Kölner Landgericht trifft Entscheidung in komplexem Online-Kauf: Vertragsrücktritt und Schadenersatz im Fokus
In einem Fall, der vor dem Landgericht Köln verhandelt wurde, ging es um einen Online-Kauf, bei dem der Käufer eine Uhr für 15.990 € bestellte. Der Kläger finanzierte den Kauf durch einen Darlehensvertrag. Nachdem die Bestellung bestätigt wurde, erfuhr der Kläger von Lieferverzögerungen und schließlich von der Stornierung der Bestellung durch den Verkäufer. Der Kläger kaufte die Uhr erneut, diesmal für 21.990 €, und forderte Schadenersatz für die Differenz. Das Hauptproblem in diesem Fall war, ob der Verkäufer nach seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) berechtigt war, vom Vertrag zurückzutreten, obwohl die Uhr noch lieferbar war.
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Übersicht
Vertragsrücktritt und AGB
Der Verkäufer berief sich auf seine AGB, die ihm das Recht einräumten, vom Vertrag zurückzutreten, wenn die Ware nicht vorrätig ist. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Uhr am Tag der Rücktrittserklärung auf der Website des Verkäufers angeboten wurde, wenn auch zu einem höheren Preis. Daher war die Rücktrittserklärung unwirksam, und der Verkäufer war zur Lieferung verpflichtet.
Gattungsschuld und Stückschuld
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Frage, ob es sich bei der Uhr um eine Gattungsschuld oder eine Stückschuld handelte. Das Gericht entschied, dass es sich um eine Gattungsschuld handelte, da der Kauf sich nicht auf ein bestimmtes Exemplar bezog. Daher konnte der Verkäufer die Lieferung nicht wegen Unmöglichkeit verweigern.
Störung der Geschäftsgrundlage
Der Verkäufer konnte sich auch nicht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufen. Ein vereinbarter Festpreis bleibt auch bei unerwarteten Kostenerhöhungen grundsätzlich bindend. Das Risiko der Beschaffung der Ware liegt beim Verkäufer.
Schadenersatzanspruch
Das Gericht stellte fest, dass der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten aus dem Deckungsgeschäft hatte. Der Verkäufer hatte die fällige Leistung pflichtwidrig nicht erbracht und konnte sich nicht auf seine AGB berufen. Daher war er schadenersatzpflichtig.
Kostenverteilung und Vollstreckbarkeit
Die Kosten des Rechtsstreits wurden zwischen dem Kläger und dem Beklagten aufgeteilt, wobei der Kläger 54 % und der Beklagte 46 % tragen musste. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, allerdings nur gegen Sicherheitsleistung für den Kläger.
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Das vorliegende Urteil
Landgericht Köln – Az.: 5 O 140/21 – Urteil vom 30.11.2021
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.760,– € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 326,31 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 54 % und die Beklagte zu 46 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in eben dieser Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger bestellte am 12.08.2020 über die Website der Beklagten eine neue A zu einem Preis in Höhe von 15.990,– €. Zur Finanzierung der Uhr beantragte der Kläger den Abschluss eines Darlehensvertrages mit der B AG, der am 13.08.2020 angenommen wurde. Mit E-Mail vom gleichen Tag bestätigte die Beklagte dem Kläger den Kauf der Uhr.
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lauteten auszugsweise:
„2.2.1 Die Annahme durch C erfolgt durch ausdrückliche Annahmeerklärung gegenüber dem Kunden per E-Mail bis spätestens zum Ablauf des dritten auf den Tag des Angebotes folgenden Werktags, oder durch Zusendung der Ware. C ist berechtigt, Vertragsangebote ohne Angabe von Gründen abzulehnen.
2.2.2 C behält sich zudem das Recht vor, vom Vertrag zurückzutreten, wenn die Ware ohne schuldhaftes Zutun von C von einem sorgfältig ausgewählten und zuverlässigen Zulieferer nicht vorrätig ist (Vorbehalt der Selbstbelieferung). In einem solchen Fall verpflichtet sich C dazu, den Kunden unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit der Ware zu informieren und ggf. geleistete Zahlungen unverzüglich zurückzuerstatten.“
Mit Email vom 24.08.2020 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich die Lieferzeit aufgrund der Corona-Situation und der Marktlage verschieben würde. Unter dem 18.09.2020 wurde der Kläger informiert, dass der Hersteller das bestellte Modell aus seinem Sortiment genommen und eingestellt habe. Die Beklagte bemühe sich jedoch, die Uhr zu dem mit dem Kläger vereinbarten Preis zu beschaffen. Am 22.09.2020 teilte die Beklagte dann mit, dass sie die Bestellung des Klägers stornieren müsse. Am selben Tag bot sie die Uhr auf ihrer Website zum Preis von 21.990,– € an.
Der Kläger bestellte die gleiche Uhr am 01.10.2020 erneut über die Website der Beklagten zum Preis von 21.990,– €, die dann auch geliefert wurde. Am gleichen Tag forderte er die Beklagte zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe der Differenzsumme von 6.030,– € auf.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.10.2010 ließ der Kläger die Beklagte erneut zur Zahlung auffordern und forderte zugleich Erstattung der ihm hierfür entstandenen Rechtsanwaltskosten.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei nach ihren Geschäftsbedingungen nicht zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt gewesen, da die Uhr nach wie vor lieferbar gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.030,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.11.2020 zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen; an ihn einen Betrag in Höhe von 633,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.11.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, alles ihr Mögliche getan zu haben, um die vom Kläger gewünschte Uhr zum vereinbarten Preis bei den von ihr regelmäßig ausgewählten Lieferanten zu erhalten, die diese aber zur Überraschung der Beklagten allesamt nicht mehr vorrätig gehabt hätten. Die von dem Kläger zum Preis von 15.990,– € bestellte Uhr sei vor Eingang der Finanzierungsbestätigung von einem anderen Kunden gekauft worden.
Jedenfalls müsse sich der Kläger einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorhalten lassen, denn die gleiche Uhr sei im fraglichen Zeitraum im Internet zu Preisen zwischen 18.750,– € und 19.900,– € angeboten worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1.
Der Klageantrag zu 1. ist im erkannten Umfang begründet.
a. Der Kläger hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten aus dem Deckungsgeschäft gemäß §§ 280 Abs. 1 u. 3, 281 Abs. 1 u. 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 03. Juli 2013 – VIII ZR 169/12 –, BGHZ 197, 357-366, Rn. 13).
aa. Die Beklagte hat pflichtwidrig die fällige Leistung nicht erbracht, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie war gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zur Lieferung verpflichtet. Das Zustandekommen des Kaufvertrages ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Beklagte war nicht aufgrund der Rücktrittserklärung vom 22.09.2020 gemäß § 346 Abs. 1 BGB von der Leistung befreit. Mangels Rücktrittsrechts der Beklagten ist die Rücktrittserklärung unwirksam. Die Beklagte kann sich nicht auf Ziffer 2.2.2 Ihrer AGB berufen. Ob diese Klausel wirksam ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls war die Ware nicht „nicht vorrätig“. Am Tag der Rücktrittserklärung, dem 22.09.2020, bot die Beklagte eine A auf ihrer Website an, wenn auch zu einem höheren Preis. Sowohl die Corona-Situation als auch der Umstand, dass die Uhr angeblich nicht mehr herstellt wurde, waren tatsächlich letztlich ohne Belang. Dass die Uhr unter Umständen für die Beklagte teurer zu beschaffen war, ist unerheblich, da die Klausel darauf nicht abstellt – allein die mangelnde Vorrätigkeit ist Rücktrittsgrund. Etwaige Zweifel bei der Auslegung der Klausel gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.
Bei der bestellten Uhr handelte es sich auch nicht um eine Stückschuld mit der Folge, dass die Beklagte die Lieferung wegen Unmöglichkeit verweigern konnte. Dabei konnte dahinstehen, ob sie sich nicht ohnehin dadurch schadenersatzpflichtig gemacht hat, dass ein anderer Kunde die bereits vom Kläger bestellte Uhr zwischenzeitlich noch über die Website kaufen konnte.
Der anderslautende Vortrag der Beklagten ist unerheblich. Der Kläger hat zutreffend darauf hingewiesen, dass er die Uhr als „Ungetragen – New“ bestellt hatte. Da sich der Kauf auch nicht auf ein – nach Seriennummer – bestimmtes Exemplar bezog, handelte es sich um eine Gattungsschuld. Die Behauptung der Beklagten, es habe sich um eine gebrauchte Uhr gehandelt, ist unsubstantiiert, zumal ihr weiterer Vortrag, sie habe sich bei ihren Lieferanten darum bemüht, ersichtlich sinnlos wäre, hätte sich der Kauf von vorne herein auf eine ganz bestimmte gebrauchte Uhr bezogen.
Zudem kommt ein Rücktritt nach § 313 Abs. 3 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht. Ein vereinbarter Festpreis bleibt auch bei unerwarteten Kostenerhöhungen grundsätzlich bindend (Palandt/Grüneberg, BGB, § 313 Rn. 31). Es liegt auch kein Ausnahmefall vor. Ein solcher ist nur dann anzunehmen, wenn sich Umstände außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Schuldners verändern (Palandt/Grüneberg, BGB, § 313 Rn. 32). Die Beschaffung der Ware ist jedoch das alleinige Risiko der Beklagten. Im Übrigen hätte sie durch entsprechende Maßnahmen vor Vertragsschluss sicherstellen können, dass ihr die Uhr tatsächlich zu einem für sie profitablen Preis geliefert wird, insbesondere durch eine entsprechende Reservierung, damit nicht – wie hier behauptet – ein anderer Kunde die Uhr zwischenzeitlich erwirbt.
Im Übrigen durfte die Beklagte nicht wegen § 275 Abs. 2 BGB die Leistung verweigern. § 313 BGB ist lex specialis (Palandt/Grüneberg, BGB, § 313 Rn. 32, § 275 Rn. 29).
cc. Schließlich hat die Beklagte die Pflichtverletzung auch zu vertreten, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Für eine Exkulpation hat sie nichts Erhebliches vorgetragen. Eine Nachfristsetzung war wegen der ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung von Seiten der Beklagten entbehrlich, § 281 Abs. 2 Alt. 1 BGB. Ausreichend ist eine Rücktrittserklärung, wenn sie keinen Zweifel daran lässt, dass der Schuldner nicht mehr zur Leistung bereit ist (Palandt/Grüneberg, BGB, § 281 Rn. 14). Die Beklagte hatte die Bestellung am 22.09.2020 unmissverständlich storniert.
b. Der Anspruch besteht jedoch nicht in voller Höhe.
aa. Nach der Differenzmethode kann der Geschädigte Ersatz für die Mehrkosten eines gleichwertigen Deckungsgeschäftes verlangen, dessen Vornahme er nicht verzögern darf und dabei die erforderliche Sorgfalt anwenden muss (Palandt/Grüneberg, BGB, § 281 Rn. 27). Der Kläger hat bei der Beklagten die gleiche Uhr kurz nach Stornierung seiner Bestellung am 23.09.2020 bestellt.
Der Schaden beläuft sich auf 21.990,00 € – 15.990,00 € = 6.000,00 €, sodass die Klage in Höhe von 30,00 € unbegründet ist.
bb. Der Kläger hat außerdem gegen die ihn gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 BGB treffende Schadensminderungspflicht verstoßen. Dies ist dann der Fall, wenn der Geschädigte die Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergreifen würde (Palandt/Grünberg, BGB, § 254 Rn. 36). Dabei kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er das Deckungsgeschäft unmittelbar nach der Stornierung vorgenommen hat. Zu einem möglichst frühen Deckungsgeschäft war er nämlich angehalten (BGH, Urteil vom 17.01.1997 – V ZR 285/95).
Dem Kläger hätte es aber oblegen, von mehreren möglichen Deckungsgeschäften bei Vergleichbarkeit der Angebote und Gleichwertigkeit der Uhren das günstigste zu wählen. Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat diesbezüglich vier günstigere Alternativangebote aufgelistet.
Dass und warum er sich hierauf nicht verweisen lassen muss, hat der Kläger nicht substantiiert dargetan. Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 13.07.2021, dem die Angebote nicht beigefügt waren, hat der Kläger lediglich allgemein erwidert, welche Voraussetzungen für eine Vergleichbarkeit seiner Ansicht nach erfüllt sein müssten. Nachdem die Beklagte die entsprechenden Anlagen nachgereicht hatte, ist keine weitere Stellungnahme seitens des Klägers mehr erfolgt. Dem Anlagenkonvolut B 2 lässt sich indes entnehmen, dass die Uhren überwiegend von deutschen Händlern und mit Echtheitsgarantie sowie Originalpapieren angeboten wurden. Das gilt insbesondere für das Angebot zum Preis von 18.750,– €, welches der Kläger folglich aus Schadensminderungsgesichtspunkten hätte annehmen müssen.
Sein Anspruch beläuft sich damit lediglich auf 18.750,– € ./. 15.990,– € = 2.760,– €.
2.
Auf dieser Basis ist der Klageantrag zu 2. ebenfalls teilweise begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Ersatzpflicht des Schädigers erstreckt sich gemäß § 249 BGB auf die Kosten einer erforderlichen und zweckmäßigen Rechtsverfolgung, ohne dass es auf die Frage des Verzugs nach § 286 BGB ankäme (Palandt/Grüneberg, BGB, § 249 Rn. 56 f.). Dem Anspruch ist der Streitwert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, Urteil vom 07.11.2007 – VIII ZR 341/06).
Berechtigt ist eine Forderung in Höhe von 2.760,00 €, sodass auf Basis einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr + 20,00 € Post- und Telekommunikationspauschale + 16 % Umsatzsteuer 326,31 € ersatzfähig sind.
3.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
4.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Streitwert: 6.030,– €