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Fahrzeugbeschädigung durch ein Fahrrad fahrendes Kind

Jogginghose im Zahnkranz: Als ein neunjähriges Mädchen mit weitem Beinkleid gegen ein parkendes Auto prallt, landet der Fall vor Gericht. Kann das Kind für den Schaden verantwortlich gemacht werden, obwohl seine Hose sich in der Fahrradkette verfangen hat? Ein Wuppertaler Gericht klärt die Frage nach der Haftung bei ungewöhnlichen Unfallursachen.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Kläger wurde wegen eines Unfalls mit einem Fahrrad verurteilt, bei dem die Jogginghose der Beklagten in der Fahrradkette verfangen war.
  • Das Gericht entschied, dass der Kläger für den Schaden aufkommen muss, da er die Verantwortung für das Fahrrad trägt.
  • Die Haftung für den Schaden hängt davon ab, ob das Fahrrad richtig genutzt wurde und ob die Beklagte ihre Pflichten eingehalten hat.
  • Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte ihre Jogginghose ordnungsgemäß getragen hat und dass das Fahrrad nicht mit einem Kettenschutz ausgestattet war.
  • Die fehlende Kettenschutzausrüstung des Fahrrads und die weite Passform der Jogginghose der Beklagten waren entscheidende Faktoren bei der Haftungsfrage.
  • Die Entscheidung basiert auf der Bewertung von Beweisen und der Anwendung von Rechtsgrundsätzen, die die Haftung für Schäden durch Fahrradunfälle regeln.
  • Das Gericht stellte fest, dass das Amtsgericht die Beweise ordnungsgemäß gewürdigt hat und dass die rechtliche Beurteilung nicht zu beanstanden ist.
  • Die Entscheidung hat Auswirkungen auf die Haftung von Fahrradfahrern und die Verantwortung von Eltern für die Handlungen ihrer Kinder.
  • Die Verwendung von Kettenschutz und die ordnungsgemäße Wartung von Fahrrädern können helfen, solche Unfälle zu vermeiden.
  • Eltern sollten sicherstellen, dass ihre Kinder die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen beim Radfahren treffen, um Schäden und Verletzungen zu vermeiden.

Kinderhaftung beim Fahrradfahren: Wann haften Eltern für Schäden?

Fahrrad fahren ist eine beliebte Freizeitaktivität, insbesondere für Kinder. Doch was passiert, wenn ein Kind mit seinem Fahrrad einen Schaden an einem anderen Fahrzeug verursacht? Diese Frage ist häufig Gegenstand rechtlicher Streitigkeiten.

Grundsätzlich haftet derjenige, der einen Schaden verursacht, für diesen auch. Dies gilt unabhängig vom Alter des Schädigers. Allerdings gibt es im Bereich der Kinderhaftung gewisse Besonderheiten. So wird bei Kindern unter sieben Jahren grundsätzlich keine Haftung angenommen, da sie noch nicht in der Lage sind, die Tragweite ihres Handelns zu verstehen. Bei Kindern ab sieben Jahren wird eine Haftung in der Regel nur dann angenommen, wenn die Eltern oder Erziehungsberechtigten fahrlässig gehandelt haben.

Im vorliegenden Fall, der im Folgenden näher beleuchtet wird, stand dieser Aspekt im Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen den Eltern eines Kindes und dem Geschädigten.

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Der Fall vor Gericht


Fahrradunfall: Neunjährige haftet nicht für Schaden am Auto

Der Fall eines Fahrradunfalls, bei dem eine neunjährige Radfahrerin mit einem geparkten Auto kollidierte, beschäftigte das Landgericht Wuppertal. Das Mädchen war mit einer weiten Jogginghose Fahrrad gefahren, als sich diese im Zahnkranz verfing. In der Folge verlor sie die Kontrolle über ihr Fahrrad und prallte gegen ein parkendes Auto. Der Fahrzeughalter verklagte daraufhin das Kind auf Schadensersatz.

Gerichtliche Bewertung der Unfallursache

Das Gericht setzte sich intensiv mit der Frage auseinander, ob sich die Jogginghose tatsächlich in der Fahrradkette verfangen konnte. Anhand eines Fotos des Fahrrads stellte das Gericht fest, dass es sich um ein geländegängiges Modell ohne Kettenschutz handelte. Die Richter hielten es für durchaus möglich, dass sich eine Hose aus weichem Stoff im freiliegenden Zahnkranz verfangen konnte.

Die Aussagen der Beklagten und ihres Bruders zur Beschaffenheit der Hose wurden vom Gericht als glaubwürdig eingestuft. Es handelte sich demnach um eine weiter geschnittene Jogginghose, die sich leicht im Zahnkranz verfangen konnte. Das Gericht sah keinen Anlass, an dieser Darstellung zu zweifeln, auch wenn die Hose selbst nicht mehr vorgelegt werden konnte.

Beurteilung der Verantwortlichkeit des Kindes

Ein zentraler Aspekt des Urteils war die Frage nach der Einsichtsfähigkeit und Verantwortlichkeit des neunjährigen Mädchens. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass dem Kind die Gefährlichkeit seiner Handlung nicht bewusst war. Es wurde als nicht zu erwarten angesehen, dass ein neunjähriges Kind die spezifische Gefahr erkennt, die von einer weiten Hose beim Fahrradfahren ausgeht.

Das Gericht argumentierte, dass die Benutzung von Hosenklammern heute nicht mehr üblich sei und Fahrräder normalerweise über einen Kettenschutz verfügen. Von einem Kind konnte nicht erwartet werden, dass es die erhöhte Gefahr bei einem Fahrrad ohne Kettenschutz erkennt. Zudem werden Kinder oft angehalten, beim Radfahren Sporthosen zu tragen, um andere Kleidung zu schonen. Das Gericht sah es als verständlich an, dass dem Kind nicht bewusst war, dass gerade die Nutzung der Sporthose zu einer gesteigerten Gefährlichkeit führte.

Rechtliche Konsequenzen und Haftungsfrage

Das Landgericht Wuppertal bestätigte das Urteil der Vorinstanz und wies die Berufung des Klägers zurück. Es wurde festgestellt, dass das Kind weder zurechnungsfähig im Sinne des § 828 Abs. 3 BGB war, noch fahrlässig gehandelt hatte. Selbst wenn man eine Zurechnungsfähigkeit angenommen hätte, wäre ein Verschulden zu verneinen gewesen, da von einem neunjährigen Kind nicht erwartet werden kann, die Konsequenzen einer im Zahnkranz verfangenen Hose vollständig zu überblicken.

Das Gericht lehnte auch eine Ersatzpflicht aus Billigkeitsgründen nach § 829 BGB ab. Es wurde sogar die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Eltern des Kindes aufgrund einer Verletzung ihrer Aufsichtspflichten haftbar gemacht werden könnten, wenn sie ihr Kind mit ungeeigneter Kleidung Fahrrad fahren ließen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil unterstreicht die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern im Straßenverkehr. Es verdeutlicht, dass von einem neunjährigen Kind nicht erwartet werden kann, spezifische Gefahren wie das Verfangen einer weiten Hose im Fahrradkettenrad zu erkennen. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit, bei der Beurteilung von Kindeshandeln einen altersgerechten Maßstab anzulegen und berücksichtigt dabei, dass moderne Sicherheitsstandards wie Kettenschutz das Gefahrbewusstsein beeinflussen können.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Eltern können Sie aufatmen: Dieses Urteil stärkt den Schutz von Kindern bei Fahrradunfällen. Es zeigt, dass von einem 9-jährigen Kind nicht erwartet wird, spezielle Gefahren wie lose Kleidung am Fahrrad zu erkennen. Ihr Kind muss also in der Regel nicht für Schäden haften, die es unbeabsichtigt verursacht hat. Allerdings sollten Sie als Eltern wachsam bleiben: Das Gericht deutet an, dass Sie möglicherweise zur Verantwortung gezogen werden könnten, wenn Sie Ihre Aufsichtspflicht vernachlässigen. Achten Sie daher besonders auf kindgerechte Fahrräder mit Kettenschutz und angemessene Kleidung beim Radfahren, um Unfälle zu vermeiden und Ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen.


FAQ – Häufige Fragen

Kinderhaftung bei Fahrradunfällen ist ein komplexes Thema, das sowohl Eltern als auch Kinder betrifft. In dieser FAQ-Rubrik finden Sie Antworten auf wichtige Fragen rund um die rechtlichen Aspekte von Fahrradunfällen mit Kindern. Von der Haftung bei Unfällen bis hin zu den Rechten und Pflichten von Eltern und Kindern – hier erhalten Sie umfassende Informationen, die Ihnen im Ernstfall weiterhelfen können.


Gibt es ein Alter, ab dem Kinder für Schäden am Fahrrad verantwortlich gemacht werden können?

Bei der Frage nach der Haftung von Kindern für Fahrradschäden gibt es keine feste Altersgrenze. Stattdessen gelten folgende Grundsätze:

Kinder unter sieben Jahren sind generell nicht haftbar für Schäden, die sie verursachen. Dies ist im § 828 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) festgelegt.

Ab dem Alter von sieben Jahren kann ein Kind grundsätzlich für Schäden haftbar gemacht werden, die es mit dem Fahrrad verursacht – sofern es die nötige Einsichtsfähigkeit besitzt. Diese Einsichtsfähigkeit ist der entscheidende Faktor bei der Beurteilung der Haftung. Sie beschreibt die Fähigkeit des Kindes, die Gefahr seines Handelns zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Die Beurteilung der Einsichtsfähigkeit erfolgt im Einzelfall und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Entwicklungsstand des Kindes, der konkreten Situation und der Art des Schadens. Je älter das Kind ist, desto eher wird ihm diese Einsichtsfähigkeit zugetraut.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Haftung des Kindes nicht automatisch bedeutet, dass es den Schaden aus eigenen Mitteln begleichen muss. In der Regel springt hier die Haftpflichtversicherung der Eltern ein, sofern das Kind in dieser mitversichert ist.

Eltern haften übrigens nicht automatisch für Schäden, die ihre Kinder verursachen. Sie können nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Diese Aufsichtspflicht variiert je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes.

Die Haftung von Kindern für Fahrradschäden ist also eine komplexe rechtliche Frage, die von Fall zu Fall beurteilt werden muss. Ab sieben Jahren kann ein Kind grundsätzlich haftbar sein, entscheidend ist jedoch die individuelle Einsichtsfähigkeit des Kindes in der konkreten Situation.

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Was bedeutet „Zurechnungsfähigkeit“ im Zusammenhang mit dem Fahrradunfall meines Kindes?

Die Zurechnungsfähigkeit spielt eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der rechtlichen Verantwortlichkeit eines Kindes nach einem Fahrradunfall. Sie bezieht sich auf die Fähigkeit des Kindes, die Konsequenzen seiner Handlungen zu verstehen und entsprechend zu handeln.

Im Straßenverkehr gelten besondere Regeln für die Zurechnungsfähigkeit von Kindern. Grundsätzlich sind Kinder unter 7 Jahren nicht für Schäden verantwortlich, die sie im Straßenverkehr verursachen. Sie gelten als deliktunfähig und können rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Für Kinder zwischen 7 und 10 Jahren gibt es eine spezielle Regelung: Sie sind im motorisierten Straßenverkehr ebenfalls nicht verantwortlich, außer bei vorsätzlichem Handeln. Dies berücksichtigt, dass Kinder in diesem Alter die Gefahren des Straßenverkehrs noch nicht vollständig erfassen können.

Ab 10 Jahren wird die Zurechnungsfähigkeit differenzierter betrachtet. Hier kommt es auf den Einzelfall an. Es wird geprüft, ob das Kind die erforderliche Einsicht besaß, um die Folgen seines Handelns zu verstehen. Faktoren wie der Entwicklungsstand, die Erfahrung im Straßenverkehr und die konkrete Situation spielen dabei eine Rolle.

Wichtig ist: Auch wenn ein Kind als nicht zurechnungsfähig gilt, bedeutet das nicht automatisch, dass die Eltern haften. Die Haftung der Eltern hängt davon ab, ob sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Haben die Eltern das Kind altersgerecht beaufsichtigt und auf die Gefahren im Straßenverkehr vorbereitet, können sie unter Umständen von der Haftung befreit sein.

Bei älteren Kindern und Jugendlichen steigt die Erwartung an ihre Fähigkeit, Gefahren einzuschätzen und verantwortungsvoll zu handeln. Ab 14 Jahren gelten Jugendliche grundsätzlich als strafmündig, was auch Auswirkungen auf die zivilrechtliche Verantwortlichkeit hat.

Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit berücksichtigt also das Alter des Kindes, seinen Entwicklungsstand und die konkreten Umstände des Unfalls. Es geht darum, ob das Kind in der Lage war, die Gefährlichkeit seines Handelns zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten. Diese Einschätzung kann im Einzelfall komplex sein und erfordert oft eine genaue Prüfung der individuellen Situation.

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Wann kann mein Kind für einen Fahrradunfall haften, wenn es noch nicht rechtlich verantwortlich ist?

Die Haftung von Kindern bei Fahrradunfällen richtet sich nach dem Alter und der Einsichtsfähigkeit des Kindes. Kinder unter sieben Jahren haften grundsätzlich nicht für Schäden im Straßenverkehr. Dies ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt.

Bei Kindern zwischen sieben und zehn Jahren kommt es auf die individuelle Einsichtsfähigkeit an. Sie können nur dann haften, wenn sie die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatten. Dabei werden Faktoren wie der Entwicklungsstand des Kindes, seine Erfahrung im Straßenverkehr und die konkrete Situation berücksichtigt.

Ab dem zehnten Lebensjahr wird Kindern grundsätzlich zugetraut, die Gefahren des fließenden Verkehrs zu erkennen. Dennoch erfolgt auch hier eine Einzelfallprüfung. Ein wichtiger Aspekt ist, ob das Kind bereits eine Fahrradprüfung absolviert hat. Dies kann als Indiz für die Kenntnis grundlegender Verkehrsregeln gewertet werden.

Die konkreten Umstände des Unfalls spielen eine wichtige Rolle. Ein zehnjähriges Kind mit absolvierter Fahrradprüfung könnte bei Missachtung von Verkehrsregeln durchaus zur Verantwortung gezogen werden. Dabei wird oft eine Teilhaftung festgelegt, bei der das Kind nur einen bestimmten Prozentsatz des Schadens ersetzen muss.

Die elterliche Aufsichtspflicht ist ebenfalls relevant. Eltern haften nicht automatisch für Schäden ihrer Kinder, sondern nur bei Verletzung ihrer Aufsichtspflicht. Hat ein Kind die Fahrradprüfung bestanden und durfte es üblicherweise allein Rad fahren, liegt in der Regel keine Verletzung der Aufsichtspflicht vor.

Die Haftung von Kindern bei Fahrradunfällen erfordert stets eine individuelle Prüfung der Situation unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren.

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Was bedeutet „Billigkeitshaftung“ für die Eltern eines Kindes im Fall eines Fahrradunfalls?

Die Billigkeitshaftung stellt eine Ausnahme vom allgemeinen Verschuldensprinzip im deutschen Haftungsrecht dar. Sie kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn ein Kind einen Schaden verursacht hat, für den es aufgrund mangelnder Deliktsfähigkeit normalerweise nicht haften müsste.

Im Kontext eines Fahrradunfalls, der von einem Kind verursacht wurde, bedeutet die Billigkeitshaftung für die Eltern, dass sie unter bestimmten Umständen trotz fehlenden eigenen Verschuldens für den entstandenen Schaden aufkommen müssen. Diese Haftung basiert auf dem Grundsatz der Billigkeit, also der Fairness und Gerechtigkeit im Einzelfall.

Grundsätzlich haften Eltern nach § 832 BGB für Schäden, die ihre minderjährigen Kinder Dritten zufügen, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Die Billigkeitshaftung geht jedoch einen Schritt weiter: Selbst wenn die Eltern ihrer Aufsichtspflicht ordnungsgemäß nachgekommen sind, kann das Gericht sie nach § 829 BGB zum Schadensersatz verpflichten, wenn dies unter Berücksichtigung der Umstände als gerecht erscheint.

Bei der Beurteilung, ob eine Billigkeitshaftung angemessen ist, berücksichtigen Gerichte verschiedene Faktoren:

1. Die finanziellen Verhältnisse der beteiligten Parteien spielen eine zentrale Rolle. Wenn die Eltern des unfallverursachenden Kindes deutlich besser gestellt sind als der Geschädigte, kann dies für eine Billigkeitshaftung sprechen.

2. Das Alter und der Entwicklungsstand des Kindes werden ebenfalls in Betracht gezogen. Bei älteren Kindern, die bereits ein gewisses Verständnis für die Gefahren des Straßenverkehrs haben sollten, kann eine Billigkeitshaftung eher in Frage kommen als bei sehr jungen Kindern.

3. Die Schwere des Schadens und die Folgen für den Geschädigten können die Entscheidung beeinflussen. Bei besonders gravierenden Schäden könnte eine Billigkeitshaftung eher angenommen werden.

4. Das Vorhandensein einer Haftpflichtversicherung der Eltern kann ebenfalls eine Rolle spielen, allerdings nicht als alleiniger Grund für die Bejahung einer Haftung.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Billigkeitshaftung eine Ausnahme darstellt und nicht automatisch eintritt. Gerichte wenden sie zurückhaltend an, um eine Balance zwischen dem Schutz der Geschädigten und der Förderung der kindlichen Entwicklung zu finden. Die Rechtsprechung berücksichtigt, dass Kinder Freiräume zum Lernen und zur Entwicklung benötigen und nicht jeder von ihnen verursachte Schaden zu einer Haftung der Eltern führen sollte.

Im Fall eines Fahrradunfalls würde ein Gericht also sorgfältig abwägen, ob die Umstände eine Billigkeitshaftung der Eltern rechtfertigen. Dabei würde es prüfen, ob die Eltern ihre Aufsichtspflicht erfüllt haben, indem sie das Kind angemessen auf die Teilnahme am Straßenverkehr vorbereitet und ihm klare Verhaltensregeln vermittelt haben. Gleichzeitig würde es die oben genannten Faktoren berücksichtigen, um zu einer gerechten Entscheidung zu gelangen.

Die Billigkeitshaftung stellt somit ein juristisches Instrument dar, das in Ausnahmefällen einen Ausgleich zwischen den Interessen des Geschädigten und denen der Eltern des unfallverursachenden Kindes schaffen soll. Sie ermöglicht es, auch in Situationen, in denen keine direkte Schuld der Eltern vorliegt, eine faire Lösung zu finden und gleichzeitig die besonderen Umstände der kindlichen Entwicklung zu berücksichtigen.

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Welche konkreten Hinweise können mir helfen, die Haftung meines Kindes im Fall eines Fahrradunfalls zu vermeiden?

Um die Haftung des Kindes bei einem Fahrradunfall zu minimieren, sollten Eltern mehrere wichtige Aspekte beachten. Zunächst ist es entscheidend, die Aufsichtspflicht altersgerecht und situationsangemessen auszuüben. Dies bedeutet, dass Eltern die Fähigkeiten und den Entwicklungsstand ihres Kindes realistisch einschätzen müssen.

Für jüngere Kinder empfiehlt es sich, zunächst nur in verkehrsberuhigten Bereichen oder auf Gehwegen das Radfahren zu erlauben. Mit zunehmender Sicherheit und Erfahrung kann der Aktionsradius schrittweise erweitert werden. Dabei ist es wichtig, dass Eltern ihr Kind anfangs begleiten und ihm die grundlegenden Verkehrsregeln und Sicherheitsaspekte vermitteln.

Ein wesentlicher Punkt ist die gründliche Einweisung des Kindes in die Verkehrsregeln und sicheres Verhalten im Straßenverkehr. Eltern sollten ihrem Kind beibringen, stets aufmerksam zu sein, nach vorne zu schauen und nicht während der Fahrt abgelenkt zu sein. Das Oberlandesgericht Celle hat in einem Fall entschieden, dass ein achtjähriges Kind, das beim Radfahren längere Zeit nach hinten schaute und dadurch einen Unfall verursachte, selbst haftbar war. Dies unterstreicht die Bedeutung, Kindern die Gefahren von Unachtsamkeit im Straßenverkehr deutlich zu machen.

Die regelmäßige Überprüfung und Wartung des Fahrrads ist ebenfalls wichtig. Eltern sollten sicherstellen, dass das Fahrrad ihres Kindes verkehrssicher ist, insbesondere was Bremsen, Beleuchtung und Reflektoren betrifft. Ein technisch einwandfreies Fahrrad kann dazu beitragen, Unfälle zu vermeiden und im Falle eines Unfalls die Haftungsfrage positiv zu beeinflussen.

Es ist ratsam, dem Kind schrittweise mehr Verantwortung zu übertragen. Bei einem normal entwickelten neunjährigen Kind kann davon ausgegangen werden, dass es die grundlegenden Gefahren des Straßenverkehrs kennt und damit umgehen kann. Trotzdem sollten Eltern ihr Kind zunächst auf bekannten Strecken, wie dem Schulweg oder dem Weg zu Freizeitaktivitäten, begleiten und beobachten, bevor sie ihm erlauben, diese Wege selbstständig zurückzulegen.

Das Tragen eines Fahrradhelms sollte zur Pflicht gemacht werden. Obwohl dies nicht direkt die Haftung beeinflusst, kann es die Schwere von Verletzungen im Falle eines Unfalls erheblich reduzieren. Eltern sollten mit gutem Beispiel vorangehen und selbst einen Helm tragen, wenn sie mit dem Fahrrad unterwegs sind.

Ein oft übersehener Aspekt ist die Bedeutung einer privaten Haftpflichtversicherung. Auch wenn Kinder ab sieben Jahren grundsätzlich selbst haftbar gemacht werden können, deckt eine Familienhaftpflichtversicherung in der Regel auch Schäden ab, die durch Kinder verursacht werden. Dies kann im Falle eines Unfalls vor erheblichen finanziellen Belastungen schützen.

Abschließend ist zu betonen, dass die Erziehung zur Selbstständigkeit und Verantwortung im Straßenverkehr ein kontinuierlicher Prozess ist. Eltern sollten regelmäßig mit ihren Kindern über Verkehrssicherheit sprechen und ihr Verhalten im Straßenverkehr beobachten und korrigieren. Durch diese umfassenden Maßnahmen können Eltern das Risiko von Unfällen und damit verbundenen Haftungsfragen erheblich reduzieren.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Deliktsfähigkeit: Die Fähigkeit einer Person, für eine unerlaubte Handlung (unerlaubte Handlung, die einen Schaden verursacht) zivilrechtlich verantwortlich gemacht zu werden. Bei Kindern unter sieben Jahren wird diese Fähigkeit in der Regel verneint, da sie die Folgen ihrer Handlungen noch nicht ausreichend einschätzen können. Bei älteren Kindern und Jugendlichen hängt die Deliktsfähigkeit von ihrer individuellen geistigen Entwicklung ab.
  • Einsichtsfähigkeit: Die Fähigkeit eines Kindes oder Jugendlichen, das Unrecht seiner Handlung zu erkennen und die möglichen Folgen abzuschätzen. Sie ist eine Voraussetzung für die Deliktsfähigkeit. Im vorliegenden Fall wurde die Einsichtsfähigkeit des neunjährigen Mädchens verneint, da es die spezifische Gefahr des Verfangens der Hose im Zahnkranz nicht erkennen konnte.
  • Aufsichtspflicht: Die rechtliche Verpflichtung von Eltern oder Erziehungsberechtigten, auf ihre minderjährigen Kinder aufzupassen und sie vor Gefahren zu schützen. Die Verletzung der Aufsichtspflicht kann zu einer Haftung der Eltern führen, wenn das Kind einen Schaden verursacht. Im vorliegenden Fall wurde angedeutet, dass die Eltern möglicherweise ihre Aufsichtspflicht verletzt haben, indem sie das Kind mit ungeeigneter Kleidung Fahrrad fahren ließen.
  • Schadensersatz: Der Ausgleich eines Schadens, der einer Person durch eine unerlaubte Handlung zugefügt wurde. Der Schadensersatz kann in Geld oder in Naturalrestitution bestehen. Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob das Mädchen oder ihre Eltern Schadensersatz für den Schaden am Auto leisten müssen.
  • Beweiswürdigung: Die Bewertung der Beweise durch das Gericht, um den Sachverhalt festzustellen. Das Gericht ist dabei an bestimmte Regeln gebunden, hat aber auch einen gewissen Ermessensspielraum. Im vorliegenden Fall wurde die Aussage der Beklagten und ihres Bruders als glaubwürdig eingestuft, obwohl die Jogginghose nicht mehr vorgelegt werden konnte.
  • Berufung: Ein Rechtsmittel, mit dem ein Urteil einer unteren Instanz (z.B. Amtsgericht) bei einer höheren Instanz (z.B. Landgericht) angefochten werden kann. Ziel der Berufung ist es, das Urteil aufzuheben oder abzuändern. Im vorliegenden Fall wurde die Berufung des Klägers, der den Schadensersatz gefordert hatte, vom Landgericht zurückgewiesen.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 828 Abs. 3 BGB (Minderjährigenhaftung): Dieser Paragraph regelt die Haftung von Minderjährigen für Schäden, die sie verursachen. Minderjährige unter sieben Jahren sind grundsätzlich nicht deliktsfähig, d.h., sie können nicht für Schäden haftbar gemacht werden. Bei Minderjährigen zwischen sieben und 18 Jahren kommt es auf ihre Einsichtsfähigkeit an. Im vorliegenden Fall wurde die Beklagte, ein neunjähriges Mädchen, als nicht einsichtsfähig eingestuft, da sie die spezifische Gefahr, die von einer weiten Hose beim Fahrradfahren ausgeht, nicht erkennen konnte.
  • § 828 Abs. 2 BGB (Haftung bei über 10-Jährigen): Dieser Paragraph besagt, dass Kinder ab 10 Jahren grundsätzlich deliktsfähig sind, es sei denn, sie können nachweisen, dass sie zum Zeitpunkt der Tat nicht einsichtsfähig waren. Im vorliegenden Fall war dies nicht relevant, da die Beklagte erst neun Jahre alt war.
  • § 829 BGB (Haftung aus Billigkeitsgründen): Dieser Paragraph ermöglicht eine Haftung aus Billigkeitsgründen, wenn ein Schadenersatzanspruch nach § 828 BGB nicht besteht, aber dennoch eine Haftung gerechtfertigt erscheint. Im vorliegenden Fall wurde eine solche Haftung abgelehnt, da keine besonderen Umstände vorlagen, die eine Haftung des Kindes rechtfertigen würden.
  • § 832 BGB (Elternhaftung): Dieser Paragraph regelt die Haftung der Eltern für ihre minderjährigen Kinder. Eltern haften für Schäden, die ihre Kinder verursachen, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Im vorliegenden Fall wurde die Möglichkeit einer Elternhaftung angedeutet, da die Eltern das Kind möglicherweise mit ungeeigneter Kleidung Fahrrad fahren ließen.
  • § 286 ZPO (Beweiswürdigung): Diese Vorschrift regelt die freie Beweiswürdigung durch das Gericht. Das Gericht kann alle Beweismittel berücksichtigen und nach seiner Überzeugung bewerten. Im vorliegenden Fall wurde die Aussage der Beklagten und ihres Bruders als glaubwürdig eingestuft, obwohl die Jogginghose nicht mehr vorgelegt werden konnte.

Das vorliegende Urteil

LG Wuppertal – Az.: 9 S 114/15 – Urteil vom 01.10.2015


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Mettmann vom 04.05.2015 (Az. 25 C 301/14) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von einer Sachverhaltsdarstellung wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Weder die Beweiswürdigung des Amtsgerichts noch seine rechtliche Beurteilung sind zu beanstanden.

Soweit es für die rechtliche Beurteilung des Schadensereignisses darauf ankommt, ob sich die Jogginghose der Beklagten tatsächlich in der Fahrradkette verfangen hat, was letztlich zu dem Schaden geführt haben soll, so sind gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Berufungsentscheidung die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Der Kläger zweifelt indes lediglich die Beweiswürdigung des Amtsgerichts an, ohne dabei aufzuzeigen, dass oder warum die vom Amtsgericht vorgenommene Würdigung gegen die Grundsätze der inneren Logik verstoßen, wesentliche Aspekte unberücksichtigt oder anerkannte Kriterien der Beweiswürdigung außer Acht gelassen hätte. Auch dafür, dass die Tatsachenfeststellung durch das erstinstanzliche Gericht unrichtig oder unvollständig wäre, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte. Selbst unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass sich konkrete Zweifel an den Feststellungen auch aus einer unterschiedlichen Wertung seitens des Berufungsgerichts, insbesondere aus einer abweichenden Beweiswürdigung, ergeben können (vgl. BGH, NJW 2005, 1583), erscheinen die Feststellungen des Amtsgericht nicht fehlerhaft.

Dass das Amtsgericht kein Sachverständigengutachten zur Frage eingeholt hat, ob sich die Jogginghose der Beklagten tatsächlich in der Kette bzw. im Zahnkranz ihres Fahrrads hat verfangen können, ist nicht zu beanstanden, denn es bedurfte eines solchen Gutachtens nicht, da bereits anhand des in der Akte befindlichen Fotos des Fahrrads (Bl. 104 d.A.) ohne weiteres erkennbar ist, dass eben dies möglich ist. Es handelt sich – wie vom Amtsgericht zu Recht festgestellt – um ein geländegängiges Fahrrad ohne Kettenschutz mit freiliegendem vorderen Zahnkranz („Ritzel“). Es erscheint ohne weiteres denkbar, dass sich eine Hose aus weichem Stoff in diesem Zahnkranz bzw. zwischen Zahnkranz und Kette verfangen kann.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte die streitbefangene Jogginghose auf Anforderung der Kammer nicht mehr vorlegen konnte. Zwar kann eine Beweisvereitelung im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO nachteilig bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Voraussetzung dafür wäre aber ein zu missbilligendes Verhalten vor oder während des Prozesses; eine Beweisvereitelung liegt also nicht vor, wenn für das Verhalten der Partei verständliche Gründe angeführt werden können (BGH, NJW-RR 1996, 1534). Vorliegend kann der Beklagten aber kein Vorwurf gemacht werden, dass die bei dem Unfallereignis nach Angaben der Beklagten „sehr zerfetzte“ Hose entsorgt wurde. Anders als hinsichtlich des Fahrrads selbst war kaum zu erwarten, dass es im hiesigen Prozess auf die Beschaffenheit der Hose ankommen würde.

Auch die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte die Frage des Gerichts, ob die Hose „sehr bollerig“ war, bejaht hat, steht nicht im Widerspruch zu der Aussage ihres Bruders, wonach die Hose unten ein Gummiband hatte und darüber weiter war. Denn jedenfalls handelte es sich – was bei Jogginghosen auch üblich ist – nach den übereinstimmenden Angaben der Beklagten bzw. ihres Bruders nicht um eine eng anliegende, sondern um eine weiter fallende Hose. Ob diese nun über ein Gummiband verfügte oder nicht, konnte offen bleiben, da sie jedenfalls oberhalb des Gummibandes weit geschnitten war und sich damit im Zahnkranz bzw. der Kette verfangen konnte, da sich der weiter ausfallende Bereich der Hose je nach Pedalstellung jedenfalls auf Höhe des Zahnkranzes befand.

Die auf dieser Grundlage (Verfangen der Hose im Zahnkranz des Fahrrads) basierende rechtliche Würdigung des Amtsgerichts ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zu Recht ist das Amtsgericht zunächst davon ausgegangen, dass § 828 Abs. 2 BGB hier keine Anwendung findet (BGH, NJW-RR 2005, 347). Ebenfalls zu Recht ist es davon ausgegangen, dass der Beklagten der – ihr obliegende – Beweis der fehlenden Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 828 Abs. 3 BGB gelungen ist. Hierzu hat der BGH ausgeführt (BGH, LM Nr 3 zu § 828 BGB, juris):

„Die Einsichtsfähigkeit ist zu bejahen, wenn der Jugendliche diejenige geistige Entwicklung erreicht hat, die ihn befähigt, das Unrechtmäßige seiner Handlung und zugleich die Verpflichtung zu erkennen, in irgendeiner Weise für die Folgen seines Tuns einstehen zu müssen. Dabei ist nur ein allgemeines Verständnis dafür zu fordern, dass die Handlung gefährlich ist und seine Verantwortung begründen kann. Kennt ein Jugendlicher die Gefährlichkeit seiner Handlung, so wird er im allgemeinen auch wissen, dass er zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn er sie dennoch begeht. Die Erkenntnis, dass sein Handeln gefährlich sei, setzt nicht die Vorstellung voraus, welche besondere Gefahr droht. Es genügt vielmehr die Erkenntnis einer allgemeinen Gefahr und eines allgemeinen Schadens.“

In diesem Sinne ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Gefährlichkeit ihrer Handlung nicht kannte. Denn Handlung im vorgenannten Sinne war nicht das Fahrradfahren als solches, sondern das gefahrgesteigerte Fahrradfahren mit einer (weiten bzw. „bollerigen“) Jogginghose. Insoweit fehlte das Verständnis der Beklagten, dass die Handlung gefährlich ist und eine Verantwortung begründen kann. Zwar wurde die Beklagte in der persönlichen Anhörung vom Amtsgericht hierzu nicht ausdrücklich befragt. Sie hatte sich aber schriftsätzlich auf eine fehlende Zurechnungsfähigkeit berufen. Die Angabe der Beklagten in der persönlichen Anhörung, sie habe eine „ganz normale Sporthose“ angehabt, lässt erkennen, dass ein diesbezügliches Gefahrbewusstsein nicht vorhanden war.

Ein solches ist bei der Beklagten auch nicht zu erwarten gewesen. Die Gefahr, dass die Hose in oder an die Kette gerät, wird heutzutage allgemein als nicht (mehr) als besonders hoch angesehen wird, was daran erkennbar ist, dass die Benutzung von Hosenklammern vollständig aus der Mode gekommen ist. Dies mag auch daran liegen, dass Fahrräder heute üblicherweise über einen Kettenschutz verfügen. Die neunjährige Beklagte konnte aber nicht erkennen, dass bei ihrem Fahrrad aufgrund des fehlenden Kettenschutzes eine ungleich höhere Gefahr des Verfangens der Hose bestand. Zudem handelte es sich – wie es die Beklagte selbst bezeichnet hat – um eine „Sporthose“. Kinder werden im Allgemeinen angehalten, beim Fahrradfahren gerade Sporthosen zu benutzen, um die „guten“ Hosen zu schonen. Dass mit dieser Handhabung eine gesteigerte Gefährlichkeit einhergeht, muss ein neunjähriges Kind nicht erkennen. Es erscheint daher nicht fehlerhaft, dass das Amtsgericht davon ausgegangen ist, dass der Beklagten nicht bewusst war, dass gerade die Nutzung der Sporthose zu einer gesteigerten Gefährlichkeit des Fahrradfahrens führte.

Selbst wenn man eine Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 828 Abs. 3 BGB bejahen würde, so wäre aber jedenfalls ein Verschulden der Beklagten, also Fahrlässigkeit im Sinne des § 276 BGB, zu verneinen. Insoweit wäre darauf abzustellen, ob ein normal entwickeltes Kind dieses Alters die Gefährlichkeit des Tuns hätte voraussehen und dieser Einsicht gemäß hätte handeln können und müssen (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl., § 828, Rn. 7, m.w.N.). In diesem Sinne wäre für einen Fahrlässigkeitsvorwurf Voraussetzung, dass ein Kind erkennen kann, welche Konsequenzen es hat, wenn sich eine Hose im Zahnkranz des Fahrrads verfängt und wie sich dies auf die Steuerungsfähigkeit des Fahrrades auswirkt. Diese Einsicht kann von einem Kind im Alter von neun Jahren aber nicht erwartet werden. Ebenso kann nicht erwarten werden, dass ein Kind, wenn sich denn die Hose im Zahnkranz verfangen hat, sofort kontrolliert anhält, um einen Sturz zu vermeiden.

Die Kammer hat sich insoweit in der Lage gesehen, die Einsichtsfähigkeit von Kindern der betroffenen Altersstufe aus eigener Sachkenntnis zu beurteilen, da sämtliche Kammermitglieder Kinder haben, die sich zur Zeit etwa im Alter der Beklagten zum Zeitpunkt des Unfallereignisses befinden bzw. noch vor wenigen Jahren in diesem Alter waren.

Soweit die Berufung darauf abstellt, dass zwischen dem Verfangen der Hose und dem Verreißen des Lenkers kein Zusammenhang bestünde, so ist auch dem nicht zu folgen. Es mag sein, dass die Beklagte noch eine Weile weitergefahren ist. Dies ändert aber nichts daran, dass sie schließlich ihre Konzentration auf die verfangene Hose richtete, deswegen sie nicht mehr in der Lage war, das Fahrrad adäquat zu steuern und es deswegen zur Kollision mit dem klägerischen PKW kam.

Schließlich ist das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass auch eine Ersatzpflicht aus Billigkeitsgründen nach § 829 BGB nicht in Betracht kommt. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass es durchaus denkbar erscheint, dass sich die Eltern der Beklagten, wenn sie ihr Kind mit einer hierzu ungeeigneten Hose haben Fahrrad fahren lassen, gegebenenfalls selbst – aufgrund einer Verletzung ihrer Aufsichtspflichten (§ 832 BGB) – schadensersatzpflichtig gemacht haben.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 1.768,13 EUR

 


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