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Wegfall Geschäftsgrundlage einer Immobilienschenkung bei Scheidung

OLG Frankfurt – Az.: 6 UF 67/20 – Beschluss vom 12.10.2021

Es wird gemäß § 117 Abs. 3 FamFG darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der erneuten Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Es wird weiter darauf hingewiesen, dass der Senat die Beschwerde für unbegründet hält.

Die Beteiligten erhalten Gelegenheit, bis 17. September 2021 zum Hinweis des Senats Stellung zu nehmen.

Termin zur Verkündung einer Entscheidung wird bestimmt auf Donnerstag, den 30. September 2021, 12.00 Uhr, Raum 2.21, II. Stock, Oberlandesgericht Frankfurt, Außensenate Darmstadt, Mathildenplatz 14 in 64283 Darmstadt.

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden Ehemann) und die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden Ehefrau) streiten um eine Rückforderung aus behaupteter ehebezogener Schenkung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Die beteiligten Ehegatten haben am XX.XX.1992 die Ehe geschlossen. Aus ihrer Ehe sind drei, in den Jahren 1993, 1995 und 2000 geborene, Kinder hervorgegangen.

Mit notariellem Übergabevertrag vom 8. August 1996 übertrugen die Eltern des Ehemanns nach unbestrittenem Vortrag der Ehefrau jeweils als hälftige Miteigentümer ihr Eigentum an einem Grundstück nebst Wohnhaus auf die beteiligen Ehegatten zu hälftigem Miteigentum. Unbestritten hatte das Haus zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses einen Wert in Höhe von 510.000,00 DM. Nach dem Vertrag hatten die Ehegatten eine Auszahlung an die Schwester des Ehemanns in Höhe von 100.000,00 DM zu leisten. Nach Nr. 8 des Vertrags haben die Ehegatten für die Dauer der Lebenszeit der Eltern des Ehemanns folgende Auszugsrechte zu gewähren, die dinglich gesichert sind („Bestellung des dinglichen Auszugs“):

„a) Wohnungsrecht im Erdgeschoss des Hauses, bestehend aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, Esszimmer, Küche und Bad, alleinige Benutzung des Weinkellers und des Dachbodens über der Garage, linke Garagenhälfte vom Eingang aus gesehen, Mitbenutzung des Gartens und des restlichen Kellers,

b) Aufwartung und Pflege in alten und kranken Tagen der Berechtigten, soweit dies in Ausübung des Wohnrechts von den Übernehmern gewährleistet werden kann.

[…].“

Darüber hinaus haben sich die Eltern des Ehemanns in Nr. 9 des Vertrags den Widerruf der Schenkung vorbehalten und dies durch Rückauflassungsvormerkung gesichert („Bestellung der dinglichen Rückübertragungsvormerkung“) falls:

„a) der Übernehmer den übertragenen Grundbesitz oder Teile daraus zu Lebzeiten der Übergeber oder eines der Übergeber ohne deren Zustimmung veräußert oder belastet,

[…]

d) der Übernehmer den übertragenen Grundbesitz oder Teile davon ohne Zustimmung der Übergeber vermietet oder verpachtet.

Im Falle des Widerrufs sind die Übergeber berechtigt, von dem Übernehmer die unentgeltliche, kosten- und steuerfreie Rückübereignung des unbelasteten Grundbesitzes zu verlangen.“

Im Zuge der Übergabe haben die Ehegatten ein Darlehen in Höhe von 260.000,00 DM aufgenommen und Baumaßnahmen am Haus durchgeführt. Streitig ist, ob und in welchem Umfang Baumaßnahmen an den von den Eltern des Ehemanns bewohnten Räumlichkeiten durchgeführt und von letzteren bezahlt wurden.

Die Ehegatten leben seit 2014 innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt. Im Jahr 2015 ist der Vater des Ehemanns verstorben. Die am XX.XX.1929 geborene Mutter des Ehemanns lebt noch.

Im Januar 2017 haben sich die Ehegatten endgültig getrennt, die Ehefrau bewohnte zunächst die eheliche Wohnung und ist im Februar 2018 mit dem gemeinsamen Sohn ausgezogen. Der Scheidungsantrag wurde am 24. März 2018 zugestellt.

Rückforderungsansprüche bezüglich einer Schenkung eines Miteigentumsanteils an die Ehefrau hat die Mutter des Ehemanns mit Erklärung vom 24. Januar 2019 an diesen abgetreten.

Der Ehemann vertritt in erster und zweiter Instanz die Auffassung, dass seiner Mutter wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage für die im Jahr 1996 erfolgte Übergabe ein (abgetretener) Zahlungsanspruch gegen die Ehefrau zusteht. Dieser sei auf der Grundlage des hälftigen Werts des Hauses nach Abzug der Auszahlung an die Schwester und Abzug des mit 170.000,00 DM anzusetzenden Wohnrechts zu bemessen. Dass für die Dauer der Ehe die Geschäftsgrundlage nicht weggefallen sei, sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter Berücksichtigung der überwiegenden Meinung der Literatur in der Weise zu berücksichtigen, dass der Zahlungsanspruch in Höhe des übertragenen Werts sich um den Anteil reduziere, der auf die Dauer der Ehe im Verhältnis zur Lebenszeit der Ehefrau entfällt (Berechnung des Zahlungsanspruchs: 1/2 von (510.000,00 DM – 100.000,00 DM – 170.000,00 DM) x 30/50). Zum Zeitpunkt der Übertragung sei mit einer Lebenserwartung der Ehefrau von 50 Jahren zu rechnen, davon sei über 20 Jahre der Zweck der Schenkung erfüllt, so dass der Zahlungsanspruch mit 30/50 zu berechnen sei. Der Zweck der Schenkung sei auch nicht erfüllt, weil die Ehefrau geschuldete Pflege für seinen Vater erbracht und für die Mutter während des Wohnens im Haus erbracht habe, denn letzteres sei nicht der Fall. Außerdem seien die erfolgten Baumaßnahmen ohne Einfluss. Soweit im Zuge der Baumaßnahmen für die Eltern ein Wintergarten gebaut worden sei, hätten diese den Wintergarten bezahlt. An den Kosten bei ihnen ausgetauschter Fenster hätten sie sich beteiligt.

Der Ehemann hat beantragt, die Ehefrau zu verpflichten, an ihn 36.813,00 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen.

Die Ehefrau hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Die Ehefrau hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Übergabevertrag nicht um einen reinen Schenkungsvertrag handelt, weil sich die Eheleute zu Gegenleistungen verpflichtet haben in Form der Gewährung eines Wohnrechts, des Versprechens von Pflegeleistungen und wegen für bestimmte Fälle vorbehaltenen Widerrufs der Schenkung jeweils mit dinglicher Sicherung. Den vom Ehemann angegebenen Wert des Wohnrechts hat sie bestritten. Sie hat außerdem auf vorgenommene Wertsteigerungen durch von den Ehegatten finanzierte Baumaßnahmen verwiesen. Der Zweck der Schenkung sei im Übrigen erreicht. Zwischen Eheschließung und Zustellung des Scheidungsantrags seien 27 Jahre vergangen, in der Zeit habe das Haus als Familienheim für die Ehegatten und ihre drei Kinder gedient. Außerdem habe sie während der Erkrankung des Vaters des Ehemanns vor dessen Tod die Mutter des Ehemanns in der Pflege unterstützt und sei anwesend gewesen. Auch habe sie während der Ehezeit die Mutter des Ehemanns emotional betreut. Im Übrigen könne sich die Berechnung eines zu erstattenden Anteils allenfalls an der Lebensdauer der Schenker orientieren.

Mit dem angefochtenen, dem Ehemann am 28. Februar 2020 zugestellten, Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Wie vom Oberlandesgericht Frankfurt im Jahr 2012 entschieden sei bei einer Ehedauer von zwanzig Jahren der verfolgte Zweck der Schwiegerelternzuwendung, die Ehe des eigenen Kindes aufrecht zu erhalten und zu stärken, im Regelfall als erreicht anzusehen. Ohne besondere Anhaltspunkte weitere Vorstellungen zu unterstellen sei spekulativ. Es bestehe kein Anlass, dies aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. November 2014 (Az.: XII ZB 666/13) anders zusehen, weil diese Entscheidung durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 2019 (Az.: X ZR 107/16) relativiert werde. Eine eindeutige Orientierung der Rechtspraxis an der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei damit in dieser Frage bedauerlicherweise zurzeit nicht möglich.

Mit am 18. März 2020 eingegangener Beschwerde verfolgt der Ehemann seinen Antrag weiter. Es trage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Rechnung und erscheine gerechtfertigt, die Zweckerreichung nicht an der Dauer der Ehe sondern jedenfalls bei werthaltigen Zuwendungen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung von Kind und Schwiegerkind zu bemessen. Die Entscheidung des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs sei für nichteheliche Lebensgemeinschaften getroffen worden, es stelle sich die Frage, ob Fälle bei Ehegatten anders zu behandeln seien. Nach dieser Rechtsprechung hätte die geltend gemachte Forderung keinen Erfolg, was aber von der Sache her nicht gerechtfertigt sei.

Der Ehemann beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Dieburg vom 20. Februar 2020 aufzuheben und die Ehefrau zu verpflichten, an den Ehemann 36.813,00 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab Zustellung der Antragsschrift zu zahlen.

Die Ehefrau beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Auch nach den Maßstäben des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs sei kein Anspruch gegeben. Nach der Rechtsprechung beider Senate verbiete sich eine schematische Betrachtungsweise. Die gebotene Interessenabwägung führe vorliegend dazu, dass kein Anspruch bestehe. Dass die Eltern des Ehemanns bei Abschluss des Übergabevertrags von einer lebenslangen Dauer der Ehe ausgingen sei unwahrscheinlich. Außerdem komme es allein auf die Hälfte des geltend gemachten Anspruchs an, weil der Vater des Ehemanns verstorben sei und sich der Zweck der Schenkung insoweit erfüllt habe. Im Übrigen seien die in die Abwägung einzustellenden persönlichen und wirtschaftlichen Interessen der Mutter des Ehemanns durch dinglich gesichertes Wohn- und Pflegerecht gewahrt. Maßgeblich sei daher in der Abwägung in erster Linie die Dauer der Ehe, die vorliegend zur Zweckerreichung führe. Soweit es auf einzelne Werte ankomme sei neben dem Wohnrecht das Pflegerecht mit 70.000,00 DM zu beziffern, weil es im Vertrag mit jährlich 2.400,00 DM angegeben sei. Die Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Grundstücks durch dinglich gesichertes Widerrufsrecht für bestimmte Fälle sei mit 127.500,00 DM zu bemessen.

II.

Der Senat beabsichtigt, im Beschwerdeverfahren keine erneute mündliche Verhandlung durchzuführen, weil hiervon keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind. Nach derzeitiger Einschätzung ist das Rechtsmittel zulässig, dürfte aber in der Sache keinen Erfolg haben.

Dass die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB vorliegen ist nicht erkennbar.

Es ist schon fraglich, ob vorliegend ausreichende Umstände dargelegt sind, aus denen zu schließen ist, dass die dauerhafte eheliche Verbindung der Ehegatten mit der Folge, dass der Grundstücksanteil der Ehefrau auch dem Ehemann dauerhaft zu Gute kommt, Geschäftsgrundlage des Übergabevertrags war und diese Geschäftsgrundlage weggefallen ist. Jedenfalls ist vorliegend auf der Basis des Sachvortrags nicht ersichtlich, dass der Mutter des Ehemanns unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Geschäftsgrundlage die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2014 – XII ZB 666/13 -, Rn. 19; Beschluss vom 18. Juni 2019 – X ZR 107/16 -, Rn. 12).

Nach der Rechtsprechung des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs kann bei der Zuwendung von Grundeigentum anlässlich der Eheschließung oder sonstigen dauerhaften Verbindung dieser regelmäßig die Vorstellung zu Grunde liegen, die gemeinsame Wohnnutzung werde jedenfalls von einiger Dauer sein. Das sei aber nicht mit der Annahme einer lebenslangen gemeinschaftlichen Nutzung gleichzusetzen. Eine solche könne allenfalls aufgrund besonderer, im Einzelfall vom Tatrichter festzustellender Umstände angenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 – X ZR 107/16 -, Rn. 19 ff. – zu den Unterschieden zwischen den Entscheidungen des X. und XII. Zivilsenats im Hinblick auf die Feststellung der Geschäftsgrundlage siehe Chiusi, in: Staudinger, BGB (2021), § 516 Rn. 145). Nach diesen Maßstäben ist die Geschäftsgrundlage vorliegend erfüllt und ein Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage scheidet aus. Die Ehegatten haben die ihnen übertragenen und nicht mit einem Wohnrecht belasteten Räumlichkeiten über 20 Jahre gemeinsam bewohnt, zwei ihrer Kinder und Enkel der Eltern des Ehemanns sind überwiegend in den Räumlichkeiten aufgewachsen bis ins Erwachsenenalter, der Sohn der Beteiligten war bei Auszug fast volljährig.

Nach der Rechtsprechung des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs bestimmt sich, wenn der Geschäftswille der Eltern auf der Vorstellung aufbaut, die eheliche Lebensgemeinschaft des von ihnen beschenkten (künftigen) Schwiegerkindes mit ihrem Kind werde Bestand haben und ihre Schenkung demgemäß dem eigenen Kind dauerhaft zugutekommen, bei Scheitern der Ehe eine Rückabwicklung der Schenkung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2014 – XII ZB 666/13 -, Rn. 19). Ob eine solche Vorstellung dem Vertrag zugrunde liegt, ist tatrichterliche Feststellung (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2010 – XII ZR 180/09 -, Rn. 16). Dass im vorliegenden Fall ausdrücklich die lebenslange Ehedauer Geschäftsgrundlage war, hat der Ehemann nicht behauptet. Die gesetzliche Regelung in § 1353 Abs. 1 BGB, nach der die Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird, und die unstreitigen Umstände des Abschlusses des Übergabevertrags sprechen zwar zum Teil dafür, die allgemeine Scheidungsrate im Jahr 1996 sowie der Inhalt des Übergabevertrags sprechen aber dagegen. Unstreitig waren die Beteiligten bei Vertragsschluss verheiratet und hatten zwei Kinder. Insofern spricht viel dafür, dass der übergebene und nicht mit einem Wohnrecht belastete Teil des Hauses dem Ehemann als Familienwohnheim dienen sollte. Da die Ehegatten bei Einzug bereits zwei Kinder und die Übergeber damit zwei Enkel hatten, steht allerdings auch bereits im Raum, dass das Haus nicht nur dem Ehemann, sondern auch seinen Kindern als Familienwohnheim dienen sollte, so dass es nicht zwingend nur mit der Ehe der Beteiligten in Verbindung stand und allein die Ehe Geschäftsgrundlage war, sondern Zweck, den Enkeln ein Zuhause zu verschaffen, unabhängig davon, ob sie dort mit dem Ehemann oder der Ehefrau als gegebenenfalls allein betreuendem Elternteil wohnen. Dagegen, dass nach den bisher vorgetragenen Umständen die dauerhafte Ehe Geschäftsgrundlage war, spricht zum einen die bereits seit 1991 und damit im Übergabejahr 1996 festzustellende Steigerungstendenz der Scheidungszahlen (vgl. Rauscher, in: Staudinger, BGB (2018) Vorbemerkung zu §§ 1564, Rn. 42a). Dagegen spricht auch die umfassende vertragliche Absicherung der Eltern des Ehemanns durch dinglich gesichertes Wohnrecht und Pflegerecht und insbesondere durch die aufgenommenen Widerrufsrechte im Fall einer Veräußerung oder Vermietung. Mit diesen Klauseln haben sie ihre persönlichen und wirtschaftlichen Nutzungsinteressen unabhängig vom Lebensverlauf der Ehegatten gesichert, so dass gerade nicht unterstellt werden kann, sie wären von einer lebenslangen Dauer der Ehe ausgegangen. Die Klauseln sicherten die Eltern des Ehemanns für den Fall, dass, z.B. bei Trennung, eine Vermietung oder Veräußerung erforderlich wird. Die Klauseln – jedenfalls aber die Widerrufsklausel – sprechen also dafür, dass eine Trennung als möglich angesehen und hierfür Vorkehrungen getroffen wurden von den Eltern des Ehemanns.

Letztendlich kann diese Frage aber offen bleiben, weil, selbst wenn man von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgeht, die Voraussetzungen für die vom Ehemann aus abgetretenem Recht begehrte Vertragsanpassung nicht vorliegen. Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage berechtigt noch nicht zu einer Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB. Vielmehr muss als weitere Voraussetzung hinzukommen, dass dem Zuwendenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2014 – XII ZB 666/13 -, Rn. 22; Beschluss vom 18. Juni 2019 – X ZR 107/16 -, Rn. 28). Im Falle einer Schwiegerelternschenkung führt das Scheitern der Ehe von Kind und Schwiegerkind auch dann, wenn der Fortbestand der Ehe Geschäftsgrundlage der Zuwendung war, nicht automatisch, sondern nur bei gesondert festzustellender Unzumutbarkeit des Festhaltens an der Schenkung zu einem Anspruch auf Vertragsanpassung. Hierbei sind insbesondere die Kriterien heranzuziehen, die auch zu unbenannten schwiegerelterlichen Zuwendungen zugrunde zu legen waren; lediglich güterrechtlichen Aspekten kommt keine Bedeutung mehr zu. Neben der Ehedauer sind dabei unter anderem die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Schwiegereltern und früheren Ehegatten, der Umfang der durch die Zuwendung bedingten und beim Schwiegerkind noch vorhandenen Vermögensmehrung, aber auch mit der Schenkung verbundene Erwartungen des Zuwendenden hinsichtlich seiner Versorgung im Alter von Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2014 – XII ZB 666/13 -, Rn. 24 f.). Wenn die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung vorliegen, hat diese unter Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2014 – XII ZB 666/13 -, Rn. 26 ff.). Eine Ausgleichspflicht ist durch die bei Wegfall noch vorhandene Vermögensmehrung begrenzt und davon beeinflusst, inwieweit sich Vorstellungen verwirklicht haben, wobei es bei Immobilien ohne konkrete Anhaltspunkte keine allgemeine Grenze der vorgestellten Nutzungsdauer gibt und eine quotenmäßige Berechnung eines Rückzahlungsbetrags den Anforderungen des § 313 BGB nicht gerecht wird (vgl. in der Entscheidung des X. Zivilsenats wiedergegebene Mitteilung des XII. Zivilsenats zur Frage der Erforderlichkeit der Vorlage an den Großen Senat, BGH, Beschluss vom 18. Juni 2019 – X ZR 107/16 -, Rn. 44; ebenfalls gegen eine schematische Betrachtung Koch, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 1374 Rn. 36; Kohlenberg, in: Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 1374 Rn. 28; für eine lineare Abschreibung gemessen an der Lebensdauer der Beschenkten: Schwab, in: Münchener Kommentar, Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 812 Rn. 540; ebenso Wever, FamRZ 2016, 857, 860 f. allerdings nicht als alleiniges Kriterium der Entscheidung über die Umsetzung der Vertragsanpassung). Auch nach sonstiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist die Ermittlung der Rechtsfolge nicht auf eine quotenmäßige Berechnung beschränkt, sondern es wird ergänzend eine Gesamtabwägung der Umstände vorgenommen (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 17. August 2015 – 4 UF 52/15 – Rn. 26 ff.).

Nach diesen Maßstäben ist schon das weitere Festhalten an dem Vertrag für die Mutter des Ehemannes nicht unzumutbar, so dass es auf die Art und Weise der Vertragsanpassung nicht ankommt. Die im 1996 abgeschlossenen notariellen Vertrag geregelte Risikoverteilung bedarf keiner Korrektur nach § 313 Abs. 1 BGB zur Vermeidung eines ansonsten für die Mutter des Ehemanns nicht zumutbaren Ergebnisses. Die gebotene umfassende Abwägung führt dazu, dass eine Bindung der Mutter des Ehemanns an den Übergabevertrag als tragbar zu bewerten ist. Gegen eine Zumutbarkeit spricht allein, dass die Ehefrau Miteigentümerin des Hauses ist und dass sie zu Pflegeleistungen nach dem Vertrag nur soweit verpflichtet ist, wie sie dies in Ausübung des Wohnrechts gewährleisten kann. Dabei ist schon zu berücksichtigen, dass die Mutter des Ehemanns weiter Pflegeleistungen von ihrem Sohn in Anspruch nehmen kann. Gegen sonstige Nachteile aus im Interesse der Ehefrau denkbaren Verfügungen über ihren Miteigentumsanteil ist die Mutter des Ehemanns durch die Klauseln im Übergabevertrag umfassend gesichert. Sie kann bis zu ihrem Lebensende, soweit sie dazu gesundheitlich in der Lage ist, in dem Haus aufgrund des dinglich gesicherten Wohnrechts leben. Räumlichkeiten, die sie nicht bewohnt, können gegen ihren Willen weder vermietet noch verkauft werden, weil sie in dem Fall zum Widerruf des gesamten Vertrags berechtigt wäre. Die mit dem Scheitern der Ehe oftmals verbundenen Folgen – ein Auszug der Familie und Vermietung der Räumlichkeiten oder auch ein Verkauf des Hauses – muss die Mutter des Ehemanns nicht tragen, weil sie mit dinglich gesicherten Ansprüchen aus dem Übergabevertrag dagegen abgesichert ist. Wirtschaftlich hat die Stellung der Ehefrau als Miteigentümerin für sich genommen keine nachteiligen Folgen für die Mutter des Ehemanns, weil sie an einer auf ihrer alleinigen Entscheidung basierenden wirtschaftlichen Verwertung auch durch das Miteigentum ihres Sohnes gehindert ist. Wäre das Eigentum von vorneherein nur auf den Sohn allein übertragen worden, wäre ihre wirtschaftliche Situation identisch.

Darüber hinaus hat die Ehe über einen mehr als zwanzig Jahre langen Zeitraum gedauert, die übergebenen Räumlichkeiten haben als Familienwohnung gedient und die Großfamilie hat unter einem Dach gelebt – unabhängig davon, wie die Mutter des Ehemanns und die Ehefrau deren Beiträge zum Leben in der Hausgemeinschaft im Nachhinein bewerten. Es ist im Übrigen nicht erkennbar, dass der wirtschaftliche Wert des übertragenen Hausanteils den wirtschaftlichen Wert des Nutzungsvorteils, der für die Dauer der Ehe der Ehefrau jedenfalls zugewendet werden sollte, übersteigt. Dass sie selbst kein finanzielles Interesse an einer Vertragsanpassung hat, bringt die Mutter des Ehemanns letztendlich auch damit zum Ausdruck, dass sie eine Forderung an ihren Sohn abtritt.

Weder auf die als Geschäftsgrundlage angenommene Ehedauer noch auf die Art und Weise einer Vertragsanpassung kommt es damit vorliegend an, eine Vertragsanpassung ist nach den Umständen des Einzelfalls nicht angezeigt, so dass auch keine Veranlassung gesehen wird, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Selbst wenn hier von sich widersprechenden Entscheidungen des Senats auszugehen wäre (vgl. dazu Wever/Frank, FamRZ 2020, 885, 894), was angesichts der Ausführungen in der Entscheidung des X. Zivilsenats (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2019 – X ZR 107/16 -, Rn. 44) zweifelhaft ist, käme es vorliegend auf die konkreten Teilvoraussetzungen einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB nicht an.

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