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WEG – Zuordnung von Sondereigentum an Balkonen

Balkone und Sondereigentum: Ein Streitfall

Der Streitfall, um den es hier geht, betrifft eine Wohnungseigentümergemeinschaft in Hamburg und die Frage, wer die Kosten für die Sanierung von Balkonen zu tragen hat. Kern des Problems ist die rechtliche Klassifikation von Balkonen in einer Eigentumswohnanlage. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Balkone als Sondereigentum angesehen werden können und damit die Kosten der Sanierung den jeweiligen Eigentümern der Wohnungen mit Balkonen zufallen, oder ob sie als Teile des Gemeinschaftseigentums betrachtet werden und die Kosten somit von der gesamten Eigentümergemeinschaft getragen werden müssen.

Direkt zum Urteil Az: 318 S 77/20 springen.

Die Streitfrage: Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum?

Im vorliegenden Fall hat das Landgericht Hamburg die Berufung des Klägers gegen ein Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg zurückgewiesen. Der Kläger hatte gegen einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft Berufung eingelegt, der während einer Eigentümerversammlung gefasst wurde und sich auf die Kostenverteilung für die Balkonsanierung bezog.

Nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) sind Bauteile, die für die Struktur und den Bestand des Gebäudes notwendig sind, nicht als Sondereigentum klassifizierbar. Dazu zählen auch die konstruktiven Bestandteile eines Balkons. Nur Teile eines Balkons, die keine Schutz- oder Isolierfunktion erfüllen, könnten als Sondereigentum betrachtet werden.

Interpretation der Teilungserklärung und ihre Auswirkungen

Die Eigentümergemeinschaft hatte in ihrer Teilungserklärung festgelegt, dass die Kosten für die Sanierung von Balkonen von den jeweiligen Eigentümern der Wohnungen mit Balkonen zu tragen sind, wenn diese Balkone als Sondereigentum angesehen werden können. Das Amtsgericht hatte entschieden, dass diese Regelung unwirksam wäre, sofern sie nicht ausschließlich auf die als Sondereigentum klassifizierbaren Teile der Balkone bezogen wäre. Ob die Regelung so zu verstehen sei, ließ das Gericht offen.

Es stellte allerdings klar, dass selbst wenn dies der Fall wäre, die Kosten für die Sanierung nur dann ausschließlich von den jeweiligen Wohnungseigentümern zu tragen wären, wenn die Sanierung ausschließlich das Sondereigentum betrifft. Da der Kläger jedoch nicht behauptete, dass die Sanierungsmaßnahmen nur auf die als Sondereigentum klassifizierbaren Teile der Balkone bezogen wären, wies das Gericht die Klage ab.

Klare Linien in der Balkonfrage

Dieses Urteil liefert eine klare Orientierung für ähnliche Streitfälle. Es verdeutlicht, dass Balkone, aufgrund ihrer konstruktiven Rolle, in der Regel als Gemeinschaftseigentum zu betrachten sind und nicht als Sondereigentum. Diese Entscheidung kann weitreichende Auswirkungen auf die Praxis von Wohnungseigentümergemeinschaften haben, insbesondere in Bezug auf die Verteilung von Sanierungskosten.


Das vorliegende Urteil

LG Hamburg – Az.: 318 S 77/20 – Urteil vom 21.07.2021

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 11.09.2020, Az. 980a C 7/20 WEG, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft S. M.str…..,… H.. Sie streiten in der Berufungsinstanz weiter über die Gültigkeit des auf der Eigentümerversammlung vom 09.01.2020 zu TOP 01 gefassten Beschlusses.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des Urteils des Amtsgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

Balkone WEG
(Symbolfoto: Grand Warszawski/Shutterstock.com)

Das Amtsgericht hat mit seinem am 11.09.2020 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der streitgegenständliche Beschluss nicht zu beanstanden sei. Die Eigentümer von Wohnungen mit Balkon hätten die Kosten für deren Sanierung gemäß Ziffer I. 9. der Teilungserklärung selbst zu tragen, wenn es sich bei den Balkonen im Ganzen um Sondereigentum handeln würde. Dies sei jedoch nicht der Fall. Nach § 5 Abs. 2 WEG seien Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand erforderlich seien, nicht sondereigentumsfähig. Für den Bestand des Gebäudes erforderlich seien jedenfalls die konstruktiven Bestandteile des Balkons. Sondereigentumsfähig könnten nur solche Balkonbestandteile seien, denen keine Schutz- oder Isolierungsfunktion zukomme. Eine derartige Differenzierung enthalte die Regelung in Ziffer I. 2. b) der Teilungserklärung ihrem Wortlaut nach jedoch nicht. Die Regelung wäre daher unwirksam, sofern sie nicht dahingehend zu verstehen sei, dass sie sich nur auf sondereigentumsfähige Teile der Balkone beziehe. Ob die Regelung im vorbeschriebenen Sinn zu verstehen sei, könne an dieser Stelle offen bleiben. Selbst wenn sich die Regelung in Ziffer 2. b) lit. c) der Teilungserklärung nur auf die sondereigentumsfähigen Teile der Balkone beziehen würde, wären die streitgegenständlichen Sanierungskosten nach Ziffer I. 9. der Teilungserklärung nur dann ausschließlich von den jeweiligen Eigentümern der Wohnung mit Balkon zu tragen, wenn die Sanierung ausschließlich Sondereigentum betreffen würde. Es werde vom Kläger jedoch nicht behauptet, dass sich die beschlossene Sanierungsmaßnahme oder bestimmte Teile davon nur auf sondereigentumsfähige Teile beziehe. Damit ergebe sich auch unter diesem Gesichtspunkt keine Kostentragungspflicht nur der Eigentümer von Wohnungen mit Balkon. Eine Einordnung der Balkone im Ganzen als Sondereigentum sei jedenfalls wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 WEG unwirksam. Die Eigentümer von Wohnungen mit Balkon hätten die Kosten für die Sanierung ihrer Balkone aber auch dann selbst zu tragen, wenn Ziffer I. 2. b) der Teilungserklärung in eine entsprechende Kostentragungsregelung umzudeuten wäre. Von der Rechtsprechung seien unwirksame Zuordnungen zum Sondereigentum in eine entsprechende Kostentragungsregelung umgedeutet worden. Allerdings sei diese Umdeutung im Zusammenhang mit Teilungserklärungen vorgenommen worden, bei denen bestimmte einzelne Bauteile unzulässigerweise dem Sondereigentum zugeordnet gewesen seien. Die Umdeutung habe sich damit nur die Kostentragung für die Instandsetzung bestimmter Bauteile bezogen. Wenn man im vorliegenden Fall eine Umdeutung vornähme, würde diese allerdings nicht zu einer Kostentragungsregelung im Hinblick auf bestimmte Bauteile führen. In Ziffer I. 2. b) lit. c) der Teilungserklärung sei nicht die Rede von bestimmten Bauteilen der Balkone, sondern nur von den Balkonen allgemein. Ergebnis einer Umdeutung wäre damit, dass die Kosten für sämtliche Sanierungsarbeiten an den Balkonen von den jeweiligen Eigentümern zu tragen wären. Eine Umdeutung in diesem Umfang sei indes unzulässig. Eine Umdeutung von unwirksamen Zuordnungen zum Sondereigentum in eine entsprechende Kostentragungsregelung komme nur in Betracht, wenn sich als Ergebnis der Umdeutung eine Regelung ergebe, die – entsprechend den Anforderungen an Regelungen zur Kostenverteilung allgemein – eindeutig und klar sei. Bei einer Umdeutung im vorbeschriebenen Umfang bliebe indes offen, wer die Kosten für Arbeiten zu tragen hätte, die im Übergangsbereich von den Balkonen zur Fassade vorgenommen würden. Eine Umdeutung von Ziffer 2 b) der Teilungserklärung in eine Kostentragungsregelung scheide damit aus.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 18.09.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 19.10.2020 (Montag) bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.12.2020 mit einem am diesen Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger trägt vor, das Amtsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen. Eine Auslegung der Regelung in Ziffer I. 9. der Teilungserklärung ergebe, dass allein die Eigentümer von Wohnungen mit Balkon die Kosten für die Sanierung ihrer Balkone zu tragen hätten. Hierbei müsse insbesondere auch Ziffer I. 9. Abs. 2 der Teilungserklärung berücksichtigt werden, wonach jeder Wohnungseigentümer verpflichtet sei, die Fenster und Türen im räumlichen Bereich des Sondereigentums, auch wenn sie zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören, auf seine Kosten instandzuhalten. Jedenfalls sei die Regelung in Ziffer I. 9. der Teilungserklärung in eine entsprechende Kostentragung umzudeuten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 11.09.2020, Az. 980a C 7/20, abzuändern und den auf der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft S. M.str…..,… H., vom 09.01.2020 zu TOP 01 gefassten Beschluss für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das amtsgerichtliche Urteil.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze im Berufungsverfahren Bezug genommen. Der Kläger hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung einen Schriftsatz vom 12.07.2021 eingereicht, der ihm nicht nachgelassen war. Die Kammer hat diesen berücksichtigt, soweit darin rechtliche Ausführungen enthalten sind.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Der angefochtene Beschluss ist weder nichtig noch widerspricht er ordnungsgemäßer Verwaltung.

Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass die Einordnung der Balkone in Ziffer I. 2. b) der Teilungserklärung im Ganzen als Sondereigentum wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 WEG unwirksam ist. Balkone können zwar als Bestandteile von sondereigentumsfähigen Räumen im Sondereigentum stehen (BGH, Urteil vom 15.01.2010 – V ZR 114/09, Rn. 22, zitiert nach juris). Dies gilt allerdings nicht für deren konstruktiven Elemente wie Balkonplatte oder Isolierschicht, die gemeinschaftliches Eigentum darstellen (BGH, Urteil vom 25.01.2001 – VII ZR 193/99, Rn. 10, zitiert nach juris).

Ob die Regelung in Ziffer I. 9. Abs. 1 der Teilungserklärung dahingehend ausgelegt oder umgedeutet werden kann, dass der jeweilige Sondereigentümer der Wohnung, zu der der Balkon gehört, die Kosten der Instandhaltung tragen muss (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 13.08.1996 – 15 W 115/96, Rn. 36 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.1998 – 3 Wx 546/97, Rn. 16 ff; jeweils zitiert nach juris), kann hier dahin gestellt bleiben.

Bei der beschlossenen Balkonsanierung (u.a. Entfernung der alten Abdichtung und Neuaufbringung, Einbau eines Brüstungsgeländers; Erneuerung der Abdeckung und des Wasserabschlusses) handelt es sich nicht um eine Maßnahme der Instandhaltung, weil die beschlossene Sanierung über eine Aufrechterhaltung des ursprünglichen Zustandes durch pflegende, erhaltende oder vorsorgende Maßnahmen hinausgeht (vgl. zum Begriff der Instandsetzung und Instandhaltung: Merle in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 21 Rn. 111 m.w.N.).

Die Regelung in Ziffer I. 9. Abs. 1der Teilungserklärung betrifft nach deren eindeutigen Wortlaut aber allein die Pflicht zur Instandhaltung. Die erforderliche eindeutige Zuordnung auch der Instandsetzung der Balkone an den einzelnen Wohnungseigentümer lässt sich der Teilungserklärung nicht entnehmen.

Unterscheidet die Gemeinschaftsordnung begrifflich zwischen Instandhaltung und Instandsetzung von Bauteilen und weist sie nur die Pflicht zu deren Instandhaltung einem Sondereigentümer zu, ist die Instandsetzung im Zweifel Sache der Gemeinschaft (BGH, Urteil vom 09.12.2016 – V ZR 124/16, Rn. 18, zitiert nach juris).

Dies ist vorliegend der Fall. So heißt es in Ziffer I. 8. der Teilungserklärung:

„Das Hausgeld setzt sich zusammen aus

a) …

b) den Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung incl. Instandhaltungsrücklage, …“

Ziffer I. 10. d) der Teilungserklärung lautet:

„Alle übrigen Betriebskosten, Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten incl. Rücklagen, … tragen die Wohnungs- und Teileigentümer im Verhältnis …“.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Regelung in Ziffer I. 10. a) Abs. 2 der Teilungserklärung berufen, wonach jeder Wohnungseigentümer die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten bezüglich derjenigen Anlagenteile allein trägt, die zu seinem Sondereigentum gehören oder sein Sondereigentum versorgen. Die Regelung betrifft ersichtlich allein die in Ziffer I. 10. a) Abs. 1 der Teilungserklärung genannte Heizungsanlage.

Die Instandsetzung der Balkone einschließlich der Kostentragungspflicht ist daher in jedem Fall Sache der Gemeinschaft.

Dies gilt auch für den Fall, dass man den Einbau eines Brüstungsgeländers als bauliche Veränderung ansehen sollte. Auch eine eindeutige Zuordnung der Kosten einer baulichen Veränderung hinsichtlich der Balkone an den einzelnen Wohnungseigentümer enthält die Teilungserklärung nicht.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO zu entnehmen.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ist gemäß § 49a Abs. 1 GKG a.F. erfolgt und entspricht der amtsgerichtlichen Streitwertfestsetzung, gegen die sich die Parteien nicht gewendet haben.

 

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