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Verkehrsunfall mit geöffneter Fahrertür auf einem Parkplatz

AG München – Az.: 343 C 106/21 – Urteil vom 27.10.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.087,82 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über restliche Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 03.03.2020 gegen 13:30 Uhr in M. auf dem Parkplatz des R.-Supermarktes, L.-Straße … in M..

An dem Unfall beteiligt waren der Pkw der Klagepartei, ein VW Passat mit dem amtlichen Kennzeichen … (im folgenden: Klägerfahrzeug), welcher zum Unfallzeitpunkt mit dem Heck zur Fahrgasse hin abgestellt in einer Parkbucht auf dem Parkplatzgelände stand und in welchem sich auf dem Fahrersitz der Zeuge …, der Ehemann der Klägerin, befand, und dass zum Unfallzeitpunkt vom Beklagten zu 1) geführt und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherte Kraftfahrzeug, ein Pkw Opel Mokka mit dem amtlichen Kennzeichen … (im folgenden: Beklagtenfahrzeug).

Die streitgegenständliche Kollision ereignete sich, als das Beklagtenfahrzeug im Begriff war, in die links neben dem Klägerfahrzeug befindliche Parkbucht vorwärts einzufahren.

Die Klägerin behauptet, die Fahrertür des Klägerfahrzeugs sei bereits seit mehreren Minuten geöffnet gewesen, als das Beklagtenfahrzeug beim Einfahren in die Parkbucht die erkennbar offenstehende Tür gerammt habe. Die Klägerin ist der Auffassung, für den Fahrer des Klägerfahrzeugs sei die Kollision unvermeidbar gewesen. Klägerin macht die auf Seite 4 der Klageschrift aufgeführten restlichen Schadensersatzansprüche unter Berücksichtigung einer vorgerichtlichen Regulierung durch die Beklagte zu 2) geltend.

Die Klägerin begehrt zudem Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren sowie Erstattung von Verzugs- und Prozesszinsen.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 3.087,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.04.2020 zu bezahlen sowie weitere 713,76 € außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;

hilfsweise:

die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 3.087,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.04.2020 zu bezahlen und ihn darüber hinaus von der Zahlung von 713,76 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten M. B. Rechtsanwälte, D.-P.-Straße …, … M., nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagten beantragen: Klageabweisung.

Die Beklagten bestreiten, dass die Tür des Klägerfahrzeugs bei der Kollision bereits über mehrere Minuten geöffnet gewesen sei und behaupten, beim Einfahren des Beklagtenfahrzeugs in die Parklücke links des Klägerfahrzeugs sei die Fahrertür des Klägerfahrzeugs geschlossen gewesen. Der Beklagte zu 1) sei ordnungsgemäß vorwärts in die freie Parklücke eingefahren. Als sich das Beklagtenfahrzeug mit seiner A-Säule etwa auf Höhe der B-Säule des Klägerfahrzeugs befunden habe, sei dessen Fahrertür plötzlich und unvermittelt geöffnet und gegen das Beklagtenfahrzeug gestoßen worden. Die Beklagten sind der Auffassung, die Klagepartei hafte gemäß §§ 1 Abs. 2, 14 StVO allein für die Schäden aus dem streitgegenständlichen Unfall und habe deshalb im Rahmen der vorgerichtlich auf der Basis einer Haftungsquote von 50 zu 50 erfolgten Regulierung bereits mehr erhalten, als ihr zustehe. Daneben erhebt die Beklagtenpartei Einwendungen zur Schadenshöhe hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Sachverständigenkosten.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß § 358a ZPO durch Einholung eines unfallanalytischen schriftlichen Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. A. B. vom 07.09.2021 (Blatt 38 der Akte) sowie durch uneidliche Vernehmung der Zeugen G. und R.. Der Beklagte zu 1) wurde in der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2021 informatorisch angehört.

Zur Ergänzung wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, das eingeholte Sachverständigengutachten nebst Anlagen sowie die übrigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klagepartei hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner keinen Anspruch auf Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall aus §§ 18 Abs. 3 StVG, 823 BGB bzw. §§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG.

Verkehrsunfall mit geöffneter Fahrertür auf einem Parkplatz
(Symbolfoto: Woottisak/Shutterstock.com)

Bei einem Unfall im Straßenverkehr zwischen zwei Kraftfahrzeugen haften gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 3, 17 Abs. 2 StVG aufgrund der jeweiligen Betriebsgefahr ihrer Fahrzeuge grundsätzlich beide Fahrer bzw. Halter. Die jeweilige Haftpflichtversicherung hat nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG in Verbindung mit § 1 PflVG gesamtschuldnerisch mit diesen für den Schaden einzustehen.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Seite darlegen und im Bestreitensfall beweisen kann, dass der Unfall für sie ein unabwendbares Ereignis war gemäß § 17 Abs. 3 StVG oder das Verschulden der Gegenseite so gewichtig ist, dass die Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs dahinter zurücktritt. Dies ist vorliegend der Fall.

Das Gericht hat der Entscheidung eine alleinige Haftung der Klagepartei zugrunde gelegt.

Unstreitig kam es zur Kollision zwischen der Fahrertüre des Klägerfahrzeugs und dem im Einfahren in die Parklücke neben dem Klägerfahrzeug befindlichen Beklagtenfahrzeug.

Für eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung des Türöffners – hier des Fahrers des Klägerfahrzeugs – spricht der Beweis des ersten Anscheins.

Gemäß § 14 StVO muss sich, wer in ein Fahrzeug ein- oder aussteigt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 06.10.2009, VI ZR 316/08). Die Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO beschränkt sich nicht ausschließlich auf solche Vorgänge, bei denen sich durch das unvorsichtige Öffnen einer Fahrzeugtür ein Überraschungsmoment für andere Verkehrsteilnehmer ergibt. Das Gesetz stellt nicht auf das überraschende Öffnen einer Fahrzeugtür ab, sondern auf das Aus- und Einsteigen als solches, da ein solcher Vorgang aus unterschiedlichen Gründen mit erheblichen Gefahren für den übrigen Verkehr verbunden sein kann. Zwar ergeben sich die Gefahren beim Aussteigen vielfach daraus, dass eine Fahrzeugtür durch einen für den fließenden Verkehr nicht erkennbaren Fahrzeuginsassen überraschend geöffnet wird. Doch beschränkt sich der vom Gesetz erfasste Gefahrenkreis nicht ausschließlich darauf. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Sorgfaltsanforderung auch für Einsteigevorgänge gilt, bei denen der Einsteigende in der Regel für den Verkehr erkennbar ist (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 06.10.2009, VI ZR 316/08). Wird beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 06.10.2009, VI ZR 316/08).

Die Sorgfaltsnorm des § 14 StVO findet im vorliegenden Fall zwar keine unmittelbare Anwendung nach Auffassung des angerufenen Gerichts, nachdem sich die streitgegenständliche Kollision unstreitig auf einem nicht-öffentlichen Parkplatzgelände ereignete und sich im Hinblick auf das zur Akte gereichte Lichtbildmaterial und die Luftbildaufnahmen, welche als Anlage zum Gutachten zur Akte genommen wurden, keine unmittelbare Straßenähnlichkeit ergibt. Insbesondere ist nach Auffassung des angerufenen Gerichts im Bereich der Fahrgasse neben den streitgegenständlichen Parkbuchten nicht mit regelmäßigem Begegnungsverkehr zu rechnen. Die Sorgfaltsnorm ist hier jedoch im Rahmen einer Pflichtenkonkretisierung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots gemäß § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, als nach Auffassung des angerufenen Gerichts auf einem Parkplatzgelände – wie hier – für jeden Benutzer grundsätzlich jederzeit mit Ein- und Aussteigevorgängen sowie mit Ein-, Auspark- und Rangiermanövern zu rechnen ist, sodass grundsätzlich erhöhtes Augenmerk auf derartige Vorgänge zu legen ist (zur Pflichtenkonkretisierung auf Parkplätzen vor dem Hintergrund der Sorgfaltsnorm des § 9 StVO vgl. etwa BGH, Urteil vom 15.12.2015, Az. VI ZR 6/15 = NJW 2016, 1098; OLG München, Urteil vom 23.03.2018, Az. 10 U 2647/17 = BeckRS 2018, 4497).

Das Gericht konnte sich nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht von der Richtigkeit des klägerischen Sachvortrages überzeugen, wonach die Tür des Klägerfahrzeugs beim Kollisionskontakt mit dem in die Parklücke einfahrenden Beklagtenfahrzeug bereits für einen längeren Zeitraum von mehreren Minuten offen gestanden sei.

Dies hat zwar der Zeuge … als verantwortlicher Fahrzeugführer im Rahmen seiner uneidlichen Vernehmung so geschildert. Dies konnte jedoch durch die übrigen im Rahmen der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen nicht mit der von § 286 Abs. 1 ZPO vorausgesetzten Sicherheit zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden.

Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters fordert keine – ohnehin nicht erreichbare – absolute und unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (ständige Rechtsprechung, etwa BGH, Urteil vom 28.01.2003, VI ZR 139/02; OLG München, Urteil vom 27.01.2006, 10 U 4904/05).

Der Richter ist im Rahmen seiner Entscheidung in Würdigung der Beweise an die Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze gebunden, wobei er die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf (Greger in Zöller, 31. Aufl., § 286 ZPO, Rn. 13).

Bereits die Zeugin … schilderte, die Tür des Klägerfahrzeugs sei nur einen kleinen Spalt, „vielleicht 5 cm“, geöffnet gestanden (Seite 5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung, Blatt 71 der Akte). Der Beklagte zu 1) wiederum schilderte im Rahmen seiner informatorischen Anhörung, die Tür sei geschlossen gewesen, als er in die Parklücke hineingefahren sei (Seite 7 des Protokolls der mündlichen Verhandlung, Blatt 73 der Akte).

Zu berücksichtigen ist nach Auffassung des angerufenen Gerichts in diesem Zusammenhang, dass ausweislich der Schilderungen des Zeugen … welche insoweit den Schilderungen der Zeugin … widersprechen, die Tür des Klägerfahrzeugs bereits über diesen durchaus erheblichen längeren Zeitraum etwa zur Hälfte geöffnet gewesen sei und damit deutlich weiter als die von der Zeugin … geschilderte Öffnungsweite. Letztere lässt sich nun wiederum nach Überzeugung des Gerichts überhaupt nicht vereinbaren mit den eindeutigen Erkenntnissen aus dem eingeholten unfallanalytischen Sachverständigengutachten, wonach zum Kollisionszeitpunkt die Fahrzeugführer des Klägerfahrzeugs in einer Öffnungsweite von 60-70 m geöffnet gewesen sei (Seite 8 des schriftlichen Gutachtens, Blatt 45 der Akte).

Das Gericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit des Sachverständigengutachtens und der Sachkunde des Sachverständigen B.. Nach Auffassung des Gerichts hat der Sachverständige im vorliegenden Fall die zur Verfügung stehenden Anknüpfungstatsachen umfassend und abschließend ausgewertet und hieraus nachvollziehbare, in sich widerspruchsfreie Schlussfolgerungen hergeleitet, welche das Gericht überzeugen und dem Urteil in eigener Würdigung zugrunde gelegt werden. Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten wurden nicht erhoben; Ergänzungsfragen nicht gestellt.

Das Gericht sieht sich hier nicht imstande, sich aufgrund der uneidlichen Angaben der nicht am Unfallgeschehen beteiligten Zeugin … von der Richtigkeit des klägerischen Sachvortrags zu überzeugen. Es ergibt sich insoweit ein für das Gericht nicht näher aufklärbarer und erklärbarer Widerspruch zur sachverständig schlüssig rekonstruierten Öffnungsweite. Darüber hinaus ergibt sich trotz der Versicherungen der Zeugin, sie habe das Geschehen über einen längeren Zeitraum beobachtet, wobei die Tür die ganze Zeit konstant den beschriebenen kleinen Spalt geöffnet gewesen sei, nicht die Überzeugung des Gerichts, dass Veränderungen in der Öffnungsweite der Tür ausgeschlossen sind. Das Gericht hält es für mindestens ebenso wahrscheinlich, dass die Zeugin, welche dann auch detaillierte Angaben zum Einfahrverhalten des Beklagtenfahrzeugs auf das Parkplatzgelände getätigt hat – mit nicht zu leugnender subjektiver Bewertung des von ihr beschriebenen Fahrmanövers des Beklagtenfahrzeugs – möglicherweise doch den unmittelbaren Moment vor der Kollision und die dabei gegebene Position der Tür des Klägerfahrzeugs nicht beobachtet hat. Ausweislich der Feststellungen aus dem Sachverständigengutachten kann auch technisch nicht ausgeschlossen werden, dass die Tür des Klägerfahrzeugs in die Öffnungsweite, welche bei der Kollision gegeben war, unmittelbar vor dem Kontakt bewegt wurde. Schließlich konnte das eingeholte Sachverständigengutachten auch nicht ausschließen, dass die Tür des Klägerfahrzeugs zum Kollisionszeitpunkt in Bewegung gewesen ist (Seite 8 des schriftlichen Gutachtens, Blatt 45 der Akte).

Entscheidend ist aus Sicht des Gerichts im Rahmen einer Würdigung der Angaben der Zeugin … bei welcher zwar einerseits kein unmittelbares eigenes Interesse am Verfahrensausgang erkennbar war, jedoch andererseits eine deutliche Tendenz bemerkbar war, hier den Beklagten zu 1) als „Schuldigen“ zu beschreiben, welche sich insbesondere in der detaillierten Beschreibung der Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs zeigte, dass sich deren Schilderung, die Kollision sei erfolgt, als die Tür des Klägerfahrzeugs unverändert einen kleinen Spalt weit geöffnet gewesen sei, weder mit den Angaben des Fahrers des Klägerfahrzeugs noch mit den Erkenntnissen aus dem eingeholten unfallanalytischen Sachverständigengutachten vereinbaren lässt. Das Gericht sieht sich vor diesem Hintergrund nicht imstande, den Schilderungen der Zeugin zum Unfallhergang abschließend Glauben zu schenken.

Ein weiterer Widerspruch besteht zwischen den Angaben der Zeugin …, es seien weder der Fuß noch die Hand des Fahrers des Klägerfahrzeugs aus dem Fahrzeug heraus geragt, während demgegenüber der Zeuge … angegeben hatte, sein linker Fuß sei aus dem Fahrzeug heraus geragt.

Hinsichtlich des Beklagten zu 1) ist zu berücksichtigen, dass dieser im Rahmen seiner informatorischen Anhörung letztlich eingeräumt hat, eine Öffnungsbewegung der Tür des Klägerfahrzeugs nicht gesehen zu haben, sondern letztlich eine solche zu vermuten. Dies spricht jedoch nicht gegen die Richtigkeit der Schilderungen des Beklagten zu 1), sondern zeugt nach Auffassung des angerufenen Gerichts von dessen Bemühen um eine sachliche, richtige Darstellung. Das Gericht kann letztlich beim Beklagten zu 1), welcher unmittelbar am Verfahren als Partei beteiligt ist, ebenso wenig wie beim Zeugen G., Ehemann in einem emotionalen Näheverhältnis zur Klagepartei steht, ein gewisses Eigeninteresse bzw. eine Solidarisierungstendenz ausschließen.

Das Gericht hat hierbei die informatorischen Angaben des Beklagten zu 1) gem. §§ 141, 278 Abs. 2 S. 3 ZPO zwar nicht als Beweismittel – aber wie allgemein anerkannt – im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses (Beweiswürdigung nach § 286 ZPO) verwertet (vgl. z.B. BGH MDR 1992, 137). Im Kern ergibt sich aus den Schilderungen des Beklagten zu 1) das bei Beginn seines Einfahrens in die Parklücke neben dem Klägerfahrzeug die Tür nicht geöffnet gewesen bzw. nicht offen gestanden sei. Allein der Umstand, dass dessen Angaben hier als informatorische Parteiangaben zu berücksichtigen sind, während für die Darstellung der Klagepartei eine Zeugenaussage spricht, veranlasst das Gericht nicht, hier den Schilderungen des Zeugen G. im Hinblick auf die nicht ausschließbaren Beeinflussung seiner Aussage aus emotionaler Verbundenheit zur Klägerin sowie aufgrund der eigenen unmittelbar als verantwortliche Fahrzeugführer einen höheren Erkenntniswert beizumessen als den Angaben des Beklagten zu 1).

Vor dem Hintergrund dieser sich widersprechenden Schilderungen einerseits und andererseits vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus dem eingeholten Sachverständigengutachten, welches den klägerischen Sachvortrag einer bereits längere Zeit offenstehenden Tür ebenfalls nicht bestätigen konnte, steht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme lediglich fest, dass sich die streitgegenständliche Kollision während eines Einparkmanövers des Beklagtenfahrzeugs mit der Tür des Klägerfahrzeugs ereignete. Dass diese Tür bereits erkennbar und insbesondere über einen relevanten Zeitraum geöffnet war in der Öffnungsweite, in welcher auch die Kollision erfolgte, konnte die Klagepartei hier im Ergebnis nicht zu Überzeugung des Gerichts beweisen.

Damit bleibt es hier bei einer Kollision im Zusammenhang mit einem Türöffnungsvorgang, während ein unfallursächliches Mitverschulden im Sinne einer vorwerfbaren Sorgfaltswidrigkeit für den Beklagten zu 1) hier nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen wurde.

Insbesondere kann sich das Gericht hier nicht von der Richtigkeit der Beschreibungen der Zeugin R. zu der von ihr wahrgenommenen Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs überzeugen. Aufgrund der technischen Rekonstruktionen des Sachverständigen ergibt sich eine geringe nachweisbare Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs zum Kollisionszeitpunkt (Seite 8 des Gutachtens, Blatt 45 der Akte). Im Übrigen kommt das angerufene Gericht hier aus eigener Sachkunde zu der Bewertung, dass die von der Zeugin beschriebene Einfahrgeschwindigkeit im Bereich von 50 km/h schon im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten fahrtechnisch nicht plausibel und nachvollziehbar ist. Auch in dieser Beschreibung erkennt das Gericht darüber hinaus eine Tendenz der Zeugin, hier die Situation insgesamt mit einer subjektiven Wertung zulasten des Beklagten zu 1) darzustellen.

Raum für die Berücksichtigung einer unfallkausalen Sorgfaltswidrigkeit besteht im vorliegenden Fall nach Auffassung des angerufenen Gerichts auch nicht im Hinblick auf das klägerseits geltend gemachte Schuldbekenntnis des Beklagten zu 1). Letzterer räumte im Rahmen seiner informatorischen Anhörung selbst ein, er habe zunächst gesagt, er sei schuld, weil er die Tür angefahren habe. Ein Rechtsbindungswille in irgendeiner Form dahingehend, dass damit ein Haftungsanerkenntnis verbunden sein sollte oder auch nur der Ausschluss etwaiger späterer Einwendungen insbesondere mit Bindungswirkung gegenüber der hinter den Beklagten zu 1) stehenden Haftpflichtversicherung, der Beklagten zu 2), lässt sich dem jedoch nicht entnehmen. Es handelt sich insoweit nach Auffassung des angerufenen Gerichts vielmehr um eine spontane Aussage unter dem Eindruck des Schrecks über den stattgefundenen Unfall.

Aus der durchgeführten technischen Beweisaufnahme haben sich keinerlei konkrete Anhaltspunkte für eine Vermeidbarkeit der Kollision für den Beklagten zu 1) ergeben. Vielmehr führt das schriftliche unfallanalytische Sachverständigengutachten aus, dass eine Vermeidbarkeit aus technischer Sicht dann nachvollziehbar sei, wenn man von einem längeren und insbesondere erkennbaren Offenstehen der Türe ausgehe. Dieser Beweis wurde jedoch, wie ausgeführt, hier nicht erfolgreich geführt.

Ein Verschulden des Fahrers des Klägerfahrzeugs an der Kollision steht im Rahmen des hier zur Anwendung zu bringenden Anscheinsbeweises gegen die Klagepartei fest. Lediglich der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass nach Auffassung des angerufenen Gerichts auch ein – hier nicht nachgewiesenes – über mehrere Minuten andauerndes Offenstehen Lassens einer Fahrzeugtür auf einem Parkplatzgelände erheblich risikobehaftet und vor dem Hintergrund der eingangs dargestellten Pflichten zur wechselseitigen Rücksichtnahme sorgfaltswidrig wäre.

Eine unfallkausale Sorgfaltswidrigkeit wurde demgegenüber für den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen. Aufgrund des erheblichen Gewichts der Sorgfaltsanforderungen des § 14 StVO, welche hier im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung gemäß § 1 Abs. 2 StVO wertend zu berücksichtigen sind, erachtet das angerufene Gericht im Rahmen einer Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gemäß §§ 17, 18 StVG den Verursachungsbeitrag für das Klägerfahrzeug als so erheblich und schwerwiegend, dass demgegenüber auch die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs vollständig zurücktritt. Die Klagepartei haftet deshalb im vorliegenden Fall allein für die Schäden aus den streitgegenständlichen Unfall.

Die Klage war deshalb mangels Haftungsanspruchs dem Grunde nach abzuweisen.

Weitere Ausführungen zur Schadenshöhe erübrigen sich vor diesem Hintergrund.

II.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

IV.

Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Berücksichtigung der als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen.

 

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