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Mietschuldenfreiheitsbescheinigung – Erklärungswert

LG Berlin, Az.: 63 S 188/10, Urteil vom 26.11.2010

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. März 2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lichtenberg – 13 C 322/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Gründe

I.

Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestandes gem. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Mietschuldenfreiheitsbescheinigung – Erklärungswert
Symbolfoto: Aekkarak/Bigstock

Die Parteien streiten um die Rückforderung der klagenden ehemaligen Mieterin auf Kaution gegen die der beklagte ehemalige Vermieter mit anteiligen Mietzinsforderungen für die Monate Dezember 2005 bis Dezember 2007 sowie mit Nachzahlungsbeträgen aus den Heiz- und Betriebkostenabrechnungen aus 2006 aufrechnet.

Das zwischen den Parteien vormals bestehende Mietverhältnis ist seit dem 31.01.2008 beendet. Die Klägerin zahlte ursprünglich eine Kaution in Höhe von 733,26 Euro; nebst Zinsen beläuft sich die Kaution auf 746,38 Euro.

Mit Schreiben vom 19.02.2005 zeigte die Klägerin der vom Beklagten beauftragten Hausverwaltung Feuchtigkeitsmängel in der Wohnung an. Der Beklagte billigte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 16.03.2006 eine Minderungsquote in Höhe von 15 % zu und forderte die Klägerin auf, den darüber hinausgehenden Minderungsbetrag zu überweisen.

Im Einzelnen traten folgende Mängel auf:

– Küche: feuchte, nasse Wand, recht neben der Tür im unteren Drittel, stellenweise bis Brusthöhe sowie feuchte Wand rechts neben der Heizung bis zum Herd, weißer Schimmel unten an der Wand rechts neben der Tür mit den Ausmaßen 45 x 18 cm und schwarzer Schimmel links über Eck neben der Tür 5×5 cm

– Wohnbereich: feuchte Wand links im Eingangsbereich mit einer Größe von 60 x 19 cm, schwarzer Schimmel in einer Größe von 2,5 cm x 2 cm

– Flur: feuchte Wand links am Ende zum Wohnbereich mit quellender Wandfarbe, Größe 30 x 49 cm

– Kinderzimmer: feuchte Wand, recht neben der Zimmertür im ersten Drittel, unten grüne/grau Schimmelflecken

Mit Schreiben vom 19.02.2006 zeigte die Klägerin weitere Schimmelschäden, nämlich eine feuchte dunkele angelaufene Stelle mit einem Durchmesser von 11 cm neben der Terrassentür sowie eine nasse und verschimmelte Wand zum begrünten Teil des Innenhofes in der Größe von ca. 1 m Länge, an der höchsten Stelle 40 cm.

Die Klägerin zahlte auf die Miete in Höhe von 384,24 Euro in den Monaten Dezember 2005 bis Februar 2006 288,18 Euro und sodann monatlich 268,97 Euro.

Mit Schreiben vom 07.12.2007 stellte die vom Beklagten beauftragte Hausverwaltung der Klägerin eine Bescheinigung mit folgendem Wortlaut aus:

„… wir bestätigen Ihnen hiermit, dass sie Ihrer Mietzahlungsverpflichtung regelmäßig nachgekommen sind.“

Die Betriebskostenabrechnung 2006 ergab eine Nachforderung zu Lasten der Klägerin in Höhe von 127,27 Euro. Die Heizkostenabrechnung 2006 ergab ein Guthaben zu Gunsten der Klägerin in Höhe von 56,01 Euro. Die Betriebskostenabrechnung 2007 ergab ebenfalls eine Nachforderung zu Lasten der Klägerin in Höhe von 89,57 Euro. Die Heizkostenabrechnung 2007 ergab ein Guthaben zu Gunsten der Klägerin in Höhe von 213,70 Euro.

Mit Schreiben vom 28.05.2006 forderte die Klägerin die von dem Beklagten beauftragte Hausverwaltung auf, über die Kaution abzurechnen. Daraufhin teilte diese der Klägerin mit Schreiben vom 05.06.2009 mit, dass sie mit den ausstehenden anteiligen Mietforderungen gegen die Kautionsforderung aufrechne und noch weitere Zahlung verlange.

Das Amtsgericht hat die von der Klägerin erhobene Klage auf Auszahlung der Kaution vollumfänglich abgewiesen, da dieser Anspruch nach Auffassung des Amtsgerichts durch Aufrechnung mit der Gegenforderung wegen rückständiger Mieten im Zeitraum Dezember 2005 bis Dezember 2007 auch unter Berücksichtigung der Guthaben aus den Betriebs- und Heizkostenabrechnungen erloschen sei. Bei der Berechnung der Rückstände bestünde ferner eine Minderungsquote in Höhe von 20 %.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie verfolgt ihren Anspruch auf Zahlung der Kaution in Höhe von 746,38 Euro auch in der Berufung weiter fort. Zunächst rügt sie einen Rechenfehler im amtsgerichtlichen Urteil. Zudem ist sie der Auffassung, die Miete sei wegen des Schimmels vollständig gemindert gewesen. Ferner stelle die Mietschuldenfreiheitsbescheinigung des Beklagten vom 07.12.2007 einen Verzicht bzw. negatives Schuldanerkenntnis im Hinblick auf die hier zu Aufrechnung gestellten Gegenforderungen dar. Darüber hinaus, sei der Rückforderungsanspruch des Beklagten auch verwirkt, da der Beklagte die seit 2005 vorgenommene Mietminderung hingenommen habe.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet, da die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Auszahlung der Kaution in Höhe von 746,38 Euro hat. Dieser Anspruch ist durch Aufrechnung mit Gegenforderungen des Beklagten wegen anteiliger Mietzinsforderungen bzw. wegen Heiz- und Betriebskostennachforderungen erloschen.

Rechenfehler

Der von der Klägerin in der Berufungsbegründung behauptete Rechenfehler besteht nicht. Der Beklagte rechnet, wie der Erklärung im Schriftsatz vom 16.11.2009 zu entnehmen ist, mit den gesamten Gegenforderungen für die Monate Dezember 2006 bis Dezember 2007 auf. Die Gegenforderungen bestehen.

Mietminderungsrecht von mehr als 20 %

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die vom Amtsgericht angesetzte Minderungsquote von 20 % angemessen und nicht ermessensfehlerhaft, so dass die Miete für die Monate Dezember 2006 bis Dezember 2007 nicht über den darüber hinausgehenden Betrag gemindert war. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass vorwiegend Feuchtigkeitsschäden bestanden. Schimmelbildung zeigte sich nur vereinzelt an kleineren Stellen in der Küche, im Wohnbereich und im Kinderzimmer. Dass der Schimmel tatsächlich gesundheitsgefährdender Natur gewesen ist, trägt die Klägerin nicht vor. Allein die Befürchtung, es könne sich um gesundheitsgefährdenden Schimmel handeln, rechtfertigt keine höhere Minderungsquote.

Mietschuldenfreiheitsbescheinigung als Verzicht

Die von der vom Beklagten beauftragten Hausverwaltung ausgestellten Bescheinigung vom 07.12.2007 steht der Geltendmachung der anteiligen Mietzinsforderungen für die Monate Dezember 2006 bis Dezember 2007 ebenfalls nicht entgegen. Insbesondere kommt in dieser Bescheinigung kein Verzicht oder negatives Schuldanerkenntnis zum Ausdruck. Ob eine Erklärung einen Verzicht oder ein negatives Schuldanerkenntnis beinhaltet, ist durch Auslegung zu ermitteln. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BGH zu der Frage, ob eine Anspruch des Mieters auf Erstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung besteht, trifft hierüber keine Aussage (BGH, Urteil vom 30.09.2009, VIII ZR 238/08). Der BGH lässt in der zitierten Entscheidung die Rechtsnatur einer solchen Bescheinigung ausdrücklich offen, indem er feststellt, dass sie eine Verzichtserklärung oder ein negatives Schuldanerkenntnis darstellen oder aber auch nur eine bloße Wissenserklärung sein kann. Im Ergebnis kommt es daher auf die Formulierung und Auslegung der einzelnen Erklärung an.

Vorliegend lässt sich dem Wortlauf der Erklärung nicht entnehmen, dass der Beklagte auf die Geltendmachung ausstehender Mieten verzichtet hat. Er bestätigt lediglich die regelmäßige Zahlung. Das Wort „Mitschuldenfreiheit“ wird in der Erklärung weder im Betreff noch an anderer Stelle verwendet. Auch ist nicht vorgetragen, aufgrund welcher Anfrage oder aus welchem Grund der Beklagte die Bescheinigung ausstellte. Angesichts des sehr knappen und nicht sehr aussagekräftigen Wortlauts der Bescheinigung und der weitreichenden Folgen eines Verzichts, lässt sich der Erklärung daher nicht entnehmen, dass der Beklagte auf die Geltendmachung weitere Nachforderungen verzichten wollte.

Verwirkung des Gegenanspruchs

Der Anspruch des Beklagten auf anteilige Mietzahlungen für die Monate Dezember 2006 bis Dezember 2007 ist auch nicht verwirkt. Verwirkung liegt gemäß § 242 BGB vor, wenn der Berechtige sein Recht längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtet sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2005, XII ZR 224/03, NJKW 2006, 219,220). Die Annahme der Verwirkung setzt somit neben dem Zeitablauf (Zeitmoment) das Vorliegen besonderer, ein Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus (Umstandsmoment).

Vorliegend hat die Klägerin die Mängel wegen des Schimmelbefalls im Jahr 2005 angezeigt und seither die Miete gemindert gezahlt. Mit Schreiben vom 16.03.2006 billigte der Beklagte ihr daraufhin eine Minderungsquote in Höhe von 15 % zu und forderte die Klägerin auf, den darüber hinausgehenden Minderungsbetrag zu überweisen. Der Beklagte hat daher zu diesem Zeitpunkt zu verstehen gegeben, dass er eine weitere Minderung nicht dulden wolle.

Dass der Beklagte danach keine weiteren Versuche unternommen hat, um die von der Klägerin darüber hinausgehende Minderung einzufordern, mag das Zeitmoment erfüllen, da zwischen der erstmaligen Aufforderung vom 16.03.2006 und der Aufrechnungserklärung vom 05.06.2009 mehr als drei Jahre lagen. Da jedoch kein weiteres Verhalten des Beklagten erkennbar ist, welches das Vertrauen der Klägerin begründen könnte, dass er den über den Minderungsbetrag hinausgehenden Betrag zurückfordern werde, ist das Umstandsmoment nicht erfüllt. Darüber hinaus ist auch zu beachten, dass der Klägerin bei einer Minderungsquote von 20 % ohnehin ein vollständiges Zurückbehaltungsrecht an der Miete zugestanden hätte, so dass der Beklagte die Mietrückstände bis zur Beendigung des Mietverhältnisses im Januar 2008 sowieso nur Zug um Zug gegen Mangelbeseitigung hätte einklagen können.

Ferner ergibt sich auch aus der Bescheinigung vom 07.12.2007 kein Umstandsmoment, das eine Verwirkung begründen würde, denn diese ist nicht dahingehend formuliert, dass eine Endabrechnung über das gesamte Mietverhältnis vorgenommen werden sollte. Eine derart weitreichende Erklärung kann dem knappen Wortlaut der Erklärung nicht entnommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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