Übersicht
- 1 Das Wichtigste in Kürze
- 2 Komplexe Haftungsfragen: Gerichtsurteil zu Verkehrsunfall und Eigenbesitz
- 3 Der Fall vor Gericht
- 4 Die Schlüsselerkenntnisse
- 5 Benötigen Sie Hilfe?
- 6 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 6.1 Wie wird die Haftungsverteilung bei einem Unfall in einer Engstelle grundsätzlich geregelt?
- 6.2 Welche Vorfahrtsregeln gelten in Engstellen und wer muss warten?
- 6.3 Welche Beweismittel sind bei Unfällen in Engstellen besonders wichtig?
- 6.4 Welche Rolle spielt die Geschwindigkeit bei der Haftungsverteilung in Engstellen?
- 6.5 Was bedeutet die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs für die Schadensverteilung?
- 7 Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- 8 Wichtige Rechtsgrundlagen
- 9 Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
- Datum: 14.01.2025
- Aktenzeichen: 6 U 73/24
- Verfahrensart: Berufungsverfahren im Zivilrecht
- Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Schadensersatzrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Eigentümerin des beschädigten Fahrzeugs VW Touareg, verlangt Schadensersatz für entstandene Kosten aufgrund eines Verkehrsunfalls. Die Klägerin argumentiert, dass ihr Geschäftsführer vorfahrtsberechtigt war und der Beklagte zu 2 zu schnell fuhr.
- Beklagte zu 1: Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs Smart Fortwo. Eingestanden, für die Betriebsgefahr des Fahrzeugs zu haften, bestreitet jedoch die volle Schadensverantwortung.
- Beklagter zu 2: Fahrer des bei der Beklagten zu 1 versicherten Fahrzeugs Smart Fortwo, bestreitet eine Mitschuld am Unfall und wirft der Klägerin verkehrswidriges Verhalten vor.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Ein Verkehrsunfall ereignete sich auf einer schneebedeckten Straße mit einer engen Stelle, an der der VW Touareg und der Smart Fortwo kollidierten. Der Kläger fordert Schadensersatz für die Reparatur des VW Touareg und Nebenkosten.
- Kern des Rechtsstreits: Wer trägt die Hauptschuld am Unfall und in welchem Umfang sind die Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet? Die Frage der Vorfahrtsregel in einer Engstelle auf einer schneebedeckten Straße steht im Zentrum des Streits.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beklagten haften als Gesamtschuldner zu 80 % des Schadens. Die Beklagte zu 1 schuldet 6.147,99 € samt Zinsen und die Beklagte zu 2 schuldet anteilige Zinsen ab Rechtshängigkeit.
- Begründung: Der Beklagte zu 2 verstieß gegen die Wartepflicht gemäß § 6 StVO und reagierte unzureichend auf die Verkehrslage. Der Beklagten zu 1 wurde die Betriebsgefahr des Fahrzeugs angelastet. Das Verschulden des Geschäftsführers der Klägerin konnte nicht bewiesen werden.
- Folgen: Die Beklagten müssen einen großen Teil der Kosten tragen. Die Klägerin erhält Schadensersatz, und Zinsen werden von den Beklagten ab dem jeweiligen Verzugseintritt gestattet. Die Revision wurde nicht zugelassen, sodass das Urteil rechtskräftig ist.
Komplexe Haftungsfragen: Gerichtsurteil zu Verkehrsunfall und Eigenbesitz
Verkehrsunfälle gehören zu den häufigsten Rechtskonflikten im Straßenverkehr. Sie werfen oft komplexe Fragen zur Haftung und Schadensregulierung auf, insbesondere wenn es um den Besitz und die Nutzung des Unfallfahrzeugs geht. Die rechtlichen Aspekte von Eigenbesitz und Verkehrsunfallrecht erfordern eine sorgfältige Analyse der individuellen Umstände.
Die Klärung von Verantwortlichkeiten nach einem Unfall hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Mitverschulden, Versicherungsansprüchen und den konkreten Besitzverhältnissen des Fahrzeugs. Dabei spielen Aspekte wie Fahrerlaubnis, Sorgfaltspflicht und Schadensersatzansprüche eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung eines Verkehrsunfalls.
In dem folgenden Fall wird ein Gerichtsurteil beleuchtet, das sich mit den komplexen Fragen des mittelbaren Eigenbesitzes bei einem Verkehrsunfall auseinandersetzt.
Der Fall vor Gericht
Verkehrsunfall in Engstelle: OLG Stuttgart spricht Klägerin 80 Prozent Schadensersatz zu

Ein Unfall zwischen einem Smart Fortwo und einem VW Touareg in der H.-Straße in Stuttgart führt zu einem Rechtsstreit um die Haftungsverteilung bei schwierigen Verkehrssituationen. Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied am 14. Januar 2025, dass die Beklagten 80 Prozent des entstandenen Schadens tragen müssen.
Unfallhergang in enger Straße mit Parkstreifen
Der Unfall ereignete sich am 14. Dezember 2022 um 20:30 Uhr bei teilweise schneebedeckter Fahrbahn. In der H.-Straße, wo eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h gilt, befand sich ein 50 Meter langer Parkstreifen. Die Fahrbahn war so eng, dass Fahrzeuge im Begegnungsverkehr nicht aneinander vorbeifahren konnten. Der Smart-Fahrer fuhr an dem Parkstreifen vorbei, als es auf Höhe des letzten geparkten Fahrzeugs zum frontalen Zusammenstoß mit dem VW Touareg kam, den der Geschäftsführer der klagenden Firma noch vor der Kollision zum Stehen bringen konnte.
Gerichtliche Bewertung der Unfallverantwortung
Das OLG Stuttgart kam nach eingehender Prüfung zu dem Schluss, dass der Smart-Fahrer gegen seine Pflichten aus der Straßenverkehrsordnung verstoßen hatte. Nach den Berechnungen des Sachverständigen war der VW Touareg für den Smart-Fahrer bereits erkennbar, als dieser in die Engstelle einfuhr. Der Fahrer hätte gemäß § 6 StVO das entgegenkommende Fahrzeug durchfahren lassen müssen. Zudem fuhr er mit nicht angepasster Geschwindigkeit an den parkenden Fahrzeugen vorbei. Dies zeigte sich daran, dass der Geschäftsführer der Klägerin sein Fahrzeug noch rechtzeitig zum Stehen bringen konnte, der Smart-Fahrer jedoch nicht.
Finanzielle Folgen des Unfallgeschehens
Der Schaden am VW Touareg belief sich auf 7.684,99 Euro, bestehend aus Reparaturkosten von 6.899,30 Euro, Gutachterkosten von 760,69 Euro und einer Pauschale von 25 Euro. Das Gericht verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 6.147,99 Euro. Die Haftpflichtversicherung muss darüber hinaus Verzugszinsen und Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten tragen.
Rechtliche Grundlagen der Entscheidung
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die Haftung nach dem Straßenverkehrsgesetz. Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs führte dazu, dass die Beklagten nicht für den gesamten Schaden aufkommen müssen. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers der Klägerin konnte das Gericht nicht feststellen, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass für ihn eine Parklücke erkennbar war, in die der Smart-Fahrer hätte einscheren können.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht die komplexe Bewertung von Unfällen an Engstellen mit parkenden Fahrzeugen. Entscheidend für die Haftungsverteilung ist, wer zuerst erkennbar in die Engstelle eingefahren ist und ob für den später Einfahrenden die Möglichkeit bestand, die Situation rechtzeitig zu erkennen. Das Gericht berücksichtigt dabei besonders die örtlichen Gegebenheiten wie Sichtverhältnisse, Witterung und Ausweichmöglichkeiten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie in einen Unfall an einer Engstelle verwickelt werden, ist für Ihre Ansprüche entscheidend, ob Sie nachweisen können, dass der Unfallgegner die Situation früher hätte erkennen können. Dokumentieren Sie daher unmittelbar nach dem Unfall die Parksituation, Sichtverhältnisse und mögliche Ausweichstellen durch Fotos. Auch wenn Sie einen Totalschaden erleiden, müssen Sie Ihre Eigentümerstellung am Fahrzeug nachweisen können – bewahren Sie daher wichtige Fahrzeugdokumente sorgfältig auf. Die Versicherung wird in der Regel nur einen Teil des Schadens übernehmen, wenn beide Unfallbeteiligten die Engstelle hätten erkennen können.
Benötigen Sie Hilfe?
Unfall in Engstelle? Wir helfen Ihnen.
Gerade Unfälle in engen Straßen mit parkenden Autos führen oft zu komplizierten rechtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es um die Haftungsverteilung geht. Sichern Sie Ihre Ansprüche und lassen Sie Ihre Rechte von erfahrenen Anwälten prüfen. Wir unterstützen Sie bei der Beweissicherung, der korrekten Einschätzung Ihrer Situation und der Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegenüber der gegnerischen Versicherung. Kontaktieren Sie uns, um Klarheit über Ihre Möglichkeiten zu gewinnen und die bestmögliche Strategie für Ihr Anliegen zu entwickeln.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie wird die Haftungsverteilung bei einem Unfall in einer Engstelle grundsätzlich geregelt?
Grundprinzip der Vorfahrt
Bei Unfällen in Engstellen gilt der Grundsatz „first come, first serve“ – wer zuerst an der Engstelle ankommt, darf sie auch als erster passieren. Wenn die Engstelle nur von einem Fahrzeug passiert werden kann, müssen sich die Verkehrsteilnehmer unter gegenseitiger Rücksichtnahme verständigen.
Besondere Haftungsregeln
Die Haftungsverteilung richtet sich nach mehreren Faktoren:
Verschulden: Die Haftung basiert primär auf § 823 BGB bei schuldhaftem Verhalten und auf § 7 StVG bei der Gefährdungshaftung. Wenn ein Fahrer sein Vorfahrtsrecht erzwingt, haftet er in der Regel allein für den entstehenden Schaden.
Typische Haftungsquoten:
- Bei beidseitiger Fahrbahnverengung ohne eindeutige Vorfahrtsregelung: meist 50:50 Verteilung
- Bei verkehrswidrig geparkten Fahrzeugen: 70% Haftung des vorbeifahrenden Fahrzeugs, 30% des Falschparkers
- Bei Missachtung eines Vorfahrtszeichens (Zeichen 208): bis zu 70% Haftung des Wartepflichtigen
Pflichten der Verkehrsteilnehmer
Wartepflichtiger Fahrer muss:
- Seine Geschwindigkeit stark reduzieren
- Notfalls anhalten oder zurücksetzen
- Sich bei unklarer Situation von einem Dritten einweisen lassen
Vorfahrtsberechtigter Fahrer muss:
- Das Rechtsfahrgebot beachten
- Mit Gegenverkehr rechnen
- Seine Fahrweise der Situation anpassen
Besondere Situationen
Bei Omnibussen oder größeren Fahrzeugen wird eine erhöhte Betriebsgefahr angenommen, die sich aus der überdurchschnittlichen Breite und Masse ergibt. Dies führt oft zu einer höheren Haftungsquote.
Wenn die Sichtverhältnisse eingeschränkt sind oder die Durchfahrt unklar ist, müssen beide Verkehrsteilnehmer besondere Vorsicht walten lassen. Eine Verständigung über die Durchfahrtsreihenfolge ist dann zwingend erforderlich.
Welche Vorfahrtsregeln gelten in Engstellen und wer muss warten?
Bei Engstellen im Straßenverkehr gelten unterschiedliche Vorfahrtsregeln, die sich nach der Art der Verengung und der Beschilderung richten.
Einseitige Fahrbahnverengung
Bei einer einseitigen Fahrbahnverengung gilt gemäß § 6 StVO: Wer an einer Fahrbahnverengung, einem Hindernis auf der Fahrbahn oder einem haltenden Fahrzeug links vorbeifahren will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Dies bedeutet konkret:
Der Verkehrsteilnehmer, auf dessen Fahrbahnseite sich das Hindernis befindet, ist wartepflichtig. Wenn Sie also auf Ihrer Seite ein Hindernis haben und die Gegenfahrbahn mitbenutzen müssen, warten Sie, bis der Gegenverkehr die Engstelle passiert hat.
Beidseitige Fahrbahnverengung
Bei einer beidseitigen Fahrbahnverengung (Verkehrszeichen 120) gilt:
Keines der Fahrzeuge hat automatisch Vorrang. Stattdessen müssen sich die Verkehrsteilnehmer unter gegenseitiger Rücksichtnahme gemäß § 1 StVO verständigen, wer zuerst durchfährt.
Wenn die Fahrbahn breit genug ist, dürfen Fahrzeuge mit angepasster Geschwindigkeit gleichzeitig weiterfahren.
Besondere Situationen
Wenn ein Fahrzeug die Engstelle bereits deutlich vor dem anderen erreicht hat, darf dieses zuerst durchfahren.
Bei Unklarheit über die Vorfahrt gilt: Beide Verkehrsteilnehmer sind verpflichtet, im Zweifel dem anderen den Vortritt zu lassen.
Verhaltensregeln in der Praxis
Bei Annäherung an eine Engstelle sollten Sie:
- Die Geschwindigkeit deutlich reduzieren
- Blickkontakt zum anderen Verkehrsteilnehmer suchen
- Sich gegebenenfalls durch Handzeichen verständigen
- Den Blinker setzen, wenn Sie an einem Hindernis vorbeifahren müssen
Beachten Sie: Auch wenn Sie vorfahrtsberechtigt sind, entbindet Sie dies nicht von der allgemeinen Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht. Bei einem Unfall können Sie trotz Vorfahrtsrecht in die Haftung genommen werden, wenn Sie zu schnell gefahren sind oder das Rechtsfahrgebot missachtet haben.
Welche Beweismittel sind bei Unfällen in Engstellen besonders wichtig?
Bei Unfällen in Engstellen ist eine umfassende Dokumentation der Unfallsituation von entscheidender Bedeutung. Die wichtigsten Beweismittel lassen sich in vier Kategorien einteilen:
Fotodokumentation
Die fotografische Beweissicherung muss besonders sorgfältig erfolgen. Fotografieren Sie:
- Die gesamte Engstelle aus verschiedenen Blickwinkeln
- Positionen der Fahrzeuge zueinander und zur Straße
- Alle Schäden an den beteiligten Fahrzeugen
- Spuren auf der Fahrbahn wie Brems- oder Schleifspuren
- Verkehrszeichen und Straßenmarkierungen
Unfallskizze und Protokoll
Ein detaillierter Unfallbericht sollte angefertigt werden, der folgende Aspekte dokumentiert:
- Genaue Breite der Engstelle
- Position parkender Fahrzeuge
- Abstände und Ausweichmöglichkeiten
- Sichtverhältnisse beim Einfahren in die Engstelle
- Geschwindigkeiten beider Fahrzeuge
Zeugenaussagen
Neutrale Zeugenaussagen sind bei Engstellenunfällen besonders wertvoll. Achten Sie darauf:
- Kontaktdaten aller Zeugen zu notieren
- Spontanaussagen der Zeugen direkt nach dem Unfall zu dokumentieren
- Auch Anwohner zu befragen, die die Engstelle kennen
Technische Beweismittel
Ein Sachverständigengutachten kann wichtige technische Erkenntnisse liefern:
- Rekonstruktion der Fahrgeschwindigkeiten
- Analyse der technischen Ausweichmöglichkeiten
- Bewertung der Reaktionszeiten
- Untersuchung der Kollisionsspuren
Die Beweissicherung sollte unmittelbar nach dem Unfall erfolgen, da wichtige Spuren schnell verloren gehen können. Vermeiden Sie dabei unbedingt Schuldzuweisungen oder Schuldanerkenntnisse.
Welche Rolle spielt die Geschwindigkeit bei der Haftungsverteilung in Engstellen?
Die Geschwindigkeit ist ein entscheidender Faktor für die Haftungsverteilung bei Unfällen in Engstellen. Wenn Sie sich einer Engstelle nähern, müssen Sie Ihre Geschwindigkeit stark reduzieren und notfalls sogar anhalten.
Grundsätzliche Geschwindigkeitsanforderungen
Bei Engstellen gilt der Grundsatz, dass die Geschwindigkeit so anzupassen ist, dass ein sicheres Passieren möglich ist. Der Wartepflichtige muss besonders vorsichtig sein und seine Geschwindigkeit deutlich verringern, wenn die Engstelle in einer Kurve nicht vollständig einsehbar ist.
Haftungsfolgen bei überhöhter Geschwindigkeit
Wenn Sie mit unangepasster Geschwindigkeit in eine Engstelle einfahren, kann dies zu einer erheblichen Mithaftung führen. Die Rechtsprechung hat beispielsweise eine Mithaftungsquote von 70 Prozent bei einer Geschwindigkeit von 45-50 km/h in einer unübersichtlichen Engstelle festgelegt.
Besondere Sorgfaltspflichten
In Engstellen müssen Sie sich mit dem anderen Verkehrsteilnehmer über die Durchfahrt verständigen. Dabei gilt:
- Bei beengten Verhältnissen müssen Sie Ihre Geschwindigkeit auf das erforderliche Mindestmaß reduzieren
- Wenn die Engstelle das gleichzeitige Passieren unmöglich macht, gilt das Prinzip „first come, first serve“
- Bei unklarer Situation müssen Sie sich von einem Dritten einweisen lassen oder auf die Durchfahrt verzichten
Die Geschwindigkeit spielt auch bei der Bewertung der Betriebsgefahr eine wichtige Rolle. Je höher die gefahrene Geschwindigkeit, desto größer ist die Betriebsgefahr, die sich proportional zur Geschwindigkeit erhöht.
Was bedeutet die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs für die Schadensverteilung?
Grundsätzliche Bedeutung der Betriebsgefahr
Die Betriebsgefahr bezeichnet das Risiko, das von einem Fahrzeug im Straßenverkehr ausgeht – und zwar unabhängig von einem Verschulden des Fahrers oder Halters. Wenn Sie ein Kraftfahrzeug besitzen oder führen, müssen Sie wissen, dass Sie allein durch die Teilnahme am Straßenverkehr eine Gefahrenquelle schaffen.
Auswirkungen auf die Haftung
Bei einem Unfall wird die Betriebsgefahr als eine Art Grundhaftung berücksichtigt. Stellen Sie sich vor, Sie sind in einen Unfall verwickelt: Selbst wenn Sie keine Schuld am Unfall tragen, müssen Sie in der Regel mit einer Mithaftung von 20 bis 25 Prozent aufgrund der Betriebsgefahr Ihres Fahrzeugs rechnen.
Besondere Haftungssituationen
Die Betriebsgefahr wirkt sich auch in besonderen Situationen aus:
Wenn Ihr Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum parkt oder aufgrund einer Panne liegen bleibt, besteht die Betriebsgefahr weiter. Dies gilt auch für Schäden durch herabfallende Ladung oder bei Be- und Entladevorgängen.
Ausnahmen und Einschränkungen
Die Haftung aus Betriebsgefahr entfällt in zwei Fällen:
Wenn der Unfall für Sie nachweislich unabwendbar war oder auf höherer Gewalt beruhte. Auch wenn Ihr Fahrzeug ohne Ihr Wissen und Ihre Zustimmung genutzt wurde und Sie dies nicht durch eigenes Verschulden ermöglicht haben, entfällt die Haftung aus der Betriebsgefahr.
Bei Arbeitsmaschinen wie Traktoren oder Erntemaschinen gilt die Betriebsgefahr nicht, wenn der Schaden ausschließlich durch die Arbeitsfunktion und nicht durch die Fortbewegungs- oder Transportfunktion verursacht wurde.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Betriebsgefahr
Die Betriebsgefahr beschreibt das allgemeine Risiko, das vom Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr ausgeht – unabhängig von einem Verschulden. Gemäß § 7 StVG haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden, die beim Betrieb seines Fahrzeugs entstehen, auch wenn ihn keine Schuld trifft. Bei einem Unfall zwischen zwei Fahrzeugen wird die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge gegeneinander abgewogen. Ein typisches Beispiel: Auch wenn ein Autofahrer völlig korrekt fährt, trägt er aufgrund der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs bei einem Unfall häufig einen kleinen Teil des Schadens selbst.
Mitverschulden
Das Mitverschulden bezeichnet die Mitverursachung eines Schadens durch den Geschädigten selbst. Nach § 254 BGB mindert ein Mitverschulden den Schadensersatzanspruch entsprechend. Der Schaden wird dann zwischen den Beteiligten aufgeteilt. Bei Verkehrsunfällen wird geprüft, inwieweit jede Partei durch ihr Verhalten zum Unfall beigetragen hat. Beispiel: Wenn beide Unfallbeteiligten Verkehrsregeln missachtet haben, müssen sie sich den Schaden anteilig teilen – wie im vorliegenden Fall 80% zu 20%.
Gesamtschuldner
Gesamtschuldner sind mehrere Personen, die gemäß § 421 BGB gemeinsam für eine Schuld haften. Der Gläubiger kann von jedem Gesamtschuldner die komplette Leistung verlangen, im Innenverhältnis müssen die Schuldner dann untereinander ausgleichen. Im Verkehrsrecht haften oft Fahrzeugführer und Haftpflichtversicherung als Gesamtschuldner. Der Geschädigte kann sich aussuchen, von wem er die Zahlung verlangt – meist wählt er die Versicherung aufgrund ihrer sicheren Zahlungsfähigkeit.
Verzugszinsen
Verzugszinsen sind zusätzliche Zahlungen, die ein Schuldner leisten muss, wenn er mit der Zahlung in Verzug gerät. Nach § 288 BGB betragen sie bei Verbrauchern 5 Prozentpunkte, bei Geschäftsleuten 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Die Zinspflicht beginnt meist nach einer Mahnung oder automatisch 30 Tage nach Fälligkeit. Bei Verkehrsunfällen fallen Verzugszinsen an, wenn der Schädiger oder seine Versicherung den Schaden nicht zeitnah regulieren.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Dies sind Anwaltskosten, die vor einer Klageerhebung entstehen, etwa für Beratung, Korrespondenz mit der Gegenseite oder Vergleichsverhandlungen. Nach § 249 BGB muss der Schädiger diese Kosten als Teil des Schadens ersetzen, wenn die Einschaltung eines Anwalts notwendig und angemessen war. Bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden oder höheren Sachschäden ist dies regelmäßig der Fall. Die Kosten werden nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnet.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 823 Absatz 1: Dieser Paragraph legt fest, dass jemand, der durch vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zu 2 durch sein Verhalten beim Überfahren des Parkstreifens fahrlässig gehandelt, was zu einem Verkehrsunfall und den daraus resultierenden Schäden für die Klägerin führte.
- Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), § 8: Dieser Paragraph regelt die Vorfahrtsregeln im Straßenverkehr, insbesondere an Engstellen und bei unklaren Verkehrssituationen. Die Klägerin behauptet, an der Engstelle vorfahrtsberechtigt gewesen zu sein. Die Anwendung der Vorfahrtsregeln ist entscheidend für die Beurteilung der Verantwortlichkeit des Beklagten zu 2 im Unfallhergang.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 249: Dieser Paragraph bestimmt, dass der Geschädigte den Zustand wiederherzustellen hat, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Die Klägerin fordert daher die Wiederherstellung ihres Fahrzeugs durch die Reparaturkosten sowie weitere Auslagen. Die Berechnung und Forderung der Schadensersatzleistungen basieren auf den Vorgaben dieses Paragraphen.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 7: Dieser Paragraph behandelt das Mitverschulden des Geschädigten. Sollte festgestellt werden, dass die Klägerin selbst zu einem Mitverschulden am Unfall beigetragen hat, kann dies den Schadensersatzanspruch mindern. Im Urteil wurde die Haftung der Beklagten als Gesamtschuldner festgelegt, was auf eine Bewertung möglicher Mitverschulden hinweist.
- Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 280 ff.: Diese Paragraphen regeln die Voraussetzungen und den Umfang von Schadensersatzansprüchen im Zivilprozess. Sie sind relevant für die Durchsetzung der Forderungen der Klägerin sowie für die Entscheidung über die Kostenverteilung im Rechtsstreit. Die detaillierte Kostentragung im Urteil basiert auf den Bestimmungen dieser Vorschriften.
Das vorliegende Urteil
OLG Stuttgart – Az.: 6 U 73/24 – Urteil vom 14.01.2025
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