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Wohngebäudeversicherung – Risikoausschluss während Umbau- und Sanierungsarbeiten

LG Frankfurt, Az.: 2-08 O 259/14, Urteil vom 18.03.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 838.172,12 nebst Zinsen in Höhe von 4 % p.a. vom 15.04.2013 bis 13.05.2014 und nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 14.05.2014 zuzüglich vorgerichtlicher Portokosten in Höhe von € 1,64 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 14.05.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Wohngebäudeversicherung - Risikoausschluss während Umbau- und Sanierungsarbeiten
Symbolfoto: Von Tiko Aramyan /Shutterstock.com

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung nach einem Wasserschaden am 14./15.04.2013.

Zwischen den Parteien besteht ein Gebäudeversicherungsvertrag (Gebündelte Sachversicherung Feuer, Leitungswasser, Sturm) unter anderem über das im Eigentum der Klägerin stehende Studentenwohnheim mit der Anschrift (nachfolgend „Studentenwohnheim“). Dem Versicherungsvertrag liegen die „Allgemeine Bedingungen für die Leitungswasserversicherung (AWB 87) – Fassung Januar 2001“ der Beklagten (nachfolgend „AWB 87“) zugrunde. Darin heißt es:

„§ 1 Versicherte Gefahren und Schäden

1. Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden.

[…]

§ 2 Versicherte Sachen

1. Versichert sind die in dem Versicherungsvertrag bezeichneten

a) Gebäude und sonstigen Grundstücksbestandteile

b) bewegliche Sachen.

2. Gebäude sind mit ihren Bestandteilen und mit den Sachen gemäß § 1 Nr. 3 a, aber ohne sonstiges Zubehör versichert, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.

Nicht versichert sind Gebäude, die nicht bezugsfertig sind, und die in diesen Gebäuden befindlichen Sachen.

[…]

„§ 16 Zahlung der Entschädigung

1. […]

2. Die Entschädigung ist seit Anzeige des Schadens mit 1 Prozent unter dem Basiszinssatz im Sinne von § 1 Abs. 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz zu verzinsen, mindestens jedoch mit 4 Prozent und höchstens mit 6 Prozent pro Jahr, soweit nicht aus anderen Gründen ein höherer Zins zu entrichten ist.

[…]“

Mit Schreiben vom 16.10.2012 zeigte die für die Klägerin als Versicherungsmaklerin tätige Streithelferin der Beklagten die Sanierung des Studentenwohnheims an. In dem Schreiben heißt es:

„Bitte bestätigen Sie uns den Versicherungsschutz zur Rohbau-Feuer-Versicherung.“

Die Beklagte bestätigte die Deckung am 16.10.2012 handschriftlich auf dem Schreiben der Streithelferin wie folgt:

„Wir bestätigen Deckung zur F-Rohbauvers. für die o.g. Risiken […]“

Anschließend sandte die Beklagte das Schreiben per Telefax zurück an die Streithelferin.

Im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 20.02.2013 wies die Beklagte für das Studentenwohnheim die Gebäudeversicherung (Feuer, Leitungswasser, Sturm) und den Versicherungsbeitrag in voller Höhe aus. Mit Prämienrechnung vom 25.02.2013 stellte die Streithelferin der Klägerin den vollen Beitrag der Gebäudeversicherung für das Studentenwohnheim in Rechnung, der von der Klägerin beglichen wurde.

Am 15.04.2013 wurde ein Schaden durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser in dem Studentenwohnheim festgestellt. Ursache war, dass in der 6. Etage des Gebäudes ein Schnellentlüfterventil am Ende einer Vorlaufleitung des Wohnzimmerheizungsstranges abmontiert worden war. Das eingeleitete Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Potsdam ein. Die Klägerin zeigte der Streithelferin den Schaden am 15.04.2013 an.

Das Gebäude befand sich im Schadenszeitpunkt in der Sanierung zur Einhaltung der neuen Energiesparverordnung und zur Angleichung des Brandschutzes an geltendes Recht. Erneuert werden sollten unter anderem sämtliche Bäder, Fenster, Küchen und die Fassade. Auf jeder Etage wurde in den Gemeinschaftsräumen ein neues Appartement geschaffen und hierfür die Leitungswasserstränge verändert.

Neben der Gebäudeversicherung bei der Beklagten bestand eine Bauleistungsversicherung bei der Allianz Versicherungs-AG. Die Gesamtkosten zur Beseitigung der Wasserschäden beliefen sich auf € 1.105.405,45 brutto. Ein Betrag von € 838.172,12 brutto bezieht sich auf die Beseitigung der Gebäudeschäden, der Restbetrag auf die unter die Bauleistungsversicherung fallenden Sanierungsleistungen.

Die Klägerin stellte am 29.05.2013 einen weiteren Nachtrag zum Versicherungsschein aus, in dem für das Studentenwohnheim lediglich die Feuerrohbauversicherung ausgewiesen ist.

Mit Schreiben vom 07.05.2014 lehnte die Beklagte die Regulierung der Schäden mit der Begründung ab, es bestehe gemäß § 2 Nr. 2 S. 2 AWB 87 kein Versicherungsschutz, da das Studentenwohnheim bei Schadenseintritt nicht bezugsfertig gewesen sei.

Die Klägerin hat zunächst beim Amtsgericht Wedding den Erlass eines Mahnbescheides gegen die Beklagte beantragt, der am 09.05.2014 erlassen und der Beklagten am 13.05.2014 zugestellt wurde. Die Beklagte hat am 23.05.2014 Widerspruch gegen den Mahnbescheid erhoben. Am 01.08.2014 hat die Klägerin die Anspruchsbegründung beim Amtsgericht Wedding eingereicht und die Durchführung des streitigen Verfahrens vor dem Landgericht Frankfurt am Main beantragt. Mit der den Beklagtenvertretern am 18.09.2014 zugestellten Anspruchsbegründung hat die Klägerin zunächst die Zahlung von € 839.240,35 nebst Zinsen begehrt. Mit Schriftsatz vom 23.01.2015 (Bl. 179 f. d.A.) hat die Klägerin den Betrag auf € 838.172,12 reduziert und die Klage hinsichtlich der zunächst darüber hinaus geltend gemachten Ansprüche zurückgenommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, § 2 Nr. 2 S. 2 AWB 87 finde keine Anwendung, da Gebäude nur vor dem Erstbezug nicht bezugsfertig im Sinne der Regelung seien. Jedenfalls seien die Sanierungsarbeiten nicht mit der Neuerrichtung eines Gebäudes vergleichbar. Die Klägerin behauptet, die Baumaßnahmen hätten auch bei weiterer Bewohnung durchgeführt werden können und seien zum Schadenszeitpunkt weitgehend abgeschlossen gewesen. Zudem sei das Gebäude während der Sanierung durchgehend von der Kinderwelt GmbH bezogen gewesen.

Die Klägerin beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 838.172,12 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % p.a. im Zeitraum vom 15.04.2013 bis zum 12.05.2014 und nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2014 (Tag der Rechtshängigkeit) zzgl. vorgerichtlicher Portokosten i.H.v. 1,64 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2014 (Tag der Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte, ist der Ansicht, sie sei gemäß § 2 Nr. 2 S. 2 AWB 87 nicht eintrittspflichtig, da die Bezugsfertigkeit auch bei Umbauarbeiten fehle. Die Beklagte behauptet, der Versicherungsschutz sei auf eine Rohbau-Feuer-Versicherung beschränkt worden. Dies sei mit Vereinbarung vom 09./16.10.2012 geschehen. Die Beklagte behauptet weiter, eine Schadenmeldung an sie sei erstmals am 24.04.2013 erfolgt. Die Beklagte trägt vor, der von ihr eingeschaltete Sachverständige habe einen Schaden in Höhe von € 836.400,00 ermittelt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Kuck. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2016 (Bl. 379 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig. Die Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main folgt aus §§ 23, 71 Abs. 1 GVG, Art. 5 Nr. 5, 9 Abs. 1 b) EuGVVO.

II.

Die Klage hat auch in der Sache bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen Erfolg.

1. Die Klägerin kann von der Beklagten aus dem Gebäudeversicherungsvertrag in Verbindung mit § 1 S. 1 VVG den Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von € 838.172,12 verlangen.

a) Das Studentenwohnheim der Beklagten wurde am 14./15.04.2013 durch Leitungswasser im Sinne des § 1 Nr. 1, 2 AWB 87 beschädigt.

b) Die in der Gebäudeversicherung vereinbarte Leitungswasserdeckung wurde nicht durch Vereinbarung vom 09./16.10.2012 auf eine Rohbaufeuerversicherung beschränkt. Die Beklagte, die für eine Vertragsänderung nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast trägt, konnte die behauptete Vereinbarung nicht beweisen.

aa) Die behauptete Vereinbarung lässt sich nicht dem Schreiben der Streithelferin vom 09.10.2012 und der Bestätigung der Beklagten vom 16.10.2012 entnehmen. Das Schreiben der Streithelferin vom 09.10.2012 ist für den Empfänger nicht eindeutig so zu verstehen, dass die Reduzierung des Versicherungsschutzes gewollt gewesen wäre.

Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (Palandt/Heinrichs, 75. Aufl. 2016, § 133 Rn. 9 m.w.N.). Bereits der Wortlaut der Erklärung der Streithelferin vom 09.10.2012 spricht gegen eine Reduzierung des Versicherungsschutzes. Die Streithelferin zeigte die Sanierung des Studentenwohnheimes an und bat um Bestätigung des Versicherungsschutzes zur Rohbaufeuerversicherung. Von einer Aufhebung des zuvor bestehenden Versicherungsschutzes ist in dem Schreiben keine Rede.

Auch nach der Interessenlage spricht das Schreiben vom 09.10.2012 für eine vorsorgliche Anzeige der Baumaßnahme, um etwaige Deckungslücken zu vermeiden. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Streithelferin für die Klägerin den Versicherungsschutz auf eine Feuerrohbauversicherung hätte reduzieren wollen. Die in der Gebäudeversicherung versicherten Risiken Leitungswasser und Sturm bestehen auch während einer Sanierung.

bb) Dass die für die Klägerin handelnde Streithelferin und die Beklagte die Vereinbarung übereinstimmend im Sinne einer Reduzierung auf eine Rohbaufeuerversicherung verstanden hätten, konnte die Beklagte nicht beweisen.

Zwar ist ein übereinstimmender Wille der Parteien auch dann allein maßgeblich, wenn dieser im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (Palandt/Heinrichs, 75. Aufl. 2016, § 133 Rn. 8 m.w.N.). Die Vernehmung des Zeugen K. blieb insoweit aber unergiebig, da er nach seiner Aussage mit der Sache erst nach dem Schadenseintritt befasst war. Die von dem Zeugen K. geäußerte Interpretation des Schreibens vom 09.10.2012 ist für den Willen der Beklagten bei Abgabe der Erklärung vom 16.10.2012 unerheblich. Da der Zeuge Kuck keine Angaben zu der Vereinbarung machen konnte, waren die gegenbeweislich von der Klägerin benannten Zeugen nicht zu vernehmen. Für die Erhebung des Gegenbeweises besteht kein Bedürfnis, bevor nicht der Hauptbeweis erbracht ist (Zöller/Greger, 31. Aufl. 2016, Vor § 284 Rn. 10).

Die Beklagte hat auch keine ausreichenden Indizien dafür vorgetragen, dass die Streithelferin und die Beklagte die Vereinbarung übereinstimmend im Sinne einer Reduzierung auf eine Rohbaufeuerversicherung verstanden hätten. Selbst wenn die Streithelferin den Schaden der Beklagten tatsächlich erst am 24.04.2013 gemeldet hätte, würde hieraus nicht zwingend folgen, dass die Streithelferin davon ausgegangen wäre, es habe kein Versicherungsschutz bestanden. Die Meldung neun Tage nach der Entdeckung des Schadens kann auch auf anderen Gründen beruhen.

Die Umstände sprechen vielmehr dafür, dass alle Beteiligten gerade nicht von einer Reduzierung des Versicherungsschutzes und einer damit verbundenen Reduzierung bzw. Aufhebung des Versicherungsbeitrages ausgingen. Denn die Beklagte stellte keinen geänderten Versicherungsschein aus und wies in dem Versicherungsschein vom 20.02.2013 für das Studentenwohnheim die Gebäudeversicherung (Feuer, Leitungswasser, Sturm) und den Versicherungsbeitrag in voller Höhe aus. Die Streithelferin stellte der Klägerin mit Prämienrechnung vom 25.02.2013 den vollen Beitrag der Gebäudeversicherung für das Studentenwohnheim in Rechnung, den die Klägerin beglich.

c) Das Studentenwohnheim war trotz der Sanierungsarbeiten eine versicherte Sache im Sinne der AWB 87. Der Ausschluss wegen mangelnder Bezugsfertigkeit gemäß § 2 Nr. 2 S. 2 AWB 87 greift nicht ein.

aa) Soweit in § 2 Nr. 2 S. 2 AWB 87 geregelt ist, dass nicht bezugsfertige Gebäude nicht versichert sind, gilt dies nur für die fehlende Bezugsfertigkeit von neu errichteten Gebäuden.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Es kommt dabei auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (BGH, Beschl. v. 11.09.2013 – IV ZR 259/12, NJW 2014, 149 f., Tz. 12). Bei Risikoausschlussklauseln geht das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, diese eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (BGH, Beschl. v. 11.09.2013 – IV ZR 259/12, NJW 2014, 149 f., Tz. 12).

Nach diesen Grundsätzen ist die Regelung in § 2 Nr. 2 S. 2 AWB 87 so auszulegen, dass nur der Erstbezug eines neu zu errichtenden Gebäudes nicht vom Versicherungsschutz erfasst ist (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, 29. Aufl. 2015, A. § 3 VGB 2010 Rn. 11 zu A. § 3 Nr. 4 b) VGB 2010; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.12.2003 – 12 U 97/03, NJW-RR 2004, 326, 327 zu § 9 Nr. 3 a) VGB 88). Ausgehend von dem Wortlaut der Regelung ist ein Gebäude nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezugsfertig, wenn es so weit fertiggestellt ist, dass es bestimmungsgemäß von Menschen bezogen und auf Dauer bewohnt werden kann. Die bauliche Fertigstellung wird mit dem Wortteil „fertig“ besonders angesprochen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.09.2013 – IV ZR 259/12, NJW 2014, 149 f., Tz. 12 zu § 6 Nr. 3 a) VGB 2003). Ist das Gebäude nach der baulichen Fertigstellung bezugsfertig, wird die Bezugsfertigkeit durch spätere Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen nicht wieder aufgehoben.

Ein Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse muss die Regelung auch so verstehen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass ein erhöhtes Risiko nicht nur vor der Fertigstellung des Gebäudes, sondern auch bei Sanierungs- und Umbaumaßnahmen besteht und der Eigentümer die Möglichkeit hat, Versicherungsschutz im Rahmen der Bauleistungsversicherung auch für die Bausubstanz zu erlangen. Der Versicherungsnehmer muss aber nicht damit rechnen, dass der Versicherungsschutz abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch auch bei Sanierungs- und Umbaumaßnahmen ausgeschlossen ist. Der Versicherer hat es in der Hand, den Versicherungsschutz auch in diesem Fall durch eine eindeutige Regelung auszuschließen, wie dies in der Vorgängerregelung des § 9 Nr. 3 a) VGB 88 der Fall war.

bb) Der Ausschluss des § 2 Nr. 2 S. 2 AWB 87 würde selbst dann nicht greifen, wenn die Regelung so ausgelegt würde, dass die Bezugsfertigkeit auch bei Umbaumaßnahmen fehlen könnte.

In diesem Fall entfiele die Bezugsfertigkeit nur, wenn eine tiefgreifende Umgestaltung des versicherten Gebäudes vorgenommen würde, die in ihrer Qualität Ähnlichkeiten mit der Neuerrichtung aufweisen müsste, mithin so weit in die Gebäudesubstanz eingriffe, dass das Gebäude insgesamt für seine ursprüngliche Bestimmung nicht mehr nutzbar erschiene (vgl. BGH, Beschl. v. 11.09.2013 – IV ZR 259/12, NJW 2014, 149, 150, Tz. 13 zu § 6 Nr. 3 a) VGB 2003).

Dies war hier auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht der Fall. Unerheblich ist dabei, ob die Baumaßnahmen zum Schadenszeitpunkt noch nicht weitgehend abgeschlossen waren und ob das Gebäude nicht durchgehend von der Kinderwelt GmbH bezogen war. Die Sanierungsmaßnahmen weisen keine Ähnlichkeit mit der Neuerrichtung auf und das Gebäude blieb als Studentenwohnheim nutzbar. Die Erneuerung der Bäder, Fenster, Küchen und der Fassade sowie die Schaffung eines neuen Appartements auf jeder Etage stellt zwar eine grundlegende Sanierung dar, aber keine tiefgreifende Umgestaltung des Gebäudes.

d) Die ausführliche Darlegung der Schadenshöhe durch die Klägerin hat die Beklagte nicht wirksam bestritten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat lediglich pauschal behauptet, der von ihr eingeschaltete Sachverständige habe einen Schaden in Höhe von € 836.400,00 ermittelt.

2. Die im Mahnverfahren angefallenen Portokosten in Höhe von € 1,64 kann die Klägerin von der Beklagten gemäß §§ 280, 286 BGB als Verzugsschaden ersetzt verlangen.

3. Zinsen stehen der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 16 Nr. 2 S. 1 AWB 87 in Höhe von vier Prozent seit dem 15.04.2013 und gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB seit dem 14.05.2014 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu.

a) Die Klägerin kann seit der Schadensanzeige am 15.04.2013 gemäß § 16 Nr. 2 S. 1 AWB 87 Zinsen in Höhe von vier Prozent verlangen. Die Entschädigung ist nach dieser Regelung seit Anzeige des Schadens mit einem Prozent unter dem Basiszinssatz im Sinne von § 1 Abs. 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz zu verzinsen, mindestens jedoch mit vier Prozent und höchstens mit sechs Prozent pro Jahr. Der Basiszins, der sich nach Aufhebung des Diskontsatzüberleitungsgesetzes nach § 247 BGB bestimmt, belief sich seit der Anzeige des Schadens am 15.04.2013 auf unter vier Prozent, weswegen der vorgesehene Mindestzinssatz von vier Prozent geschuldet ist.

b) Verzugszinsen kann die Klägerin gemäß § 286 Abs. 1 S. 2 BGB seit dem 14.05.2014, einen Tag nach der Zustellung des Mahnbescheides am 13.05.2014, verlangen. Verzugszinsen sind erst am Tag nach Verzugseintritt geschuldet (MüKoBGB/Ernst, 7. Aufl. 2016, § 286 Rn. 94). Der Eingang des Mahnantrages ist nicht maßgeblich, da § 167 ZPO insoweit keine Anwendung findet (BeckOK BGB/S. Lorenz, Stand 01.11.2015, § 286 Rn. 29).

Für den 13.05.2014 kann die Klägerin auch keine Prozesszinsen gemäß § 291 BGB verlangen, da Rechtshängigkeit erst mit Zustellung der Anspruchsbegründung am 18.09.2014 eintrat. Die Sache gilt nicht gemäß § 696 Abs. 3 BGB als mit der Zustellung des Mahnbescheides als rechtshängig geworden, weil die Abgabe nicht alsbald nach Erhebung des Widerspruchs erfolgte. Die Klägerin hat erst mehr als zwei Monate nach dem Widerspruch der Beklagten vom 23.05.2014 am 01.08.2014 die die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt.

Der Zinssatz beläuft sich nach § 288 Abs. 1 S. 2 BGB auf fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Einen höheren Zinssatz kann die Klägerin nicht gemäß § 288 Abs. 2 BGB verlangen, da Ansprüche auf Versicherungsleistungen keine Entgeltforderungen sind (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 29. Aufl. 2015, § 14 Rn. 29).

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Der Beklagten waren die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da die Teilklagerücknahme und die Zuvielforderung einen verhältnismäßig geringfügigen Teil betrafen und hierdurch keine höheren Kosten entstanden sind. § 92 ZPO ist im Fall der Teilklagerücknahme entsprechend anzuwenden (BGH, Beschl. vom 19.10.1995 – III ZR 208/94, NJW-RR 1996, 256). Die Kosten der Streithelferin der Klägerin hat die Beklagte nach § 101 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

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