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Kündigung bei Schriftformerfordernis – unterschriebenes Telefax reicht nicht

AG Hamburg, Az.: 12 C 92/16, Urteil vom 22.09.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Kündigung bei Schriftformerfordernis – unterschriebenes Telefax reicht nicht
Symbolfoto: Art65395/ Bigstock

Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, verlangt vom Beklagten Zahlung rückständiger Versicherungsbeiträge aus zwei Unfallversicherungsverträgen, deren jeweiliger Beendigungszeitpunkt streitig ist.

Der Beklagte schloss mit der Klägerin zwei Unfallversicherungsverträge (Vertragsnummer …0002 und …0001) mit ab. Vertragsablauf für den ersten Vertrag war der 01.07.2015, für den zweiten der 01.09.2015. § 10.2, 2. Absatz der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen lautet:

„Sie und wir können den gesamten Vertrag oder die Versicherung für einzelne versicherte Personen oder einzelne Leistungsarten durch schriftliche Kündigung zum Vertragsablauf beenden.“ (Anlage K2; Bl. 28 d.A.).

Der Folgeabsatz sieht bei Verträgen mit einer Vertragsdauer von mindestens einem Jahr eine automatische Verlängerung um jeweils ein weiteres Jahr vor, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Versicherungsjahres einem der Vertragspartner eine Kündigung zugegangen ist.

Der Beklagte kündigte beide Verträge jeweils mit einem auf den 24.11.2014 datierten Schreiben, „zum Ende des Versicherungsmonats am 30.11.2014“, das der Beklagten am 31.12.2014 per Fax zuging. Die Kündigungserklärungen waren nicht unterzeichnet. In der Folge übersandte der Beklagte der Klägerin noch einmal unterschriebene Kündigungserklärungen per Post, wobei der Zeitpunkt des Zugangs streitig ist.

Die Klägerin behauptet, dass ihr unterschriebene Kündigungserklärungen des Beklagten erst am 02.10.2015 zugegangen seien. Sie ist der Auffassung, dass die nicht unterzeichneten, per Fax übermittelten Kündigungen unwirksam seien, da gemäß § 10.2 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen ein Unfallversicherungsvertrag nur durch schriftliche Kündigung zum Vertragsablauf beendet werden könne, was eine Unterschrift voraussetze. Daher seien die zwischen den Parteien geschlossenen Unfallversicherungsverträge nicht aufgrund der gefaxten Kündigungserklärungen schon im Jahre 2015, sondern erst durch die am 02.10.2015 eingegangenen Kündigungen zum 01.07.2016 bzw. 01.09.2016 beendet worden.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihr 212,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 102,35 Euro seit dem 02.12.2015 sowie auf 110,00 Euro seit dem 02.01.2016 sowie kaufmännische Mahnkosten in Höhe von 15,00 Euro und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe der Klägerin die unterschriebenen Kündigungen schon im Januar 2015, nach Erhalt des Schreibens der Klägerin vom 06.01.2015, per Post übermittelt. Er ist der Ansicht, dass die Vertragsverhältnisse aber bereits aufgrund der der Klägerin am 31.12.2014 per Fax übermittelten, nicht unterschriebenen Kündigungen zum 01.07.2015 bzw. 01.09.2015 beendet worden seien.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Versicherungsprämien in Höhe von insgesamt 212,35 Euro aus § 1 Satz 2 iVm §§ 178 ff. VVG für die Zeit ab dem 01.07.2015 bzw. ab dem 01.09.2015. Der Beklagte hat die mit der Klägerin geschlossenen Versicherungsverträge zu den Vertragsnummern …0002 und …0001 am 31.12.2014 wirksam per Fax zum 01.07.2015 bzw. 01.09.2015 gekündigt.

Das Gesetz, insbesondere das VVG, sieht für die Kündigung eines Versicherungsvertrages der vorliegenden Art keine besondere Form vor. Die Parteien können jedoch – wie sie es im vorliegenden Fall getan haben – vertraglich etwas anderes vereinbaren. Gemäß § 10.2 der wirksam einbezogenen Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der Klägerin muss ein Unfallversicherungsvertrag schriftlich gekündigt werden. Diesem Erfordernis ist jedoch genügt, wenn der Versicherungsnehmer, wie vorliegend, die Kündigung mittels nicht unterzeichneten Fax ausspricht.

Die eine eigenhändige Unterschrift erfordernde gesetzliche Schriftform des § 126 BGB gilt für das in den Allgemeinen Unfallbedingungen vereinbarte Schriftformerfordernis nicht. Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift des § 126 BGB soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Sie soll außerdem den unbedingten Willen des Ausstellers zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen. Dieses Erfordernis soll auch sicherstellen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt (Beschl. des GmS-OGB, BGHZ 75, 340). Gem. § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB genügt zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form auch die telekommunikative Übermittlung, soweit kein anderer Wille der Parteien anzunehmen ist (Palandt, BGB, 76. Auflage, 2017, § 127 Rn. 2). Die Rechtsprechung hat dementsprechend die Übermittlung bestimmender Schriftsätze durch Telegramm, durch Fernschreiben, durch Telefax und zuletzt auch durch PC-Fax für zulässig erachtet. Aus den Schriftsätzen muss sich aber unzweifelhaft ergeben, von wem der Schriftsatz verfasst worden ist (Beschl. des GmS-OGB, BGHZ 75, 348; Palandt, BGB, 76. Auflage, 2017, § 127 Rn. 2).

Vor diesem Hintergrund kann der klägerischen Auffassung, das Schriftformerfordernis nach § 10.2 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen sei durch die per Fax übermittelten, nicht unterschriebenen Kündigungen nicht gewahrt, nicht gefolgt werden. Auch ein nicht unterschriebener, per Fax übermittelter Schriftsatz genügt dem Schrifterfordernis des § 127 BGB, wenn der Aussteller und der zum Ausdruck kommende Wille rechtsgeschäftlichen Tätigwerdens hinreichend sicher zum Ausdruck kommt. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, dem modernen technischen Standard und der verbreiteten Praxis Rechnung zu tragen. Die Formerleichterung des § 127 BGB erstreckt sich daher auch auf moderne Telekommunikationsmöglichkeiten, die vielfach an die Stelle von Telegramm oder Telefax getreten sind, wie z.B. E-Mail oder Computerfax (BT-Druck 14/4987, S. 20). Im Anwendungsbereich des § 127 BGB kommt es daher entscheidend darauf an, ob das eingehende Schriftstück den Zweck des Schriftformerfordernisses erfüllt, ob der Empfänger also den Inhalt, den Urheber und den Erklärungswillen sicher feststellen kann. Ist das der Fall, dann ist das Fehlen der Unterschrift unschädlich. So hat auch die höchstrichterliche Rechtsprechung schon zu § 127 BGB a.F. entschieden, dass die gewillkürte Schriftform trotz Fehlens einer Unterschrift gewahrt ist, wenn gleichwohl die mit der Formvereinbarung bezweckte Klarheit erreicht wird (BGH NJW-RR 1996, S. 641).

Diesen Anforderungen genügen die vom Beklagten am 31.12.2014 gefaxten Kündigungserklärungen. Die Kündigungserklärungen weisen nicht nur die vollständige Anschrift des Beklagten aus, sondern bezeichnen auch die Art der Versicherung und geben jeweils die 14stellige Versicherungsnummer korrekt wieder. Darüber hinaus belegt der mit den Kündigungen jeweils erklärte Widerruf der vom Beklagten erteilten Einzugsermächtigung weitere interne Kenntnisse der Durchführungsmodalitäten des Vertrages. Schließlich spricht auch die Aufforderung im Kündigungsschreiben, eine schriftliche Bestätigung der Kündigung an die Anschrift des Versicherungsnehmers zu senden, dafür, dass es sich beim Absender um den wirklichen Vertragspartner handelt, da bei einer missbräuchlichen Kündigung durch einen Dritten eine solche Aufforderung zur unverzüglichen Aufdeckung des Missbrauchs führen würde, also nicht zu erwarten wäre. Nach alledem bestanden für die Klägerin als Empfängerin der Kündigungsschreiben trotz der fehlenden Unterschrift keine Zweifel daran, dass sie vom Beklagten stammen und ernstgemeint sind. Die Klägerin hat auch weder vorgerichtlich noch im Gerichtsverfahren Zweifel an der Urheberschaft des Beklagten geäußert. Sie war vielmehr lediglich der abweichenden Rechtsauffassung, dass es generell einer eigenhändigen Unterschrift bedarf. Auch an dem ernsthaften Willen des Beklagten, die Versicherungsverträge schnellstmöglich beenden zu wollen, bestand aus Sicht der Klägerin keine Zweifel. Nicht nur hat der Beklagte zwei gesonderte Kündigungserklärungen gefaxt, was einer irrtümlichen Versendung entgegensteht. Er hat auch zusätzlich darum gebeten, von „Rückwerbversuchen“ abzusehen.

Dass der Beklagte am 31.12.2014 die Kündigung „zum Ende des Versicherungsmonats am 30.11.2014“, also einem unrichtigen Zeitpunkt, ausgesprochen hat, ist unschädlich. Benennt der Versicherungsnehmer in seinem Kündigungsschreiben ein zu frühes Kündigungsdatum, ist diese Erklärung gem. § 133 BGB dahingehend auszulegen, dass eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses jedenfalls zum nächstmöglichen zulässigen Termin erfolgen soll (Langheid/Wandt/Fausten, VVG, 2.Aufl., § 11 Rn. 146; vgl. auch LG Lüneburg VersR 1978, 658; AG Bamberg VersR 1987, 678). Die Klägerin hat nach Erhalt der Kündigungen am 31.12.2014 dem Beklagten in ihrem Schreiben vom 06.01.2015 die – auch bei einer Kündigung am 24.11.2014 – nächstzulässigen Kündigungstermine (01.07.2015 für die Vertragsnummer …0002 und 01.09.2015 für die Vertragsnummer …0001) auch mitgeteilt, mithin die gebotene Umdeutung bestätigt. Der Wille des Beklagten, zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, geht aus den Kündigungserklärungen deutlich hervor, die Klägerin hat dies wie ihr Schreiben vom 06.01.2015 belegt auch so erkannt.

Mangels begründeter Hauptforderung steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Ersatz von Verzugszinsen oder vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache ist von grundsätzlicher Bedeutung. Soweit ersichtlich ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt, ob der vertraglich vereinbarten Schriftform nur durch eine (eigenhändig) unterschriebene Kündigung genügt wird. Angesichts der großen Zahl von Kündigungen unterschiedlichster Verträge hat die Sache auch Bedeutung über den Einzelfall hinaus.

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