OLG Koblenz, Az.: 5 U 565/16, Beschluss vom 29.07.2016
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.04.2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Koblenz und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.607,78 € festgesetzt.
Gründe
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.04.2016 ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die Stellungnahme der Klägerin vom 26. Juli 2016 rechtfertigt keine andere Entscheidung.
1. Die weiterhin von der Klägerin erhobenen Zweifel an der Indikation der Extraktion des Zahns 37 stützen sich auf eine von der Sichtweise des Landgerichts und des Senats abweichende Beweiswürdigung. Anders als die Klägerin ausführt, können Dokumentationslücken nicht nur durch die Vernehmung von Zeugen „geschlossen“ werden; vielmehr kann auch allein eine Anhörung des beklagten (Zahn-)Arztes einen nicht dokumentierten Zustand bzw. Geschehensablauf belegen. Bereits die Angaben des Beklagten genügen hierfür. Die Angaben der Zeugin …[B] bestätigen die Befundsituation (lediglich) ergänzend. Die abweichende Würdigung der Aussage der Zeugin durch die Klägerin vermag auch nicht zu überzeugen. Arbeitsrechtliche Konsequenzen könnten der Zeugin kaum drohen, wenn ihre Aussage den Tatsachen entspricht. Insofern ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass allein die Stellung als Arbeitnehmer zwar in die Würdigung einfließen muss, aber der Überzeugungskraft der vorgenommenen Aussage nicht – wie die Klägerin offenbar meint – schlechthin entgegensteht. Soweit die Klägerin nicht nachvollziehen kann, weshalb aus Sicht des Senats die Umstände im Zusammenhang mit der Fertigung der Übersichtsaufnahme erkennbar Gegenstand der Beweisaufnahme sein würden, ist nur auf die mit Vehemenz verfolgten streitigen Behauptungen der Parteien zu dem Komplex rund um die Fertigung des OPG und ihr (vorzeitiges) Verlassens der Praxis zu verweisen. Widersprüche in den Angaben der Zeugin und des Beklagten zu diesem Geschehen eröffnen daher den Schluss auf eine abgesprochene Aussage gerade nicht.
2. Zum von der Klägerin monierten Fehlen einer Sicherungsaufklärung bezüglich des Verlassens der Praxis bzw. des Verbleibens eines Wurzelrestes im Zahn werden die Ausführungen des Senats missinterpretiert und daher im Argumentationsansatz verfehlt angegriffen.
Der Senat hat keine Zweifel am Bestehen einer Pflicht zur Sicherungsaufklärung geäußert; vielmehr erscheint – aufgrund der erkennbar wegen der (offenkundig zur Überprüfung) gefertigten Übersichtsaufnahme nicht abgeschlossenen Behandlung – eine Grundlage für eine Sicherungsaufklärung in der konkreten Situation zumindest vage. Sie kann jedenfalls aufgrund des Ergebnisses der Anhörung des Beklagten nicht als Pflichtverletzung festgestellt werden. Vom Nachweis der behaupteten Erlaubnis einer Mitarbeiterin des Beklagten zur Entfernung aus der Praxis kann nach dem Beweisergebnis ebenfalls nicht ausgegangen werden. Insofern verkennt der wiederholte Verweis der Klägerin auf die ohnehin nicht eingreifende Rechtsprechung zur Vermutung eines aufklärungsrichtigen Verhaltens, dass diese lediglich den Kausalzusammenhang betreffen kann. Es kann also – anders als die Klägerin offenbar meint – nicht aus ihrem Verlassen der Praxis des Beklagten auf dessen Pflichtverletzung geschlossen werden; auch ein entsprechender Beweis des ersten Anscheins kommt nicht in Betracht.
Eine Dokumentationspflicht zu den Gründen, weshalb der neue Termin erst am 17. April 2014 stattfinden sollte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Gesichtspunkte hierfür sind der Stellungnahme der Klägerin nicht zu entnehmen. Zudem bezieht sich ihr Vorbringen nicht auf den vom Senat als entscheidend angesehenen Aspekt, dass aufgrund ihres Verlassens der Praxis ohnehin ein Eingriff – insbesondere mit erneuter Leitungsanästhesie – erforderlich war, wie er am 17. April 2014 vorgenommen wurde.
3. Das Vorbringen zur Nervenverletzung anlässlich der Entfernung des Wurzelrestes erfordert ebenfalls keine ergänzende Beweiserhebung. Der Sachverständige Dr. Dr. …[A] hat klargestellt, dass die Nervenverletzung bei einer Leitungsanästhesie auftreten kann. Er konnte eine Verursachung durch eine standardwidrige Ausführung des Eingriffs nicht erkennen. Das Vorbringen der Klägerin lässt dies nicht in einem anderen Licht erscheinen. Der auf Vernehmung des Zeugen Dr. …[D] gerichtete Beweisantritt geht ins Leere, da die Klägerin insoweit den Gegenstand von Zeugen- und Sachverständigenbeweis nicht auseinanderhält. Es ist nicht Aufgabe eines sachverständigen Zeugen, sondern des Sachverständigen, dem Richter allgemeine Erfahrungssätze und besondere Kenntnisse des jeweiligen Wissensgebietes zu vermitteln bzw. aufgrund von Erfahrungssätzen und besonderen Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen (vgl. etwa Senat, GesR 2005, 329). Der Sachverständige hat indes gerade keinen Behandlungsfehler erkennen können, sondern bei seiner Betrachtung der Nervenschädigung die Möglichkeit einer komplikationsbedingten Schädigung durch die Leitungsanästhesie erwogen. Insofern hat er sich klar geäußert. Das Vorbringen der Klägerin erweist sich hierzu nicht als medizinisch begründete Gegendarstellung.
Die ohnehin nur als Möglichkeit („dürfte“) erwogene Schlussfolgerung, es sei eine Überweisung zu einem Kieferchirurgen erforderlich gewesen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Die Entfernung des Wurzelrestes selbst durfte der Beklagte vornehmen; dies folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen und leuchtet unmittelbar ein. Soweit die Klägerin damit die Nachbehandlung der aufgetretenen Nervenschädigung ansprechen wollte, wird ein völlig neuer Behandlungsfehlervorwurf erhoben, der nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht berücksichtigungsfähig ist, da der Beklagte jedweden Behandlungsfehler bestritten hat. Unabhängig hiervon ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Beklagten eine weitere unzureichende Behandlung vorgeworfen werden kann, da die zahnärztliche Versorgung anschließend anderweit von der Klägerin veranlasst wurde, weshalb eine eventuell erforderliche kieferorthopädische Intervention nach Feststellung des Ausbleibens einer zeitnahen Regeneration (wie sie der Sachverständige grundsätzlich bei entsprechenden Schadensbildern als möglich ansieht) von Seiten der Nachbehandler zu besorgen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.