Beschlusskompetenz Verbot der Hundehaltung
AG Würzburg, Az.: 30 C 1598/14 WEG, Urteil vom 16.12.2014
Wohnungseigentum: für eine; generelles
1. Der Beschluss 7/14 zu Tagesordnungspunkt 6 (Hundehaltungsverbot) der Eigentümerversammlung vom 15.05.2014 wird für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien sind Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft … Würzburg. Die Kläger sind unter anderem Wohnungseigentümer.
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 15.05.2014 fassten die anwesenden Wohnungseigentümer – in Abwesenheit der Kläger – einstimmig folgenden
Beschluss 7/14:
Die Eigentümergemeinschaft beschließt, dass im Anwesen eine Hundehaltung generell verboten ist. Zulässig ist die Hundehaltung nur in Ausnahmefällen nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch die Hausverwaltung. Ein Ausnahmefall ist zum Beispiel gegeben, wenn ein Bewohner auf den Hund aus gesundheitlichen Gründen angewiesen ist (z. B. Blindenhund). Die Genehmigung wird stets widerruflich erteilt.
Wird die Genehmigung durch die Verwaltung verweigert, kann die fehlende Genehmigung durch einen Beschluss der Eigentümerversammlung ersetzt werden.
In der Einladung zur Versammlung war der entsprechende Tagesordnungspunkt folgendermaßen bezeichnet:
„Allgemeine Diskussion über die Hundehaltung in der Grundstückseinheit.”
Zu Einzelheiten des Inhaltes der Einladung wird auf Anlage K2 (Bl. 27 d. A.) verwiesen.
Die Kläger sind der Ansicht, dass der Beschlussgegenstand in der Einladung nicht hinreichend bezeichnet gewesen sei. Mit einer Beschlussfassung habe nicht gerechnet werden müssen.
Sie sind ferner der Ansicht, dass ein absolutes und generelles Hundehaltungsverbot beschlossen worden sei und dass den Wohnungseigentümern hierfür die Beschlusskompetenz fehle.
Die vorgesehenen Ausnahmefälle seien darüber hinaus nicht hinreichend bestimmt dargestellt.
Auch bestehe kein sachlicher Unterschied zwischen der Haltung von Wohnungskatzen oder Kaninchen und kleinen Hunden.
Die Wohnungseigentümer seien vom Wohl und Wehe des Verwalters abhängig.
Außerdem widerspreche der Beschluss dem Vertrauensgrundsatz, weil eine entsprechende Regelung zu dem Zeitpunkt des Erwerbs der Wohnungen durch die Kläger (unstreitig) noch nicht bestanden habe.
Konkrete Belästigungen durch einen Hund sind in der Wohnungseigentümergemeinschaft bislang unstreitig nicht vorgekommen.
Die Kläger beantragen daher zu erkennen:
Der Beschluss 7/14 zu Tagesordnungspunkt 6 (Hundehaltungsverbot) der Eigentümerversammlung vom 15.05.2014 wird für ungültig erklärt.
Die Beklagten beantragen: Klageabweisung.
Die Beklagten sind insbesondere der Ansicht, dass ein generelles Hundehaltungsverbot nicht bestehe. Die beschlossene Regelung sehe ausdrücklich Ausnahmen vor.
Die Klage ist mit Schriftsatz vom 13.06.2014, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhoben worden. Sie ist mit Schriftsatz vom 14.07.2014, eingegangen bei Gericht am 15.07.2014, begründet worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
Der angefochtene Beschluss war für ungültig zu erklären.
1.
Die Fristen zur Klageerhebung und Klagebegründung (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG) sind jeweils eingehalten worden.
2.
Es kann dahinstehen, ob ein Ladungsmangel vorlag und ob dieser für das Beschlussergebnis kausal geworden ist. Der Beschluss war aus nachfolgend darzustellenden materiellen Gründen für unwirksam zu erklären.
3.
a) Der Beschluss ist nicht nichtig.
Eine Beschlusskompetenz ergibt sich aus § 15 Abs. 2 WEG. Ob sich die beschlossene Regelung im Rahmen ordnungsgemäßen Gebrauchs hält, stellt keine Frage der Beschlusskompetenz dar. Bei Überschreiten der Grenze des § 15 Abs. 2 WEG ist der Beschluss lediglich anfechtbar.
Der Beschluss ist inhaltlich hinreichend bestimmt. Er legt ein generelles Hundehaltungsverbot fest, lässt hiervon allerdings Ausnahmen zu. Eine genauere Differenzierung bei den Ausnahmen ist weder möglich noch sinnvoll. Der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat hierzu im Bereich des Wohnungsmietrechtes mit Urteil vom 20.03.2013 (Az. VIII ZR 168/12) unter Teilziffer 19 Folgendes ausgeführt: „Ob eine Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne von § 535 Abs. 1 BGB gehört, erfordert eine umfassende Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters sowie der weiteren Beteiligten. Diese Abwägung lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall vornehmen, weil die dabei zu berücksichtigenden Umstände so individuell und vielgestaltig sind, dass sich jede schematische Lösung verbietet. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Größe, Verhalten und Anzahl der Tiere, Art, Größe, Zustand und Lage der Wohnung und des Hauses in dem sich die Wohnung befindet, Anzahl, persönliche Verhältnisse, namentlich Alter und berechtigte Interessen der Mitbewohner und Nachbarn, Anzahl und Art anderer Tiere im Haus, bisherige Handhabung durch den Vermieter sowie besondere Bedürfnisse des Vermieters.” Der hierin zum Ausdruck kommende tatsächliche Gedanke lässt sich auch auf das Wohnungseigentumsrecht übertragen. Es ist deshalb zulässig und widerspricht nicht dem Bestimmtheitserfordernis, wenn die Fälle, in denen eine Tierhaltung erlaubt sein soll, nur in generalisierender und ausfüllungsbedürftiger Weise festgelegt werden. Ein anderes Vorgehen ist regelungstechnisch angesichts der Vielzahl von Gesichtspunkten, die im Einzelfall zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen sind, nicht sinnvoll möglich.
b) Der angefochtene Beschluss entspricht jedoch nicht ordnungsgemäßem Gebrauch im Sinne von § 15 Abs. 2 WEG.
aa) Ein generelles Verbot der Hundehaltung können die Wohnungseigentümer nur im Wege einer Vereinbarung, die die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erfordert, festlegen (BGHZ 129, 329). Ein generelles Hundehaltungsverbot haben die Wohnungseigentümer indessen hier nicht beschlossen. Der angefochtene Beschluss sieht die Möglichkeit von Ausnahmen vom Hundehaltungsverbot vor und legt das hierfür einzuhaltende Verfahren fest.
bb) Soweit eine Vereinbarung nicht entgegensteht, können die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit einen der Beschaffenheit der im Sondereigentum stehende Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden ordnungsgemäßen Gebrauch beschließen (§ 15 Abs. 2 WEG). Durch diese Vorschrift werden Inhalt und Schranken des Miteigentums bzw. Sondereigentums der Kläger bestimmt. Angesichts dieser ausdrücklichen gesetzlichen Regelung können sie sich nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen. Nachdem sie nicht Alleineigentümer sind, haben sie jederzeit auch mit einer Änderung bestehender oder der Einführung neuer Gebrauchsregelungen zu rechnen.
Gleichwohl widerspricht die beschlossene Regelung ordnungsgemäßem Gebrauch. Durch die Regelung des § 15 Abs. 2 WEG kann der nach § 14 Nr. 1 WEG zulässige Gebrauch nur konkretisiert, nicht aber verboten und erweitert werden, wobei den Wohnungseigentümern ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum zusteht. Voraussetzung für eine Gebrauchsbeschränkung ist aber, dass schützenswerte Interessen anderer Hausbewohner beeinträchtigt werden. Diesem Maßstab wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht.
Zwar ist es nicht zu beanstanden, dass die Regelungstechnik eines Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt angewendet wird. Nur so ist eine effektive Durchsetzung einer entsprechenden Gebrauchsregelung möglich. Sie verhindert auch, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft durch einen Miteigentümer vor vollendete Tatsachen gestellt wird.
Allerdings ist es erforderlich, dass bereits der Beschluss über die Gebrauchsregelung erkennen lässt, dass in jedem Einzelfall eine sachgerechte Abwägung der Interessen der beteiligten Personen stattzufinden hat und diese Abwägung von den Entscheidenden (Verwalter oder Wohnungseigentümerversammlung) im Einzelfall jeweils vollzogen werden muss. Als Kriterien kommen dabei insbesondere die in dem vorzitierten Urteil des BGH vom 20.03.2013 genannten Umstände in Betracht. Sie müssen in dem Beschluss zwar nicht ausdrücklich genannt werden. Es muss aber zu erkennen sein, dass jeweils eine Interessenabwägung im Einzelfall stattzufinden hat.
Der angefochtene Beschluss ist insoweit zu eng. Indem er vorgibt, dass eine Hundehaltung „generell” verboten sei und die Hundehaltung „nur in Ausnahmefällen” zulässig sein soll, gibt er ein ermessensleitendes Element vor, das auf die Versagung einer Genehmigung gerichtet ist. Regelungstechnisch bürdet es den Nachweis des Vorliegens eines Ausnahmefalles dem jeweiligen Wohnungseigentümer über. Auch die im Rahmen eines Regelbeispiels angeführten gesundheitlichen Gründe erwecken den Eindruck, dass nur unter ganz besonderen Umständen von einem Hundehaltungsverbot abzusehen ist. Dies wird, wie ausgeführt, den Vorgaben ordnungsgemäßen Gebrauchs i. S. v. § 15 Abs. 2 WEG nicht gerecht. Der Beschluss war daher für ungültig zu erklären.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: § 3 ZPO, § 49 a Abs. 1 GKG (Auffangstreitwert).