Skip to content
Menu

Kreuzungskollision nach irreführendem Blinkersetzen durch vorfahrtsberechtigten Fahrzeugführer

Irreführendes Blinkersetzen: Verantwortung bei Kreuzungszusammenstoß

Im vorliegenden Fall betrachten wir die Rechtsprechung des OLG Koblenz (Az.: 12 U 332/20) vom 1. September 2020, die sich mit einem komplizierten Verkehrsunfall auseinandersetzt. Im Zentrum der Streitfrage steht der Fahrer eines Fahrzeugs, der einen irreführenden Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hat und dennoch nicht abgebogen ist, was zu einer Kollision auf einer Kreuzung führte. Das Hauptproblem ist hierbei die Zuweisung der Haftungsverantwortung zwischen dem Kläger, der das Blinksignal gesetzt hatte, und der Beklagten, die die untergeordnete Straße befahren hat.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 332/20 >>>

Analyse des Fahrverhaltens

Laut dem zugrundeliegenden Sachverhalt hat der Kläger den rechten Blinker an seinem Fahrzeug aktiviert, um seine Absicht zu signalisieren, auf das Gelände der Firma …[A] abzubiegen. Die Beklagte hat daraufhin angenommen, dass der Kläger abbiegen würde und ist in die Kreuzung eingefahren, was letztendlich zur Kollision geführt hat. Es wurde festgestellt, dass die Kollisionsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs etwa 23 km/h betrug und keine abrupte Verlangsamung vor dem Unfallereignis nachgewiesen werden konnte.

Bewertung des Fahrverhaltens

Das Gericht hielt fest, dass die Beklagte nicht einfach davon ausgehen durfte, dass der Kläger abbiegen würde, ohne sein weiteres Fahrverhalten abzuwarten. Insbesondere wurde betont, dass das frühzeitige Setzen des Blinkers und die geringe Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Klägers nicht unbedingt darauf hindeuteten, dass der Kläger seine Abbiegeabsicht erst 40-50 m nach der Kreuzung realisieren wollte.

Verantwortung und Haftung

Das Gericht schloss sich nicht der rechtlichen Beurteilung des Landgerichts an, nach der die Wartepflicht der Beklagten durch die „irreführenden Blinkzeichen“ aufgehoben oder ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden wäre, der das verkehrsrechtliche Fehlverhalten der Beklagten völlig überlagern oder relativieren würde. Stattdessen wurde betont, dass die Haftungsverantwortung beider Parteien für das Unfallgeschehen berücksichtigt werden muss.

Vergleichsvorschlag des Gerichts

Abschließend stellte das Gericht fest, dass der Inhalt des von den Parteien in erster Instanz vorgeschlagenen Vergleichsabschlusses die Sach- und Rechtslage zutreffend berücksichtigt hat und eine sachgerechte Lösung für beide Parteien darstellt. Der Gerichtsvorschlag umfasst die Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.957,79 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 €, jeweils zuzüglich Zinsen, durch die Beklagten an den Kläger.


Das vorliegende Urteil

OLG Koblenz – Az.: 12 U 332/20 – Beschluss vom 01.09.2020

Gründe

1. Der Senat weist auf Folgendes hin:

Nach eingehender Beratung der Sach- und Rechtslage unter besonderer Berücksichtigung der spezifischen Umstände des vorliegend zu beurteilenden Sachverhalts ist von folgender Rechtslage auszugehen:

In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass der Kläger in Annäherung an den Kreuzungsbereich L…/…[Y]straße in …[Z] den rechten Fahrtrichtungsanzeiger an seinem Fahrzeug gesetzt hatte, um – so die Einlassung des Klägers – seine Absicht, auf das Gelände der Firma …[A] abzubiegen, kundzutun. Ferner hat die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme zu dem Ergebnis geführt, dass die Kollisionsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs vorliegend bei etwa 23 km/h lag, ohne dass objektiv nachweisbar dem Kollisionsereignis unmittelbar zeitlich ein Bremsvorgang auf Seiten des Klägers vorausgegangen wäre, der zu einer abrupten Verlangsamung des Klägerfahrzeugs geführt hätte. Der Kläger selbst hat insoweit bekundet:

„Ich denke das ich zunächst den Fuß vom Gas genommen habe und später auch gebremst habe.“ Jedenfalls steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sich der Kläger – bei einem Tempolimit von 70 km/h – mit einer relativ niedrigen Geschwindigkeit dem Kreuzungsbereich angenähert hat.

Ausgehend von diesem Sachverhalt, der durch die gutachterlichen Ausführungen des Kfz-Sachverständigen Dr. Ing. …[B] in vollem Umfang bestätigt wird, hat der Kläger jedenfalls durch das frühe Setzen des rechten Fahrtrichtungsanzeigers – die Einfahrt zu dem Betriebsgelände der Firma …[A] lag auch nach Passieren der Kreuzung noch rund 40 m entfernt – eine Gefahrenlage i.S. von § 1 Abs. 2 StVO geschaffen, bei der er davon ausgehen musste, dass die wartepflichtige Beklagte zu 1. auf die Richtigkeit des Signals vertrauen und davon ausgehen würde, er, der Kläger wolle nach rechts in die …[Y]straße abbiegen. Andererseits durfte die Beklagte zu 1. als Verkehrsteilnehmerin auf der untergeordneten Straße nicht ohne weiteres, ohne das weitere Fahrverhalten des Klägers abzuwarten, auf die Richtigkeit des Blinksignals vertrauen und als selbstverständlich davon ausgehen, der Kläger werde in die …[Y]straße abbiegen, auch wenn das frühe Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers in Verbindung mit der geringen Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs nicht zwingend darauf schließen ließ, dass der Kläger seine Abbiegeabsicht erst in einer Entfernung von 40-50 m hinter der Kreuzung realisieren wollte. Insoweit ist zur Entlastung der Beklagten jedenfalls nicht erkennbar und von den Parteien auch nicht dargetan, dass der Kläger durch eine rechtsorientierte Fahrweise zu erkennen gegeben hätte, dass er (sogleich) in die …[Y]straße abbiegen würde. Der Senat vermag sich daher der rechtlichen Beurteilung des Landgerichts nicht anzuschließen, wonach die Wartepflicht der Beklagten zu 1. durch die „irreführenden Blinkzeichen“ und das sonstige Fahrverhalten des Klägers aufgehoben oder jedenfalls ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden wäre, der im konkreten Einzelfall geeignet war, das verkehrsrechtliche Fehlverhalten der Beklagten zu 1. völlig zu überlagern oder in einem Maße zu relativieren, so dass ihr eigenes Fehlverhalten konsumiert worden wäre.

Bei einer Abwägung der jeweiligen Unfallverursachungsanteile im Sinne der §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG erscheint daher im Ergebnis eine Einstandspflicht der Beklagten für die dem Kläger entstandenen Schäden im Umfang von 50 % sachangemessen, um angesichts der spezifischen Besonderheiten des hier zu beurteilenden Sachverhalts den beiderseitigen Haftungsverantwortlichkeiten für das streitgegenständliche Unfallgeschehen hinreichend Rechnung zu tragen.

Angesichts der vorstehenden Überlegungen ist festzustellen, dass der Inhalt des den Parteien in erster Instanz angetragenen Vergleichsabschlusses, dem die Beklagten mit Schriftsatz vom 17.12.2018 bereits zugestimmt hatten, die Sach- und Rechtslage zutreffend berücksichtigt hat und auch nach Auffassung des Senats für beide Parteien eine sachgerechte Lösung beinhaltet.

2. Zur Vermeidung weiterer Kosten sollten die Parteien daher erwägen, den Rechtsstreit gütlich beizulegen. Der Senat schlägt den Parteien insoweit den Abschluss folgenden Vergleichs vor.

a) Die Beklagten als Gesamtschuldner zahlen zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche des Klägers aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis vom 23.04.2018, seien sie bekannt oder nicht, eingeklagt oder nicht, vorhersehbar oder nicht, an diesen einen Betrag in Höhe von 5.957,79 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.08.2018.

b) Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

3. Frist zur Stellungnahme zu dem Vergleichsvorschlag 17.09.2020.

4. Bei der Berechnung des in Ziffer 2. a) genannten Zahlbetrages hat der Senat die geltend gemachte Kostenpauschale auf 25,00 € ermäßigt.

5. Im Falle eines Vergleichsabschlusses soll nach § 278 Abs. 6 ZPO verfahren werden.

6. Für den Fall, dass sich die Parteien zu einer solchen – aus wirtschaftlicher Sicht zu empfehlenden – Vorgehensweise nicht entschließen, wird angefragt, ob Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO besteht.

Frist: 17.09.2020

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Wie können wir Ihnen helfen?

Wir sind Ihr Ansprechpartner in allen rechtlichen Angelegenheiten. Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Ersteinschätzung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Rechtstipps

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!