturalrestitution eine Entschädigung in Geld. Dies ist relevant für die Bemessung der Nutzungsausfallentschädigung, die dem Kläger als Geldbetrag zugesprochen wurde.
- §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO – Verfahrensrechtliche Bestimmungen
- Betreffen die Abkürzung des Verfahrens und die Möglichkeit, von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abzusehen. Dies wurde im Urteil genutzt, um den Verfahrensablauf zu straffen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 14 U 168/21 – Urteil vom 28.10.2022
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.10.2021, Az. 306 O 318/20, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.475,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.5.2020 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.5.2020 zu bezahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz zu tragen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.475,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Von der Darstellung tatbestandlicher Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
1.
Der Kläger begehrt von der Beklagten zunächst zu Recht Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 13.475,00 € für den Zeitraum vom 13.1.2020 bis zum 31.3.2020.
a)
Der Bundesgerichtshof bejaht im Grundsatz in ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf Entschädigung für den Fortfall der Nutzungsmöglichkeit von Kraftfahrzeugen. Nach der Verkehrsauffassung und allgemeiner Rechtsauffassung stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, sodass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit – in Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln – das Fortkommen im allgemeinsten Sinne zu fördern (BGH, Urteil vom 23.1.2018, VI ZR 57/17 – juris Rn. 7).
b)
Einen Fortfall der Nutzungsmöglichkeit des bei dem Verkehrsunfall vom 13.1.2020 beschädigten und auch privat genutzten Fahrzeug des Klägers hat es hier für mindestens 77 Tage gegeben. Der betroffene Bentley war gemäß dem Schadengutachten der Anlage K 1 zunächst nicht mehr verkehrssicher und befand sich sodann vom 14.1.2020 bis zur Rückgabe an den Kläger am 31.3.2020 in der Werkstatt von Bentley Hamburg.
Zwar muss die Entbehrung der Nutzung auch deshalb „fühlbar“ geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte (BGH, Urteil vom 23.1.2018, VI ZR 57/17 – juris Rn. 8). Das war hier aber der Fall.
aa)
Die Schadensminderungspflicht gebietet nur den Einsatz eines Zweitwagens, wenn dies möglich und zumutbar ist (vgl. zuletzt OLG Frankfurt, Urteil vom 21.7.2022, 11 U 7/21 – juris Rn. 34). Insofern kann zwar auch die Nutzung eines kleineren und weniger komfortablen Ersatzwagens zumutbar sein, da es auf die Beeinträchtigung des Fahrvergnügens nicht ankommt (OLG Frankfurt aaO). Erforderlich bleibt aber zum einen, dass es sich um einen fahrfähigen Wagen handelt sowie zum anderen, dass Zumutbarkeit hinsichtlich der üblichen Fahrzwecke besteht. Das war vorliegend weder hinsichtlich des BMW noch hinsichtlich des McLaren der Fall. Bei dem McLaren 720 handelt es sich um einen Sportwagen mit erheblichen Einschränkungen beim Laderaum, der zudem nicht mit Winterreifen, sondern mit Semi Slick-Reifen ausgestattet war. Es erschließt sich dem Gericht ohne weiteres, wenn dieser vom Kläger nicht für Alltagsfahrten in den Wintermonaten genutzt wird; dies ist auch nicht als zumutbar zu erachten. Auch ein Einsatz des BMW 318 compact war dem Kläger nicht zumutbar. Bereits in dem vom Kläger für dieses Fahrzeug vorgelegten Kaufvertrag vom 7.10.2019 heißt es, dass das Fahrzeug „diverse Mängel“ aufweise und nur „bedingt fahrbereit“ sei. Nach der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme steht insoweit zur Überzeugung des Senats fest, dass die Kupplung des BMW bereits im Oktober 2019 „an der Verschleißgrenze“ war und „durchrutschte“, wie der Verkäufer, der Zeuge W. glaubhafte bekundete. Der Zeuge W. hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar angegeben, dass aus seiner Sicht der BMW bereits im Oktober 2019 nur noch für kurze Strecken fahrbereit gewesen sei, „wenn man vorsichtig gefahren ist und das Fahrzeug nicht zu warm wurde“. Der Zeuge G., der erklärte, den BMW während der Besitzzeit des Klägers ein paar Mal gefahren zu sein, hat daneben bekundet, dass das Fahrzeug nach seinem Eindruck „allein wegen der rutschenden Kupplung nicht als Alltagsfahrzeug“ verwendbar gewesen sei. Hinzu kommt schließlich, dass auch für den BMW unstreitig keine Winterreifen vorhanden waren, der Ausfall des Bentley aber in den Monaten Januar bis März stattgefunden hat. Der Senat hat in der Gesamtschau deshalb keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage des persönlich angehörten Klägers, nach der er den BMW im Grundsatz zum Zeitpunkt des Unfalls vom 13.1.2020 nicht (mehr) benutzt habe.
bb)
Der Kläger war auch nicht auf Grund seiner Schadensminderungspflicht gehalten, den BMW während des Ausfalls des Bentleys in einem Umfang reparieren (und mit Winterreifen ausstatten) zu lassen, der eine zumutbare Nutzung im Alltag ermöglicht hätte. Jedenfalls war für den Kläger nämlich zu keinem Zeitpunkt vorauszusehen, dass die Reparatur des Bentley (jeweils noch) so lange dauern würde, dass entsprechende Investitionen in den BMW angezeigt gewesen wären. Zwar heißt es in dem Schadensgutachten vom 14.1.2020 (Anlage K 1), dass die Reparatur des Bentley voraussichtlich nur fünf bis sechs Arbeitstage dauern würde. Indes ergibt sich aus dem als Anlage BER 1 eingereichten Schreiben des Privatgutachters vom 17.2.2020, welches der Kläger als Antwort auf eine E-Mail-Anfrage vom 16.2.2020 erhielt, dass Ende Januar 2020 bei der Demontage des Fahrzeugs weitere Schäden festgestellt worden sind, was zu einer gutachterlichen Nachbesichtigung am 31.1.2020, einem Freitag, geführt hat. In der Folge wurde gemäß dem Rechnungsprüfungsbericht des Privatgutachters vom 31.3.2020 (Anlage K 6) der Ersatz zahlreicher weiterer Fahrzeugteile erforderlich. Zwar folgt aus den zur Akte gelangten Unterlagen nicht, dass sich der Kläger sodann vor dem 3.3.2020, dem Tag, an dem er bei Bentley Hamburg in Person des Zeugen K. per E-Mail nach dem Stand der Reparatur fragte, erneut nach seinem Wagen erkundigt hätte. Auch der Zeuge K. konnte sich nicht konkret an Kontakte mit dem Kläger – etwa in telefonischer Form – im Monat Februar 2020 erinnern. Indes würde die Annahme einer auf den BMW bezogenen Handlungsaufforderung an den Kläger bereits im Februar 2020 seine Schadensminderungspflicht auch ohne eine entsprechende Kommunikation überdehnen. Zwar hält es auch der Senat für denkbar, dass ein nochmaliges Nachhaken des Klägers bei Bentley im Februar 2020 zu einer zügigeren weiteren Ersatzteilbestellung, die nach „Bestellablauf-Übersicht“ der Anlage B 1 tatsächlich erst Anfang März 2020 erfolgte, geführt hätte. Indes wäre auch dann noch nicht absehbar gewesen, dass sich die Reparatur wegen defekter Ersatzteile und dem nachfolgenden Erfordernis einer abermaligen Bestellung nochmals weiter verzögern würde. Ab Anfang März 2020 jedenfalls hat der Kläger in nachvollziehbarer Weise in ausreichenden Zeitabständen per E-Mail beim Zeugen K. Nachfrage gehalten, ohne dass sich aus den Antworten ergeben hätte, dass nach wie vor nicht mit einer zeitnahen Fertigstellung der Reparatur hätte gerechnet werden können.
c)
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass für den Bentley des Klägers pro Ausfalltag eine Nutzungsausfallentschädigung von 175,00 € anfällt.
2.
Der Kläger hat weiter als Nebenforderung einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 €.
3.
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.
4.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
5.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.