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Automatische Verlängerung eines Online-Partnervermittlungsvertrages

Das Amtsgericht Zeitz hat entschieden, dass die automatische Vertragsverlängerung bei Online-Partnervermittlungen unwirksam ist, wenn sie den Kunden unangemessen benachteiligt. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Klausel zur automatischen Vertragsverlängerung gegen § 627 BGB und § 307 BGB verstößt und somit nichtig ist. Dieses Urteil stärkt die Rechte von Verbrauchern und schützt sie vor ungewollten Vertragsverlängerungen.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 C 171/23

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die automatische Verlängerung eines Online-Partnervermittlungsvertrags um 12 Monate durch die verwendeten Klauseln in den AGB ist unwirksam.
  • Die Klauseln verstoßen gegen § 307 BGB, da sie vom Kündigungsrecht nach § 627 BGB abweichen.
  • Bei Partnervermittlungsverträgen handelt es sich um Dienstverträge höherer Art auf Basis besonderen Vertrauens.
  • Das Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 627 BGB kann nicht durch AGB abbedungen werden.
  • Die besonderen Persönlichkeits- und Intimsphäre betreffenden Leistungen erfordern ein erhöhtes Vertrauensverhältnis.
  • Die automatische Verlängerung wäre nur durch vertragliche Einzelabrede wirksam vereinbar gewesen.
  • Der Beklagte hatte den Vertrag wirksam vor Ablauf der ursprünglichen Laufzeit gekündigt.
  • Die Klage auf Zahlung für eine angebliche Vertragsverlängerung wurde abgewiesen.

Online-Partnervermittlung: Automatische Vertragsverlängerung für unwirksam erklärt

Vertragsverlängerung bei Online-Partnervermittlung
(Symbolfoto: Quality Stock Arts /Shutterstock.com)

Heutzutage ist es für viele Menschen üblich, das Internet bei der Partnersuche zu nutzen. Online-Partnervermittlungen versprechen den Nutzern, den passenden Partner zu finden und das Liebesglück zu vermitteln. Doch nicht immer läuft alles nach Plan – manchmal kommt es zu Vertragsproblemen zwischen den Kunden und den Betreibern der Plattformen.

Ein zentrales Thema in diesem Bereich ist die automatische Vertragsverlängerung. Viele Online-Partnervermittlungen sehen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, dass sich der Vertrag automatisch um weitere Laufzeiten verlängert, wenn der Kunde nicht rechtzeitig kündigt. Für Verbraucher kann das zu ungewollten finanziellen Belastungen führen, wenn sie sich an einen Vertrag gebunden sehen, den sie eigentlich beenden wollten.

Ob solche automatischen Verlängerungen rechtlich zulässig sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Das Thema wird immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Ein aktuelles Urteil zeigt, unter welchen Bedingungen solche Klauseln unwirksam sein können.

Der Fall vor dem Amtsgericht Zeitz im Detail

Automatische Vertragsverlängerung bei Online-Partnervermittlung für unwirksam erklärt

In einem kürzlich vor dem Amtsgericht Zeitz verhandelten Fall ging es um die Frage der Wirksamkeit einer automatischen Vertragsverlängerung bei einem Online-Partnervermittlungsvertrag. Der Beklagte hatte sich bei der Online-Plattform „elitepartner.de“ registriert und eine Premium-Mitgliedschaft für zwölf Monate abgeschlossen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Plattform war eine Klausel enthalten, nach der sich der Vertrag automatisch um weitere zwölf Monate verlängert, wenn er nicht fristgerecht gekündigt wird. Der Beklagte kündigte den Vertrag zwar, jedoch nicht innerhalb der in den AGB festgelegten Frist. Die Betreiberin der Plattform forderte daraufhin die Zahlung für die angeblich verlängerte Vertragslaufzeit.

Der Fall wirft die wichtige Frage auf, ob solche Klauseln zur automatischen Vertragsverlängerung in AGB von Online-Partnervermittlungen rechtmäßig sind und Verbraucher an eine ungewollte Vertragsverlängerung binden können. Die rechtliche Herausforderung liegt in der Abwägung zwischen der Vertragsfreiheit der Unternehmen und dem Schutz der Verbraucher vor unangemessenen Benachteiligungen.

Gericht erklärt automatische Verlängerungsklausel für unwirksam

Das Amtsgericht Zeitz entschied zugunsten des Beklagten und wies die Klage der Plattformbetreiberin ab. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Klausel zur automatischen Vertragsverlängerung unwirksam ist, da sie den Kunden unangemessen benachteiligt.

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf § 307 BGB, der die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelt. Demnach sind Klauseln in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Begründung der Entscheidung: Verstoß gegen § 627 BGB

Im vorliegenden Fall sah das Gericht einen Verstoß gegen § 627 BGB: die freie Kündigungsmöglichkeit bei Dienstverträgen.

Das Gericht stellte fest, dass der Vertrag zwischen dem Beklagten und der Plattformbetreiberin als Dienstvertrag höherer Art einzustufen ist, da die Plattform Dienstleistungen erbringt, die auf besonderem Vertrauen beruhen. Dies ergibt sich aus der Natur der Partnervermittlung, bei der die Plattform persönliche Daten und Informationen der Kunden verarbeitet und ihnen Partnervorschläge unterbreitet.

Besonderes Vertrauensverhältnis bei Partnervermittlungen

Aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses bei Dienstverträgen höherer Art räumt § 627 BGB den Vertragspartnern das Recht ein, den Vertrag jederzeit fristlos zu kündigen. Die AGB der Plattform schränkten dieses Recht jedoch durch die automatische Verlängerungsklausel ein.

Das Amtsgericht betonte, dass die Möglichkeit der fristlosen Kündigung bei Dienstverträgen höherer Art gerade für den Fall des Vertrauensverlustes von Bedeutung ist. Ein solcher Vertrauensverlust kann auch durch unwägbare Umstände oder subjektive Empfindungen eintreten, die objektiv keinen wichtigen Grund darstellen. Deshalb sei es wichtig, den Kunden die Freiheit zu geben, jederzeit ohne Angabe von Gründen kündigen zu können.

✔ FAQ zum Thema: Automatische Vertragsverlängerung


Welche Rechte haben Verbraucher bei automatischen Vertragsverlängerungen?

Gemäß dem „Gesetz für faire Verbraucherverträge“, das am 1. März 2022 in Kraft trat, haben Verbraucher mehr Rechte bei automatischen Vertragsverlängerungen. Die wichtigsten Neuregelungen sind:

Verträge mit einer Mindestlaufzeit von bis zu zwei Jahren bleiben zulässig. Nach Ablauf dieser Erstlaufzeit müssen Verträge jedoch monatlich kündbar sein. Eine automatische Verlängerung ist nur noch erlaubt, wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit verlängert wird und der Verbraucher ein Kündigungsrecht mit einer Frist von maximal einem Monat hat.

Früher waren automatische Verlängerungen um bis zu ein Jahr nach der Erstlaufzeit üblich. Durch die Neuregelung werden Verbraucher vor überlangen Bindungen geschützt. Sie können Verträge nun deutlich flexibler beenden.

Für Altverträge, die vor dem 1. März 2022 abgeschlossen wurden, gelten die alten Regelungen. Hier verlängern sich Verträge oft automatisch um ein weiteres Jahr, wenn nicht rechtzeitig gekündigt wird.

Die neuen Bestimmungen betreffen typischerweise Dauerschuldverhältnisse wie Verträge für Fitnessstudios, Streamingdienste, Mobilfunk oder Zeitschriften-Abos. Sie sollen Verbraucher vor ungewollten Verlängerungen und langen Laufzeiten schützen.

Weitere Infos: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/vertraege-reklamation/kundenrechte/gesetz-fuer-fairere-vertraege-mehr-schutz-bei-kosten-und-laufzeiten-55274


Wie kann ich erkennen, ob eine Vertragsklausel zur automatischen Verlängerung wirksam ist?

Um zu erkennen, ob eine Klausel zur automatischen Vertragsverlängerung wirksam ist, müssen Verbraucher auf folgende Punkte achten:

Transparenz der Klausel
Die Klausel muss klar und verständlich formuliert sein. Sie muss die Rechte und Pflichten des Verbrauchers eindeutig erkennen lassen, insbesondere wann und wie der Vertrag gekündigt werden muss, um eine Verlängerung zu verhindern.

  • Angemessene Kündigungsfrist
    Die Frist, innerhalb derer der Verbraucher kündigen muss, darf nicht unangemessen kurz sein. Fristen von mehr als einem Jahr gelten oft als zu lang. Bei Verbraucherverträgen über ein Jahr sind Kündigungsfristen über drei Monate häufig unwirksam.
  • Bestimmtheit der Frist
    Es muss klar ersichtlich sein, bis wann genau die Kündigung spätestens erfolgen muss, um die Verlängerung abzuwenden. Eine Klausel ist unwirksam, wenn dieser Termin bei Vertragsbeginn nicht eindeutig feststeht.
  • Angemessene Vertragslaufzeit
    Verträge mit einer Erstlaufzeit von über zwei Jahren und anschließender automatischer Verlängerung sind seit März 2022 nicht mehr zulässig. Nach der Erstlaufzeit müssen Verträge monatlich kündbar sein.

Verbraucher sollten die AGB und Vertragsklauseln genau prüfen und im Zweifelsfall einen Rechtsbeistand hinzuziehen, um die Wirksamkeit einer automatischen Verlängerungsklausel beurteilen zu können.

Welche Fristen müssen bei der Kündigung eines Online-Partnervermittlungsvertrages beachtet werden?

Bei der Kündigung eines Online-Partnervermittlungsvertrages müssen Verbraucher verschiedene Fristen beachten, um unnötige Vertragsverlängerungen zu vermeiden. Diese Fristen sind in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der jeweiligen Plattform festgelegt und können variieren. Allerdings gibt es einige allgemeine Richtlinien, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben und Gerichtsurteile für solche Verträge gelten.

Kündigungsfristen und automatische Vertragsverlängerung
Vor dem Gesetz für faire Verbraucherverträge, das am 1. März 2022 in Kraft trat, war es üblich, dass sich Online-Partnervermittlungsverträge automatisch um die ursprünglich vereinbarte Laufzeit verlängerten, wenn nicht fristgerecht gekündigt wurde. Seitdem dürfen sich Verträge nur noch automatisch verlängern, wenn die Verlängerung auf unbestimmte Zeit geschieht und ab der Verlängerung jederzeit mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden kann.

Widerrufsrecht
Verbraucher haben das Recht, einen online geschlossenen Vertrag innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Dieses Widerrufsrecht beginnt mit Vertragsabschluss. Wichtig ist, dass die Plattform den Verbraucher klar und verständlich über das Widerrufsrecht informieren muss.

Besondere Kündigungsrechte
In einigen Fällen kann eine fristlose Kündigung möglich sein, etwa wenn die Plattform ihre Leistungen nicht wie vereinbart erbringt oder wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, das eine Fortsetzung des Vertrags unzumutbar macht. Allerdings hat das Oberlandesgericht Hamburg in einem Urteil festgestellt, dass eine fristlose Kündigung bei Online-Partnervermittlungen nicht generell möglich ist, da diese nicht als Dienste höherer Art im Sinne des § 627 BGB angesehen werden.

Praktische Tipps
Um ungewollte Vertragsverlängerungen zu vermeiden, sollten Verbraucher:

  • Die AGB und insbesondere die Kündigungsfristen genau prüfen.
  • Die Kündigung rechtzeitig und nachweisbar, am besten schriftlich, einreichen.
  • Sich über das Widerrufsrecht und die Möglichkeit, dieses auszuüben, informieren.

Es ist ratsam, sich bei Unsicherheiten oder Problemen mit der Kündigung an Verbraucherzentralen oder einen Rechtsanwalt zu wenden. Weitere Informationen und Unterstützung bieten auch die Verbraucherzentralen, wie zum Beispiel unter https://www.verbraucherzentrale.de.

In welchen Fällen ist eine fristlose Kündigung von Online-Partnervermittlungsverträgen möglich?

Eine fristlose Kündigung von Online-Partnervermittlungsverträgen ist unter bestimmten Umständen möglich, obwohl solche Verträge in der Regel nicht als Dienste höherer Art im Sinne des § 627 BGB angesehen werden, die grundsätzlich ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden können. Die fristlose Kündigung setzt voraus, dass triftige Gründe vorliegen, die es dem Verbraucher unzumutbar machen, den Vertrag bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist fortzusetzen.

Mögliche Gründe für eine fristlose Kündigung können sein:

Erhebliche Leistungsstörungen: Wenn die Partnervermittlungsplattform ihre vertraglichen Leistungen nicht oder nur mangelhaft erbringt, beispielsweise wenn versprochene Kontaktvorschläge ausbleiben oder die Plattform über längere Zeit nicht erreichbar ist.

Irreführende oder falsche Angaben: Wenn die Plattform in wesentlichen Punkten irreführende oder falsche Angaben gemacht hat, die für die Entscheidung des Verbrauchers zum Vertragsabschluss ausschlaggebend waren.

Verletzung des Datenschutzes: Bei schwerwiegenden Verstößen gegen Datenschutzbestimmungen, die das Vertrauen des Verbrauchers erheblich beeinträchtigen.

Wesentliche Änderung der Leistung: Wenn die Plattform wesentliche Änderungen an den vertraglich vereinbarten Leistungen vornimmt, ohne dass der Verbraucher diesen zugestimmt hat.

In solchen Fällen sollte der Verbraucher die Kündigung schriftlich und unter Angabe der Gründe einreichen. Es ist empfehlenswert, Beweise für die geltend gemachten Gründe zu sammeln und gegebenenfalls rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen.

Für weitere Informationen und Unterstützung können sich Verbraucher an die Verbraucherzentralen wenden, die auch online Beratung und Hilfe anbieten. Informationen dazu finden sich auf der Webseite der Verbraucherzentrale unter Verbraucherzentrale.de.

Wie wirkt sich eine unwirksame Verlängerungsklausel auf bestehende Verträge aus?

Wenn eine Klausel zur automatischen Vertragsverlängerung für unwirksam erklärt wird, hat dies zur Folge, dass die Verlängerung nicht automatisch eintritt. Stattdessen endet der Vertrag nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit, es sei denn, die Parteien vereinbaren aktiv eine Verlängerung. Dies bedeutet für Verbraucher, dass sie nicht an eine Verlängerung des Vertrages gebunden sind, die sie möglicherweise nicht wünschen oder von der sie nicht ausreichend in Kenntnis gesetzt wurden.

Die Unwirksamkeit einer solchen Klausel schützt Verbraucher vor der Bindung an langfristige Vertragsverhältnisse ohne ihre explizite Zustimmung. Sie fördert die Transparenz und Fairness, indem sie sicherstellt, dass Verbraucher deutlich über die Bedingungen ihrer Vertragsbindung informiert werden müssen.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 307 BGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen): Dieser Paragraph regelt die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und ist zentral, da das Gericht die Klausel zur automatischen Verlängerung des Vertrags als unwirksam erklärt hat, weil sie den Beklagten unangemessen benachteiligt. Die Regelung hilft zu verstehen, wie AGBs auf ihre Fairness hin überprüft werden.
  • § 627 BGB (Freie Kündigungsmöglichkeit bei Dienstverträgen höherer Art): Dieser Paragraph ist relevant, da das Gericht feststellt, dass die Dienstleistungen der Partnervermittlung höherer Art sind, die auf besonderem Vertrauen beruhen, und daher eine freie Kündigungsmöglichkeit erlauben. Die Klausel, die diese Möglichkeit einschränkt, wurde daher als unwirksam betrachtet.
  • § 309 BGB (Besondere Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit): Obwohl der spezifische Fall nicht direkt unter die Bestimmungen von § 309 BGB fällt, wird er im Urteil erwähnt, um zu verdeutlichen, dass die AGB-Klauseln auch dann problematisch sein können, wenn sie sich nicht direkt unter die dort festgelegten Verbote einordnen lassen.
  • § 611 BGB (Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag): Dieser Paragraph wird zitiert, um die Natur des Vertrages zwischen den Parteien zu definieren, wobei betont wird, dass es sich um einen Dienstvertrag handelt, bei dem die Klägerin sich verpflichtet hatte, Dienste zu erbringen, die über das Erstellen eines Werks hinausgehen.
  • Art. 229 § 60 Satz 2 EGBGB (Übergangsvorschriften): Dies ist wichtig für das Verständnis der Anwendung neuer gesetzlicher Regelungen auf bestehende Verträge. In diesem Fall bleibt es bei der alten Rechtslage für Verträge, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung geschlossen wurden.
  • § 91 Abs. 1 ZPO (Kostenentscheidung): Dieser Paragraph regelt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, was das Verständnis des Urteils hinsichtlich der Kostenverteilung fördert.

Diese Gesetze und Bestimmungen bilden die rechtliche Grundlage für das Urteil und sind entscheidend für das Verständnis, wie Gerichte in Deutschland AGB-Klauseln in Verbraucherverträgen bewerten und wie spezifische Vertragsarten wie Dienstverträge behandelt werden.


➜ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Zeitz

 

AG Zeitz – Az.: 4 C 171/23 – Urteil vom 15.02.2024

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 718,80 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer automatischen Verlängerung eines online geschlossenen Partnervermittlungsvertrags über die Online-Plattform „elitepartner.de, welche die Klägerin betreibt.

Der Beklagte registrierte sich am 7. Juni 2021 auf www.elitepartner.de und schloss mit der Klägerin einen Vertrag über eine 12-monatige Premium-Mitgliedschaft. Bei Vertragsschluss bezog sich die Klägerin auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diese lauteten auszugsweise wie folgt:

5.2. Für den Kauf über die Webseite, findet sich die ordentliche Kündigungsfrist für die entgeltpflichtige Mitgliedschaft innerhalb unserer produktbezogenen Vertragsinhalte, die Sie während des Bestellvorgangs auf der Webseite bestätigen […].

5.4. Erfolgt durch den Kunden bei einem Kauf über die Webseite keine Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gem. Ziffer 5.2, verlängert sich der Vertrag über die entgeltpflichtige Premium-Mitgliedschaft in diesem Fall automatisch nach Maßgabe der produktbezogenen Vertragsinhalte, welche Sie innerhalb des Bestellvorgangs auf der Webseite akzeptiert haben. Innerhalb unserer Bestellbestätigung informieren wir Sie im Übrigen auch über die Dauer und die Kosten einer möglichen Verlängerung bei nicht fristgerechter Kündigung. […]“

Die diesen Vertrag betreffenden produktbezogenen Vertragsinhalte der Klägerin erhielt der Beklagte im Rahmen der Bestellbestätigung am 7. Juni 2021. Die produktbezogenen Vertragsinhalte lauteten auszugsweise wie folgt:

Verlängerung Ihrer Mitgliedschaft

Ihre aktuelle Premium-Mitgliedschaft läuft bis zum 8. Juni 2022. […].

Damit Sie alle Vorteile ohne Unterbrechung nutzen können, verlängert sich Ihre Premium-Mitgliedschaft danach automatisch um je 12 Monate zum Preis von 59,90 EUR pro Monat, was einem Gesamtbeitrag von EUR 718,80 (inkl. MwSt.) entspricht. […]

Selbstverständlich können Sie Ihre Premium-Mitgliedschaft bis zu 12 Wochen vor Ablauf der aktuellen Laufzeit kündigen. […]

Mit Fax vom 6. April 2022, das der Klägerin am 7. April 2022 zuging, erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung der Premium-Mitgliedschaft. Am 7. April 2022 erklärte der Beklagte über die Internet-Plattform der Klägerin erneut die Kündigung der Premium-Mitgliedschaft. Am 8. April 2022 erhielt der Beklagte eine E-Mail-Nachricht vom Kundenservice der Klägerin, worin sich dieser dafür bedankte, dass der Beklagte den Kundenservice kürzlich kontaktiert habe.

Unter dem 26. Oktober 2022 und dem 10. November 2022 mahnte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung an. Eine Zahlung durch den Beklagten erfolgte nicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, der zwischen ihr und dem Beklagten geschlossene Vertrag sei durch den Beklagten nicht fristgerecht gekündigt worden und habe sich deshalb um 12 Monate verlängert. Es sei ebenfalls kein Verstoß gegen § 307 BGB anzunehmen; derartige Verlängerungsklauseln seien üblich und unter Berücksichtigung von § 309 Nr. 9b und 9c BGB a.F. auch zulässig.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 718,80 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Oktober 2022 und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 134,40 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, der zwischen ihm und der Klägerin geschlossene Vertrag habe sich nicht automatisch um weitere 12 Monate verlängert, sondern habe zum 6. Juni 2022 sein Ende gefunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Klägerin steht der begehrte Anspruch gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Der Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 611 Abs. 1 Halbsatz 2, 612 BGB i.V.m. dem Partnerschaftsvermittlungsvertrag.

Seit dem 9. Juni 2022 besteht zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Partnerschaftsvermittlungsvertrag mehr, aus dem sich eine Vergütungspflicht des Beklagten ergeben könnte. Die Klägerin und der Beklagte haben zwar am 7. Juni 2021 einen Vertrag über eine 12-monatige Premium-Mitgliedschaft des Beklagten bei der von der Klägerin betriebenen Online-Plattform „www.elitepartner.de“ geschlossen. Dieser Vertrag endete jedoch mit Ablauf des 8. Juni 2022, denn der Beklagte hat keine erneute Willenserklärung abgegeben, die auf eine Verlängerung des Vertrags über den 8. Juni 2022 hinaus gerichtet war und der Vertrag hat sich auch nicht automatisch um weitere 12 Monate verlängert.

1.

Der Beklagte hat keine erneute Willenserklärung abgegeben, die auf eine Verlängerung des Vertrags mit der Klägerin über den 8. Juni 2022 hinaus gerichtet gewesen wäre. Stattdessen hat der Beklagte, indem er am 6. April 2022 per Fax und am 7. April 2022 über das Kontaktformular auf der von der Klägerin bereitgestellten Online-Plattform die Kündigung des Vertrags erklärte, eindeutig zum Ausdruck gebracht, am Vertrag jedenfalls nicht über den ursprünglich vereinbarten Vertragszeitraum, der am 8. Juni 2022 endete, festhalten zu wollen.

2.

Der Vertrag hat sich auch nicht automatisch um weitere 12 Monate verlängert. Die Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, wonach sich der Vertrag automatisch um 12 Monate verlängert, wenn er nicht mit einer Frist von 12 Wochen vor dem Vertragsende gekündigt wird, sind unwirksam.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sind von dieser wirksam in den Vertrag mit dem Beklagten einbezogen worden.

Die Klauseln halten jedoch der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht stand.

Die Unwirksamkeit folgt nicht bereits aus § 309 Nr. 9 BGB a.F., denn weder beinhalten die Klauseln eine längere Kündigungsfrist als drei Monate zulasten des Beklagten noch eine stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr. Die Neuregelung in § 309 Nr. 9 b) BGB, wonach eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses unwirksam ist, es sei denn das Vertragsverhältnis wird nur auf unbestimmte Zeit verlängert und dem anderen Vertragsteil wird das Recht eingeräumt, das verlängerte Vertragsverhältnis jederzeit mit einer Frist von höchstens einem Monat zu kündigen, greift nicht auf den streitgegenständlichen Fall. Diese Neuregelung gilt für die Verträge, die ab dem 1. März 2022 entstehen. Für sog. Altverträge, die bereits vor dem 1. März 2022 entstanden sind, verbleibt es bei der alten Rechtslage (vgl. Art. 229 § 60 Satz 2 EGBGB).

Die Klauseln sind nach § 307 BGB unwirksam, da sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. In Fällen, die von § 309 Nr. 9 BGB erfasst werden, kann sich eine Unwirksamkeit gemäß § 307 BGB aus besonderen, von § 309 nicht erfassten Gründen ergeben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. Dezember 1996, Az. XII ZR 193/95, Rn. 16 – juris). Diese liegen hier vor.

Die Klauseln enthalten Bestimmungen, die nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von einer gesetzlichen Regelung abweichen und mit wesentlichen Grundgedanken dieser gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren sind.

Sie weichen von der im Gesetz vorgesehenen freien Kündigungsmöglichkeit des § 627 BGB ab. § 627 BGB ist auch einschlägig (vgl. hierzu im Ergebnis auch AG Königs-Wusterhausen, Beschluss vom 7. März 2023, Az. 4 C 1788/21), denn die Parteien haben einen Dienstvertrag vereinbart, aufgrund dessen die Klägerin Dienste höherer Art, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, zu leisten hatte. Die Klägerin und der Beklagte haben zunächst im Schwerpunkt einen Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff. BGB vereinbart, denn im Rahmen der sog. „Premium-Mitgliedschaft“ verpflichtete sich die Klägerin vorrangig zur Erbringung von Diensten und nicht zur Herstellung eines Werks. Zwar ist ausweislich Ziffer 3.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin auch die Auswertung einer Persönlichkeitsanalyse Teil der entgeltlichen Leistungen, die die Klägerin im Rahmen einer Premium-Mitgliedschaft erbringt. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der Vermittlung der uneingeschränkten Kontaktaufnahme zwischen den einzelnen Kunden der Klägerin zum Zweck der Partnerfindung. Die Klägerin versteht das von ihr betriebene, hier streitgegenständliche Portal „www.elitepartner.de“, ausweislich Ziffer 1.4 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, als soziales Netzwerk, das seinen Kunden die Möglichkeit bietet, sich zu präsentieren und mit anderen Kunden zu interagieren.

Bei den geschuldeten Diensten handelt es sich auch um solche höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Hierunter werden Dienste verstanden, die besondere Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftliche Bildung voraussetzen oder die den persönlichen Lebensbereich betreffen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2019, Az. IX ZR 11/18, Rn. 13 – juris). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die von der Klägerin zu erbringenden Dienste erfordern überdurchschnittliche Kenntnisse oder Fertigkeiten. Ausweislich Ziffer 3.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin unterbreitet diese den Kunden Partnervorschläge. Gemäß Ziffer 3.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist eine uneingeschränkte Kontaktaufnahme mit den vorgeschlagenen Personen nur im Rahmen der hier streitgegenständlichen Premium-Mitgliedschaft möglich, ansonsten beschränkt sich die Kontaktaufnahme auf vorgefertigte Nachrichten. Obschon die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin keine Informationen dazu enthalten, wer die Kontaktvorschläge aufgrund welcher Kriterien auswählt, kann doch der Kunde davon ausgehen, dass die Auswahl der Partnervorschläge durch sog. Matching-Algorithmus erfolgt, welche von fachkompetenten und vertrauenswürdigen Personen erdacht und programmiert sowie im konkreten Fall auch unter der Aufsicht ebenso fachkundiger und vertrauenswürdiger Personen abläuft (vgl. hierzu AG Hamburg, Urteil vom 25. September 2022, Az. 9 C 464/19).

Die von der Klägerin zu erbringenden Dienste betreffen darüber hinaus auch den persönlichen Lebensbereich des Beklagten. Die Klägerin wertet ausweislich Ziffer 3.2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen der Premium-Mitgliedschaft den „ElitePartner-Persönlichkeitstest“ aus und erstellt eine „ausführliche Persönlichkeitsanalyse.“ Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass dazu vom Kunden Angaben über seine eigene Person und die des gewünschten Partners gemacht werden. Der Kunde muss dabei auf die Seriosität seines Vertragspartners vertrauen, mit den Kundenangaben verantwortungsbewusst umzugehen. Das Vertragsverhältnis berührt insoweit in besonderem Maße die Privat- und Intimsphäre des Kunden (so auch BGH, Urteil vom 8. Oktober 2009, Az. III ZR 93/09, Rn. 19 – juris). Bei der Nutzung der von der Klägerin bereitgestellten Online-Plattform werden darüber hinaus kontinuierlich weitere persönliche Angaben über Kunden akkumuliert, denn ausweislich Ziffer 3.2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen bezieht die Klägerin fortlaufend hinzukommende Neukunden in Partnervorschläge ein.

Die Regelung des § 627 BGB sieht die Möglichkeit der fristlosen Kündigung vor. Von dieser Regelung weichen die Klauseln der Klägerin ab. Aus den von der Klägerin verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, namentlich Ziffern 5.2 und 5.4, ergibt sich, dass eine Kündigung der Premium-Mitgliedschaft nur unter Einhaltung der benannten Kündigungsfrist wirksam ist, sich anderenfalls der Vertrag automatisch um 12 Monate verlängert. Diese Regelung ist mit dem wesentlichen Grundgedanken von § 627 BGB nicht zu vereinbaren. Die Möglichkeit der fristlosen Kündigung in § 627 BGB kann nur durch einzelvertragliche Abrede, nicht jedoch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abbedungen werden. Dies gründet sich auf das besondere Vertrauen, aufgrund dessen die von der Vorschrift erfassten Dienste zu übertragen werden pflegen. Die Bestimmung will den Vertragspartnern, vor allem für den Fall des Vertrauensverlustes, ein Kündigungsrecht einräumen. Ein solcher Vertrauensverlust ist allerdings kein außergewöhnliches, bei regelrechtem oder vertragsgemäßem Erbringen der Dienste kaum eintretendes Ereignis, das einem wichtigen Grund nach § 626 BGB vergleichbar wäre. Stattdessen kann ein Vertrauensverlust auch schon durch unwägbare Umstände, sogar rational nicht begründbare Empfindungen eintreten, die objektiv keinen wichtigen Grund darstellen. Bei Dienstverhältnissen, die ein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzen, soll die Freiheit der persönlichen Entschließung eines jeden Teils im weitesten Ausmaß gewahrt werden (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1998, Az. III ZR 226/97, Rn. 19 – juris). Dies schließt die Möglichkeit ein, ohne Angabe eines Kündigungsgrunds und ohne Einhaltung einer Frist, jederzeit kündigen zu können.

II.

Mangels eines begründet geltend gemachten Hauptanspruchs hat die Klägerin weder einen Anspruch auf die Zahlung von Verzugszinsen noch auf die begehrten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO sowie die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 3 ZPO.

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