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Stromentnahme ohne Vertragsverhältnis – Zahlungspflicht

AG Erfurt, Az.: 5 C 429/09, Urteil vom 30.09.2010

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 111,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.08.2008 zuzüglich 5,00 Euro für vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/5, dem Beklagten zu 4/5 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Ohne Tatbestand (§ 313 a ZPO)

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, in der Sache überwiegend erfolgreich.

Stromentnahme ohne Vertragsverhältnis – Zahlungspflicht
Symbolfoto: big Stocker/Bigstock

Der Klägerin steht der geltend gemacht Anspruch gegenüber dem Beklagten in ausgeurteilter Höhe jedenfalls aus ungerechtfertigter Bereicherung zu (§§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt., 818 Abs. 2 BGB), hilfsweise auch aus unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 684 BGB in Verbindung mit den vorgenannten Normen.

Die darüber hinausgehend erhobene Klage war abzuweisen, da der Klägerin insoweit weder ein vertraglicher Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB noch ein solcher auf Aufwendungsersatz aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB oder aus ungerechtfertigter Bereicherung zusteht.

Im Einzelnen: Der Beklagte hat den im Zeitraum vom 15.03. bis 30.06.2008 bezogenen Strom von der Klägerin erlangt, und zwar durch deren Leistung im Sinne einer bewussten und zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens (vgl. hierzu Palandt, 68. Aufl., Rdnr. 3 zu § 812 BGB).

Dies entspricht dem ausgeurteilten Betrag für den Verbrauchspreis abzüglich der beklagtenseits darauf geleisteten Zahlungen.

Die Entnahme des Stroms erfolgte ohne Rechtsgrund, da für den betreffenden Zeitraum ein Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten nicht mehr bestand. Das Stromlieferungsverhältnis wurde nämlich durch die insoweit (unstreitig) bevollmächtigte Streitverkündete mit Schreiben vom 07.01.2008 wirksam zum 31.03. 2008 beendet. Die Streitverkündete hat die Kündigung gemäß § 164 Abs. 1 BGB in Vollmacht für den Beklagten nach der gemäß § 312f Nr. 2 BGB erforderlichen Textform erklärt (vgl. § 20 Abs. 2 StromGVV). Die Streitverkündete bzw. der Beklagte hat mit der Kündigungserklärung vom 07.01.2008 auch die gemäß Ziff. 3 der Vertragsbedingungen des Stromlieferungsvertrages vorgeschriebene vierwöchige Kündigungsfrist zum Vertragsende am 31.03.2008 eingehalten.

Unbeachtlich muss insoweit bleiben, dass die Streitverkündete die Kündigung gegenüber der Klägerin verfrüht, nämlich zum 29.02.2008, erklärt hat. Insoweit geht die wohl ganz h. M. – insbesondere für den Bereich des Mietrechts – davon aus, dass die unzutreffende Angabe des Kündigungstermins die Wirksamkeit der Erklärung überhaupt nicht berühre (vgl. z.B. OLG Hamm MDR 1994, S. 56, OLG Frankfurt NJW-RR 1990, S. 337, LG Köln ZMR 1992, S. 343; a. A. OLG Düsseldorf ZMR 2009, S. 845, wonach eine solche Kündigung unwirksam ist).

Dies kann hier letztlich dahin gestellt bleiben, denn nach Auffassung des erkennenden Gerichts hat sich der Vertrag deshalb nicht bis zum 30.06.2008 verlängert (weil erst das vom Beklagten selber verfasste Schreiben vom 25.05.2008 als wirksame Kündigung anzusehen wäre); vielmehr war die verfrühte Kündigung jedenfalls in eine solche zum nächstmöglichen Termin umzudeuten (§ 140 BGB).

Die Voraussetzungen der Umdeutung sind im vorliegenden Fall erfüllt. Eine Kündigung zum nächstmöglichen Termin war zunächst als wesensgleiches Minus in der unwirksamen Kündigung enthalten; dies entsprach im Weiteren auch dem Willen der Parteien sowie insbesondere dem Sinn und Zweck des Gesetzes.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es unerheblich, dass nach dem Beschluss der Bundesnetzagentur vom 11.07.2006 in den Dateiformaten die alternativen Kündigungszeitpunkte ausschließlich zu einem fixen Zeitpunkt oder aber zum nächstmöglichen Termin vorgesehen sind. Diese Formulare entfalten Wirkung lediglich zwischen den Anbietern und Wettbewerbern, haben aber auf die zivilrechtliche Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts keinen unmittelbaren Einfluss. Im Übrigen ist eine Umdeutung hierdurch ohnehin nicht ausgeschlossen, da es auch durch dieses Alternativverhältnis nicht ausgeschlossen ist, dass sich eine Partei versehentlich auf einen (unzutreffenden fixen) Kündigungstermin gestützt hat.

Die Klägerin hebt zwar zutreffend hervor, dass bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens auf denjenigen des Vertreters abzustellen ist; dies vermag an dem gefundenen Ergebnis jedoch nichts zu ändern: Es entsprach durchaus dem Interesse der den Beklagten vertretenden Streitverkündeten, den Stromlieferungsvertrag mit der Klägerin wenn nicht zum 29.02.2008, so doch jedenfalls zum nächstmöglichen Termin (nämlich wie dies auch in dem Dateiformular vorgesehen ist) zu beenden. Insoweit ist insbesondere der hinter den Kündigungsmöglichkeiten stehende Zweck des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG) zu berücksichtigen: Gemäß § 1 Abs. 1 EnWG ist die Herstellung einer möglichst sicheren, preisgünstigen , verbraucherfreundlichen , effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas gewollt. Weiterhin soll die Regulierung der Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze gemäß § 1 Abs. 2 EnWG u.a. der Sicherstellung eines wirksamen Wettbewerbs dienen.

Auch diese für die Unternehmenstätigkeit der Klägerin und der Streitverkündeten einschlägigen Regelungen sprechen deutlich dafür, dass die eingangs aufgeführten Voraussetzungen der Umdeutung nach § 140 BGB vorliegend eingreifen können und müssen. War nämlich – wie hier naheliegend – die Angabe des falschen Kündigungszeitpunktes nur versehentlich erfolgt, entsprach es dem Willen der Streitverkündeten (damit auch des Beklagten), den Vertrag wettbewerbs- und verbraucherfreundlich jedenfalls zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt zu lösen. Die von der Klägerin angeführte Alternativität vermag daher nach der festen Auffassung des Gerichts an der Möglichkeit der Umdeutung nichts zu ändern.

War die erklärte Kündigung nach allem wirksam (hier: zum 31.03.2008), bestand ab diesem Zeitpunkt kein Rechtsgrund mehr, aus welchem die Klägerin die Vergütung einer vertraglich geschuldeten Leistung hätte beanspruchen können.

Weil die Übernahme der Geschäftsführung nach allem weder dem Interesse und insbesondere nicht dem wirklichen bzw. mutmaßlichen Willen des Beklagten entsprach (s.o.), hat die Klägerin einen solchen Anspruch in eingeklagter Höhe auch nicht nach den Grundsätzen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß den bereits eingangs genannten Normen (§§ 677, 683 i.V.m. 670 BGB).

Da die Lieferung von Strom dennoch, und zwar ohne Rechtsgrund (s.o.), seitens der Klägerin erfolgte, war der Beklagte zur Zahlung aber nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen verpflichtet, jedoch nur in Höhe des Verbrauchspreises .

Die Vorschrift des §§ 38 Abs. 1 EnWG greift hier nicht ein, da dies voraussetzen würde, dass ein in jeder Hinsicht vertragsloser Zustand vorläge. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach dem sogen. Abstraktionsprinzip die Stromlieferung selbst von dem zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrag zu trennen ist. In dem Online-Anmeldeformular der Streitverkündeten vom 09.12.2007 findet sich am Ende der Hinweis, dass mit dem Anklicken des Feldes „Daten senden“ ein rechtsgültiger Vertrag mit der Streitverkündeten zustande kommt. Dies musste unabhängig von dem Umstand Geltung finden, dass mit der Klägerin zuvor ein Vertrag bestand bzw. dieser erst später gekündigt wurde. Ein Grundversorgungsverhältnis im Sinne der §§ 38 Abs. 1 EnWG und § 2 Abs. 2 StromGVV zwischen der Klägerin und dem Beklagten lag daher seit dem 31.03.2008 nicht mehr vor; der Stromlieferungsvertrag bestand von diesem Zeitpunkt an mit der Streitverkündeten.

In tatsächlicher Hinsicht ist diesbezüglich auf Folgendes hinzuweisen: Das Vorbringen des Beklagten, er habe keinen Strom entnommen, muss unbeachtlich bleiben, nachdem er eben diese Anschlussstelle ursprünglich zur Stromversorgung angemeldet, in der Folge weiter genutzt und schließlich die Übernahme des betreffenden Anschlusses durch die Streitverkündete beantragt hat.

Da der gelieferte Strom nicht mehr „in natura“ zurückgewährt werden kann, schuldete der Beklagte gemäß § 818 Abs. 2 BGB lediglich Wertersatz, und zwar in Höhe des objektiven Wertes der erlangten Leistung. Dies hat zur Folge, dass lediglich die Verbrauchskosten abzüglich geleisteter Zahlung zu begleichen waren, woraus sich der im Tenor genannte Betrag errechnet.

Insbesondere kann sich der Beklagte nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen (§ 818 Abs. 3 BGB), da es sich bei den Stromlieferungen um solche Leistungen handelte, die der Beklagte ohnehin in Anspruch genommen hätte und zu begleichen verpflichtet gewesen wäre; die Stromlieferung hat sich damit in seinem Vermögen niedergeschlagen und stellt keine solche Aufwendung und Bereicherung dar, die der Beklagte andernfalls nicht getätigt hätte (vgl. hierzu Palandt, 68. Aufl., Rdnr. 35 f. zu § 818 BGB).

Schließlich steht dem bereicherungsrechtlichen Anspruch der Klägerin nicht die auf § 814 BGB gestützte Einwendung positiver Kenntnis einer nicht geschuldeten Leistung entgegen: Die Klägerin ging (unter Zugrundelegung einer anderen Rechtsansicht) davon aus, dass sie aufgrund eines fortbestehenden Vertrages leistete; bereits dadurch ist eine positive Kenntnis vom Nichtbestehen des Rechtsgrundes und damit der geschuldeten Leistung ausgeschlossen (vgl. zum Ausschluss der positiven Kenntnis bei Rechtsirrtümern Palandt, 68. Aufl., Rdnr. 3 zu § 814 BGB).

Die auf die zugesprochene Forderung der geltend gemachten Zinsen stehen der Klägerin als Verzugsschaden in gesetzlich geschuldeter Höhe gemäß §§ 286, 288 Abs. 2 BGB zu.

Vorgerichtliche Mahnkosten hat das Gericht lediglich in Höhe von 5,00 Euro als Verzugsschaden geschätzt (§§ 286, 288 Abs. 4 BGB, 287 ZPO), da die Forderung zwar überwiegend zuzusprechen war, das erste Mahnschreiben aber lediglich verzugsbegründend wirken konnte.

Die Kostenentscheidung beruht infolge Teilunterliegens auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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