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Dachlawine – Haftung des Hauseigentümers

LG Bückeburg, Az.: 2 S 41/10, Urteil vom 01.03.2011

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.07.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Rinteln – 2 C 146/10 – geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 980,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2010 zu zahlen.

Es wird darüber hinaus festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin deren zukünftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der Inanspruchnahme ihrer bei dem …. zur Versicherungsschein-Nr.: 01.101.326.0 bestehenden Kaskoversicherung anlässlich des Schadensfalles am 19.01.2010 in Rinteln-Exten noch entstehen wird.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, die Klägerin von einer Kostenforderung ihrer Prozessbevollmächtigten auf Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 359,50 € freizustellen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert der Berufungsinstanz wird auf die Wertstufe bis 1.200 € festgesetzt.

Gründe

Dachlawine – Haftung des Hauseigentümers
Symbolfoto: 3dfoto/Bigstock

Die Berufung der Klägerin ist begründet.

Der Klägerin stehen die aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche zu, denn die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, die mit naheliegenden Gefahren für Rechtsgüter anderer verbunden ist, hat die Pflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und zumutbar sind, um die Schädigung Dritter zu verhindern (BGH NJW 2007, 762).

Die Frage, ob sich aus diesen Grundsätzen eine Verpflichtung von Hauseigentümern ableitet, Dritte vor Dachlawinen zu schützen, hat die Rechtsprechung dahingehend beantwortet, dass dies nur bei besonderen Umständen der Fall ist (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2003, 1463; OLG Dresden, Recht und Schaden 1997, 369). Solche besonderen Umstände liegen im vorliegenden Fall vor.

Das Haus der Beklagten in der … liegt unmittelbar an der Straße, nur durch einen schmalen Bürgersteig von der Fahrbahn getrennt. Vom Dach fallender Schnee oder Eis gelangen aufgrund dieser Lage aus nicht unerheblicher Höhe auf die Straße und stellen eine nicht unerhebliche Gefahr für die dort vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmer dar. Hinzu kommt, dass die Scheiben der großen an der Straßenseite des Gebäudes befindlichen Dachflächenfenster Schnee und Eis bei einsetzendem Tauwetter geringere Haftung bieten als die rauere Oberfläche der Dachziegel. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände hätte die Beklagte zur Vermeidung der Gefahren, Schneefanggitter anbringen müssen, was ihr auch zumutbar gewesen wäre. Aus der Niedersächsischen Bauordnung ergibt sich nichts Gegenteiliges. Soweit die Verkehrssicherheit es erfordert, müssen Dächer mit Schutzvorrichtungen gegen das Herabfallen von Schnee und Eis versehen werden … (§ 32 Abs. 2 NBauO). Die Baubehörde kann auch bei Altbauten eine Anpassung verlangen, wenn dies zur Erfüllung der Pflichten aus § 1 Abs. 1 NBauO erforderlich ist (§ 99 Abs. 2 NBauO), d. h. z. B., wenn Leben oder Gesundheit bedroht sind.

Eine Verpflichtung des Eigentümers, Schnee vom Dach zu beseitigen, besteht grundsätzlich nicht. Solche Arbeiten sind meist mit nicht unerheblichen Risiken verbunden. Das Anbringen von Schildern zur Warnung vor Gefahren durch Schnee- und Eislawinen hätte dagegen nicht den gewünschten Erfolg gehabt. Solche Schilder würden Fahrzeugführern kaum auffallen und auch keine Handlungsalternative aufzeigen. Wollte man die Straße benutzen, müsste man letztlich doch an der Gefahrenstelle vorbeifahren. Auch wenn durch eine Warnung die Aufmerksamkeit erhöht werden könnte, wäre damit nichts gewonnen. Ginge gerade im Moment des Vorbeifahrens eine Dachlawine ab, würde man einen Schadenseintritt auch trotz erhöhter Aufmerksamkeit kaum abwenden können.

Hätte die Beklagte rechtzeitig Schneefanggitter anbringen lassen, wäre es nicht zum Schadensfall gekommen. Insoweit kommen der Klägerin die Grundsätze des Anscheinsbeweises zugute, denn die Schneefanggitter sollen gerade die Gefahr beseitigen, die sich hier durch die Dachlawine realisiert hat (vgl. BGH NJW 1994, 945).

Am 19.01.2010 hat eine vom Haus … abgehende Dachlawine den Pkw Mercedes Benz SLK 200 der Klägerin beschädigt.

Davon ist die Kammer nach der Vernehmung der Zeugin … überzeugt.

Die Polizeibeamtin hat bekundet, dass sie morgens von einer Dame zu dem Haus der Beklagten gerufen worden sei. Die Dame habe erklärt, ihr sei etwas aufs Auto gefallen. Sie habe sofort angehalten. Die Klägerin sei auf dem Dorfplatz von … gewesen, der auf der anderen Seite der Straße liege. Das Auto sei tatsächlich beschädigt und die Scheibe kaputt gewesen. Reste vom Schnee hätten noch auf dem Auto gelegen. Man habe von der Straße aus nicht gesehen, ob Schnee vom Dach des Hauses der Beklagten gefallen war. So direkt an der Straße stehe nur dieses Haus. Sie und ihr Kollege hätten die Schilderung der Klägerin für glaubhaft gehalten. Diese sei „völlig durch den Wind gewesen“. Wenn die Klägerin geschauspielert haben sollte, dann hätte sie sehr gut geschauspielert.

Danach beruhen die Angaben der Zeugin …, an deren Richtigkeit die Kammer keinerlei Zweifel hat, zwar überwiegend auf der Sachverhaltsschilderung der Klägerin. Gleichwohl ist auch die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin dort wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Ansonsten hätte sie die Polizeibeamtin … nicht in der geschilderten Weise überzeugen können. Berücksichtigt man weiter die am Pkw vorhandenen Schäden und den Umstand, dass unstreitig Schnee auf dem Dach des Hauses der Beklagten vorhanden war, so reicht dies zur Überzeugungsbildung aus.

Der ausgeurteilte Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Selbstbeteiligung 500,00 €

Kostenpauschale 25,00 €

Nutzungsentschädigung (7×65 €) 455,00 €

Die Höhe der Kostenpauschale ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung der Kammer auf 25 € festgesetzt worden.

Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat, nachdem sie ihre Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen hat, Anspruch auf Erstattung der ihr dadurch in der Zukunft noch entstehenden und deshalb noch nicht bezifferbaren Mehrkosten.

Die Klägerin hat Anspruch auf Freistellung der Gebühren für die außergerichtliche Tätigkeit der Klägervertreter. Die außergerichtliche Geltendmachung war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Die dadurch entstandenen Gebühren sind Teil des ersatzfähigen Schadens. Die Geschäftsgebühr von 1,3 bezogen auf einen Streitwert von 3.363,43 € (zunächst geltend gemachte Reparaturkosten in Höhe von 2.883,43 € zuzüglich 25 € Kostenpauschale zuzüglich 455 € Nutzungsentschädigung) zuzüglich Pauschale für Post und Telekommunikation und Mehrwertsteuer sind angefallen und erstattungsfähig (insgesamt 359,50 €).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

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