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Beschädigung Heizungsanlage infolge unwetterbedingter Stromunterbrechungen

AG Wernigerode – Az.: 10 C 19/19 (I) – Urteil vom 06.06.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung einer Heizungsanlage infolge fehlerhafter Stromlieferung.

Der Kläger betreibt in seinem Haus einer Öl-Heizungsanlage mit elektrisch gesteuertem Brennvorgang. Die Beklagte ist der örtliche Netzbetreiber für Stromlieferungen mit entsprechenden Umspannwerken.

Am 18.1.2018 zog das schwere Sturmtief Friederike über Deutschland mit erheblichen nachteiligen Auswirkungen auch in der Oberharzregion. So kam es durch zahlreiche umstürzende Bäume zu mehrfachen kurzen Stromunterbrechungen mit jeweiligen Umschaltungen der Stromversorgung im Rahmen von der Beklagten betriebener offener Ringnetze.

Die klägerische Heizungsanlage befand sich jahreszeitgemäß im Dauerbetrieb und schaltete durch die Stromunterbrechungen jeweils kurzzeitig aus mit entsprechendem Neustart nach Beendigung der Stromunterbrechung.

Der Kläger behauptet, durch diese mehrfachen Unterbrechungen sei das noch im Brenner vorhandene Öl-Luft-Gemisch noch teilweise vorhanden gewesen, so dass letztlich beim Neustart eine starke Verpuffung eintrat im Sinne einer explosionsartigen Fehlfunktion mit erheblicher Beschädigung des Abgassystems, wodurch ein Reparaturaufwand von 1.660,45 € brutto gemäß Rechnung Firma Sch vom 20.1.2018 entstanden sei (Bl. 10, 11 d. A.), insbesondere der Brenner komplett erneuert werden musste. Hinsichtlich entsprechender Fehleranalyse wird auf die Stellungnahmen der Heizungsfirma vom 18.1.2018 und 17.10.2018 (Bl. 12, 13 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger geht von einer Einstandspflicht der Beklagten nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) aus, wobei er sich eine angemessene Selbstbeteiligung von 500,00 € anrechnen lässt. Die mehrfache Stromunterbrechung stehe dabei einer Spannungsschwankung der Stromversorgung gleich.

Der Kläger beantragt daher:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 1.160,45 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 8.9.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 201,71 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie geht unter anderem davon aus, dass eine Produkthaftung bereits tatbestandlich ausscheide, da etwa auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Stromversorger für Spannungsschwankungen einstehen müsse, nicht jedoch für die streitgegenständlichen kurzfristigen Lieferungsausfälle.

Darüber hinaus sei eine Haftung ausgeschlossen in Fällen höherer Gewalt, was vorliegend aufgrund extremer Witterungslage mit Naturgewalten und auf die Spannungsleitungen umstürzende Bäume zweifellos gegeben sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16.5.2019 verwiesen (Bl. 52 d. A.).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

1.

Mangels Vorliegen der Voraussetzungen insbesondere einer verschuldensabhängigen Haftung der Beklagten gemäß unerlaubter Handlung kommt vorliegend eine Inanspruchnahme wegen der kurzfristig entstandenen Stromausfälle am 18.1.2018 in E auch bezüglich des Hausanschlusses des Klägers allein aus Produkthaftung in Betracht, §§ 1 Abs. 1 S. 1, 2, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 ProdHaftG. Hierbei gilt:

Soweit gemäß § 2 ProdHaftG sich der Schutzbereich auf körperliche Gegenstände gemäß § 90 BGB erstreckt, wird allgemein auch Elektrizität als ein Produkt in diesem Sinne angesehen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.2.2014 –VI ZR 144/13– Rz. 6 ff., nach juris). Allerdings ist eine Stromlieferung im vorgenannten Sinne insbesondere bei übermäßigen Frequenz- oder Spannungsschwankungen fehlerhaft, nicht aber im Falle der Versorgungsunterbrechung (Palandt, BGB, 76. Auflage § 2 ProdHaftG Rz. 1; MüKo-BGB-Wagner, 5. Auflage § 2 ProdHaftG Rz. 3). Aus Sicht des Verbrauchers mag eine derartige Differenzierung zunächst nicht nachvollziehbar sein und macht für ihn keinen Unterschied. Dennoch ist eine derartige Haftungserstreckung aus besonderen Gründen abzulehnen: Für die hier einschlägigen Rechtsbeziehungen zwischen Kunde und Netzbetreiber ist die Niederspannungsanschlussverordnung -NAV maßgebend. Gemäß § 16 Abs. 3 S. 1 NAV gilt hierbei etwa, dass der Netzbetreiber Spannung und Frequenz möglichst gleichbleibend unter Berücksichtigung von §§ 7 und 16 Abs. 2 NAV zu halten hat. Die Sollbeschaffenheit der Stromlieferung soll daher eine in etwa gleiche Qualität sicherstellen, insbesondere vor Überspannungsschäden schützen, erstreckt sich andererseits nicht auf etwaige Stromausfälle. Hierbei ist auch die Überlegung maßgeblich, dass bei einem Stromausfall die Beeinträchtigung der Integrationssphäre des Verbrauchers gerade nicht durch den Strom erfolgt, sondern weil dieser als Leistung ausbleibt. Dahinter verbirgt sich noch ein weiterführender Gedanke: Die Nichtlieferung von Strom stellt nämlich vor allem ein Leistungsstörungsproblem dar (Nichtleistung). Der europäische Gesetzgeber aber wollte die entsprechende Produkthaftungsrichtlinie gerade nicht auf derartige Leistungskürzungen anwenden, sondern hat vielmehr in der Ausnahme des Art. 9 Produkt-HaftRL (§ 1 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG) zum Ausdruck gebracht, der haftungsbegründende Schaden müsse zwingend eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt betreffen (Oechsler, Die Haftung des Niederspannungsnetzbetreibers nach dem Produkthaftungsgesetz, NJW 2014, 2018, 2081).

Demnach scheidet die vorliegend streitgegenständliche mehrfache kurzzeitige Stromunterbrechung als Grundlage für eine Inanspruchnahme der Beklagten nach dem ProdHaftG bereits tatbestandlich aus.

b.

Selbst wenn man demgegenüber die Anwendbarkeit des ProdHaftG auf den vorliegenden Fall grundsätzlich annehme, entfällt eine Haftung für Schäden wie vorliegend aufgrund besonderer Umstände nach dem Rechtsgedanken der höheren Gewalt:

Beschädigung Heizungsanlage infolge unwetterbedingter Stromunterbrechungen
(Symbolfoto: Von riopatuca/Shutterstock.com)

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeglicher Stromlieferungsfehler zur Haftung führt, da auch die vorliegend gegebene Gefährdungshaftung generell nicht unbegrenzt ist. Speziell für das Produkt Elektrizität wird dies etwa durch § 16 Abs. 1 S. 2 NAV deutlich, wonach der Netzbetreiber dem Anschlussnutzer die Nutzung des Netzanschlusses nicht ermöglichen muss, soweit und solange er hieran durch höhere Gewalt oder sonstige Umstände, deren Beseitigung aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, gehindert ist. Hierunter fallen insbesondere Abweichungen der Stromlieferung durch Naturgewalten. Daraus folgt, dass die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung nach dem ProdHaftG nicht grenzenlos ist, sondern nur im Sinne der Kausalität bejaht werden kann, solange ein durch den Stromlieferfehler eingetretener Schaden noch irgendeine und sei es auch nur ganz geringe Betriebsbezogenheit hat (vgl. LG Essen, Urteil vom 16.10.2017 – 6 O 152/17 mit Anmerkung Kimpel vom 17.5.2018, jeweils juris). Andernfalls würden die Grenzen der Gefährdungshaftung im Sinne einer vorliegend gesetzlich nicht vorgesehenen Garantiehaftung in unzulässiger Weise ausgedehnt. Hierbei ist etwa auch § 17 NAV zu berücksichtigen, wonach der Netzbetreiber zur Vornahme betriebsnotwendiger Arbeiten oder zur Vermeidung eines drohenden Netzzusammenbuchs zur Stromunterbrechung berechtigt ist und zumindest bei kurzzeitigen Unterbrechungen – wie vorliegend – grundsätzlich auch hierüber nicht zuvor unterrichten muss. Ist demnach der Netzbetreiber auf eigene Initiative aus bestimmten Gründen zu kurzfristigen Netzunterbrechungen berechtigt, ohne dass dies zu weiteren Ansprüchen des Anschlussinhabers führt, so muss dies erst Recht bei Unterbrechungen infolge höherer Gewalt gemäß § 16 Abs. 1 NAV gelten.

Derartige Umstände sind vorliegend auch unter Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens gegeben: So herrschte am 18.1.2018 infolge des schweren Sturmtiefs Friederike eine extreme Wetterlage vor, welche insbesondere auch im Bereich des Oberharzes einer Schneise der Verwüstung durch zahlreiche umstürzende Bäume hinterließ, welche auch auf Stromleitungen der Beklagten gefallen sind. Dies war die entscheidende Ursache für die mehrfachen Stromunterbrechungen. Trotz aller zumutbaren technischen Vorkehrungen der Beklagten durch jeweilige Umschaltungen der Stromversorgung im Rahmen eines betriebenen offenen Ringnetzes waren die eingetretenen mehrfachen Stromausfälle daher unvermeidlich und können der Beklagten in keiner Weise haftungsbegründend angerechnet werden.

2.

Da eine Haftung bereits noch vorstehenden Feststellungen ausscheidet, kann dahinstehen, ob auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des klägerseits reklamierten Schadensersatzanspruches wegen des Heizungsdefektes nach Grund und Höhe vorliegen.

Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.

2.

Die verfahrensrechtlichen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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