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Schlüsselnotdienst – Sittenwidrigkeit eines Vertrages über Nottüröffnung wegen Wucher

AG Bremen –  Az.: 4 C 12/08 –  Urteil vom 21.04.2009

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückerstattung des geltend gemachten Betrages aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.

Die Leistung der Klägerin erfolgte ohne Rechtsgrund. Der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag begründet ein wucherähnliches und daher gemäß § 138 BGB sittenwidriges und mithin nichtiges Geschäft.

Schlüsselnotdienst -  Sittenwidrigkeit eines Vertrages über Nottüröffnung wegen Wucher
Symbolfoto: Von Africa Studio /Shutterstock.com

Ein wucherähnliches Geschäft liegt vor, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein besonders großes Missverhältnis besteht und die hierdurch begründete tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Vertragspartners von diesem nicht widerlegt wird. Für die Annahme eines besonders groben Missverhältnisses genügt bereits, dass der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist, wie der der Gegenleistung (vgl. z.B. BGH NJW-RR 1989, S. 1068). Der Wert der Gegenleistung war vorliegend bereits durch Vergleich der von der Beklagten durchgeführten Arbeiten und dem hierfür in Rechnung gestellten Endpreis mit dem für die Türöffnung tatsächlich erforderlichen – und damit allein „werthaltigen“ – Arbeiten unter Berücksichtigung der nach den Berechnungsgrundlagen der Beklagten hierfür zu zahlenden Endpreises zu bestimmen.

Ein besonders grobes Missverhältnisses liegt hier vor. Der Wert der Leistung der Klägerin entspricht etwa dem 2,6fachen des Wertes der Leistung der Beklagten. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Die von der Beklagten mit € 498,- in Rechnung gestellten Arbeiten haben, ihre eigenen Berechnungsgrundlagen als angemessen unterstellt, allenfalls einen objektiven Wert von € 190,00.

So waren bereits alle für das Aufbohren des Zylinders in Rechnung gestellten Kosten für die Türöffnung nicht erforderlich und müssen daher bei der Berücksichtigung des objektiven Wertes der vom Kläger bei der Beklagten in Auftrag gegebenen Leistung – möglichst schonende und kostengünstigste Öffnung der streitgegenständlichen Tür – außer Betracht bleiben. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des vom Gericht bestellten Sachverständigen hätte die streitgegenständliche Tür, die mit einer Doppelfalz ausgestattet ist, entweder mittels eines vor Ort angefertigten, den Falzmaßen der Tür angepassten Öffnungsdrahtes, mittels eines speziellen Spiralöffnungsdrahtes oder aber mit einer Türklingenangel zerstörungsfrei geöffnet werden können. Das Beherrschen der vorgenannten Öffnungsmethoden sowie das Mitführen der entsprechenden Werkzeuge am Einsatzort könne von einem Tür- oder Schlossnotdienst erwartet werden. Für die Öffnung der Tür mittels einer der vorgenannten Methoden einschließlich Anfertigung des speziellen Drahtes sei von einer erforderlichen Zeit von ca. 20 bis 30 Minuten auszugehen, wobei Funktionsfähigkeit und Zustand des Schlosses je nach Einzelfall die reine Arbeitszeit für die Türöffnung verlängern könnten.

Aus den vorgenannten Gründen sind allenfalls drei der fünf in Rechnung gestellten Arbeitswerte (dies entspricht 60 Minuten Arbeitszeit) als erforderlich anzusehen. Nicht erforderlich waren hiernach zudem die in Rechnung gestellten Kosten für die Spezialzugschrauben, die Kosten für den Wilka-Zylinder sowie die Kosten für Kleinmaterialien.

Darüber hinaus erhöhen auch jeweils nur ein Wegewert für An- und Abfahrt den Wert der Leistung der Beklagten. Zwar ist die Klägerin für alle die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände, und damit auch die fehlende Werthaltigkeit der Gegenleistung, darlegungs- und beweispflichtig. Dieser Pflicht ist sie indes nachgekommen, indem sie, wie von der Beklagten unbestritten geblieben ist, vorgetragen hat, die Fahrtzeit zwischen dem im Branchenbuch angegebenem Sitz der Beklagten und dem Wohnort der Klägerin betrage höchstens 8 Minuten. Allenfalls diese Zeit kann vorliegend bei der Berücksichtigung der Werthaltigkeit der Leistung zu Grund gelegt werden. Dabei kann hier – zumal im Rahmen des § 138 BGB – dahinstehen, wie angesichts der vor Ort geleisteten Unterschrift unter die in der „Auftragsbestätigung“ eingetragenen Fahrtzeit der Umstand zu beurteilen ist, dass ein Verbraucher, der sich den von ihm beauftragten Schlüsselnotdienst im Bedarfsfall allein aus Gründen der Zeit- und Kostenersparnis regelmäßig nach dem Kriterium der Ortsnähe aussucht, grundsätzlich bei Beauftragung darauf vertrauen darf, dass für die Anfahrt allenfalls die Kosten für die Fahrt vom aus dem Telefonbuch ersichtlichen Firmensitz zum Einsatzort berechnet werden. Denn jedenfalls hat die Beklagte, der es im Rahmen der sekundären Darlegungslast in Anbetracht des Klägervortrages oblag, einen anderweitigen tatsächlichen Anfall der Wegewerte jedenfalls vorzutragen, die Notwendigkeit einer Fahrtzeit zur Klägerin von 27 Minuten nicht schlüssig dargelegt. Ihr diesbezüglicher Vortrag, der zudem keinerlei Angaben zu der vom Monteur zurückgelegten Fahrtstrecke enthält, ist bereits deswegen unschlüssig, da die Beklagte mit Schriftsatz vom 01.02.2008 zunächst vorträgt, der Monteur habe sich zur Zeit der Beauftragung bereits im Einsatz befunden, sodann jedoch weiter ausführt, die Wegewerte seien angefallen, weil der Monteur aufgrund Notdienstes sich erst habe anziehen und sodann das Fahrzeug aufrüsten müssen.

Mithin begründen allein folgenden Positionen den Wert der Leistung der Beklagten:

Je 1 Wegewert für An- und Abfahrt á € 19,-  €   38,00

3 Arbeitswerte €   57,00

Nachtzuschlag €  95,00

Gesamt Brutto €  190,00

Die Beklagte hat die durch das Vorliegen des besonders groben Missverhältnisses begründete tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung auch nicht widerlegt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Beklagte aufgrund der Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages lediglich zum Einbehalt des tatsächlichen Wertes ihrer Leistung berechtigt ist, erweist sich die Klage in voller Höhe als begründet.

Der Anspruch folgt darüber hinaus auch aus §§ 631, 280 Abs. 1,249 ff BGB.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten jedenfalls ebenfalls aus §§ 631, 280 Abs. 1,249 ff BGB.

Der Kostenausspruch ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708Nr. 11, 713 ZPO.

 

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