Übersicht
- 1 Das Wichtigste in Kürze
- 2 E-Scooter-Unfälle: Rechtliche Herausforderungen und Haftungsfragen im Fokus
- 3 Der Fall vor Gericht
- 4 Die Schlüsselerkenntnisse
- 5 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 5.1 Welche Haftungsregeln gelten bei Unfällen zwischen E-Scootern und PKW?
- 5.2 Wie ist die Vorfahrtsregelung bei Ampelquerungen mit E-Scootern zu beachten?
- 5.3 Welche Versicherungspflichten bestehen für E-Scooter-Fahrer?
- 5.4 Welche Beweismittel sind bei E-Scooter-Unfällen besonders wichtig?
- 5.5 Welche Schadenersatzansprüche können bei E-Scooter-Unfällen geltend gemacht werden?
- 6 Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- 7 Wichtige Rechtsgrundlagen
- 8 Weitere Beiträge zum Thema
- 9 Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Münster
- Datum: 09.03.2020
- Aktenzeichen: 8 O 272/19
- Verfahrensart: Zivilprozess wegen Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall
- Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Zivilrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Halterin eines Opel Meriva. Sie behauptet, bei einem Unfall mit einem E-Scooter sei sie nicht schuld. Verlangt Schadensersatz für Fahrzeugschaden, Sachverständigenkosten, Nutzungsausfall und Anwaltskosten.
- Beklagter 1: Fahrer eines E-Scooters, versichert bei der Beklagten 2. Behauptet, er habe Grünlicht gehabt, als er die Straße überquerte.
- Beklagte 2: Haftpflichtversicherer des E-Scooters.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Bei einem Verkehrsunfall zwischen dem von der Klägerin gefahrenen Auto und einem E-Scooter entstanden Schäden am Fahrzeug der Klägerin. Der Unfall ereignete sich, als der E-Scooter die Straße überquerte.
- Kern des Rechtsstreits: Streit darüber, wer die Vorfahrt hatte und welche Ampellichter zum Unfallzeitpunkt angezeigt wurden. Die Klägerin behauptet, Grünlicht gehabt zu haben, während der Beklagte 1 das gleiche für sich behauptet.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz.
- Begründung: Der E-Scooter fällt unter die Ausnahmeregelung des § 8 Nr. 1 StVG, womit eine Gefährdungshaftung ausgeschlossen ist. Beweisaufnahme hat bestätigt, dass der E-Scooter-Fahrer bei Grünlicht fuhr. Die Klägerin konnte das Gegenteil nicht nachweisen.
- Folgen: Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E-Scooter-Unfälle: Rechtliche Herausforderungen und Haftungsfragen im Fokus
Verkehrsunfälle zwischen PKW und E-Scooter nehmen zu, was sowohl rechtliche als auch sicherheitstechnische Fragen aufwirft. Die Nutzung von E-Scootern hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen, wodurch ein neues Mobilitätsverhalten in städtischen Gebieten entstanden ist. Dabei kommt es zunehmend zu Kollisionen zwischen E-Scootern und anderen Verkehrsteilnehmern, wie etwa Fahrzeugen oder Fußgängern, was die Relevanz von Verkehrsregeln und Sicherheitsvorkehrungen unterstreicht.
Die juristische Aufarbeitung von E-Scooter Unfällen ist komplex, insbesondere wenn es um Haftungsfragen und Schadensregelungen geht. Unterschiede in der Rechtslage können sich entscheidend auf die Unfallberatung und die Ansprüche der Beteiligten auswirken. Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die Herausforderungen und rechtlichen Fragestellungen verdeutlicht.
Der Fall vor Gericht
E-Scooter-Unfall in Münster: Gericht weist Klage der Autofahrerin ab
Bei einem Verkehrsunfall zwischen einem E-Scooter und einem Opel Meriva auf der W-Straße in Münster hat das Landgericht die Schadenersatzklage der Autofahrerin in vollem Umfang abgewiesen. Der Unfall ereignete sich im Jahr 2019 an einer Fußgängerampel mit Querungshilfe, als der E-Scooter-Fahrer die Straße überquerte und es zur Kollision mit dem stadteinwärts fahrenden Fahrzeug kam.
Sachverhalt und Unfallhergang
Die Klägerin befuhr mit ihrem Opel Meriva die linke Fahrspur der zweispurigen W-Straße mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h. Der beklagte E-Scooter-Fahrer überquerte die Straße im Bereich einer Fußgängerampel mit Mittelinsel. Trotz einer eingeleiteten Vollbremsung der Autofahrerin kam es zum Zusammenstoß. Am Opel Meriva entstand ein Sachschaden von 5.932,01 Euro. Die Klägerin machte zusätzlich Sachverständigenkosten in Höhe von 869,77 Euro, eine Kostenpauschale von 30 Euro sowie Nutzungsausfall von 315 Euro geltend.
Rechtliche Bewertung des Landgerichts Münster
Das Gericht schloss eine Gefährdungshaftung nach § 7 StVG für den E-Scooter aus, da es sich um ein Fahrzeug handelte, das bauartbedingt nicht schneller als 20 km/h fahren konnte. Nach § 8 Nr. 1 StVG ist die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung in solchen Fällen nicht anwendbar. Der E-Scooter war als Elektrokleinstfahrzeug nach der eKFV zugelassen, die zum Unfallzeitpunkt bereits in Kraft war.
Zeugenaussagen und Beweisaufnahme
Eine zentrale Zeugin bestätigte vor Gericht, dass sie gemeinsam mit dem E-Scooter-Fahrer zunächst an der roten Fußgängerampel wartete. Erst als die Ampel auf Grün schaltete, überquerte der Beklagte die Straße. Die Zeugin bekräftigte mehrfach, dass die Ampel auch nach Passieren der Mittelinsel noch Grün zeigte. Die beiden im Auto der Klägerin mitfahrenden Zeuginnen konnten hingegen keine präzisen Angaben zur Ampelschaltung machen, da sie nach eigenen Aussagen mit der Suche nach einer neuen Route beschäftigt waren, nachdem die Fahrerin zuvor eine Abbiegung verpasst hatte.
Urteilsgründe und Schadenersatzansprüche
Das Gericht sah auch keine Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB, da der Klägerin der Nachweis eines fahrlässigen Verhaltens des E-Scooter-Fahrers nicht gelang. Der Beklagte durfte aufgrund der für ihn grün zeigenden Ampel darauf vertrauen, dass die Fahrzeuge auf der W-Straße anhalten würden. Eine mögliche Ampelfehlschaltung wäre für den E-Scooter-Fahrer nicht erkennbar gewesen. Gegen eine unangepasste Geschwindigkeit sprach zudem, dass der Beklagte vor der Überquerung zunächst vom Roller abgestiegen war und erst bei Grün losfuhr.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass E-Scooter aufgrund ihrer geringen Höchstgeschwindigkeit von maximal 20 km/h nicht der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung unterliegen. Ein E-Scooter-Fahrer haftet bei einem Unfall nur dann, wenn ihm ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden kann. Wenn der E-Scooter-Fahrer bei Grün eine Ampel überquert, darf er darauf vertrauen, dass Autofahrer bei Rot anhalten – selbst wenn eine Ampelfehlschaltung vorliegen sollte.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie als Autofahrer in einen Unfall mit einem E-Scooter verwickelt werden, müssen Sie dem E-Scooter-Fahrer ein Fehlverhalten nachweisen können, um Schadenersatz zu erhalten. Dies gilt auch dann, wenn Ihr Auto erheblich beschädigt wurde. Als E-Scooter-Fahrer können Sie sich darauf verlassen, dass Sie bei grüner Ampel die Straße überqueren dürfen – die Verantwortung für einen möglichen Unfall liegt dann beim Autofahrer. Besonders wichtig ist es daher für alle Beteiligten, sich die Ampelschaltung zum Unfallzeitpunkt genau zu merken und mögliche Zeugen zu notieren.
Benötigen Sie Hilfe?
Nach einem E-Scooter-Unfall stehen Sie vor komplexen rechtlichen Fragen zur Haftung und Beweislast. Die korrekte rechtliche Einordnung Ihrer individuellen Situation kann entscheidend für die Durchsetzung Ihrer Ansprüche sein. Unsere erfahrenen Anwälte analysieren Ihren Fall und entwickeln mit Ihnen eine passende Strategie – gerade wenn es um spezielle Aspekte wie Ampelschaltungen oder die Beweissicherung geht. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Haftungsregeln gelten bei Unfällen zwischen E-Scootern und PKW?
Bei einem Unfall zwischen E-Scooter und PKW gelten unterschiedliche Haftungsregeln für beide Verkehrsteilnehmer. Der PKW unterliegt der Gefährdungshaftung nach dem Straßenverkehrsgesetz, während für den E-Scooter nur eine Verschuldenshaftung gilt.
Haftung des PKW-Fahrers
Der PKW-Fahrer und -Halter haften bereits aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeugs, ohne dass ein Verschulden nachgewiesen werden muss. Diese Haftung ergibt sich aus der grundsätzlichen Gefährlichkeit von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr.
Haftung des E-Scooter-Fahrers
Wenn der PKW-Fahrer Ansprüche gegen den E-Scooter-Fahrer geltend machen möchte, muss er dessen Verschulden nachweisen. Dies liegt daran, dass E-Scooter aufgrund ihrer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h von der Gefährdungshaftung ausgenommen sind.
Praktische Auswirkungen
In der Praxis bedeutet dies:
- Der E-Scooter-Fahrer kann leichter Schadensersatz vom PKW-Halter verlangen
- Der PKW-Halter muss für seine Ansprüche ein Verschulden des E-Scooter-Fahrers beweisen
- Nach erfolgreicher Beweisführung kann eine Haftungsabwägung wegen Mitverschulden erfolgen
Versicherungsschutz
Für beide Fahrzeuge besteht eine Versicherungspflicht. Bei gemieteten E-Scootern sorgt der Verleiher für die notwendige Versicherung. Die Versicherung übernimmt Schäden, die der Fahrer einem Dritten zufügt, einschließlich Personen- und Sachschäden.
Wie ist die Vorfahrtsregelung bei Ampelquerungen mit E-Scootern zu beachten?
E-Scooter-Fahrer unterliegen an Ampeln den gleichen Verkehrsregeln wie alle anderen Verkehrsteilnehmer. Bei einer roten Ampel muss zwingend angehalten werden.
Bußgelder bei Rotlichtverstößen
Bei Missachtung einer roten Ampel werden folgende Sanktionen verhängt:
Verstoß | Bußgeld | Punkte |
---|---|---|
Einfacher Rotlichtverstoß | 60 € | 1 |
Rotlicht länger als 1 Sekunde | 100 € | 1 |
Mit Gefährdung | 160 € | 1 |
Mit Sachbeschädigung | 180 € | 1 |
Besondere Verhaltensregeln
E-Scooter müssen grundsätzlich die Radwege benutzen. Auf gemeinsamen Geh- und Radwegen haben E-Scooter-Fahrer besondere Rücksicht auf Fußgänger zu nehmen und dürfen diese weder behindern noch gefährden.
Neue Regelungen ab 2024
Ab 2024 dürfen E-Scooter-Fahrer wie Radfahrer den Grünpfeil an Ampeln nutzen. Dies gilt allerdings nur, wenn sie sich vorher vollständig vergewissert haben, dass keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet werden.
Technische Anforderungen
Für eine sichere Teilnahme am Ampelverkehr muss der E-Scooter über:
- zwei voneinander unabhängige Bremsen
- eine funktionierende Beleuchtungsanlage
- eine Klingel zur Warnung anderer Verkehrsteilnehmer verfügen.
Ab 2027 werden Blinker für neu zugelassene E-Scooter verpflichtend, da viele Nutzer das Handzeichengeben als unsicher empfinden.
Welche Versicherungspflichten bestehen für E-Scooter-Fahrer?
Für E-Scooter besteht eine gesetzlich vorgeschriebene Versicherungspflicht in Form einer Kfz-Haftpflichtversicherung. Diese Pflicht gilt für alle E-Scooter mit einer Höchstgeschwindigkeit zwischen 6 und 20 km/h, die im öffentlichen Verkehr genutzt werden.
Versicherungsnachweis und Kennzeichnung
An Ihrem E-Scooter muss eine gültige Versicherungsplakette angebracht sein. Diese Plakette dient als offizielles Kennzeichen und Nachweis des bestehenden Versicherungsschutzes. Die Versicherungsperiode läuft jeweils bis zum letzten Februartag des Kalenderjahres.
Versicherungsschutz und Deckung
Die E-Scooter-Haftpflichtversicherung deckt Schäden ab, die Sie anderen zufügen. Dies umfasst:
- Sachschäden, etwa Kratzer am parkenden Auto
- Personenschäden bei Zusammenstößen mit anderen Verkehrsteilnehmern
- Vermögensschäden als Folge von Unfällen
Die Versicherungssummen betragen dabei bis zu 100 Millionen Euro je Schadensfall, bei Personenschäden werden maximal 15 Millionen Euro je geschädigter Person übernommen.
Konsequenzen bei fehlender Versicherung
Wenn Sie ohne Versicherungsschutz fahren, begehen Sie eine Straftat nach dem Pflichtversicherungsgesetz. Dies kann mit einer Geldstrafe oder sogar einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden. Zusätzlich müssen Sie bei einem Unfall ohne Versicherungsschutz für sämtliche verursachten Schäden persönlich aufkommen.
Die jährlichen Kosten für eine E-Scooter-Versicherung liegen zwischen 20 und 40 Euro. Die Beiträge werden anteilig nach dem Abschlussmonat berechnet.
Welche Beweismittel sind bei E-Scooter-Unfällen besonders wichtig?
Bei E-Scooter-Unfällen kommt den Beweismitteln eine besondere Bedeutung zu, da ein Verschulden konkret nachgewiesen werden muss. Anders als bei normalen Kraftfahrzeugen greift bei E-Scootern keine automatische Gefährdungshaftung.
Zeugenaussagen und Dokumentation
Zeugenaussagen sind oft entscheidend für die Beweisführung. Dies zeigt sich beispielsweise in einem Fall des Landgerichts Münster, wo die detaillierte Aussage einer Zeugin über die Ampelschaltung ausschlaggebend für die Entscheidung war.
Unfallspuren und technische Beweise
Nach einem Unfall sollten Sie unmittelbar:
- Die Unfallstelle fotografisch dokumentieren
- Den Standort aller Beteiligten markieren
- Die Schäden an allen Fahrzeugen aufnehmen
- Die Kontaktdaten aller Beteiligten und Zeugen erfassen
Behördliche Dokumentation
Die polizeiliche Unfallaufnahme ist bei Personenschäden oder erheblichen Sachschäden zwingend erforderlich. Die Polizei sichert wichtige Spuren und erstellt ein Unfallprotokoll, das später als Beweismittel dienen kann.
Medizinische Dokumentation
Bei Verletzungen ist die umgehende ärztliche Dokumentation von großer Bedeutung. Die Zahl der Verletzten bei E-Scooter-Unfällen steigt kontinuierlich, wobei besonders die Zahl der Leichtverletzten stark zugenommen hat.
Technische Überprüfung
Die technische Überprüfung des E-Scooters ist wichtig, um festzustellen, ob:
- Die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h eingehalten wurde
- Die vorgeschriebenen Sicherheitseinrichtungen funktionstüchtig waren
- Eine gültige Betriebserlaubnis vorlag
Welche Schadenersatzansprüche können bei E-Scooter-Unfällen geltend gemacht werden?
Grundsätzliche Haftungssituation
Bei einem Unfall zwischen E-Scooter und PKW gilt eine unterschiedliche Haftungsgrundlage für beide Fahrzeuge. E-Scooter unterliegen nicht der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung, da sie bauartbedingt nur maximal 20 km/h fahren können. PKW-Fahrer haften hingegen bereits aufgrund der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs.
Ansprüche des E-Scooter-Fahrers
Wenn Sie als E-Scooter-Fahrer in einen Unfall mit einem PKW verwickelt werden, können Sie Schadenersatz geltend machen, ohne ein Verschulden des PKW-Fahrers nachweisen zu müssen. Die Kosten für Ihre Verletzungen übernimmt zunächst Ihre Krankenversicherung. Bei bleibenden Schäden kann eine private Unfallversicherung weitere Leistungen erbringen.
Ansprüche des PKW-Fahrers
Als PKW-Fahrer müssen Sie bei einem Unfall mit einem E-Scooter ein Verschulden des E-Scooter-Fahrers konkret nachweisen. Die Schadensregulierung erfolgt dann über die Haftpflichtversicherung des E-Scooters. Diese Versicherung deckt sowohl Sach- als auch Personenschäden ab.
Besonderheit bei technischen Mängeln
Ein Schadenersatzanspruch kann entfallen, wenn der Unfall durch einen technischen Mangel am E-Scooter verursacht wurde und der Halter nachweisen kann, dass er den Mangel weder kannte noch kennen musste. In solchen Fällen ist eine Einzelfallprüfung erforderlich.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Gefährdungshaftung
Eine gesetzlich geregelte Form der verschuldensunabhängigen Haftung für Schäden, die durch den Betrieb bestimmter gefährlicher Sachen entstehen. Sie ist in § 7 StVG für Kraftfahrzeuge und in anderen Gesetzen für andere Gefahrenquellen geregelt. Der Halter haftet dabei unabhängig von eigenem Verschulden allein aufgrund der Tatsache, dass er eine gefährliche Sache betreibt. Beispiel: Ein Autofahrer haftet auch dann, wenn ihn keine Schuld am Unfall trifft, etwa bei einem technischen Defekt.
Sachverständigenkosten
Kosten für einen unabhängigen Experten, der nach einem Unfall den Schaden begutachtet und ein Gutachten erstellt. Diese Kosten sind Teil des ersatzfähigen Schadens und müssen vom Unfallverursacher übernommen werden, sofern die Begutachtung erforderlich war. Die Höhe muss angemessen sein und wird nach der Schadenshöhe bemessen. Beispiel: Nach einem Unfall lässt der Geschädigte den Schaden durch einen Kfz-Sachverständigen ermitteln.
Nutzungsausfall
Eine Entschädigung für den Zeitraum, in dem ein beschädigtes Fahrzeug nicht genutzt werden kann. Dieser Anspruch besteht nach § 249 BGB auch ohne Anmietung eines Ersatzfahrzeugs. Die Höhe richtet sich nach Tabellen und hängt von Fahrzeugklasse und Ausfallzeit ab. Beispiel: Während der zweiwöchigen Reparatur des Unfallfahrzeugs erhält der Geschädigte eine tägliche Nutzungsausfallentschädigung.
Elektrokleinstfahrzeug
Ein durch Elektroantrieb bewegtes Fahrzeug ohne Sitz nach der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV). Es darf maximal 20 km/h schnell sein und muss bestimmte technische Anforderungen erfüllen. Die Verordnung regelt auch Versicherungspflicht und Verhaltensregeln. Beispiel: E-Scooter fallen unter diese Kategorie und benötigen eine Betriebserlaubnis sowie ein Versicherungskennzeichen.
Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB
Der zentrale Paragraf des deutschen Deliktsrechts, der die Schadensersatzpflicht bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung bestimmter Rechtsgüter regelt. Voraussetzung ist ein schuldhaftes (vorsätzliches oder fahrlässiges) Verhalten, das zu einem Schaden führt. Der Geschädigte muss das Verschulden nachweisen. Beispiel: Ein Radfahrer verletzt einen Fußgänger durch unachtsames Fahren.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB (Schadenersatzpflicht): Diese Norm regelt die allgemeine Schadenersatzpflicht bei unerlaubten Handlungen. Der Geschädigte kann Schadensersatz verlangen, wenn jemand vorsätzlich oder fahrlässig einen anderen schädigt. Im vorliegenden Fall forderte die Klägerin Schadenersatz, da sie der Meinung war, dass der Beklagte zu 1. durch sein Verhalten für den Unfall verantwortlich war, wobei die Kollision auf eine mögliche Verkehrswidrigkeit des Beklagten zurückgeführt wurde.
- § 7 StVG (Haftung des Fahrzeughalters): Diese Vorschrift besagt, dass der Halter eines Fahrzeugs für Schäden haftet, die durch den Betrieb des Fahrzeugs verursacht werden. Da der Beklagte zu 1. mit einem E-Scooter, der unter die Regelungen für motorisierte Fahrzeuge fällt, in den Unfall verwickelt war, stellt sich die Frage nach der Halterhaftung und ob diese auf die Beklagten übertragbar ist, was im Urteil eine entscheidende Rolle spielte.
- § 1 Abs. 1 StVO (Grundrechte der Verkehrsteilnehmer): Dieser Paragraph regelt die Grundpflichten aller Verkehrsteilnehmer, insbesondere das Rücksichtnehmen aufeinander. Die Klage könnte als Argument hinführen, dass der Beklagte zu 1. nicht ausreichend auf den Verkehr geachtet hat, als er die Straße überquerte. Das Gericht musste prüfen, inwiefern dieses Verhalten zur Unfallentstehung beitrug und ob der Klägerin ein Mitverschulden anzulasten war.
- § 9 StVO (Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren): In diesem Paragraphen geht es um die besonderen Regeln, die beim Abbiegen und Überqueren von Straßen beachtet werden müssen. Hier könnte die Klägerin argumentiert haben, dass der Beklagte zu 1. beim Überqueren der Straße gegen diese Regel verstoßen hat, was zur Kollision beitrug. Das hatte zu entscheiden, ob diese Verkehrsregel hier relevant war und inwiefern sie die Schuldfrage beeinflusst.
- eKFV (Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung): Diese Verordnung regelt den sicherheitstechnischen Rahmen für Elektrofahrzeuge wie E-Scooter. Sie legt fest, dass E-Scooter nur mit einer maximalen Geschwindigkeit von 20 km/h fahren dürfen und bestimmte Anforderungen an die Fahrweise und Nutzung gestellt werden. Im Fall war entscheidend, ob der Beklagte zu 1. gemäß dieser Vorgaben gehandelt hat, da dies Einfluss auf die rechtliche Bewertung seines Verhaltens im Kontext des Verkehrsunfalls hatte.
Weitere Beiträge zum Thema
- Sturz einer blinden Person über auf Gehweg abgestelltem E-Scooter – Schadensersatz
Ein blinder Fußgänger stürzt über falsch geparkte E-Scooter und erleidet schwere Verletzungen. Vor Gericht fordert er Schmerzensgeld, doch der Anbieter geht straffrei aus. Das Gericht urteilt: E-Scooter sind wie Fahrräder und dürfen auch so abgestellt werden. → → Rechtslage beim Sturz über E-Scooter auf Gehwegen - Beweissicherung nach einem Verkehrsunfall: Wie man die Schuld des Unfallgegners beweist
Dieser Ratgeber zeigt Ihnen Schritt für Schritt, wie Sie nach einem Unfall die entscheidenden Beweise sichern, um Ihre Rechte zu wahren und die Schuldfrage eindeutig zu klären. Denn nur mit stichhaltigen Beweisen können Sie Ihre Ansprüche erfolgreich durchsetzen. → → Tipps zur Beweissicherung nach Unfällen - Verkehrsunfall: Haftungsquoten nach Verursachungsbeiträgen am Unfall
Eine schuldhafte Verursachung des Verkehrsunfalls durch den Kläger konnte nicht festgestellt werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Unfall im Kreuzungsbereich ereignet hat. → → Haftungsquoten bei Unfallursachen klären - Haftung bei berührungslosem Verkehrsunfall
Ein berührungsloser Verkehrsunfall kann emotional belastend und rechtlich komplex sein. Sie fragen sich, wer für die entstandenen Schäden aufkommt und ob Sie Anspruch auf Entschädigung haben könnten? Als erfahrene Rechtsberater in Verkehrsrecht verstehen wir Ihre Sorgen und Unsicherheiten. → → Ansprüche und Haftung bei berührungslosen Unfällen - Verkehrsunfall zwischen zwei Fahrzeugen beim gleichzeitigen Ein- und Ausparken
Der vorliegende Fall betrifft einen Fahrzeugunfall, der auf einem Parkplatz stattfand und bei dem zwei Fahrzeuge beim Ein- und Ausparken kollidierten. Hierbei stellt sich das Kernproblem, wer die Hauptverantwortung für den entstandenen Schaden trägt und wie diese rechtlich zu beurteilen ist. → → Rechtliche Klärung bei Parkunfällen
Das vorliegende Urteil
Landgericht Münster – Az.: 8 O 272/19 – Urteil vom 09.03.2020
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.