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Verkehrsunfall – Werkstattrisiko bei verlängerter Reparaturzeit

AG Bremen – Az.: 3 C 37/18 – Urteil vom 07.06.2019

1. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger die 630,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 09.01.2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 2. zu 75% und der Kläger zu 25% mit Ausnahme der Kosten der Beklagten zu 1. Diese trägt der allein Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger und die Beklagte zu 2. können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten noch um die Regulierung weiterer Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall, der sich am 24.03.2015 in Bremen ereignete und für dessen Folgen die Beklagte unstreitig in vollem Umfang einzustehen hat.

Auf Vermittlung der Beklagten wurde dem Kläger für den Zeitraum 31.03.2015 bis 22.04.2015 ein Mercedes C 220 BT der Firma E. vermietet. Die genauen Konditionen der Anmietung wurden durch die Beklagte vermittelt. Hierdurch entstanden dem Kläger insgesamt Kosten in Höhe von brutto 1.468,86 Euro. Die Beklagte zahlte hiervon 838,16 Euro direkt an den Autovermieter E.. Bezüglich der Restforderung von 630,70 Euro wurde der Kläger direkt von der Firma E. in Anspruch genommen, da die Beklagte eine weitere Regulierung der Mietwagenkosten ablehnte.

Der Kläger behauptet, sein Fahrzeug habe sich in der Zeit vom 02.04.2015 bis zum 22.04.2015 bei der Firma A-W in Bremen in Reparatur befunden. Auf die Dauer der Reparaturarbeiten habe der Kläger keinen Einfluss gehabt. Der Kläger habe zudem auch einen Willen zur Nutzung des Mietwagens gehabt; ein Ersatzfahrzeug habe ihm nicht zur Verfügung gestanden.

Nachdem der Kläger mit der Anspruchsbegründungsschrift zunächst den Anspruch gegen die Beklagte zu 1. gerichtet hatte, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21.12.2018, der am gleichen Tag bei Gericht einging und dem Beklagtenvertreter am 08.01.2019 zugestellt wurde, die Klage erweitert und auch gegen die Beklagte zu 2. gerichtet.

Im Termin vom 26.04.2019 hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 1. zurückgenommen und beantragt nunmehr,

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger 849,34 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dem Kläger fehle es bereits am Nutzungswillen des Mietwagens. Zudem sei der Zeitpunkt der Anmietung nicht nachvollziehbar, da sich der Unfall bereits am 24.03.2015 ereignet habe. Nach dem Schadensgutachten sei zudem von einer Reparaturdauer von zwei Tagen auszugehen. Die Beklagte behauptet, das Fahrzeug des Klägers habe sich vom 02.04.2015 bis 22.04.2015 nicht zur Reparatur bei der Firma A-W befunden.

Die Beklagte ist zudem der Ansicht, die geltend gemachten Inkassokosten seien unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht des Klägers nicht erstattungsfähig.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Ansprüche nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T. und F… Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 07.06.2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Verkehrsunfall - Werkstattrisiko bei verlängerter Reparaturzeit
(Symbolfoto: Pavel L Photo and Video/Shutterstock.com)

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von weiteren Mietwagenkosten in Höhe von 630,70 EUR zu, gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. VVG. Die darüber hinaus geltend gemachten Inkassokosten des Klägers sind hingegen nicht erstattungsfähig.

1. Der Kläger und Geschädigte hat gemäß § 249 BGB Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Wiederherstellungskosten. Dies sind die Kosten, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 04.06.2013 – 302 O 92/11 – Rn. 22, juris).

Soweit die Beklagte zu 2. bestreitet, das Fahrzeug des Klägers habe sich nicht vom 02.04.2015 bis zum 22.04.2015 zur Reparatur des Unfallschadens im Hause der Firma A-W befunden, so konnte der Kläger dies zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen durch Vernehmung des Zeugen T… Der Zeuge T., an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen, hat in seiner Vernehmung im Termin vom 07.06.2019 anhand der Reparaturrechnung dargelegt und erläutert, dass sich das Fahrzeug des Klägers insgesamt 23 Tage im Haus der Firma A-W zur Reparatur befunden hat.

Das Vorbringen der Beklagte zu 2., diese Dauer widerspreche dem Schadensgutachten und sei überdurchschnittlich lang, kann die Beklagte zu 2. nicht im Verhältnis zum Kläger zur Kürzung der Mietwagenkosten heranziehen. Denn dem Kläger als Geschädigten ist eine etwaige Schlechtleistung bzw. vertragliche (Neben-) Pflichtverletzung der Firma A-W nicht zuzurechnen. Es fehlt bereits am Vorliegen der Voraussetzungen einer Zurechnungsnorm.

Es darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt.

Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. Satz 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit mehr Aufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigungen einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (LG Hamburg, a.a.O., Rn. 23, m.w.N.).

Das so bezeichnete Werkstattrisiko geht somit zulasten der Beklagten zu 2. (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1974 – VI ZR 42/73, juris = NJW 1975, 160). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (LG Hamburg a.a.O., Rn. 23).

Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Zu berücksichtigen ist, dass der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis die Schadensbeseitigung für den Schädiger durchführen lässt. Hätte der Geschädigte, wie es § 249 Abs. 1 BGB vorsieht, die Schadensbeseitigung dem Schädiger überlassen, hätte dieser sich ebenfalls mit dem Verhalten der Werkstatt auseinandersetzen müssen.

Der Beklagten zu 2. entsteht dadurch auch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt verlangen kann (BGHZ 63, 182, 187) bzw. gehen vorliegend etwaige Ansprüche des Klägers gegen die Firma A-W auf die Beklagte zu 2. bei einer Regulierung gem. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG über. Insofern hat die Beklagte zu 2. im Ergebnis die gleiche Rechtsstellung, als wenn sie die Reparatur gemäß § 249 Abs. 1 BGB selbst in Auftrag gegeben hätte (AG Lübeck, Urteil vom 04. Oktober 2018 – 26 C 560/18 -, Rn. 21 – 22, juris).

Auch liegt ein Nutzungswille des Klägers entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2. vor. Dies folgt vorliegend bereits auf der Mietwagenrechnung (Anlage K1, Bl. 16 d.A.), wonach der Kläger mit dem Mietfahrzeug 2.077 KM gefahren ist. Die Behauptung der Beklagten zu 2., dem Kläger habe ein anderes Ersatzfahrzeug aus der Familie zur Verfügung gestanden, war offenbar eine bloße Behauptung ins Blaue hinein. Hierfür ergeben sich aus dem vorgetragenen Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Die Zeugin F., die Ehefrau des Klägers, hat zudem in ihrer Vernehmung ausdrücklich bestätigt, dass dem Kläger kein anderes Fahrzeug zum Zeitpunkt der Anmietung des Mietwagens zur Verfügung stand.

2. Nicht ersatzfähig sind hingegen die vom Kläger geltend gemachten Inkassokosten in Höhe von 165,75 Euro und die Verzugszinsen in Höhe von 52,89 Euro, die der Autovermieter E. dem Kläger berechnet hat.

Diese Kosten in Höhe von insgesamt 218,64 Euro beruhen darauf, dass der Kläger als Mieter des Fahrzeugs den Mietzins nicht zum fälligen Zeitpunkt an den Vermieter, die Firma E., leistete.

Die Kosten sind auch nicht als sogenannte Finanzierungskosten ersatzfähig. Zwar wird gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auch die Inanspruchnahme von Fremdmitteln für die Finanzierung der Schadenskosten als ersatzfähig erachtet (vgl. Staudinger/Schiemann (2017) BGB § 249, Rn. 233 m.w.N).

Die hier in Rede stehenden Kosten sind indes bereits begrifflich keine Finanzierungskosten des Klägers, also etwa Zinsen, die dieser auf einen zur Begleichung der Mietwagenrechnung aufgenommenen Kredit zu zahlen hatte. Denn es handelt sich bei diesen Kosten um einen reinen Verzugsschaden, der dem Autovermieter infolge der Nichtleistung des Klägers entstanden ist und den dieser dem Kläger als Schadensersatz berechnete.

Diesen Schadensposten hätte der Kläger ohne weiteres dadurch abwenden können, dass er die Rechnung des Autovermieters ausgeglichen hätte und sodann die Beklagte zu 2. – wie nunmehr geschehen – auf Ersatz dieser Kosten in Anspruch genommen hätte. Es fehlt vorliegend daher bereits an der Erforderlichkeit dieser Kosten i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB.

Vorliegend war die Klage in Höhe von 218,64 Euro mit der entsprechenden Kostenfolge als unbegründet abzuweisen.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für alle Parteien aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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