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Verkehrsunfall -Kollision zwischen Rechtsabbieger und Rechtsüberholer

Verkehrsunfall in Oberndorf: Alleinhaftung für Fahrer nach Missachtung von StVO-Regeln – Gericht entscheidet gegen Klägerin im Rechtsstreit um Schadensersatz.

In einem Verkehrsunfall zwischen einem Rechtsabbieger und einem Rechtsüberholer entschied das Amtsgericht Oberndorf, dass der Klägerin kein Schadensersatz zusteht. Der Unfall wurde durch das Fahrverhalten des Klägers verursacht, welches die Kollision unvermeidbar machte. Das Gericht fand, dass der Kläger beim Abbiegen nicht die erforderlichen Sorgfaltspflichten beachtet hat, während der Beklagte keine Verkehrsregeln verletzt hat.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 C 99/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Amtsgericht Oberndorf hat entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall hat.
  • Der Unfall wurde durch das Fehlverhalten des Klägers verursacht, der beim Rechtsabbiegen nicht die nötigen Sorgfaltspflichten beachtet hat.
  • Der Beklagte hat nach den Feststellungen des Gerichts keine Verkehrsregeln missachtet.
  • Das Gericht stützte sich auf sachverständige Bewertungen, Zeugenaussagen und physikalische Prinzipien, um den Hergang des Unfalls zu rekonstruieren.
  • Es wurde festgestellt, dass der Kläger ohne zu blinken abgebogen ist und sich nicht korrekt eingeordnet hat, was zur Kollision führte.
  • Die Verantwortung für den Unfall liegt daher vollständig beim Kläger.
  • Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Klägerin auferlegt.
  • Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung von Verkehrsregeln und der Sorgfalt beim Abbiegen.

Haftungsfragen bei Unfällen mit Rechtsabbiegern und Rechtsüberholern

Verkehrsunfälle können schnell passieren, insbesondere dann, wenn Rechtsabbieger und Rechtsüberholer beteiligt sind. In solchen Situationen stellt sich oft die Frage nach der Haftungsverteilung. Wer trägt die Schuld an dem Unfall? Wer muss für den entstandenen Schaden aufkommen? Diese Fragen sind nicht immer leicht zu beantworten und erfordern oft eine genaue Betrachtung des Unfallhergangs. In diesem Zusammenhang spielt die Kenntnis der geltenden Verkehrsregeln eine wichtige Rolle.

Verkehrsregeln und Sorgfaltspflichten

Rechtsabbieger und Rechtsüberholer müssen bei ihren Manövern besondere Sorgfalt walten lassen, um Unfälle zu vermeiden. Dazu gehören das Einhalten der Vorfahrt, das Setzen des Blinkers und das richtige Einschätzen der Verkehrssituation. Doch auch wenn alle Beteiligten diese Regeln beachten, kann es in Einzelfällen zu Unfällen kommen. In diesen Fällen muss die Schuldfrage geklärt werden. Hierbei können Gerichtsurteile eine wichtige Orientierungshilfe bieten.

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Am 18. September 2021 ereignete sich ein Verkehrsunfall, der zu einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen den beteiligten Parteien führte. Herr P., der mit einem Mercedes-Benz A 180 unterwegs war, beabsichtigte, nach rechts zu einem Bootsverleih abzubiegen. Zur gleichen Zeit befand sich der Beklagte Ziffer 1 auf der gleichen Straße und fuhr mit einem bei der Beklagten 2 versicherten Fahrzeug. Es kam zu einer Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen, wodurch der PKW der Klägerin einen Totalschaden erlitt. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs abzüglich des Restwerts belief sich auf 4.895,00 €.

Ursachen und Ansprüche des Verkehrsunfalls

Die Klägerin argumentierte, dass Herr P. alle erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen habe, indem er blinkte, die Geschwindigkeit reduzierte und sowohl in den Rückspiegel als auch über die Schulter blickte. Sie behauptete weiter, dass der Unfall unvermeidbar gewesen sei, da der Beklagte Ziffer 1 mit überhöhter Geschwindigkeit versucht habe, das Fahrzeug der Klägerin rechts zu überholen, sogar über den Bordstein hinweg. Die Klägerin forderte Schadensersatz sowie die Übernahme der Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit ihrer Anwälte.

Beweisaufnahme und gerichtliche Feststellungen

Das Amtsgericht Oberndorf führte eine umfangreiche Beweisaufnahme durch, einschließlich der persönlichen Anhörung des Beklagten Ziffer 1 und der uneidlichen Vernehmung von Zeugen. Darüber hinaus wurde ein mündliches Sachverständigengutachten zum Unfallhergang eingeholt. Die Feststellungen des Gerichts basierten auf den überzeugenden Aussagen des Sachverständigen, der feststellte, dass sich der PKW der Klägerin vor der Kollision vollständig auf der Linksabbiegerspur befand, was den Unfall für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs vermeidbar machte.

Analyse der Verantwortlichkeiten und rechtliche Schlussfolgerungen

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Unfall zu 100 % von dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs verschuldet wurde. Es wurde festgestellt, dass der Fahrer gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen hat, indem er ohne zu blinken nach rechts abgebogen ist und sich nicht ordnungsgemäß eingeordnet hat. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der Beklagte Ziffer 1 nicht unrechtmäßig rechts überholt hat, da er aufgrund der Positionierung des klägerischen Fahrzeugs davon ausgehen durfte, dass dieses links abbiegen wird.

Urteil und rechtliche Folgen

Die Klage wurde abgewiesen, und die Klägerin wurde zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verpflichtet. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, wobei die Klägerin die Möglichkeit hat, die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung abzuwenden. Die Entscheidung des Gerichts verdeutlicht die Bedeutung der Einhaltung der Straßenverkehrsordnung und der Sorgfaltspflichten beim Abbiegen.

Zusammenfassend hat das Gericht in seinem Urteil klar festgelegt, dass die Alleinhaftung bei dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs liegt, da dieser wesentliche Verkehrsregeln missachtet hat. Diese Entscheidung unterstreicht die Wichtigkeit korrekter Verhaltensweisen im Straßenverkehr und dient als Mahnung, dass die Missachtung der StVO schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die Haftung bei einem Verkehrsunfall zwischen einem Rechtsabbieger und einem Rechtsüberholer verteilt?

Bei einem Verkehrsunfall zwischen einem Rechtsabbieger und einem Rechtsüberholer hängt die Haftungsverteilung von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von den Verursachungsbeiträgen und dem Grad des Verschuldens der Beteiligten. In einem konkreten Fall wurde eine Haftungsverteilung von 50 % zu 50 % zwischen dem Rechtsabbieger und dem Rechtsüberholer als angemessen betrachtet. Dies wurde damit begründet, dass beide Unfallbeteiligte den Verkehrsunfall schuldhaft verursacht haben. Die Entscheidung basierte auf einer Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), wobei auch der Grad des Verschuldens eines jeden Beteiligten berücksichtigt wurde.

Es ist wichtig zu beachten, dass Rechtsüberholen im deutschen Straßenverkehr grundsätzlich verboten ist, mit Ausnahme bestimmter Situationen, wie beispielsweise auf Autobahnen, wenn auf dem rechten Fahrstreifen schneller gefahren werden darf als auf dem linken, oder wenn Fahrzeuge auf dem rechten Fahrstreifen an einem Stau vorbeifahren. Trotz des grundsätzlichen Verbots des Rechtsüberholens bedeutet dies nicht, dass der Rechtsüberholer bei einem Unfall automatisch die volle Haftung trägt. Die tatsächliche Haftungsverteilung hängt von den genauen Umständen des Unfalls ab, einschließlich der Frage, ob der Rechtsabbieger beispielsweise seine Pflichten, wie das rechtzeitige Setzen des Blinkers, erfüllt hat.

In einem anderen Fall wurde eine Haftungsteilung von 2/3 zu 1/3 als angemessen erachtet, wobei der genaue Kontext dieser Entscheidung nicht klar ist, da sie sich auf das Einbiegen in eine Tiefgarage bezieht und nicht direkt auf die allgemeine Situation zwischen einem Rechtsabbieger und einem Rechtsüberholer.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall zwischen einem Rechtsabbieger und einem Rechtsüberholer von den spezifischen Umständen des Unfalls abhängt, wobei sowohl die Verursachungsbeiträge als auch das Verschulden der Beteiligten berücksichtigt werden.

Inwiefern beeinflusst die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung die Haftungsverteilung?

Die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung (StVO) spielt eine wesentliche Rolle bei der Haftungsverteilung nach einem Verkehrsunfall. Gemäß § 7 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) ist der Halter eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der beim Betrieb des Fahrzeugs entsteht. Dies wird als Betriebsgefahr bezeichnet und begründet eine Haftung unabhängig von einem Verschulden.

Wenn jedoch ein Verkehrsteilnehmer gegen die StVO verstößt, kann dies seine Haftungsquote erhöhen. Ein solcher Verstoß wird als schuldhaftes Verhalten gewertet und beeinflusst die Haftungsabwägung im Rahmen des § 17 StVG, der die Schadensverteilung bei mehreren Unfallbeteiligten regelt. Die Haftungsquote kann je nach Schwere des Verstoßes und dessen Beitrag zum Unfallgeschehen variieren.

Beispielsweise kann das Überfahren einer Sperrfläche, was einen schwerwiegenden Verstoß gegen die StVO darstellt, die Haftungsverteilung zuungunsten des Verursachers beeinflussen, da es zeigt, dass dieser sich nicht verkehrsordnungsgemäß verhalten hat. Ebenso kann ein grob fahrlässiges Verhalten eines Fußgängers, wie das Betreten der Fahrbahn ohne auf den Verkehr zu achten, dazu führen, dass dem Autofahrer trotz der grundsätzlichen Betriebsgefahr nur eine geringe Haftungsquote zugesprochen wird.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Einhaltung der StVO dazu beitragen kann, die Haftungsquote zu reduzieren, während Verstöße gegen die Verkehrsregeln sie erhöhen können. Die genaue Haftungsverteilung wird jedoch immer individuell und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festgelegt.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 9 Abs. 5 StVO (Straßenverkehrs-Ordnung)
    Beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren oder bei ähnlichen Manövern ist eine erhöhte Sorgfaltspflicht gefordert, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden. Im Kontext des Unfalls zwischen einem Rechtsabbieger und einem Rechtsüberholer ist dieser Paragraph besonders relevant, da er die Pflichten bei Abbiegemanövern regelt.
  • § 17 Abs. 1 und 2 StVG (Straßenverkehrsgesetz)
    Dieser Paragraph behandelt die Schadensverteilung bei Verkehrsunfällen. Er besagt, dass bei jedem Unfall die Verursachungsbeiträge der Beteiligten gegeneinander abgewogen werden müssen. Im vorliegenden Fall war die Abwägung der Verursachungsbeiträge ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts.
  • § 7 StVG
    Regelt die Haftung bei Sachschäden durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs. Im vorliegenden Fall wurde der PKW der Klägerin beschädigt, was eine Prüfung dieser Vorschrift erforderlich machte.
  • § 18 StVG
    Betrifft die Haftung von Haltern von Kraftfahrzeugen. Dies ist relevant für die Frage, inwieweit der Fahrzeughalter für das Verhalten des Fahrers haftet.
  • § 115 VVG (Versicherungsvertragsgesetz)
    Regelt die Ansprüche gegen die Versicherung im Schadensfall. Da es um die Versicherungsansprüche nach einem Verkehrsunfall geht, ist dieser Paragraph von Bedeutung.
  • § 5 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 StVO
    Stellen Regeln für das Überholen auf Straßen dar, insbesondere das Gebot, links zu überholen. Die Missachtung dieser Vorschriften durch den Beklagten zu 1, der versuchte, rechts zu überholen, war ein wesentlicher Punkt in der Argumentation und Urteilsfindung.

Diese Gesetze und Paragraphen bilden die rechtliche Grundlage für die Entscheidung des Gerichts im beschriebenen Fall der Kollision zwischen einem Rechtsabbieger und einem Rechtsüberholer, einschließlich der Haftungsverteilung und der Pflichten der Verkehrsteilnehmer.


Das vorliegende Urteil

AG Oberndorf – Az.: 3 C 99/22 – Urteil vom 27.10.2022

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.671,25 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Herr P. befuhr am 18.09.2021 gegen 12.40 Uhr mit dem PKW Mercedes-Benz A 180, amtliches Kennzeichen … der Klägerin die B.straße in … S. a. N. in Richtung S. Straße/ M. Straße. Herr P. beabsichtigte nach rechts zum Bootsverleih S. abzubiegen. Der Beklagte Ziffer 1 befuhr mit dem bei der Beklagten 2 versicherten PKW M. mit amtlichem Kennzeichen … ebenfalls die B.straße in gleicher Richtung wie Herr P. Es kam zur Kollision beider Fahrzeuge. Am klägerischen Fahrzeug entstand ein Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts beläuft sich auf 4.895,00€.

Die Klägerin trägt vor, Herr P. habe nach rechts geblinkt, die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs verringert, vor dem Abbiegen in den Rückspiegel geschaut und Schulterblick vollzogen. Als eine Kollision bereits unvermeidbar gewesen sei, habe der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs das Fahrzeug des Beklagten zu 1) wahrgenommen, das mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit auf das Fahrzeug der Klägerin zugefahren sei und versucht habe das Fahrzeug der Klägerin innen/rechts zu überholen. Das Fahrzeug des Klägers habe sich aber bereits so weit auf der rechten Fahrspur befunden, dass der Fahrer des gegnerischen Fahrzeugs versucht habe das Fahrzeug der Klägerin über den Bordstein zu überholen. Der Unfall sei für die Klägerseite unvermeidbar gewesen. Der Beklagte Ziffer 1 habe den Unfall zu 75% verschuldet.

Die Klägerin beantragt:

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3.671,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.11.2021 zu zahlen,

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber den Rechtsanwälten M., in Höhe von 423,87 EUR für die außergerichtliche Tätigkeit freizustellen.

Die Beklagten beantragen: Die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs habe sich auf der Linksabbiegerspur befunden. Der Beklagte 1 habe sich auf der Spur daneben befunden. Plötzlich und ohne vorher den Blinker gesetzt zu haben, sei der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs nach rechts, weil er in den dortigen Radweg einbiegen haben wolle. Der Beklagte zu 1 habe nicht versucht, rechts zu überholen, sondern sei ganz einfach auf seinem Fahrstreifen gefahren.

Das Gericht hat den Beklagten 1 persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen S., P. und B. sowie durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens zum Unfallhergang.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Das Amtsgericht Oberndorf ist gem. § 23 Nr. 1 GVG sachlich und gem. § 20 StvG örtlich zuständig.

II.

Der Klägerin kann von den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatz verlangen, insbesondere nicht gem. §§ 7, 18 StVG iVm § 115 VVG.

Zwar wurde bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs eine Sache, namentlich der PKW der Klägerin beschädigt. Die vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge führt aber zu einer Alleinhaftung der Klägerseite.

1.

Der streitgegenständliche Verkehrsunfall war für keine der Parteien unvermeidbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG. Maßstab der Unvermeidbarkeit ist das Verhalten eines „Idealfahrers“. Dabei ist auch zu prüfen, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in die konkrete Gefahrensituation geraten wäre (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – VI ZR 68/04 -, Rn. 21, juris).

Nach den überzeugenden und von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen hat sich der klägerische PKW vor der Kollision vollständig auf der Linksabbiegerspur befunden. Dies kann aufgrund eines physikalischen Prinzips, der Ackermann-Bedingung nicht anders gewesen sein. Der Unfall war für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs zu vermeiden, indem er vor dem Zurücksteuern auf die rechte Spur nach hinten bzw. in den Seitenspiegel gesehen und aufgrund der für ihn wahrnehmbaren Annäherung des Beklagtenfahrzeugs das Zurücksteuern auf die rechte Spur unterlassen hätte.

Auch der Beklagtenseite ist der Nachweis der Unvermeidbarkeit nicht gelungen. Nach den überzeugenden und von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei sofortiger Reaktion ein Anhalten vor der Kollision möglich gewesen wäre. Zweifel oder die Unaufklärbarkeit des Unfallhergangs gehen zu Lasten dessen, der sich auf die Unabwendbarkeit beruft (Scholten in: Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 17 StVG (Stand: 01.12.2021), Rn. 77; BGH, Urteil vom 13. Mai 1969 – VI ZR 270/67 -, juris)

2.

Damit waren die Verursachungsbeiträge der Unfallbeteiligten gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG gegeneinander abzuwägen. Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs hat den Unfall zu 100% verschuldet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass sich das klägerische Fahrzeug zunächst vollständig auf der Linksabbiegerspur befunden hat und der Fahrer anschließend ohne zu blinken auf die rechte Spur gefahren ist.

Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten sei. Eine unumstößliche Gewissheit, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist, ist dabei nicht erforderlich. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad einer Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet. Entscheidend ist, ob der Richter die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann (BGH, Urteil vom 18. Januar 2000 – VI ZR 375/98 -, Rn. 18, juris).

Wie bereits ausgeführt, ergibt sich der Umstand, dass das klägerische Fahrzeug vollständig auf der Linksabbiegerspur befand, aus den Ausführungen des Sachverständigen, der seine Schlussfolgerung aus der Unfallendstellung und einem physikalischen Prinzip hergeleitet hat. Die Tatsache des Nichtblinkens ergibt sich daraus, dass der Zeuge B. keinen Blinker wahrgenommen hat und die Zeugin S. sich nicht an ein Blinken erinnern konnte. Die Aussage des Zeugen P., er habe bereits vor der Brücke geblinkt, ist nicht glaubhaft. Bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen ist von der sog. „Null-Hypothese“ auszugehen, d.h. dass es gleich wahrscheinlich ist, dass der Zeuge die Wahrheit oder Unwahrheit sagt. Eine Aussage ist glaubhaft, wenn ausreichend Wahrheitsmerkmale vorliegen. Dies ist bei der Aussage des Zeugen P. nicht der Fall. Er hat als Ehemann der Klägerin ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits. Seine Aussagen zum Unfallhergang (“bisschen ausgeholt“) lassen sich nicht mit den objektiven Feststellungen des Sachverständigen (“PKW vollständig auf der Linksabbiegerspur“) in Einklang bringen.

Der Zeuge P. hat damit gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift muss wer ein Fahrzeug führt, sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

Sowohl beim an der Unfallstelle gelegenen Parkplatz als auch bei dem Radweg handelt es sich um ein Grundstück im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO. Denn beide sind durch einen Bordstein von der Autofahrspur abgegrenzt und können nicht mehr als Teil der Fahrspur angesehen werden. Beide dienen nicht dem fließenden Autoverkehr. So überzeugend auch das Oberlandesgericht Stuttgart:

„Nach Auffassung des Senats ist eine Fläche, die nicht dem fließenden Verkehr dient, jedenfalls dann Grundstück im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO, wenn sie außerhalb der Straße liegt und nicht mehr als deren Teil angesehen werden kann. Dies ergibt eine am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung. Das Abbiegen in eine solche Fläche ist nämlich typischerweise besonders gefährlich. Da der Abbiegende die Ursache für diese besonderen Risiken setzt, werden ihm spezifische Sorgfaltspflichten auferlegt, welche über die Sorgfaltsanforderungen hinausgehen, die bei sonstigen Abbiegevorgängen zu beachten sind. Die besondere Gefährlichkeit eines solchen Fahrmanövers ergibt sich daraus, dass der Abbiegende beim Verlassen des fließenden Verkehrs seine Geschwindigkeit in der Regel deutlich reduzieren muss, was Gefahren für den nachfolgenden Verkehr heraufbeschwört. Die Unfallträchtigkeit erhöht sich noch dadurch, dass andere Verkehrsteilnehmer die Verkehrssituation selbst dann nicht ohne weiteres einzuschätzen vermögen, wenn der Abbiegende seinen Ankündigungspflichten aus § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO nachkommt; insbesondere ist – anders als beim Abbiegen in eine Straße – nicht gewährleistet, dass andere Verkehrsteilnehmer erkennen, wo genau der Abbiegende die Straße verlässt“ (OLG Stuttgart, Beschluss vom 20. Oktober 2011 – 4 Ss 623/11 -, Rn. 8, juris).

Ferner hat der Zeuge P. gegen seine Verpflichtungen aus § 9 Abs. 5 StVO verstoßen. Er hat weder seine Abbiegeabsicht rechtzeitig durch Setzen des Blinkers angezeigt noch sich möglichst weit rechts eingeordnet.

Der Beklagte 1 hat auch nicht bei unklarer Verkehrslage überholt (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO). „Unklar ist nach allgemeiner Auffassung eine Verkehrslage, wenn der Fahrzeugführer nach allen objektiven Umständen des Einzelfalles mit einem gefahrlosen Überholen nicht rechnen kann. Unerheblich ist die Ursache für die unklare Lage“ (Helle in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 5 StVO (Stand: 19.01.2022), Rn. 44). Die Verkehrslage war nicht unklar. Zwar hat der Zeuge P. nicht geblinkt, allerdings befand sich das Fahrzeug vollständig auf der Linksabbiegerspur. Ein vernünftiger Verkehrsteilnehmer in der Situation des Beklagten 1 musste und durfte davon ausgehen, dass der Zeuge P. nach links abbiegt. Würde man in einer solchen Situation vom nachfolgenden Verkehr verlangen, nicht zu überholen, wäre die Leichtigkeit des Verkehrs ohne vernünftigen Grund beeinträchtigt. Damit liegt die Sachlage auch anders, als wenn der Zeuge P. in der Mitte beider Spuren gefahren wäre. Dann wäre sowohl das Links- als auch das Rechtsabbiegen und auch das Gerade-aus-Fahren naheliegend gewesen.

Der Beklagte 1 hat gegen das Gebot links zu überholen (§ 5 Abs. 1 StVO) verstoßen. Nach § 5 Abs. 7 StVO ist rechts zu überholen, wer seine Absicht, nach links abzubiegen, ankündigt und sich eingeordnet hat. Da nicht geblinkt wurde, durfte nicht rechts überholt werden (OLG Hamm, Urteil vom 3. Juni 2016 – I-7 U 14/16 -, Rn. 36, juris).

Nach gebotenen Abwägung tritt der Verursachungsbeitrag des Beklagten Ziffer 1 vollständig hinter das Verschulden des Zeugen P., welches sich die Klägerin zurechnen lassen muss, zurück. Wer in ein Grundstück abbiegt hat besonders hohe Sorgfaltsanforderungen zu beachten. Diesen ist der Zeuge P. nicht gerecht geworden. Durch seine Fahrweise hat er vielmehr die naheliegende Erwartung begründet, er werde nach links abbiegen. Wenn dann trotzdem ohne zu blinken nach rechts abgebogen wird, ist dies Verhalten so unerwartet und gefährlich, dass ein Verstoß gegen das Gebot links zu überholen, zurücktritt. Andernfalls würde, wie bereits ausgeführt, die Leichtigkeit des Verkehrs massiv beeinträchtigt.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO festgesetzt.

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