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Einstweilige Verfügung gegen Betreten eines Nachbargrundstücks

Das Amtsgericht Hannover hat in einem Rechtsstreit zwischen Nachbarn eine einstweilige Verfügung erlassen, um den Besitz einer Grundstückseigentümerin zu schützen. Die Nachbarin hatte das Grundstück zweimal betreten und die Bauarbeiten behindert, um angebliche Schäden an einer auf ihrem Grundstück stehenden Birke zu verhindern. Das Gericht entschied, dass die Nachbarin keine Selbsthilfe ausüben durfte und stattdessen den Weg der gerichtlichen Hilfe hätte beschreiten müssen.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 435 C 8845/23

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Gericht erließ eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin (Nachbarin), um ihr das Betreten des Grundstücks der Antragsteller und die Behinderung von Bauarbeiten zu untersagen.
  • Die Antragsgegnerin hatte zweimal das Grundstück der Antragsteller betreten und Bauarbeiten gestört, indem sie sich vor den Bagger stellte.
  • Das Gericht sah darin eine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht, für die die Wiederholungsgefahr bestand.
  • Der Anspruch der Antragsteller auf Besitzschutz nach § 862 Abs. 1 S. 2 BGB ging der Frage nach möglichen Ansprüchen der Antragsgegnerin zum Schutz ihres Baumbestandes vor.
  • Die Antragsgegnerin hätte zivilrechtliche Ansprüche gerichtlich bzw. behördliche Maßnahmen auf den Weg bringen müssen, statt Selbsthilfe zu üben.
  • Das Gericht verdeutlichte die Bedeutung des Besitzschutzes zum Erhalt des Rechtsfriedens und der Kontinuität der Besitzlage.
  • Zur Durchsetzung der Verfügung wurde ein Ordnungsgeld bis 250.000 EUR sowie für den Unterbleibensfall Ordnungshaft bis 6 Monate angedroht.

Nachbarschaftsstreit: Gericht schützt Besitzrecht gegen Selbsthilfe

Betreten verboten
(Symbolfoto: bernd.brueggemann /Shutterstock.com)

Wenn sich Nachbarn über Grundstücksgrenzen und Nutzungsrechte streiten, kann das mitunter zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Das Nachbarrecht regelt dabei die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Grundstückseigentümern und soll dabei helfen, Konflikte zu vermeiden oder beizulegen. Eine zentrale Rolle spielt hier das Besitzrecht, das den Eigentümern ermöglicht, ihr Grundstück vor unbefugtem Betreten und Nutzung durch Dritte zu schützen. In manchen Fällen greifen Nachbarn jedoch zu Selbsthilfe und betreten eigenmächtig fremde Grundstücke, was zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen kann. Das vorliegende Urteil befasst sich mit einem solchen Fall, in dem ein Gericht eine einstweilige Verfügung zum Schutz des Besitzrechts erließ.

Der Fall vor dem Amtsgericht Hannover im Detail

Einstweilige Verfügung gegen Nachbarin zum Schutz des Besitzrechts

In diesem Fall ging es um einen Streit zwischen Nachbarn, der zu einer Besitzstörung und schließlich zum Erlass einer einstweiligen Verfügung führte. Die Antragsteller, Eigentümer eines Grundstücks in Hannover, beabsichtigten, auf ihrem Grundstück einen Neubau mit Nebenanlagen zu errichten. Hierfür hatten sie die erforderliche Baugenehmigung mit diversen Auflagen von der Stadt Hannover erhalten. Zudem lagen ein Gutachten zu möglichen Auswirkungen von Grundwasserabsenkungen auf Bäume sowie eine wasserrechtliche Genehmigung der Region Hannover vor. Das Grundstück selbst war eingefriedet und mit einem Bauzaun sowie einem Hinweisschild „Betreten verboten“ versehen.

Die Antragsgegnerin, Miteigentümerin des Nachbargrundstücks, störte jedoch die Bauarbeiten, indem sie zweimal das Grundstück der Antragsteller betrat und sich vor den im Einsatz befindlichen Bagger stellte. Ihre Begründung lag in der Sorge um die Schädigung des Wurzelwerks einer Birke auf ihrem eigenen Grundstück, welche bis auf das Grundstück der Antragsteller ragte. Sie vermutete, dass die Auflagen der Baugenehmigung und der wasserrechtlichen Genehmigung nicht eingehalten wurden und sah sich daher zum Einschreiten gezwungen.

Einstweilige Verfügung zum Schutz des Grundstücks

Das Amtsgericht Hannover gab dem Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Verfügung statt und untersagte der Antragsgegnerin das Betreten des Grundstücks und die Behinderung der Bauarbeiten. Das Gericht stellte fest, dass die Antragsgegnerin durch ihr Verhalten den Besitz der Antragsteller im Sinne des § 862 Abs. 1 S. 2 BGB gestört hatte. Die bloße Vermutung, dass bei den Bauarbeiten die rechtlichen Vorgaben nicht eingehalten würden, rechtfertigte nicht die eigenmächtigen Selbsthilfemaßnahmen der Antragsgegnerin.

Gerichtliche Hilfe statt Selbsthilfe

Das Gericht betonte, dass die Antragsgegnerin zur Durchsetzung ihrer etwaigen Rechte den Weg der gerichtlichen Hilfe hätte beschreiten müssen, statt selbst auf dem Grundstück der Antragsteller aktiv zu werden. Dies hätte beispielsweise die Geltendmachung von Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen bedeutet oder aber auch das Hinwirken auf ein behördliches Einschreiten. Das Gericht unterstrich die Bedeutung des Besitzschutzes als Instrument zur Wahrung des Rechtsfriedens und der Kontinuität der bestehenden Besitzlage.

Konsequenzen bei Missachtung

Um die einstweilige Verfügung durchzusetzen, drohte das Gericht der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro an. Sollte dieses nicht beigetrieben werden können, drohte ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten. Die Antragsgegnerin wurde zudem verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen.

✔ FAQ zum Thema: Besitzrecht


Was ist eine einstweilige Verfügung und wann wird sie angewendet?

Eine einstweilige Verfügung ist eine vorläufige gerichtliche Entscheidung in einem Eilverfahren. Sie dient der Sicherung von dringlichen Ansprüchen, bis das Gericht eine endgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren trifft. Bei diesen Ansprüchen geht es nicht um eine Geldleistung, sondern beispielsweise um die Herausgabe von Gegenständen oder das Unterlassen gewisser Tätigkeiten.

Damit eine einstweilige Verfügung erlassen wird, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Der Antragsteller muss einen Anspruch gegenüber dem Schuldner haben (Verfügungsanspruch).
  • Es muss ein Verfügungsgrund gegeben sein, d.h. der Antragsteller muss glaubhaft darlegen können, dass sein Anspruch oder die Erhaltung des Rechtsfriedens ohne den einstweiligen Rechtsschutz gefährdet wäre.
  • Der Antragsteller muss den Tatbestand glaubhaft machen, so dass das Gericht keine Zweifel an der besonderen Dringlichkeit und Richtigkeit des Antrags hat.

Anwendungsbereiche für einstweilige Verfügungen sind insbesondere Ansprüche, auf die der Gläubiger zur Sicherung seines Lebensunterhalts angewiesen ist, wie Unterhalt, Lohn-, Gehalt- und Rentenzahlungen. Auch die Erfüllung von Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnissen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Bestehen eines Kündigungsgrundes kann per einstweiliger Verfügung gesichert werden.

Im Wohnungseigentumsrecht kann eine einstweilige Verfügung beispielsweise beantragt werden, um die Vollziehung eines Eigentümerbeschlusses bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsache-Anfechtungsklageverfahren auszusetzen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn durch den Beschluss in Eigentumsrechte eines Wohnungseigentümers eingegriffen wird.


Welche Rechte habe ich als Grundstückseigentümer, wenn mein Nachbar mein Grundstück unberechtigt betritt?

Als Grundstückseigentümer haben Sie das Hausrecht und können damit grundsätzlich bestimmen, wer Ihr Grundstück betreten darf. Betritt Ihr Nachbar Ihr Grundstück ohne Ihre Erlaubnis, macht er sich des Hausfriedensbruchs nach § 123 Abs. 1 StGB schuldig. Dies kann mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden.

Es gibt jedoch einige Ausnahmen, in denen der Nachbar auch ohne Zustimmung das Grundstück betreten darf:

  • In Gefahrensituationen wie einem Brand oder zur Ergreifung eines Diebes greift der Notstand nach § 904 BGB. Dann ist das Betreten gerechtfertigt.
  • Aufgrund des Hammerschlag- und Leiterrechts darf der Nachbar das Grundstück in gewissem Rahmen nutzen, um notwendige Instandhaltungs-, Bau- oder Unterhaltungsarbeiten an seinem eigenen Grundstück durchzuführen. Reine Verschönerungsmaßnahmen fallen aber nicht darunter.
  • Zur Abwendung einer konkreten Gefahr oder eines Schadens darf der Nachbar das Grundstück auch ohne Zustimmung betreten, um den Notstand nach § 904 BGB abzuwenden.

Betritt der Nachbar das Grundstück widerrechtlich, können Sie als Eigentümer folgende Maßnahmen ergreifen:

Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstatten

  • Eine einstweilige Verfügung beim Gericht beantragen, um das unbefugte Betreten zu untersagen

Schadensersatz verlangen, falls durch das Betreten Schäden entstanden sind

  • Im Gespräch eine einvernehmliche Lösung suchen und notfalls eine dauerhafte Regelung durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit vereinbaren

Zusammengefasst haben Sie als Grundstückseigentümer weitreichende Rechte, gegen unberechtigtes Betreten vorzugehen. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen muss das Betreten geduldet werden. Ansonsten können Sie den Rechtsweg beschreiten, um Ihr Eigentum zu schützen.


Was sind die rechtlichen Konsequenzen für jemanden, der eine einstweilige Verfügung missachtet?

Wer eine einstweilige Verfügung missachtet, muss mit ernsthaften rechtlichen Konsequenzen rechnen:

Das Gericht droht in der einstweiligen Verfügung für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft an. Diese Sanktionen können bei Verstößen gegen die Anordnungen der einstweiligen Verfügung verhängt werden.

Auch wenn gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt wird, muss sie zunächst weiterhin beachtet werden, bis das Gericht sie ausdrücklich aufhebt. Eine Missachtung bleibt also auch während eines laufenden Widerspruchsverfahrens sanktionierbar.

Neben den Ordnungsmitteln sind auch strafrechtliche Konsequenzen möglich. So kann beispielsweise ein Verstoß gegen eine Gewaltschutz-Verfügung nach § 4 GewSchG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden. Je nach Einzelfall kommen auch andere Straftatbestände wie Nötigung (§ 240 StGB) in Betracht.

Auf zivilrechtlicher Ebene kann der Antragsteller bei Zuwiderhandlungen gegen die einstweilige Verfügung Schadensersatzansprüche geltend machen, falls ihm durch die verbotenen Handlungen ein Schaden entstanden ist.

Zusammengefasst hat eine einstweilige Verfügung einen hohen Verpflichtungsgrad. Verstöße können empfindliche Sanktionen nach sich ziehen, von Ordnungsgeldern über strafrechtliche Ahndung bis hin zu Schadensersatzforderungen. Eine sorgfältige Beachtung ist daher unbedingt geboten, auch wenn man sich juristisch gegen die Verfügung zur Wehr setzt.


Wie kann ich eine einstweilige Verfügung beantragen, wenn ich mein Eigentum schützen möchte?

Diese Frage hilft Personen, die rechtliche Schritte einleiten müssen, um ihr Eigentum zu schützen, indem sie erklärt, wie man eine einstweilige Verfügung beantragt. Die Antwort sollte den Prozess, erforderliche Dokumente und mögliche Kosten beleuchten.

Thematischer Zusammenhang: Einstweilige Verfügung gegen Betreten eines Nachbargrundstücks.


Wie kann ich mich wehren, wenn ich ungerechtfertigt von meinem eigenen Grundstück ausgeschlossen werde?

Um eine einstweilige Verfügung zu beantragen, wenn Sie Ihr Eigentum schützen möchten, folgen Sie diesen Schritten:

1. Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund feststellen

Zuerst müssen Sie einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund nachweisen. Der Verfügungsanspruch bezieht sich darauf, dass Sie einen rechtlich anerkannten Anspruch gegenüber einer anderen Person haben, beispielsweise das Unterlassen des Betretens Ihres Grundstücks. Der Verfügungsgrund liegt vor, wenn dringender Handlungsbedarf besteht, weil ohne die einstweilige Verfügung Ihr Recht ernsthaft gefährdet wäre oder irreparable Schäden drohen.

2. Antrag vorbereiten

Der Antrag auf eine einstweilige Verfügung muss schriftlich beim zuständigen Gericht eingereicht werden. Dies kann das Amtsgericht oder das Landgericht sein, je nachdem, welches Gericht in der Hauptsache zuständig wäre. Der Antrag sollte folgende Elemente enthalten:

  • Eine klare Beschreibung des Verfügungsanspruchs und des Verfügungsgrundes.
  • Glaubhaftmachung der Ansprüche, beispielsweise durch eidesstattliche Versicherungen, Zeugenaussagen oder andere Beweismittel.
  • Eine präzise Formulierung dessen, was genau untersagt werden soll.

3. Gerichtliche Zuständigkeit und Formvorschriften

Stellen Sie sicher, dass der Antrag beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht eingereicht wird. Die Zuständigkeit kann sich nach dem Wohnsitz des Antragsgegners oder nach dem Ort richten, an dem das betroffene Eigentum liegt.

4. Kosten

Die Kosten für das Verfahren hängen vom Streitwert ab und umfassen Gerichtskosten sowie Anwaltskosten, falls Sie einen Rechtsanwalt beauftragen. In manchen Fällen kann Prozesskostenhilfe beantragt werden, wenn die finanziellen Mittel des Antragstellers nicht ausreichen.

5. Antrag einreichen und Vollziehung

Nach Einreichung des Antrags prüft das Gericht die Voraussetzungen und entscheidet über den Erlass der einstweiligen Verfügung. Ist der Antrag erfolgreich, wird die Verfügung dem Antragsgegner zugestellt. Die einstweilige Verfügung ist ab dem Zeitpunkt der Zustellung wirksam.

6. Reaktionsmöglichkeiten des Antragsgegners

Der Antragsgegner kann gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch einlegen oder die Aufhebung beantragen. Daher ist es wichtig, dass der Antragsteller bereit ist, seine Ansprüche auch in einem möglichen Widerspruchsverfahren zu verteidigen.

Durch die Beachtung dieser Schritte können Sie effektiv eine einstweilige Verfügung beantragen, um Ihr Eigentum zu schützen und rechtswidriges Betreten zu verhindern.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 862 Abs. 1 S. 2 BGB: Regelt den Anspruch auf Unterlassung bei Besitzstörungen. Im vorliegenden Fall wurde dieser Paragraph angewandt, weil die Antragsgegnerin das Grundstück der Antragsteller widerrechtlich betreten hat und damit deren Besitz gestört hat. Dies bildet die rechtliche Grundlage für die einstweilige Verfügung.
  • § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB: Dieser Paragraph bietet eine Analogie zu § 862 BGB, wird jedoch auf Eigentum angewendet, nicht nur auf Besitz. Er könnte relevant sein, wenn Eigentumsschäden im weiteren Verlauf des Streits thematisiert würden. Er ermöglicht dem Eigentümer, von anderen die Beseitigung oder Unterlassung einer Beeinträchtigung zu verlangen.
  • § 890 Abs. 2 ZPO: Erlaubt das Gericht, ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft festzusetzen, wenn gegen eine gerichtliche Anordnung verstoßen wird. Dies wurde im Urteil angewendet, um der Antragsgegnerin für jede Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung ein Ordnungsgeld anzudrohen.
  • § 294 ZPO: Bestimmt, dass die Glaubhaftmachung ausreichend ist, um eine einstweilige Verfügung zu erlassen. Dies war entscheidend, da die Antragsteller nur die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Störung nachweisen mussten, nicht deren Gewissheit.
  • § 920 Abs. 2 ZPO: Dieser Paragraph regelt die Anforderungen für die Antragstellung einer einstweiligen Verfügung. Er erfordert unter anderem, dass die Dringlichkeit und Notwendigkeit der Maßnahme glaubhaft gemacht wird, was im gegebenen Fall durch die Schilderung der wiederholten Störungen erfolgte.
  • § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO: Dieser Paragraph regelt die Kostenentscheidung in Gerichtsverfahren. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, da der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung erfolgreich war.
  • Wasserrechtliche Erlaubnis und Baugenehmigungen: Diese sind in diesem Fall relevant, da sie die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Bauvorhaben der Antragsteller definieren. Die Antragsgegnerin hatte behauptet, die Bestimmungen der Baugenehmigung sowie der wasserrechtlichen Erlaubnis würden nicht eingehalten, was Teil ihres Einwands gegen die Bauarbeiten war.


➜ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Hannover

AG Hannover – Az.: 435 C 8845/23 – Urteil vom 16.10.2023

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es zu unterlassen, das Grundstück A### 5, ## Hannover-I###, Flurstück ##/## zu betreten und die dort durchgeführten Bauarbeiten durch körperliche Anwesenheit zu behindern.

2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassensverpflichtung zu Ziffer 1 die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

4. Der Wert des Streitgegenstandes für die Gerichtsgebühren wird auf bis zu 2000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Antragsteller begehren den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin im Wesentlichen aufgegeben werden soll, das Grundstück der Antragsteller nicht mehr zu betreten.

Die Antragsteller sind Eigentümer des im Tenor zu 1) näher bezeichneten Grundstücks. Die Antragsgegnerin ist (Mit-)Eigentümerin des Nachbargrundstücks. Die Antragsteller errichten auf ihrem Grundstück einen Neubau nebst Nebenanlagen. Für dieses Bauvorhaben hatte die Landeshauptstadt Hannover den Antragstellern mit Bescheid vom 09.08.2022 eine Baugenehmigung erteilt, die mit zahlreichen Nebenbestimmungen versehen war. Zu dem Bauvorhaben hatte der Antragsteller zu 1) ein Gutachten zu den Auswirkungen von Grundwasserabsenkungen auf Bäume und Möglichkeiten von Schadensminderungsmaßnahmen der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen T### eingeholt. Zudem liegt für das Bauvorhaben eine wasserrechtliche Erlaubnis der Region Hannover vor, die zuletzt mit Bescheid vom 24.03.2023 geändert wurde. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage zu Protokoll genommene Ablichtung der Baugenehmigung vom 09.08.2023, des Sachverständigengutachtens vom 23.03.2023 sowie des Bescheides vom 24.03.2023 verwiesen. Das Grundstück der Antragsteller ist eingefriedet, zur Straßenseite mit einem Bauzaun und mit einem Hinweisschild („Betreten verboten“) versehen. Auf dem auch der Antragsgegnerin gehörenden Nachbargrundstück befinden sich in der Nähe der Grundstücksgrenze mehrere Bäume, unter anderem eine Birke von etwa 20 Metern Höhe, deren Wurzelwerk bis in das Erdreich des Grundstücks der Antragsteller reicht. Am 24.06.2023 wurden auf dem Grundstück der Antragsteller Baggerarbeiten durchgeführt. Die Antragsgegnerin betrat das Grundstück der Antragsteller und stellte sich vor den dort eingesetzten Bagger, woraufhin die Baggerarbeiten unterbrochen wurden. Am 22.09.2023 betrat die Antragsgegnerin erneut das Grundstück der Antragsteller und behinderte die dort durchgeführten Bauarbeiten.

Die Antragsteller beantragen, wie erkannt.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin beruft sich darauf, dass es ihr um den Schutz ihres Grundstücks und des dortigen Baumbestandes gegangen sei. Sie sei davon ausgegangen, dass bei den Bauarbeiten die sich aus der Baugenehmigung ergebenden Bestimmungen zum Schutz der auf benachbarten Flächen befindlichen Gehölze, Bäume und Hecken ebenso wenig eingehalten worden seien, wie die Vorgaben in der wasserrechtlichen Genehmigung und dem Gutachten der Sachverständigen T###. Deswegen habe sie sich zum Einschreiten veranlasst gesehen.

Hinsichtlich der weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2023 nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist zulässig und begründet.

I.

Die Antragsteller haben den für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsanspruch (1.) und Verfügungsgrund (2.) glaubhaft gemacht. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache steht dem Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung nicht entgegen (3.).

1. Die Antragsteller haben einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht. Dieser ergibt sich aus § 862 Abs. 1 S. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Besitzer gegenüber demjenigen, der ihn in seinem Besitz durch verbotene Eigenmacht stört (Störer), auf Unterlassung klagen, wenn weitere Störungen zu besorgen sind. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

a) Die Antragsteller sind Besitzer des im Tenor zu 1) bezeichneten Grundstücks.

b) Die Antragsgegnerin hat den Besitz der Antragsteller zweimal durch verbotene Eigenmacht gestört. Bei einer derartigen Besitzstörung muss der Besitz zwar nicht entzogen, aber entweder bedroht oder in sonstiger Weise im weitesten Sinne beeinträchtigt werden. Dies kann auch der Fall sein, wenn die Nutzung durch den Besitzer selbst nicht beeinträchtigt ist, z.B. beim Betreten eines größeren Grundstücks durch Unbefugte oder dem Parken darauf (vgl. BGHZ 181, 233 Rn. 17 = NJW 2009, 2530; KG NJW-RR 1988, 780; BeckOK BGB/Fritzsche, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 858 Rn. 10). Eine Besitzstörung liegt daher bereits im bloßen Betreten, Befahren u.s.w. durch unbefugte Personen, z.B. im Rahmen von Bauarbeiten (vgl. OLG Rostock OLG-NL 2001, 279), aber auch ohne konkreten Anlass (vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 858 Rn. 12). So liegen die Dinge hier. Die Antragsgegnerin betrat sowohl am 24.06.2023 als auch 22.09.2023 das Grundstück der Antragsteller. Dies steht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung mit der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung hinreichenden Sicherheit fest, § 294, § 920 Abs. 2, § 936 ZPO. Die Antragsgegnerin ist dem Vorbringen der Antragsteller mit der Folge des § 138 Abs. 3 ZPO insoweit nicht entgegengetreten. Diese Besitzstörung erfolgte gegen, jedenfalls ohne den Willen der Besitzer und war auch im Übrigen rechtswidrig. Letzteres wäre nur dann nicht der Fall, wenn ein Gesetz die Störung gestattet hätte. Daran fehlt es indes. Eine gesetzliche Gestattung bzw. Duldungspflicht ergibt sich insbesondere nicht aus bloßen Duldungsansprüchen des Störers gegen den Besitzer sowie Vorschriften der Landesnachbargesetze, deren Duldungsansprüche daher ggf. im Klagewege durchgesetzt werden müssen, ehe von ihnen Gebrauch gemacht wird. Gleiches gilt für Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche aus § 862 Abs. 1 S. 1, 2, § 1004 Abs. 1 S. 1, 2 BGB (vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 858 Rn. 24). Unabhängig von der Frage, ob der Antragsgegnerin wegen der ihrerseits befürchteten Schädigung des Wurzelwerkes des auf ihrem Grundstück befindlichen Baumbewuchses überhaupt Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche zustehen, wären sie – selbst wenn sie bestünden – keine taugliche Grundlage für die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Selbsthilfemaßnahmen. Dies erklärt sich insbesondere auch aus dem Sinn und Zweck der hier von Antragstellerseite geltend gemachten Besitzschutzansprüche. Sie sollen die Kontinuität der bestehenden Besitzlage gegen Eingriffe schützen und so den allgemeinen Rechtsfrieden wahren (vgl. BeckOGK/Götz, 1.7.2023, BGB § 861 Rn. 3). Die Besitzschutzrechte erschöpfen sich daher darin, verbotene Übergriffe rückgängig zu machen und den eigenmächtig Handelnden in die Bahnen des justizförmigen Verfahrens zur Durchsetzung seines Rechts zu zwingen (vgl. BGHZ 79, 232 = NJW 1981, 6865 (866); BeckOGK/Götz, 1.7.2023, BGB § 861 Rn. 4). Vor diesem Hintergrund hätte es der Antragsgegnerin oblegen, sich zur Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche (zivil-)gerichtlicher Hilfe zu bedienen (vgl. dazu nur Schrödter, Baugesetzbuch, BauGB § 31 Rn. 92 ff. m.w.N.) oder gegenüber den zuständigen Behörden auf ein behördliches Einschreiten – notfalls mittels verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes – hinzuwirken (vgl. dazu nur Schrödter, Baugesetzbuch, BauGB § 31 Rn. 115 f. m.w.N.).

c) Die zweimalige Besitzstörung indiziert die Wiederholungsgefahr. Dabei begründet bereits eine einzige begangene Störung die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr, die vom Störer regelmäßig nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu widerlegen ist (vgl. BGH NJW 2012, 3781 Rn. 12 m.w.N.; NJW 2016, 863 Rn. 25; AG Paderborn ZMR 2022, 320 (321); näher Fritzsche, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, 2000, 154 ff. m.w.N.; BeckOK BGB/Fritzsche, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 862 Rn. 5). An einer solchen fehlt es ebenso wie an sonstigen Umständen, die die Wiederholungsgefahr ausnahmsweise ausräumen könnten.

2. Die Antragsteller haben auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Dieser liegt wegen der Besonderheiten des Besitzschutzes in der Norm des § 862 Abs. 1 S. 2 BGB selbst (vgl. OLG Celle ZMR 2008, 288 (289); BeckRS 2001, 31158124; MüKoBGB/F. Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 861 Rn. 18 m.w.N.).

3. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache steht dem Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung nicht entgegen. Wegen Besitzstörungen sind einstweilige Unterlassungsverfügungen trotz ihrer (zumindest vorübergehenden) Befriedigungswirkung zulässig (vgl. OLG Frankfurt NJW 2019, 1463 Rn. 18 f.; BeckOK BGB/Fritzsche, 67. Ed. 1.8.2023, BGB § 862 Rn. 19).

II.

Der Ausspruch zu Ziffer 2. findet seine Rechtsgrundlage in § 890 Abs. 2 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO.

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