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Erstellung von Vorsorgedokumenten eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleitung?

AG Northeim – Az.: 3 C 349/16 (VI) – Urteil vom  19.01.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 431,85 €

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Geltendmachung einer Vergütung aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag vom 23.3.2016, der im Wesentlichen die Erstellung von Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen sowie Patientenverfügung durch die Klägerin zum Gegenstand hat. Hierfür war eine Vergütung von 409 € vereinbart.

In dem schriftlichen Vertrag heißt es unter anderem:

„Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Besorgung juristischer Dienstleistungen („Erstellungsleistung“), die im Auftragsformular aufgeführt sind, welches als Anlage 1 Bestandteil dieses Geschäftsbesorgungsvertrages… wird.

Der Auftragnehmer erbringt die Erstellungsleistung nicht selbst, sondern beauftragt hierfür die Kanzlei Fachanwalt Familienrecht S., … straße, … („RA S.“).“

Zu den weiteren Einzelheiten des Vertrages wird Bezug genommen auf die Anlage K1 (Bl. 11-16 d.A.).

Die Klägerin erstellte sodann die beauftragten Dokumente und übersandte diese nebst Kopien an die Beklagte und ihren Lebensgefährten. Ihre Leistungen stellte sie mit Rechnung vom 30.3.2013 in Rechnung. In der diesbezüglichen Rechnung vom 30.3.2016 (Anlage K2, BI. 17 d.A.) werden folgende Dienstleistungen genannt:

 „1 Familienpaket Premium:

Vermittlung juristischer Dienstleistung: Erstellung Ihrer persönlichen Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung sowie sonstige Vollmachten und Verfügungen laut Auftrag durch Fachanwälte

Digitalisierung in unserer Datenbank, Einlagerung Ihrer Dokumente und Versicherung

2 zus. Kopien:

Erstellung einer beglaubigten Kopie für 2 Bevollmächtigten“

Hierfür werden insgesamt einschließlich Umsatzsteuer 409 € in Rechnung gestellt.

Weiter heißt es:

„Alle angefallenen Kosten, wie Anwaltshonorar, Eintragung in das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer etc. wurden von der deutschen Vorsorgedatenbank AG verauslagt. “

Die Beklagte zahlte auf die Rechnung nicht. Hierzu hat sie zunächst behauptet, mit dem Zeugen D., der den Vertrag vermittelt hat, sei vereinbart gewesen, dass die Beklagte insgesamt nicht mehr als 150 € zahle, dieser Betrag sei an den Zeugen D. gezahlt worden. Mit Schreiben vom 11.4.2016 erklärte sie, dem Vertrag zu „wiedersprechen“ bzw. diesen zu „kündigen“. Sie vertritt die Auffassung, sie habe mit diesem Schreiben jedenfalls eine fristgerechte Widerrufserklärung abgegeben.

Diesem Vortrag widerspricht die Klägerin sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht.

In der mündlichen Verhandlung vom 1.12.2016 hat das Gericht sodann unter anderem darauf hingewiesen, dass der zugrunde liegende Vertrag nichtig sein könne, weil ein Verstoß gegen die §§ 1 und 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes gegeben sein könnte. Weiter wurde der Hinweis erteilt, dass das vorliegende Rechtsgeschäft möglicherweise auch gemäß § 138 BGB sittenwidrig sein könnte, sowie den Umstand, dass der Widerruf wirksam, insbesondere fristgerecht erfolgt sein dürfte.

Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gerichtlichen Hinweisen bis zum 5.1.2017 gegeben.

Mit Schriftsatz vom 5.1.2017 vertritt die Klägerin die Auffassung, die streitgegenständliche Geschäftsbesorgung sei keine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG. Die Klägerin erbringe keine Rechtsdienstleistungen, es gehe lediglich um deren Vermittlung. Die Klägerin selbst führe auch keine Beratung durch. Die Kosten in Höhe von 399 € beinhaltete die anwaltliche Erstellung der Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung für die Beklagte sowie auch die Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung für ihren Lebensgefährten. Schließlich sei ein Widerruf nicht erklärt worden, die Widerrufsfrist sei zudem abgelaufen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 431,85 € nebst Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit weiterem Schriftsatz vom 10.1.2017, bei Gericht eingegangen per Faxschreiben am selben Tage, stellt die Klägerin die weiteren Anträge,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Original-Vorsorgevollmacht und die Original-Patientenverfügung auf den Namen der Beklagten zur Kundennummer 1002403 an die Klägerin herauszugeben,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Original-Vorsorgevollmacht für Herrn A. und die Original-Patientenverfügung für Herrn B. zur Kundennummer 1002403 an die Klägerin herauszugeben, sowie,

4. die Beklagte zu verurteilen, an Eides statt zu versichern, dass weder sie noch Herr A. nach der Herausgabe der Originale im Besitz von Kopien von Vollmachten der unter 2. und 3. genannten Originale ist.

Zur Begründung macht die Klägerin geltend, dass die Beklagte zur Rückgewähr der Originalvollmachten verpflichtet sei, sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte habe den Vortrag wirksam widerrufen.

Zu den weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird Bezug genommen auf die wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag vom 23.3.2016 nicht zu, weil dieser gemäß § 134 BGB nichtig ist.

Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, dass gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz dürfen außergerichtliche Rechtsdienstleistungen nur erbracht werden, soweit dies durch das RDG oder andere Gesetze erlaubt ist, §§ 1,3 RDG. Im übrigen verstößt die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegen das Gesetz, so dass die entsprechenden Verträge nichtig sind. So liegt der Fall hier, weil der zugrunde liegende Vertrag Rechtsdienstleistungen zum Gegenstand hat und eine gesetzliche Erlaubnis zu deren Erbringung durch die Klägerin nicht gegeben ist.

Gegenstand des Vertrages ist eindeutig die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, und eben nicht deren Vermittlung, wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 5.1.2017 meint. Dies ergibt sich bereits aus dem Vertragstext. In diesem, von der Klägerin selbst vorgegebenem, formularartigen, Text ist klar geregelt, dass der Auftraggeber (hier die Beklagte) den Auftragnehmer (die Klägerin) mit der Besorgung juristischer Dienstleistungen beauftragt. Weiter ist darin aufgeführt, dass diese Dienstleistung in der Erstellung von Vorsorgedokumenten (Vorsorgevollmacht inklusive Betreuungsverfügung, Patientenverfügung und Trauerverfügung) zu einem Festpreis besteht. Zwar enthält der Vertragstext den Hinweis, dass die Erstellungsleistung nicht durch die Klägerin selbst erbracht wird, sondern sie hierfür die Kanzlei Rechtsanwalt S. beauftragt. Gleichwohl sind jedoch die Vertragsverhältnisse klar geregelt: Vertragspartnerin der Beklagten ist die Klägerin, die sich zu den im Vertrag genannten Dienstleistungen verpflichtet. Sie – und nicht die Beklagte – beauftragt hierfür ihrerseits einen Rechtsanwalt. Dieser ist also auf Seiten der Klägerin eingeschaltet, um für sie die Hauptleistung zu erbringen. In dem Vertrag ist nicht die Rede davon, dass die Klägerin lediglich als Vermittlerin für Rechtsanwalt S. auftritt. Ein Vertragsverhältnis kommt zwischen der Beklagten und Rechtsanwalt S. kommt hierdurch nicht zustande.

Das Gericht vermag sich daher der Rechtsauffassung der Klägerin, es gehe lediglich um die Vermittlung juristischer Dienstleistungen, nicht anzuschließen. Zudem ist dieser Vortrag widersprüchlich. Zum einen vertritt sie die Auffassung, die Rechtsdienstleistungen würden nicht durch die Klägerin, sondern durch Rechtsanwalt S. erbracht, zum anderen macht sie in demselben Schriftsatz gelten, die Kosten in Höhe von 399 € beinhalteten die anwaltliche Erstellung der Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung für die Beklagte und ihren Lebensgefährten. Wenn dem jedoch so ist, geht die Klägerin offenbar selbst davon aus, dass es sich bei der Erstellung der Vollmachten um ihre eigene Leistung handelt, für die sie selbst eine Vergütung verlangen kann.

Bei der Leistung der Klägerin handelt es sich auch um eine Tätigkeit in fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert, § 2 Abs. 1 RDG. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, sie führe selbst keine Beratung durch, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn ohne Beratung wäre sie nicht in der Lage, sich mit den entsprechenden Informationen zur Erstellung der Vollmachten bzw. Verfügungen zu versorgen. Wenn sich die Klägerin zur Beratung der Hilfe Dritter (etwa eines Vermittlers) bedient, wie offenbar im vorliegenden Fall des Zeugen D., so muss sie sich jedoch dessen konkrete beratende Tätigkeit im Rahmen des Abschlusses des vorliegenden Vertrages zurechnen lassen. Würde ihre Tätigkeit lediglich in der Zurverfügungstellung von Formularen bestehen, stellte sich die Frage, wofür sie ein Honorar in Höhe von rund 400 € in Rechnung stellt.

Die streitgegenständliche Dienstleistung erfüllt auch keinen der Ausnahmetatbestände der §§ 2-5 RDG, wonach bestimmte Dienstleistungen vom Gesetz ausdrücklich nicht als Rechtsdienstleistung angesehen werden.

Auch eine Registrierung der Klägerin gemäß § 10 RDG liegt nicht vor.

Damit erbringt die Klägerin Rechtsdienstleistungen im Sinne des RDG, ohne hierzu berechtigt zu sein, so dass der streitgegenständliche Vertrag wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig ist.

Dies dürfte im übrigen auch dann gelten, wenn die Klägerin lediglich Rechtsdienstleistungen des Rechtsanwalt S. vermitteln würde. Denn wenn tatsächlich dieser statt der Klägerin Vertragspartner der Beklagten wäre, dürfte trotzdem die Einschaltung einer juristischen Person, die keine Rechtsdienstleistungen erbringen darf, zur Vermittlung von Mandaten ihm insoweit zuzurechnen sein, als dass dies zu einem nichtigen Vertragsverhältnis führt (vgl. Gaier/Wolf/Göcken, Anw. Berufsrecht, § 2 RDG, Rn. 42, m.w.N.). Inwieweit dies standesrechtlich zu beanstanden ist, ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

Zur Entscheidung des Rechtsstreits kann offen bleiben, ob der streitgegenständliche Vertrag auch wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 2 BGB nichtig ist. Die hierzu erforderliche weitere Aufklärung des Sachverhalts kann deshalb unterbleiben.

Ebenso bedarf die Frage, ob die Beklagte den Vertrag wirksam widerrufen hat, angesichts dessen Nichtigkeit keiner weiteren Klärung.

Die Sachanträge aus dem Schriftsatz vom 10.1.2017 sind unzulässig, da diese, wie sich aus den §§ 261 Abs. 2, 297 ZPO ergibt, spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung zu stellen und damit verspätet sind (Vergl. Zöller-Greger, § 296a ZPO, Rn. 2a, m.w.N.). Selbst nach der teilweise vertretenen Auffassung, dass mit der gewährten Schriftsatzfrist wegen der in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweise stillschweigend ins schriftliche Verfahren übergegangen wurde, sind diese Anträge verspätet, weil die Stellungnahmefrist am 5.1.2017 abgelaufen ist.

Zwar kann das Gericht gemäß § 156 ZPO ausnahmsweise die mündliche Verhandlung wieder eröffnen, jedoch liegen die Voraussetzungen für eine solche Wiedereröffnung im vorliegenden Fall nicht vor. Eine Pflicht zur Wiedereröffnung besteht gemäß § 156 Abs. 2 ZPO nur dann, wenn das Gericht eine Verletzung rechtlichen Gehörs oder einen sonstigen erheblichen Verfahrensfehler feststellt. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Klägerin hatte hinreichend Gelegenheit innerhalb der gewährten Frist von über einem Monat, zu den rechtlichen Hinweisen Stellung zu nehmen. Es ist nicht zu ersehen, dass oder wodurch sie daran gehindert war, weitere Anträge fristgerecht zu stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Maßgeblich ist dabei der Klagantrag aus der Antragsschrift vom 14.7.2016. Die Anträge aus dem Schriftsatz vom 10.1.2017 wirken nicht streitwerterhöhend, da sie ohne eine Wiedereröffnung keine Rechtshängigkeit begründen (Zöller-Greger, § 296a ZPO, Rn. 2a, m.w.N.). Im Übrigen handelt es sich bei den Anträgen um echte Hilfsanträge, da sie ausweislich ihrer Begründung nur dann zum Tragen kommen, wenn das Gericht die Klage hinsichtlich des ursprünglich gestellten Klagantrags zurückweist. Sie wirken nicht streitwerterhöhend, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Denn die Anerkennung des einen Anspruchs (Klagantrag aus der Antragsschrift vom 14.07.2016) würde notwendigerweise zur Aberkennung des anderen zur Folge haben, so dass es sich um denselben Streitgegenstand handelt (Kurpat in Nomos-Kommentar, Gesamtes Kostenrecht, § 45, Rn. 15 m.w.N.).

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