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Verkehrsunfall – Anspruch Geschädigter auf Erstattung angeblich überhöhter Reparaturkosten

AG Münster – Az.: 8 C 427/20 – Urteil vom 24.03.2020

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 559,30 € zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Rückgriffsansprüche des Klägers gegen die Fa. Autohaus P. GmbH wegen Überzahlung, nicht sach- und fachgerechter Reparatur – mit Ausnahme originärer Nacherfüllungsansprüche wegen mangelhafter Leistung – und Durchführung nicht erforderlicher Reparaturmaßnahmen aus dem Reparaturvertrag zur Rechnungsnummer 110042942.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 559,30 € festgesetzt.

Tatbestand

Vom Abfassen eines Tatbestands wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schadensersatzes in Höhe von 559,30 € gemäß § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG.

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vgl. BGH, VersR 2005, 558 [559]). Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, vgl. BGHZ, 61, 346 [348]; NJOZ 2014, 979; NJW 2016, 3363 [3364]). Denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Nur wenn für den Geschädigten bei der Erteilung des Reparaturauftrags erkennbar war, dass die Reparatur in der konkreten Form gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen würde, hat er das Risiko einer übersetzten Rechnung zu tragen. Es würde nämlich dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger oder dessen Versicherer mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Insofern geht das Werkstattrisiko zu Lasten des Schädigers (BGHZ 63, 182 [185]; OLG Hamm, NZV 1995, 442 [443]; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2005, 248 [249]). Dem Schädiger entsteht dadurch auch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt verlangen kann (BGHZ 63, 182 [187]; OLG Hamm, NZV 1995, 442 [443]; LG Saarbrücken, NJW-RR 2013, 275 [277]). Insofern hat er die gleiche Rechtstellung, wie wenn er die Reparatur selbst in Auftrag gegeben hätte.

Verkehrsunfall - Anspruch Geschädigter auf Erstattung angeblich überhöhter Reparaturkosten
(Symbolfoto: Von Daisy Daisy/Shutterstock.com)

Insbesondere wenn der Geschädigte vor der Reparatur ein Gutachten eingeholt und die „Reparatur gemäß Gutachten“ in Auftrag gegeben hat, sind grundsätzlich alle Rechnungspositionen, welche in dem Gutachten enthalten sind, von dem Schädiger zu erstatten. Denn der Geschädigte, welcher sich sachverständig beraten lässt, darf auf die Richtigkeit des Gutachtens, mithin auf die Erforderlichkeit aller Rechnungspositionen vertrauen. So liegt es hier, denn der Kläger erteilte dem Sachverständigenbüro Hugo F. GmbH den Auftrag, ein Gutachten zu erstellen, welchem es am 29.3.2019 nachkam. Daraufhin wurde die Reparatur gemäß dem Gutachten erbeten. Ersatzfähig sind darüber hinaus alle weiteren Rechnungspositionen, wenn sie durch die Werkstatt und nicht durch eine eigenmächtige Entscheidung des Geschädigten verursacht wurden. Dass die hier streitigen Kostenpositionen aufgrund einer eigenmächtig sich über das Gutachten hinwegsetzenden Entscheidung des Klägers entstanden sind, ist nicht ersichtlich.

Der Anspruch ist jedoch nur mit der Einschränkung begründet, dass gleichzeitig die Vorteile herausgegeben werden, welche der Kläger erlangt hat. Grund hierfür ist ein dem allgemeinen Schadensersatzrecht innewohnender Anspruch auf Ausgleich erlangter Vorteile. Dementsprechend war der Beklagte nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ersatzansprüche verpflichtet. Hierfür bedurfte es weder eines Antrags noch einer Einrede des Beklagten (vgl. hierzu BGHZ 27, 241 [248 f.]; NJW-RR 2005, 170 [171]).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zinsen bezüglich der Hauptforderung gemäß § 288 Abs. 1 BGB. Da die Hauptforderung nicht unbedingt fällig war, sondern nur Zug um Zug gegen Ausgleich der erlangten Vorteile, wäre der Beklagte nur in Verzug geraten, wenn der Kläger die Abtretung etwaiger Ersatzansprüche angeboten hätte. Dies hat er nicht substantiiert vorgetragen. Auch die Rechtsfolge des § 291 BGB wurde durch die Rechtshängigkeit der Klage nicht ausgelöst.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

 

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