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Mietausfallschaden bei Brand des Mietobjekts – Inanspruchnahme des Gebäudeversicherers

AG Meppen, Az.: 3 C 560/09, Urteil vom 29.01.2010

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 606,90 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.08.2009 zu zahlen.

3.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien schlossen einen Mietvertrag betreffend das im Eigentum der Klägerin stehende Haus … in … . Der Mietvertrag lief auf unbestimmte Dauer. Zuletzt war diesbezüglich eine vereinbarte Miete in Höhe von 560,00 Euro monatlich zu entrichten, zuletzt für den Monat Juli 2008. Für das Mietobjekt bestand eine Gebäudeversicherung bei der VGH, wobei die Kosten auf die Mieterin abgewälzt wurden. Die VGH lehnte einen Schadensausgleich ab.

Mietausfallschaden bei Brand des Mietobjekts - Inanspruchnahme des Gebäudeversicherers
Symbolfoto: Edward Stephens/Bigstock

Am 01.08.2008 brach in dem von der Beklagten und ihren beiden Kindern bewohnten Haus in den frühen Morgenstunden ein Brand aus, weite Teile des Hauses wurden hierdurch beschädigt und es kam zu leichten Personenschäden. Die Beklagte und ihre Tochter konnten sich selbst retten, währenddessen der nach Angaben der Beklagten entwicklungsverzögerte 14jährige Sohn nur durch die eintreffende Feuerwehr gerettet werden konnte.

Der Entstehungsort des Brandes liegt unstreitig unterhalb der Kellertreppe. In diesem Bereich war vor dem Brand ein Spiel-Kaufmannsladen aufgestellt, an dem auch der Sohn der Beklagten spielte. Der Sohn der Beklagten wurde durch die Feuerwehr im Keller angetroffen und durch diese befreit.

Die Beklagte hat keinerlei Kenntnis darüber, wodurch der Brand im Einzelnen entstanden sei. In der Vergangenheit ist es zu keinem Zeitpunkt dazu gekommen, dass ihr Sohn mit Feuer gespielt hat.

Die Beklagte hat das Mietverhältnis mit Kündigung zum 28.02.2009 beendet, eine zur Entrichtung für die Miete im Zeitraum 01.08.2008 bis 28.02.2009 kam indes nicht.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des ausstehenden Mietzinses für sieben Monate à 560,00 Euro, mithin insgesamt 3.920,00 Euro.

Daneben verlangt die Klägerin vorgerichtlich entstandene, nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 511,22 Euro. Diesbezüglich wurde die Beklagte zur Zahlung mit Schriftsatz vom 17.02.2009 vergeblich zur Zahlung aufgefordert.

Vorprozessual sowie während des laufenden Prozesses versuchte die Klägerin vergeblich, den Mietausfallschaden durch ihre Versicherung ersetzen zu lassen.

Die Klägerin behauptet, der Brand sei darauf zurückzuführen, dass der Sohn der Beklagten unterhalb der Treppe beim Spielen mit dem Kaufmannsladen den Brand verursacht hat. Hierzu ist sie der Ansicht, dass die Beklagte zur Zahlung verpflichtet sei, da der Brand zweifelsfrei in ihrem Obhutsbereich lag und diese die Beweislast dafür trage, dass die Schadensursache von der Klägerin zu vertreten sei.

Weiter ist die Klägerin der Ansicht, dass wegen Untergangs der Mietsache durch den Brandschaden gemäß den §§ 326, 275 BGB die Leistung des Vermieters wegen Unmöglichkeit entfalle und gleichwohl der Mieter infolge von § 326 II BGB zur Mietzahlung verpflichtet sei, da die Beklagte hier den Untergang der Mietsache zu vertreten habe.

Ferner ist die Klägerin der Ansicht, dass es auf ein etwaiges Verschulden des minderjährigen Verursachers nicht ankomme, da die Beklagte aufgrund einer Verletzung einer Aufsichtspflicht ein eigenes Verschulden treffe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Mietzins für die Zeit vom 01.08.2008 bis 28.02.2009 betreffend das Haus … in … in Höhe von 3.920,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 560,00 Euro ab 10.08.2008, 10.09.2008, 10.10.2008, 10.11.2008, 10.12.2008, 10.01.2009 und 10.02.2009 an sie zu verurteilen sowie die Beklagte zur Zahlung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 511,22 Euro zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie, eine Verurteilung der Beklagten lediglich zuzulassen, Zug um Zug gegen Abtretung der insoweit fortbestehenden versicherungsvertraglichen Ansprüche der Klägerin an die Beklagte aufgrund der seitens der Klägerin bei der … Hannover geführten Versicherungsvertrages zur Vertragsnummer ….

Widerklagend beantragt sie, die Klägerin zu verurteilen, an sie 606,90 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.08.2009 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass die Klägerin davon ausgeht, der Sohn sei für die Entstehung des Brandes verantwortlich, beruhe allenfalls auf reiner Spekulation.

Daneben ist sie der Ansicht, dass selbst für den Fall der Einstandspflicht der Beklagten die Klägerin zunächst deren Gebäudeversicherung in Anspruch und zu verklagen habe, da die Beklagte jedenfalls keine Möglichkeit habe, gegen den Gebäudeversicherer vorzugehen. Dass die Klägerin insoweit die Durchsetzungsmöglichkeiten gegenüber dem Gebäudeversicherer lediglich als unzureichend einschätzt, reiche ihrer Ansicht nach nicht aus.

Mit der Widerklage macht die Beklagte einen Anspruch auf außergerichtlich entstandener, nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten in Höhe einer Geschäftsgebühr von 2,0 nach Nr. 2300 VVRVG geltend. Insoweit sei ein erhöhter Gebührenansatz gerechtfertigt, da die Tätigkeit umfangreich und schwierig gewesen sei, insbesondere aufgrund der Überprüfung der entsprechenden Ermittlungsakten sowie bestehenden Versicherungsverträge.

Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Osnabrück mit dem Aktenzeichen 936 Js 46798/08 war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird vollumfänglich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Demgegenüber hat die Beklagte mit der zulässigen Widerklage Erfolg.

Denn der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere besteht kein Anspruch aus den §§ 326 II 1, 275 I, 535 ff. BGB.

Zwar ist die Klägerin durch Untergang der Mietsache infolge des Brandes von ihrer Leistung nach § 275 I BGB frei geworden, indes ist infolgedessen auch der Gegenleistungsanspruch auf Zahlung der Miete gemäß § 326 I 1 BGB untergegangen.

Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte für den Umstand des Untergangs der Mietsache und mithin das Entstehen des Brandes allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, § 326 II 1 BGB. Hierbei ist eine Verantwortlichkeit gegeben, wenn ein Verstoß gegen Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Vertragsverhältnis vorliegt oder aber der Gläubiger aufgrund des Vertragsverhältnisses das Risiko für ein bestimmtes Leistungshindernis übernommen hat.

I. Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten

Eine eigene unmittelbare schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten an der Entstehung des Brandes scheidet schon deswegen aus, weil dieses unstreitig nicht gegeben ist. Auch eine konkrete Verletzung der Aufsichtspflicht in Bezug auf den Sohn der Klägerin nicht ersichtlich. Zum einen ereignete sich der Brand in den frühen Morgenstunden und zum anderen gab es in der Vergangenheit nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Beklagten keinerlei Auffälligkeiten in Bezug auf ein Hantieren mit Feuer durch den Sohn der Beklagten. Dass der Sohn der Beklagten früh morgens statt zu spielen womöglich mit Streichhölzern hantierte konnte und musste die Beklagte demnach nicht befürchten, sodass keine Verletzung der Aufsichtspflicht der Beklagten vorliegt.

Soweit die Klägerin behauptet, der Sohn der Beklagten habe das Feuer verursacht, blieb die Klägerin darüber hinaus den Beweis hierfür als beweisbelastete Partei schuldig, sodass auch kein nach § 278 BGB zuzurechnendes Verschulden des Sohnes festzustellen war, wobei aufgrund dessen Behinderung fraglich erscheint, inwieweit überhaupt ein Verschulden angenommen werden könnte. Im Sinne des § 278 BGB sind Erfüllungsgehilfen alle Personen, die auf Veranlassung des Mieters mit der Mietsache in Berührung kommen, wozu auch Hausstandsangehörige und damit die eigenen im Hause wohnenden Kinder gehören. Zwar ergeben sich aus der Ermittlungsakte Verdachtsmomente in Bezug auf ein Hantieren des Sohnes mit Streichhölzern, mehr aber auch nicht. Die Klägerin hat aber den Vollbeweis dafür zu erbringen, dass der Brand durch die Beklagte oder ein Verschulden Dritter, welches ihr nach § 278 BGB zuzurechnen sein muss, entstanden ist.

II. Risikoverteilung aus dem Mietvertrag

Aber auch aus der vertraglichen Risikoverteilung ergibt sich kein Anspruch der Klägerin. Zwar braucht der Vermieter zunächst in Fällen der Zerstörung der Mietsache lediglich nachweisen, dass der Mangel aus dem Verantwortungsbereich des Mieters herrührt, der Mieter muss sich dann seinerseits entlasten (BGHZ 66, 349 ff.; BGHZ 126, 124 ff.; BGHZ 131, 95 ff.; BGH in NJW 1998, 594 ff.; BGH in NJW-RR 2005, 381 ff.). Diesbezüglich hat die Klägerin Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten, welches Beweis dafür erbringen soll, dass eine Brandentstehung etwa durch fehlerhafte Elektro- oder Gasleitungen ausgeschlossen sei. Indes bedurfte es der Einholung dieses Gutachtens aus zwei Gründen nicht.

Zum Einen fehlt es aufgrund der zwischenzeitigen Veränderung der Örtlichkeit an den notwendigen Anknüpfungstatsachen für den Sachverständigen, sodass das Beweismittel ungeeignet ist.

Zum Anderen hat der Vermieter aber nicht nur zu beweisen, dass der Mangel auf den Verantwortungsbereich des Mieters zurückzuführen ist, sondern eben auch, dass die womögliche Einwirkung Dritter, deren Handlungen sich der Vermieter nicht nach § 278 BGB zurechnen zu lassen braucht (BGH in NJW-RR 2005, 381 ff.). Lässt sich dagegen – insbesondere in Fällen der Beschädigung oder vorliegend Vernichtung durch Brand – nicht ausschließen, dass der Schadenseintritt vom Mieter in keiner Weise veranlasst oder beeinflusst worden ist, so bleibt es bei der vollständigen Beweislast des Vermieters (BGHZ 116, 278 ff.; BGHZ 135, 95 ff; BGH in NJW-RR 2005, 381 ff.). Diesen Beweis hat die Klägerin indes nicht geführt. Vorliegend ist die Entstehung des Brandes unklar. In einem solchen Fall ist der Mieter vielfach nicht in der Lage, die näheren Umstände der Schadensentstehung darzulegen und zu beweisen. Deswegen kommt eine Umkehr der Beweislast zulasten des Mieters, die auf Risiko- und Verantwortungsbereiche gründet und nicht zu einer Zufallshaftung führen darf kommt insoweit nicht in Betracht.

III. Inanspruchnahme der Gebäudeversicherung

Darüber hinaus hatte die Klägerin vorliegend vorrangig die Gebäudeversicherung für den Mietausfallschaden in Anspruch zu nehmen, da die Kosten hierfür auf den Mieter umgelegt werden, weswegen dieser erwarten darf, an den Versicherungsleistungen teilzuhaben. Die versicherungsrechtliche Lösung schützt den Mieter allerdings nur, wenn der Vermieter/Versicherungsnehmer die Versicherung tatsächlich in Anspruch nimmt. Verzichtet der Vermieter darauf und fordert er unmittelbar Schadensersatz vom Mieter, wird dieser in seiner Erwartung enttäuscht, als Gegenleistung für die von ihm übernommenen Versicherungskosten im Schadensfall einen Nutzen von der Gebäudeversicherung zu haben. Der Vermieter hat dagegen insoweit, als er durch die Versicherung geschützt ist, im Regelfall kein vernünftiges Interesse daran, den Schadensausgleich durch den Mieter zu suchen, obwohl dieser bereits durch die Zahlung der Versicherungsprämie zur Deckung des Schadens beigetragen hat. Aus dieser Interessenlage folgt die mietvertragliche Pflicht des Vermieters, die Versicherung in Anspruch zu nehmen (oder auf Schadensersatz zu verzichten), wenn ein Versicherungsfall vorliegt, ein Regress des Versicherers gegen den Mieter ausgeschlossen ist und der Vermieter nicht ausnahmsweise ein besonderes Interesse an einem Schadensausgleich durch den Mieter hat. Verletzt der Vermieter diese Pflicht, steht dem Mieter ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung zu, den er dem Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen seiner Obhutspflichtverletzung gemäß § 242 BGB („dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“) entgegen halten kann.

Deswegen war die Klage auch aus diesem Grund abzuweisen, da selbst nach dem streitigen Klägervortrag allenfalls eine leicht fahrlässige Brandverursachung gegeben wäre, die eine Einstandspflicht der Versicherung auch gegenüber dem Vermieter als Versicherungsnehmer nicht entfallen ließe. Dass die … die Übernahme des Schadens verweigerte, reicht demgegenüber nicht aus.

In Ermangelung eines Hauptanspruchs bestehen auch keine Nebenansprüche hinsichtlich der Klage.

Hingegen war der mit der Widerklage geltend gemachte Betrag der nicht anrechenbaren, außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten vollumfänglich zuzusprechen. Denn es handelte sich auch aufgrund des Bezugs zum Versicherungsrecht sowie den Umfang der Ermittlungsakte um eine Angelegenheit, die den gewöhnlichen Tätigkeitsumfang weit überstieg.

Der Zinsanspruch ergibt sich aufgrund Verzuges aus den §§ 286 ff. BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 3.920,00 Euro.

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