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Flugannullierung – Ausgleichsansprüche gegen Fluggesellschaft

AG Köln, Az.: 113 C 311/16, Urteil vom 10.10.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 150,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.09.2015 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche nach den Vorschriften der EG-VO Nr. 261/2004/EG (Im folgenden: Verordnung) geltend.

Der Kläger buchte unter der Buchungsnummer XXX die von der Beklagten durchzuführenden Flüge AAA und BBB von Madrid (MAD) über Frankfurt (FRA) nach Hamburg (HAM) (vgl. Anl. K 1 d.A.). Flug AAA verlief planmäßig, Flug BBB wurde jedoch durch die Beklagte annulliert. Die Klägerin forderte die Beklagte unter Einschaltung der Fa. C. unter dem 18.08.2015 zur Zahlung von 400,00 EUR binnen Frist von 14 Tagen auf (vgl. Anl. K 4 d.A.). Die Beklagte zahlte daraufhin an den Kläger 250,00 EUR.

Der Kläger behauptet, er sei mit einem Ersatzflug von Frankfurt nach Hamburg befördert worden und habe dieses Ziel mehr als vier Stunden später als geplant erreicht. Der Kläger ist der Ansicht, hinsichtlich der Höhe des Ausgleichsanspruchs sei die Gesamtstrecke von Madrid bis Hamburg zugrunde zu legen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 150,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.09.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, für die Höhe des Entschädigungsanspruchs sei nur die Flugstrecke von Frankfurt nach Hamburg zugrundezulegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 150,00 EUR gem. Art. 5 Abs. 1 c), 7 Abs. 1 b) EG-VO Nr. 261/2004/EG.

Flugannullierung – Ausgleichsansprüche gegen Fluggesellschaft
Symbolfoto: studio4a/Bigstock

Die Voraussetzung eines Anspruchs des Klägers auf Ausgleich in Höhe von 400,00 EUR abzüglich bereits gezahlter 250,00 EUR sind gegeben. Flug BBB wurde annulliert. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger Hamburg mit einer Verspätung von mehr als vier Stunden erreicht hat, da sich der Kläger auf die Annullierung eines Fluges als Anspruchsgrund beruft. Eine erhebliche Verspätung, wie sie in ständiger Rechtsprechung für Ausgleichsansprüche in analoger Anwendung der Verordnung vorausgesetzt wird, ist für einen Anspruch des Klägers wegen einer Flugannullierung nicht erforderlich.

Der Ausgleichsanspruch ist gem. Art. 7 Abs. 1 b) der Verordnung auf Grundlage der Gesamtstrecke Madrid – Hamburg zu berechnen. Demnach erhalten Fluggäste u.a. bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km Ausgleichszahlungen in Höhe von 400,00 EUR.

Eine Beschränkung auf die Strecke des annullierten Fluges BBB von Frankfurt nach Hamburg für die Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vorzunehmen. Das Gericht verkennt nicht, dass es sich bei den streitgegenständlichen Flügen um zwei Flüge handelt. „Flug“ im Sinne der Verordnung ist der Luftbeförderungsvorgang, mit dem ein Luftverkehrsunternehmen die Gesamtheit der Fluggäste dieses Luftbeförderungsvorgangs auf einer von ihm angebotenen und zur Buchung zur Verfügung gestellten Flugroute von dem Startflughafen zum Landeflughafen befördert (vgl. BGH, NJW 2013, 682).

Die Selbständigkeit der Flüge AAA und BBB ändert aber nichts daran, dass gem. Art. 7 Abs. 1 a.E. der Verordnung für die Beurteilung der Entfernung und damit auch für die Frage, in welcher Höhe Ausgleich zu leisten ist, der letzte Zielort maßgeblich ist, an dem der Fluggast infolge der Annullierung später als zur geplanten Ankunftszeit ankommt.

Der Begriff des „letzten Zielorts“ ist im systematischen Zusammenhang auszulegen. Wäre bei der Annullierung einer Teilstrecke für die Anspruchshöhe nur auf die Entfernung dieser Teilstrecke abzustellen, hätte die Formulierung in Art. 7 Abs. 1 a.E. keinen Anwendungsbereich. Einer Ermittlung der Entfernung über die tatsächliche Entfernung einzelner Flüge hinaus bedürfte es dann nicht, zumal in Art. 7 Abs. 4 der Verordnung eigens normiert ist, dass für die Ermittlung der Entfernungen die Methode der Großkreisentfernung maßgeblich ist. Dass in Art. 7 Abs.1 a.E. auf eine verspätete Ankunft abgestellt wird, ist nicht so zu verstehen, dass es auf eine (erhebliche) Verspätung am Zielort ankäme, da diese für Ausgleichsansprüche wegen Annullierung nicht Voraussetzung ist (s.o.). Es soll vielmehr der Bezug zwischen den Unannehmlichkeiten, welche der Fluggast erfährt, und der Höhe des Ausgleichsanspruchs verdeutlicht werden.

Die Vorschrift ist unter Berücksichtigung von Art. 2 h) der Verordnung auszulegen. Der Begriff des „Endziels“ wird dort definiert als der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges. Daraus folgt, dass der Verordnungsgeber nicht etwa nur Einzelflüge, sondern auch Flüge mit Teilstrecken bzw. Zwischenlandungen von der Verordnung erfassen wollte. Die Rechtsprechung hat daraus geschlossen, dass es im Fall eines Fluges mit Anschlussflügen für die Zwecke der in Art. 7 der Verordnung vorgesehenen pauschalen Ausgleichszahlungen auf die Verspätung ankommt, die am Endziel, also am Zielort des letzten Fluges festgestellt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Az. C-11/11; BGH, Urteil vom 07.05.2013, Az. X ZR 127/11; LG Landshut, Urteil vom 16.12.2015, Az. 13 S 2291/15 (juris)).

Nichts anderes kann bei der Annullierung eines Fluges als Anspruchsgrund gelten. Eine engere Auslegung der Vorschrift entspräche nicht dem Sinn und Zweck der Verordnung und trüge nicht dem Ziel des Verbraucherschutzes Rechnung. Aus der Staffelung der Höhe des zu leistenden Ausgleichs in Art. 7 der Verordnung wird deutlich, dass der Verordnungsgeber bei der Annullierung längerer Flüge einen höheren Ausgleich für sachgerecht hält, als bei kürzeren Flügen. Diese Unterscheidung ist interessengerecht, um den Unannehmlichkeiten der Fluggäste im Einzelfall Rechnung zu tragen.

Eine Unterscheidung bzw. Benachteiligung solcher Fluggäste, welche einen Flug mit Zwischenlandung gebucht haben, gegenüber solchen, welche einen Direktflug über die Gesamtstrecke gebucht haben, erscheint demgegenüber nicht sachgerecht. Denn es ist nicht ersichtlich, dass bei der Annullierung einer Teilstrecke nach Zwischenlandung dem Fluggast weniger Unannehmlichkeiten entstünden, als bei der Annullierung eines Direktfluges. Der Begriff der „Unannehmlichkeiten“ (vgl. Erwägungsgrund Nr. 2 der Verordnung) enthält ein subjektives Element, welches es rechtfertigt, diesbezüglich auf die Perspektive des Fluggastes abzustellen. Dieser dürfte Teilstrecken einer einheitlichen Flugbuchung oftmals als einheitliche Flugreise zwischen Abflugort und Endziel empfinden – mit der Besonderheit einer Zwischenlandung.

Dass die erste von mehreren Teilstrecken planmäßig verlaufen ist, dürfte aus der Perspektive des Fluggastes kaum einen Zugewinn bieten, wenn sich dieses Ziel nur als notwendiges Zwischenziel darstellt. Ebenso wenig ist eine Vergleichbarkeit mit solchen Fluggästen gegeben, für welche die annullierte Strecke eine Einzelstrecke ist. Die Unannehmlichkeiten wegen der Annullierung einer von mehreren Teilstrecken dürften über die Unannehmlichkeiten für die Fluggäste der annullierten Einzelstrecke hinausgehen, da sich aus der Sicht des Fluggastes die Gesamtreise verzögert.

Das Gericht verkennt nicht, dass das Vorliegen von Teilstrecken und eine sich daraus ergebende erhöhte Möglichkeit von Unregelmäßigkeiten wegen der Mehrzahl von Flügen oftmals auf der Buchungsentscheidung des Fluggastes beruht. Jedoch erscheint die Verpflichtung zum Ausgleich auf der Grundlage der Gesamtstrecke ohne die Berücksichtigung von Zwischenlandungen im vorliegenden Fall interessengerecht, wenn beide Teilstrecken von demselben Luftfahrtunternehmen durchgeführt worden sind und es sich um eine einheitliche Buchung handelt.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Entscheidung über die Zulassung der Berufung:

Die Berufung war zuzulassen, da die unterliegende Partei mit nicht mehr als 600,00 EUR beschwert ist und Frage, ob Art. 7 Abs. 1 der EG-VO Nr. 261/2004 so auszulegen ist, dass die Anspruchshöhe auf der Basis einer oder mehrerer Teilflugstrecken zu bemessen ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betrifft und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.

Der Streitwert wird auf 150,00 EUR festgesetzt.

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