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Schadensersatz nach Verkehrsunfall bei unberechtigter Forderung: Wer trägt die Kosten?

Ein Mieter wehrte erfolgreich die hohe Schadensersatz bei unberechtigter Forderung der Autovermietung ab und verlangte die Erstattung seiner Gutachterkosten. Trotz des klaren Sieges über die unberechtigte Klage muss der Mieter seine Gutachterkosten nun womöglich selbst tragen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 7 U 112/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Hamm
  • Datum: 11.04.2025
  • Aktenzeichen: 7 U 112/23
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Zivilrecht, Schadensersatzrecht, Prozessrecht

  • Das Problem: Eine Autovermieterin zahlte Reparatur- und Gutachterkosten an einen Geschädigten, obwohl sie rechtlich nicht dazu verpflichtet war. Sie forderte diese Kosten von dem mutmaßlichen Unfallverursacher zurück, da die Zahlung im Nachhinein als grundlos festgestellt wurde.
  • Die Rechtsfrage: Kann die Vermieterin ihre Gutachterkosten und die Gerichtskosten aus dem Regressprozess zurückverlangen, wenn dem Verursacher nur einfache Fahrlässigkeit, aber kein vorsätzlicher Betrug, nachgewiesen werden kann?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht bestätigte, dass die bloße Geltendmachung einer unberechtigten Forderung keinen automatischen Anspruch auf materiellen Kostenersatz begründet. Ein Anspruch besteht nur, wenn eine spezielle Haftungsnorm, wie zum Beispiel ein nachgewiesener Betrug, vorliegt.
  • Die Bedeutung: Das Risiko, sich gegen unberechtigte Forderungen wehren zu müssen, fällt grundsätzlich unter das allgemeine Lebensrisiko. Ohne den Nachweis von Vorsatz (Betrug oder vorsätzliche Schädigung) müssen die Prozessparteien ihre eigenen Kosten tragen.

Der Fall vor Gericht


Wer zahlt die Zeche, wenn man sich gegen eine falsche Forderung wehren musste?

Jeder kann mit einer unberechtigten Forderung konfrontiert werden. Ein Brief im Kasten, eine Zahlungsaufforderung, ein handfester Streit. Meistens wehrt man sich, und die Sache ist erledigt.

Ein Sachverständiger dokumentiert den Schaden, dessen Gutachterkosten nun im Regressprozess wegen unberechtigter Klage verhandelt werden.
OLG Hamm: Mieter haftet nicht für Gutachter- und Prozesskosten trotz unberechtigter Forderung, kein Vorsatz festgestellt. | Symbolbild: KI

Doch was passiert, wenn die Abwehr teuer wird? Eine Autovermietung regulierte voreilig einen Schaden und zog anschließend vor Gericht, um sich das Geld von dem Mieter zurückzuholen, der den Schaden gemeldet hatte. Sie bekam Recht – die Zahlung war grundlos erfolgt. Aber die Kosten für Gutachten und den Prozess blieben. Die Firma sah den Mieter in der Pflicht, denn seine ursprüngliche, falsche Forderung hatte alles ausgelöst. Der Fall landete vor dem Oberlandesgericht Hamm und drehte sich um eine kalte, aber zentrale Realität des deutschen Rechtssystems: Das Risiko, sich gegen unbegründete Ansprüche wehren zu müssen, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko.

Warum reichte die unberechtigte Forderung allein nicht für einen Schadensersatz aus?

Das Gericht stellte klar: Wer in Deutschland eine Forderung stellt, die sich später als falsch herausstellt, muss nicht automatisch für die Kosten aufkommen, die dem Gegner bei der Abwehr entstehen. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der besagt: „Wer unberechtigt etwas fordert, zahlt immer den Aufwand des anderen.“ Das wäre eine Einladung für endlose Folgeprozesse. Stattdessen folgt die Justiz einer Leitlinie des Bundesgerichtshofs. Diese besagt, dass die Konfrontation mit unberechtigten Ansprüchen zum allgemeinen Lebensrisiko gehört.

Ein Anspruch auf Erstattung von Prozess- oder Gutachterkosten entsteht nur, wenn eine spezielle Haftungsnorm greift. Die einfachste wäre ein Vertrag, der eine solche Pflicht regelt. Zwischen der Autovermietung und dem Mieter bestand in diesem Punkt kein Vertrag. Es fehlte eine Schuldrechtliche Sonderverbindung, die eine Schadensersatzpflicht wegen einer Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB hätte auslösen können. Die einzige verbleibende Möglichkeit war ein Anspruch aus unerlaubter Handlung – dem Deliktsrecht.

Hätte die Autovermietung den Mann wegen Betrugs haftbar machen können?

Die Autovermietung versuchte genau das. Sie argumentierte, der Mieter habe sie bewusst getäuscht. Sein Verhalten sei ein Fall für das Deliktsrecht. Konkret brachte sie zwei schwere Vorwürfe ins Spiel: Betrug, der einen Schadensersatzanspruch über § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 des Strafgesetzbuches (StGB) auslösen kann, oder eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB.

Hier liegt der entscheidende Punkt des gesamten Falls. Für beide Ansprüche reicht einfache Fahrlässigkeit nicht aus. Der Anspruchsteller – hier die Autovermietung – muss beweisen, dass der Gegner mit Vorsatz handelte. Er musste also entweder gewusst haben, dass seine Forderung falsch war und trotzdem einen Vermögensvorteil erschleichen wollte (Betrugsvorsatz). Oder er musste die Schädigung der Autovermietung zumindest billigend in Kauf genommen haben (Schädigungsvorsatz). Die Vorinstanz, das Landgericht, hatte genau diesen Vorsatz nicht feststellen können. An diese Tatsachenfeststellung war das Oberlandesgericht gebunden, solange keine offensichtlichen Fehler erkennbar waren. Solche Fehler sah das Gericht nicht.

Wieso wurde das Verhalten des Mannes im Prozess nicht als vorsätzlich gewertet?

Die Autovermietung argumentierte hartnäckig. Spätestens nachdem ein gerichtlich bestellter Gutachter die Version des Mieters widerlegt hatte, hätte dieser die Wahrheit kennen müssen. Indem er weiter an seiner Geschichte festhielt und sogar Ergänzungsfragen an den Gutachter stellte, habe er mit bedingtem Vorsatz gehandelt.

Das Gericht pulverisierte diese Argumentation. Prozessuales Verhalten, wie das Festhalten am eigenen Vortrag oder das kritische Hinterfragen eines Gutachtens, ist die Ausübung legitimer Rechte. Es allein begründet keinen Betrugsvorsatz. Die Richter sahen darin eine zulässige prozessuale Interessenwahrnehmung. Der Mieter hatte zudem selbst einen Privatgutachter beauftragt, der zu einem anderen Ergebnis kam als der Gerichtsgutachter. Dieser Umstand sprach zusätzlich gegen einen bewussten Täuschungswillen. Er durfte auf die Einschätzung seines eigenen Experten vertrauen, ohne sich automatisch deliktisch strafbar zu machen. Das OLG Hamm schützte das Recht des Mieters, im Prozess alle legalen Mittel zur Verteidigung seiner Position auszuschöpfen.

Gab es keinen anderen Weg, wie die Firma ihr Geld zurückbekommen könnte?

Neben den deliktischen Ansprüchen prüfte das Gericht kurz die Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung nach § 812 BGB. Dieser Weg hätte greifen können, wenn der Mieter durch die ursprüngliche, grundlose Zahlung der Autovermietung an den Dritten einen Vermögensvorteil ohne Rechtsgrund erlangt hätte. Das Gericht musste diese komplexe Frage aber nicht bis ins letzte Detail klären. Der Mieter hatte bereits bestimmte Beträge zurückgezahlt, die ihm aus der Regulierung zugeflossen waren. Damit waren eventuelle Bereicherungsansprüche der Autovermietung erfüllt. Am Ende stand die Autovermietung mit den Kosten für Gutachter und Prozess allein da. Das Oberlandesgericht beabsichtigte, die Berufung als offensichtlich aussichtslos zurückzuweisen. Daraufhin nahm die Autovermietung ihre Berufung selbst zurück.

Die Urteilslogik

Das bloße Stellen einer unberechtigten Forderung verpflichtet den Fordernden nicht automatisch zur Übernahme der Abwehrkosten, die dem Gegner entstehen.

  • [Kosten sind Lebensrisiko]: Die Konfrontation mit einem unbegründeten Anspruch gehört zum allgemeinen Lebensrisiko; niemand trägt automatisch die Kosten für die Abwehr einer unberechtigten Forderung, da hierfür eine spezifische Haftungsnorm greifen muss.
  • [Vorsatz ist zwingend]: Eine deliktische Schadensersatzpflicht für die Geltendmachung eines falschen Anspruchs setzt Vorsatz voraus; einfache Fahrlässigkeit bei der Einschätzung der Sachlage begründet keine Haftung.
  • [Prozessuale Verteidigung]: Die zulässige Ausübung prozessualer Rechte, wie das Festhalten am eigenen Sachvortrag oder das kritische Hinterfragen von Gutachten, begründet keinen deliktischen Schädigungsvorsatz.

Gerichte schützen die Freiheit des Einzelnen, seine Rechte im Prozess ohne die Angst vor einer automatischen Folgehaftung für die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche zu verteidigen.


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Experten Kommentar

Wer sich gegen eine Forderung wehren muss, die sich später als falsch erweist, denkt oft, der Verlierer müsste die ganze Zeche zahlen – von Gutachten bis zu Prozesskosten. Das OLG Hamm zieht eine wichtige Grenze: Die Konfrontation mit unberechtigten Ansprüchen gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, solange keine deliktische Absicht vorliegt. Das bedeutet praktisch, dass eine Firma nicht automatisch für ihre eigenen Abwehrkosten regressieren kann, nur weil der Mieter „falsch“ lag. Nur wenn dem Gegner ein klarer, nachweisbarer Betrugsvorsatz unterstellt werden kann, fällt diese Hürde; die bloße Verteidigung der eigenen, wenn auch widerlegten, Position reicht dafür nicht.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Kann ich meine Anwaltskosten für eine außergerichtliche Abwehr unberechtigter Forderungen erstattet bekommen?

Die kurze Antwort ist leider oft: Nein. Die Erstattung von Anwaltskosten für die außergerichtliche Abwehr unberechtigter Forderungen ist im Regelfall nicht durchsetzbar. Juristen sehen dieses Risiko als Teil des allgemeinen Lebensrisikos. Eine Kostenerstattung gelingt nur, wenn Sie eine spezielle Haftungsgrundlage beweisen können, insbesondere einen nachweisbaren Vorsatz des Fordernden (Delikt) oder eine vertragliche Pflichtverletzung.

Die Regel lautet: Jeder Bürger muss damit rechnen, sich mit unbegründeten Ansprüchen auseinandersetzen zu müssen. Diese Haltung basiert auf einer klaren Linie des Bundesgerichtshofs und soll verhindern, dass die Geltendmachung vermeintlicher Rechte automatisch zu einem eigenen, unkalkulierbaren Kostenrisiko für den Fordernden wird. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen der unberechtigten Forderung selbst und einer schädigenden Handlung.

Schadensersatzansprüche, zu denen Ihre Anwaltskosten zählen, setzen zwingend eine schuldrechtliche Sonderverbindung (Vertrag) oder eine vorsätzliche unerlaubte Handlung (Deliktsrecht) voraus. Fehlte eine vertragliche Basis zwischen Ihnen und der Gegenseite, bleibt nur der Weg über Betrug oder sittenwidrige Schädigung. Hier liegt die entscheidende Hürde: Um den Anspruch durchzusetzen, müssen Sie dem Fordernden beweisen, dass er seine Forderung vorsätzlich geltend gemacht hat. Er wusste also, dass der Anspruch unberechtigt war, und wollte Ihnen bewusst Schaden zufügen. Grobe Fahrlässigkeit, etwa massive Unachtsamkeit bei der Prüfung von Unterlagen, genügt in diesem Kontext nicht.

Ein passender Vergleich ist das Risiko von Nachbarschaftsstreitigkeiten: Obwohl Ihr Nachbar Unrecht hat und Sie Geld für die Schlichtung ausgeben müssen, handelt er meist nicht vorsätzlich, sondern irrt sich nur über seine Rechtslage. Im Falle einer unberechtigten Forderung fehlt oft dieser klar definierte „Schuldige“ im Sinne einer vorsätzlichen Schädigung.

Der Praxis-Tipp:

Überprüfen Sie sofort die Beziehung zur Gegenseite. Existiert zwischen Ihnen und dem Fordernden ein Vertrag oder gab es eine vorvertragliche Anbahnung, die eine schuldrechtliche Sonderverbindung begründet? Wenn ja, sollten Sie prüfen lassen, ob die unberechtigte Forderung selbst als eine Pflichtverletzung dieses Verhältnisses gewertet werden kann. Dies ist oft die juristisch einfachere Route, da im Vertragsrecht in der Regel bereits Fahrlässigkeit genügt, um einen Anspruch auf Kostenerstattung zu begründen – anders als beim Vorsatz im Deliktsrecht.


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Reicht grobe Fahrlässigkeit des Fordernden aus, um eine Ausnahme vom allgemeinen Lebensrisiko zu begründen?

Nein, grobe Fahrlässigkeit genügt für die Kostenerstattung außergerichtlicher Abwehr nicht. Juristen bezeichnen das Risiko unberechtigter Forderungen als allgemeines Lebensrisiko, welches nur durch eine spezielle Haftungsnorm oder nachgewiesenen Vorsatz durchbrochen werden kann. Für deliktische Ansprüche (wie die sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB) ist der bewusste Schädigungswille des Fordernden erforderlich, nicht nur ein besonders unachtsames oder dummes Vorgehen.

Viele Betroffene sind frustriert, wenn der Gegner eine Forderung stellt, deren Falschheit ihm leicht hätte auffallen müssen. Juristen nennen diesen Zustand (grobe) Fahrlässigkeit. Fahrlässiges Handeln – selbst wenn es eine massive Verletzung der erforderlichen Sorgfalt darstellt – impliziert keinen bewussten Willen zur Täuschung oder Schädigung. Das Deliktsrecht, das hier greifen müsste, verlangt jedoch eine klare Vorsatztat. Diese juristische Logik stellte das OLG Hamm klar heraus, indem es betonte, dass der Anspruchsteller nachweisen muss, dass der Gegner wusste, dass sein Anspruch unberechtigt ist, und er die Schädigung (Ihre Abwehrkosten) bewusst billigend in Kauf nahm. Die Hürde des Bundesgerichtshofs, das allgemeine Lebensrisiko zu durchbrechen, ist bewusst sehr hoch angesetzt.

Denken Sie an den Unterschied zwischen einem Raser und einem Betrüger. Der Raser handelt extrem unvorsichtig und verursacht einen Schaden – er handelt grob fahrlässig. Der Betrüger hingegen plant den Schaden von Anfang an, um sich einen Vorteil zu verschaffen oder Sie bewusst zu schädigen. Nur im Falle des Betrügers wird die Kostenpflicht für die Abwehr ausgelöst. Die einfache oder grobe Unachtsamkeit des Fordernden reicht nicht aus, um ihn für Ihre Anwalts- und Gutachterkosten haftbar zu machen.

Verlassen Sie sich im Streitfall daher nicht darauf, dem Gegner lediglich vorzuwerfen, er hätte „es besser wissen müssen“. Stattdessen ist es zwingend notwendig, alle Beweise zu sammeln, die darauf hindeuten, dass der Fordernde wissentlich falsche Tatsachen behauptet hat. Dokumentieren Sie exakt, welche relevanten Informationen der Gegner ignoriert oder aktiv falsch dargestellt hat, um den Übergang von bloßer Unachtsamkeit zum bedingten Schädigungsvorsatz juristisch belegbar zu machen.


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Welche Kriterien muss ich im Prozess erfüllen, um dem Gegner einen Schädigungsvorsatz nachzuweisen?

Der Nachweis eines Schädigungsvorsatzes ist extrem anspruchsvoll, da Sie beweisen müssen, dass der Gegner seine Forderung wissentlich falsch erhoben hat und die dadurch entstehenden Abwehrkosten zumindest billigend in Kauf nahm. Juristen nennen dies Deliktshaftung. Entscheidend ist, dass die Gerichte die Ausübung legitimer prozessualer Rechte, wie das hartnäckige Festhalten am eigenen Vortrag oder das kritische Hinterfragen von Gutachten, niemals als Beleg für den Vorsatz werten.

Juristen nennen das allgemeine Lebensrisiko. Wer die Kosten der Rechtsverteidigung gegen einen unberechtigten Anspruch auf den Gegner abwälzen will, muss die hohe Hürde des Deliktsrechts nehmen. Grobe Fahrlässigkeit reicht dafür nicht. Sie müssen den bewussten Täuschungs- oder Schädigungswillen, also den Vorsatz, nachweisen. Dies ist die zwingende Voraussetzung für Ansprüche aus Betrug oder sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB).

Der zentrale Knackpunkt liegt in der Abgrenzung zwischen zulässiger Interessenwahrnehmung und deliktischem Handeln. Prozesshandlungen, wie das Stellen von Ergänzungsfragen an einen gerichtlich bestellten Gutachter oder das Nicht-Zurücknehmen des eigenen Vorbringens nach einem schlechten Beweisergebnis, sind gesetzlich geschützt. Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem maßgeblichen Fall klargestellt: Dies stellt die legitime Wahrnehmung der eigenen Verteidigungsposition dar. Ein Gericht kann aus solchem prozessualen Verhalten keinen Rückschluss auf einen Betrugsvorsatz ziehen. Zudem kann sich der Gegner entlasten, wenn er sich auf die, wenn auch falsche, Einschätzung eines eigenen Privatgutachters berufen konnte; dies spricht gegen einen bewussten Täuschungswillen.

Ein passender Vergleich ist die Grenze zwischen einem schlechten Verkäufer und einem Betrüger. Ein schlechter Verkäufer, der Ihnen ein mangelhaftes Produkt liefert, hat vielleicht fahrlässig gehandelt; Sie können Gewährleistungsansprüche geltend machen. Ein Betrüger hingegen wusste genau, dass das Produkt wertlos ist, und wollte Sie trotzdem täuschen. Bei unberechtigten Forderungen müssen Sie beweisen, dass der Gegner der Betrüger ist, der bewusst schädigen wollte, nicht nur jemand, der unachtsam oder schlecht recherchiert hat.

Verlegen Sie den Fokus der Beweisführung weg vom Gerichtssaal. Untersuchen Sie sorgfältig die vorprozessuale Korrespondenz. Beweise für Lügen, Manipulationen oder falsche Angaben, die der Gegner gegenüber Dritten (zum Beispiel Versicherungen oder Behörden) gemacht hat, bevor das eigentliche Gerichtsverfahren begann, können den notwendigen Vorsatz belegen. Solche Beweise liegen außerhalb des geschützten prozessualen Rahmens und sind deutlich effektiver, um den Schädigungsvorsatz zu begründen und die hohen Anforderungen der Gerichte zu erfüllen.


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Wer übernimmt die Kosten für mein Gegengutachten, wenn die unberechtigte Klage zurückgenommen wird?

Trotz Klagerücknahme durch den Kläger bleiben die Kosten für Ihr privates Gegengutachten oft bei Ihnen. Zwar trägt der Kläger die Gerichtskosten und Ihre gesetzlichen Anwaltskosten nach § 269 Abs. 3 ZPO; jedoch fallen die spezifischen Gutachterkosten in den Bereich Ihres allgemeinen Lebensrisikos. Eine Erstattung setzt eine spezielle Haftungsgrundlage voraus, meist ein nachgewiesener Vorsatz des Klägers oder eine vertragliche Regelung, die hier fehlt.

Wenn eine Klage zurückgenommen wird, ordnet die Zivilprozessordnung grundsätzlich an, dass der Kläger die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen hat. Dieses Prinzip führt zur Erstattung der gesetzlichen Anwaltsgebühren und der angefallenen Gerichtsgebühren. Allerdings wird es kompliziert bei den Kosten, die Sie speziell für Ihre Verteidigung präventiv ausgegeben haben, wie beispielsweise teure Gegengutachten oder Sachverständigenhonorare. Das deutsche Recht unterscheidet rigoros zwischen den reinen Prozesskosten und dem Schadensersatz für die Abwehrkosten.

Selbst wenn das Gegengutachten objektiv notwendig war, um die Klage erfolgreich abzuwehren, entfällt der Anspruch auf Erstattung, falls dem Kläger kein Vorsatz nachgewiesen werden kann. Die Konfrontation mit unberechtigten Ansprüchen gilt laut Bundesgerichtshof als allgemeines Lebensrisiko. Solange der Kläger also lediglich fahrlässig oder unachtsam handelte, besteht kein deliktischer Haftungsgrund (Betrug oder sittenwidrige Schädigung), der Sie berechtigen würde, Ihre notwendigen Abwehrkosten ersetzt zu verlangen.

Ein passender Vergleich: Die Klagerücknahme ist wie ein Fehlalarm der Feuerwehr, die zwar ihre eigenen Kosten deckt. Aber die Kosten für Ihren eigenen, vorsorglich gekauften Rauchmelder – der Ihnen bei der Feststellung des Fehlalarms geholfen hat – müssen Sie dennoch selbst tragen, da das Risiko, sich gegen falsche Gefahren zu schützen, Ihnen obliegt.

Bevor Sie ein kostspieliges Privatgutachten in Auftrag geben, sollten Sie mit Ihrem Rechtsbeistand die Beweislage genau analysieren. Definieren Sie im Voraus, ob Sie den Vorsatz des Gegners beweisen können, falls die Klage später zurückgenommen oder abgewiesen wird. Ist der Vorsatz nicht beweisbar, müssen Sie die Gutachterkosten als potenzielles Verlustrisiko einkalkulieren, um am Ende nicht mit dem Schaden dazustehen.


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Wie kann ich mich vertraglich absichern, um die Kosten der Rechtsverteidigung gegen falsche Ansprüche zu sichern?

Die einzige sichere präventive Maßnahme gegen das sogenannte allgemeine Lebensrisiko ist eine explizite vertragliche Regelung. Durch die Aufnahme einer spezifischen Haftungsklausel in Ihren Vertrag legen Sie fest, dass die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche durch den Partner als Pflichtverletzung gilt. Dadurch entsteht die nötige schuldrechtliche Sonderverbindung, die einen Schadensersatzanspruch für Ihre Rechtsverteidigungskosten (Anwalt, Gutachten) erst ermöglicht. Das umgeht die sehr hohe Hürde des Vorsatznachweises.

Juristen nennen das Kernproblem die fehlende schuldrechtliche Sonderverbindung. Ohne einen expliziten Vertrag sind Sie im Normalfall darauf angewiesen, dem Fordernden einen Vorsatz oder eine sittenwidrige Schädigung nachzuweisen – eine extrem hohe Hürde, die vor Gericht selten genommen wird. Mit einem klar formulierten Vertrag hingegen schaffen Sie eine primäre Leistungspflicht. Verletzen Vertragsparteien diese Pflicht, greift das allgemeine Schadensersatzrecht nach § 280 Abs. 1 BGB. Die unberechtigte Forderung wird somit zur vertraglichen Pflichtverletzung, für die der Vertragspartner haften muss.

Ein passender Vergleich ist das Prinzip der Freistellung, nur spiegelverkehrt: Allgemeine Freistellungsklauseln beziehen sich meist auf Ansprüche Dritter. Ihre präventive Klausel muss jedoch explizit festlegen, dass Ihr Vertragspartner Sie von den Kosten freistellt, die Ihnen durch seine unberechtigten Handlungen entstehen. Diese interne Verschiebung des Kostenrisikos schafft sofort Rechtssicherheit und verhindert langwierige Deliktsklagen.

Prüfen Sie Ihre Standardverträge auf Lücken. Implementieren Sie dort eine Formulierung, die nicht nur die Kostentragungspflicht für gerichtliche Auseinandersetzungen, sondern explizit auch für die Abwehr außergerichtlicher unberechtigter Ansprüche vorsieht. Achten Sie dabei unbedingt darauf, die Klausel transparent und klar zu gestalten, um der strengen AGB-Kontrolle nach § 307 BGB standzuhalten und eine Auslegung als unangemessene Benachteiligung zu vermeiden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Allgemeines Lebensrisiko

Das allgemeine Lebensrisiko ist ein zentraler juristischer Grundsatz, der festlegt, dass jeder Bürger die Kosten seiner Rechtsverteidigung gegen unbegründete Ansprüche selbst tragen muss, solange der Fordernde nicht vorsätzlich gehandelt hat.
Diese Regelung soll verhindern, dass die Geltendmachung eines vermeintlichen Rechtsanspruchs automatisch zu einem unkalkulierbaren Haftungsrisiko für den Fordernden wird und damit die Justiz mit endlosen Folgeprozessen überflutet wird.

Beispiel: Obwohl die Autovermietung die unberechtigte Forderung des Mieters erfolgreich abwehrte, musste sie die Kosten für ihre eigenen Gutachten selbst tragen, da diese Abwehraufwendungen dem allgemeinen Lebensrisiko zugerechnet wurden.

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Deliktsrecht

Als Deliktsrecht bezeichnen Juristen den Teil des Zivilrechts, der die Haftung für Schäden regelt, die jemand einem anderen außerhalb eines Vertragsverhältnisses durch eine rechtswidrige unerlaubte Handlung zufügt.
Dieser Bereich schafft eine gesetzliche Grundlage für Schadensersatzansprüche (etwa aus Betrug oder Sachbeschädigung), wenn kein direkter Vertrag zwischen den streitenden Parteien besteht.

Beispiel: Die Autovermietung versuchte erfolglos, ihre Kosten über das Deliktsrecht zurückzubekommen, indem sie dem Mieter vorwarf, durch Betrugsvorsatz eine unerlaubte Handlung begangen zu haben.

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Schuldrechtliche Sonderverbindung

Eine schuldrechtliche Sonderverbindung ist eine besondere juristische Beziehung zwischen Parteien – meist ein Vertrag – die wechselseitige primäre und sekundäre Leistungspflichten begründet.
Diese Verbindung ist essenziell, weil sie Ansprüche aus Pflichtverletzung oft schon bei einfacher Fahrlässigkeit des Schädigers ermöglicht und die hohe Hürde des Deliktsrechts (Vorsatz) umgeht.

Beispiel: Zwischen der Autovermietung und dem Mieter bestand in Bezug auf die Geltendmachung der Forderung keine schuldrechtliche Sonderverbindung, weshalb ein einfacher Anspruch wegen vertraglicher Pflichtverletzung ausschied.

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Sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB)

Juristen nutzen den Paragrafen zur sittenwidrigen Schädigung, wenn jemand einen anderen vorsätzlich in einer Weise schädigt, die nach objektiver Betrachtung dem Anstandsgefühl aller gerecht Denkenden widerspricht.
Dieser Anspruch dient als Auffangtatbestand im Deliktsrecht für besonders verwerfliche Schädigungen, bei denen die Haftung des Schädigers aufgrund der moralischen Schwere seines Tuns zwingend geboten ist.

Beispiel: Eine sittenwidrige Schädigung hätte vorgelegen, wenn die Autovermietung hätte beweisen können, dass der Mieter seine falschen Angaben bewusst so hartnäckig verfolgte, dass er damit die finanzielle Schädigung der Firma billigend in Kauf nahm.

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Ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 BGB)

Die ungerechtfertigte Bereicherung verpflichtet jemanden, einen Vermögensvorteil oder eine Leistung zurückzugeben, die er ohne gültigen Rechtsgrund auf Kosten eines anderen erlangt hat.
Der Zweck dieser Regelung ist die Rückabwicklung von Leistungen, die rechtlich nicht geschuldet waren, um ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen zu korrigieren.

Beispiel: Da der Mieter bereits bestimmte Beträge zurückgezahlt hatte, die ihm ursprünglich aus der grundlosen Regulierung der Autovermietung zugeflossen waren, waren eventuelle Bereicherungsansprüche nach § 812 BGB erfüllt.

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Vorsatz

Der Vorsatz stellt die bewusste Kenntnis und den Willen zur Verwirklichung eines rechtswidrigen Tatbestandes dar; er ist im Zivilrecht die höchste Form des Verschuldens und umfasst auch die Fälle des bedingten Vorsatzes.
Gerade im Deliktsrecht ist der Nachweis des Vorsatzes meist zwingende Voraussetzung, um einen Anspruch auf Schadensersatz durchzusetzen, da einfache Fahrlässigkeit dafür nicht ausreicht.

Beispiel: Für eine Haftung des Mieters wegen Betrugs musste die Autovermietung den Vorsatz des Mannes nachweisen, also belegen, dass er wusste, dass seine Forderung falsch war, und er trotzdem einen Vermögensvorteil erlangen wollte.

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Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Hamm – Az.: 7 U 112/23 – Beschluss vom 11.04.2025


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