AG Hamburg-St. Georg, Az.: 920 C 481/13, Urteil vom 19.06.2015
1. Die Beklagte wird verurteilt, € 1.298,96 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.20013 an die … unter der Bestands-Nr.: … Kunde-Nr.: … Schaden-Nr.: …, zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 78 % und die Klägerin 22 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für … jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht … vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags .
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Schadenersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 13.2.2013 in Hamburg ereignet hat.
Die Klägerin ist Leasingnehmerin eines Fahrzeugs, BMW Mini Cooper mit dem Kennzeichen. Leasinggeberin und Eigentümerin ist … die Hamburg. Das Fahrzeug wurde erstmals am 30.11.2011 zum Verkehr zugelassen. Am 13.02.2013 gegen 7:20 Uhr fuhr die Zeugin …mit dem Pkw BMW Mini die Sengelmannstraße. Kurz hinter der Einmündung in die Hebebrandstraße hielt die Zeugin verkehrsbedingt an. Dabei fuhr der Fahrer …mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug, ein Mercedes Taxi mit dem Kennzeichen …auf den Pkw BMW Mini auf. Ob und in welchem Umfang an dem Pkw BMW Mini Schäden durch den Unfall Schäden entstanden sind, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin beauftragte das …“Sachverständigenbüro“ mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Dieses kalkulierte Nettoreparaturkosten in Höhe von EUR 2.047,52 sowie eine Wertminderung in Höhe von EUR 625,00. Vorgesehen ist im Gutachten u.a. der Austausch der Stoßfängerverkleidung nebst Instandsetzung des Stoßfängerträgers sowie die Instandsetzung des Heckabschlussblechs. Wegen Einzelheiten wird auf Anlage K 2 verwiesen. Für das Gutachten zahlte die Klägerin EUR 528,96. Die vorstehenden Beträge, eine Kostenpauschale von EUR 20,00, zusammen EUR 1.673,96 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten werden mit der am 25.11.2013 zugestellten Klage geltend gemacht. Die Klägerin nahm ihre Kaskoversicherung in Anspruch. Ihr verblieb eine Selbstbeteiligung in Höhe von EUR 500,00. Die Alle Ansprüche bei …macht die Klägerin mit deren Zustimmung geltend (Anlage K3).
Die Klägerin trägt vor, der Unfall sei allein vom Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs verursacht worden. Ihr Fahrzeug sei in dem vom Sachverständigen festgestellten Umfang erheblich beschädigt worden. Die Wertminderung sei zutreffend ermittelt.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, EUR1.673,96 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die…, unter der Bestands-Nr.: …Kunde-Nr.: … Schaden-Nr.: … zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als nicht streitwerterhöhende Nebenforderung EUR 215,00 zu zahlen,
hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von der Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten über € 215,00 vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, durch den Unfall sei das Fahrzeug der Klägerin lediglich geringfügig beschädigt worden. Insbesondere seien bei Besichtigung der Fahrzeuge keine korrespondierenden Beschädigungen festgestellt worden. Die Fahrerin des Pkw BMW Mini habe zudem erklärt, dass es sich bei dem Schaden an ihrem Fahrzeug um einen Altschaden handele. Die geltend gemachte Wertminderung sei übersetzt. Rechtsanwaltskosten stünden der Klägerin mangels Zahlung nicht zu.
Das Gericht hat Beweis erhoben über den Hergang des Unfalls vom 13.02.2012 sowie die behaupteten Beschädigung am klägerischen Fahrzeug durch Vernehmung der Zeugin ….. Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 verwiesen. Der von der Beklagten benannte und urlaubsbedingt verhinderte Zeuge … wurde im Hinblick auf seine schriftliche Erklärung (Bl. 86 d.A.) – er sei leider ca. 10 bis 20 km/h zu schnell gefahren und einem Auto hinten aufgefahren, die Dame sei ausgestiegen und habe Fotos gemacht, Personalien seien ausgetauscht worden, an mehr könne er sich nicht erinnern- nicht mehr vernommen worden.
Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 26.06.2014 Beweis wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt. Auf das Gutachten der Sachverständigen … vom 12.1.2015 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz an die ….. aus §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG in Höhe von € 1.298,96.
Der Kläger ist zunächst berechtigt für die … in Prozessstandschaft die Ansprüche aus der Schädigung des Leasingfahrzeugs geltend zu machen (Anlage K3).
Der Verkehrsunfall hat sich sowohl beim Betrieb des Fahrzeugs des Klägers als auch beim Betrieb des zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeugs ereignet. Da die Ersatzpflicht für die Unfallschäden vorliegend nicht wegen höherer Gewalt (§ 7 Abs.2 StVG) ausgeschlossen ist und auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Unfall für die Unfallbeteiligten bei Anwendung höchster Sorgfalt vermeidbar gewesen wäre (§ 17 Abs.3 StVG), sind die beiderseitigen Verursachungsbeiträge gemäß §§ 17Abs.2, 18 Abs.3 StVG gegeneinander abzuwägen. Dabei kann das Gericht dieser Abwägung allein unstreitige oder erwiesene Tatsachen zugrunde legen. Auf dieser Grundlage erachtet das Gericht eine vollständige Einstandspflicht der Beklagten für gegeben, mit dem Ergebnis, dass die Klägerin vollständigen Schadenersatz verlangen kann. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
Bei einem Auffahrunfall, der vorliegend unstreitig gegeben ist, spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende entweder durch ungenügenden Sicherheitsabstand (§ 4 StVO), durch unangepasste Geschwindigkeit (§ 3 Abs.1 StVO) oder/und durch allgemeine Unaufmerksamkeit (§ 1 Abs.2 StVO) den Unfall verursacht und verschuldet hat. Aufgrund dieses gewichtigen Verursachungsbeitrags tritt die allgemeine Betriebsgefahr des von der Zeugin …gefahrenen Fahrzeugs vollständig zurück.
Die Beklagte ist folglich zum Ersatz des entstanden Schadens nach §§ 249 ff BGB verpflichtet. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere nach Vorlage des Gutachtens der Sachverständigen … ist das Gericht davon überzeugt, dass das Fahrzeug durch den Anprall des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs tatsächlich beschädigt worden ist, und zwar in nicht geringem Umfang. Die Sachverständige kommt nach sorgfältiger Auswertung des ihr zur Verfügung stehenden Bildmaterials, einer Nachbesichtigung des klägerischen Fahrzeugs und der Heranziehung eines Vergleichsfahrzeugs zu dem überzeugenden Ergebnis, dass die Beschädigung des hinteren Stoßfängers durch einen Anstoß des Mercedes nachvollziehbar sei. Eine Beschädigung des Heckabschlussblechs am Pkw Mini sei dagegen nicht festzustellen, Reparaturarbeiten an diesem Fahrzeugteil seien nicht vorgenommen worden. Die ereignisbedingten Reparaturkosten seien mit EUR 1.248,09 zu ermitteln. Das Gericht folgt den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen, die im Ergebnis auch von den Parteien nicht angegriffen werden.
Im Hinblick auf die danach gegebene Kompatibilität der Belastungsspuren und der Aussage der Zeugin ….geht das Gericht zudem davon aus, dass es sich bei dem reklamierten Schaden nicht um einen Altschaden handelt. Nach allem ist das Gericht von der Richtigkeit des klägerischen Vorbringens überzeugt, so dass der von dem Beklagten benannte Zeuge …nicht zu vernehmen war, zumal schon seine schriftliche Stellungnahme für die Beklagte nicht ergiebig war. Im Gegenteil: Er räumt ein auf das Fahrzeug der Klägerin wegen überhöhter Geschwindigkeit aufgefahren zu sein. Schon dies spricht gegen die von der Beklagten angeführte geringe Anstoßintensität. An weiteres will sich der Zeuge im Übrigen nicht erinnern.
Da die Selbstbeteiligung der Klägerin geringer als die unfallbedingten Reparaturkosten ist, kann hier vollständiger Ersatz (EUR 500,00) verlangt werden, auch wenn die kalkulierten Instandsetzungskosten des Heckblechs nicht erstattungsfähig sind.
Eine merkantile Wertminderung ist mit EUR 250,00 zu berücksichtigen. Die Sachverständige führt hierzu aus, der festgestellte ereignisbedingte Schaden am klägerischen Fahrzeug übersteige mit EUR 1.248,09 den ortsüblichen Bagatellschadenbereich und sei aus diesem Grund bei Veräußerung offenzulegen. Die Wertminderung sei mit EUR 625,00 jedoch unzutreffend ermittelt. Der Sachverständige … habe die Reparaturkosten übersetzt vorkalkuliert und eine nicht nachvollziehbare Korrektur des ermittelten Widerbeschaffungswerts des Fahrzeugs vorgenommen. Unter Berücksichtigung der geringeren Schadenshöhe, zutreffender Eingangsparameter und Anwendung des BVSK-Rechenmodells ergebe sich dagegen ein merkantilen Minderwert von EUR 250,00. Die Sachverständige führt hierzu weiter aus, dass aufgrund der von ihr gemachten Erfahrungen zum Berechnungsmodell, die rechnerischen Ergebnisse signifikant häufig mit der örtlichen Marktwirklichkeit übereinstimmten. Auch hier folgt das Gericht den überzeugenden, nicht angegriffenen Ausführungen der Sachverständigen.
Ferner sind die entstandenen Sachverständigenkosten als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 528,96 zu ersetzen. Zwar ist das Gutachten von der Klägerin eingeholte Gutachten letztlich nicht vollen Umfangs zutreffend und nur eingeschränkt für die Schadensabwicklung verwertbar. Dies steht der Ersatzpflicht der Beklagten jedoch nicht entgegen. Die Ersatzpflicht besteht weiterhin, wenn die Unbrauchbarkeit des Gutachten nicht auf fehlerhaften Angaben des Geschädigten – wie etwa zu Vorschäden – basiert (vgl. dazu Palandt-Grüneberg, § 249, Rn. 58).
Eine Nebenkostenpauschale in Höhe von EUR 20,00 steht der Klägerin nach ständiger Rechtsprechung der Hamburger Verkehrszivilgerichte ebenfalls als Schadenersatz zu.
Insgesamt beläuft sich der erstattungsfähige Schaden auf EUR 1.298,96.
Die Zinsforderung ist aus §§ 286Abs.1 S.2, 288 Abs.1 BGB begründet.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerin als Schadenersatz nicht zu. Es wurde nicht dargelegt und ist aus den eingereichten Anlagen auch nicht ersichtlich, dass die Prozessbevollmächtigten vorprozessual überhaupt für die Klägerin tätig geworden sind.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs.1, 709 Ziff.11, 711, § 709S. 1, 2 ZPO.