KG Berlin, Az.: 8 U 164/15, Urteil vom 21.01.2016
In dem Rechtsstreit hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 21.01.2016 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. Juni 2015 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin – 29 O 384/14 – abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Gewerberäumlichkeiten (Einheit 2) auf dem Grundstück ……str. ……, …… Berlin, Vorderhaus, EG links, mit einer Größe von 60,20 m² (bestehend aus einem Ladenlokal, einem Flur, einer Küche sowie einem WC) zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung des Räumungs- und Herausgabeanspruchs durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 9.300,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 17. Juni 2015 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:
Das Landgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Ursprungsmietvertrag vom 01.10.2012 nicht dem Schriftformerfordernis entspreche, weil hierin hinsichtlich der Mietzeit unterschiedliche Angaben enthalten seien. Das Landgericht habe aber außer Acht gelassen, dass bereits der Mietgegenstand nicht hinreichend bezeichnet sei, weil hierin „……straße 196“ angegeben sei, sich das Mietobjekt aber in der „……straße …“ befinde.
Das Landgericht habe den weiteren Vortrag der Klägerin fehlerhaft interpretiert. Die Klägerin habe im Schriftsatz vom 03.12.2014 vorgetragen, dass die als Anlage K 2 vorgelegten Seiten 1 und 2 des Mietvertrages, welche auf eine mündliche Vereinbarung vom 02. Oktober 2012 zurückgehen, allein in der Mieterakte auf den Mietvertrag aufgeheftet gewesen seien. Ein neues Exemplar der geänderten Fassung des Mietvertrages befinde sich nicht in der Akte. Es sei nicht vorgetragen worden, dass zwischen den beiden am 02.10.2012 geänderten ersten Seiten des Mietvertrages und dem Ursprungsmietvertrag vom 01.10.2012 eine feste Verbindung hergestellt worden sei. Eine Einheitlichkeit der Urkunde, sei nicht hergestellt worden.
Im Übrigen habe die Hausverwaltung die Beklagten mit Schreiben vom 08. Oktober 2012 ausdrücklich darum gebeten, das geänderte Exemplar des Mietvertrages an den bereits markierten Stellen zu unterzeichnen und an die Verwaltung zurückzusenden. Wenn die Beklagten aber dieser Aufforderung nicht nachgekommen seien, könnten sie sich auch nicht auf die Einhaltung der Schriftform berufen. Richtig dürfte hiernach sein, dass am 02. Oktober 2012 eine mündliche Änderung hinsichtlich der Laufzeit und des Mietgegenstandes vorgenommen worden sei, aber die Schriftform nicht gewahrt sei.
Auf den weiteren Kündigungsgrund komme es danach nicht mehr an.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 26.11.2015 (Anlagen K 12 und K 13) eine weitere Kündigung wegen wiederholt unpünktlicher Mietzahlung trotz Abmahnung erklärt. Wegen der Begründung wird insoweit auf die Schriftsatz der Klägerin vom 09. Dezember 2015 (Bl. 83 ff.) verwiesen.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 17. Juni 2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin – GZ: 29 O 384/13 – die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Gewerberäumlichkeiten (Einheit 2) auf dem Grundstück ……straße ……, …… Berlin, Vorderhaus, EG links, mit einer Größe von 60,20 m² bestehend aus einem Ladenlokal, einem Flur, einer Küche sowie einem WC zu beräumen und an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten treten dem landgerichtlichen Urteil ausdrücklich bei. Dem Schriftsatz vom 09. Dezember 2015 sind sie nicht entgegen getreten.
II.
Die Berufung der Klägerin ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Gewerberäume in der ……straße …… in Berlin (§ 546 Abs. 1 BGB).
Das Mietverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung gemäß Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 16. Mai 2014 gemäß §§ 542 Abs.1, 550, 578 Abs. 1, 2, 580 a Abs. 2 BGB zum 31. Dezember 2014 beendet worden.
1. Nach § 542 Abs. 1 BGB können durch ordentliche Kündigung zwar nur Mietverhältnisse beendet werden, für die der Zeitpunkt ihrer Beendigung nicht im Vertrag bestimmt ist. Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen worden sind, gelten nach § 550 Satz 1 BGB aber für unbestimmte Zeit. Ein solcher Vertrag kann gemäß § 550 Satz 2 BGB nach Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Mietobjekts mit der hierfür in § 580 a Abs. 2 BGB vorgesehenen Frist, nämlich spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres, gekündigt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere den Mietgegenstand, den Mietzins sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt (std. Rechtsprechung des BGH: vgl. BGH Urteil vom 07.05.2008 – XII ZR 69/06, NJW 2008, 2178; BGH Urteil vom 29.04.2009 – XII ZR 142/07, NZM 2009,515 = NJW 2009,2195; BGH Urteil vom 17.06.2015 – XII ZR 98/13, NJW 2015,2648; vgl. auch Senatsurteil vom 05.07.2007 – 8 U 182/06).
a) Das Landgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass der Mietvertrag vom 01. Oktober 2012 wegen der zu „§ 2 Mietzeit“ handschriftlich vorgenommenen Eintragung („5 Jahre und 5 Jahre Option“) nicht (mehr) die Schriftform im Sinne von §§ 550,126 BGB wahrte. Denn nach der vorgenommenen Änderung ist der Vertrag im Hinblick auf die Dauer nicht mehr eindeutig, weil in § 2 Ziffer 1 a) neben der vorstehenden handschriftlichen Eintragung vorgesehen ist, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit läuft und spätestens am 3. Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres gekündigt werden kann. Ist unklar, ob ein Mietvertrag befristet oder unbefristet werden soll, weil sowohl eine bestimmte Laufzeit vereinbart worden ist, als auch in derselben Urkunde die Klausel enthalten ist, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit laufe und ordentlich gekündigt werden könne, führt dies zur Formunwirksamkeit (vgl. Bub/Treier/Heile, Landwehr, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Auflage, II, Rdnr. 2483; vgl. OLG Köln NZM 1999,1142; OLG Rostock NZM 2001,426). Ob sich ein Schriftformverstoß auch daraus ergibt, dass der Mietgegenstand nicht ausreichend bestimmt ist, weil in dem Mietvertrag die Hausnummer 196 aufgenommen ist, sich das Mietobjekt aber in der ……straße … befindet oder ob es sich insoweit nur um eine offensichtliche Falschbezeichnung handelt und vor Ort die Lage des Mietobjekts ohne Weiteres feststellbar ist, mag dahin gestellt bleiben.
b) Zwar ist das Landgericht weiter zutreffend davon ausgegangen, dass bei etwaigen Mängeln einer Vertragsurkunde eine Heilung durch eine spätere formgerechte Vereinbarung hergestellt werden kann (vgl. BGH Urteil vom 29.04.2009 – XII ZR 142/07, a.a.O., Tz. 24; BGH Urteil vom 09.04.2008 – XII ZR 89/06, a.a.O.). Dem Schriftformerfordernis ist aber – entgegen der Ansicht des Landgerichts – durch die Neuausfertigung der Seiten 1 und 2 des Mietvertrages (Anlage K 2), nicht nachträglich hinreichend Genüge getan.
(1) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass nach Abschluss des ursprünglichen Mietvertrages am 02. Oktober 2012 eine mündliche Vereinbarung zwischen der ehemaligen Vermieterin, vertreten durch die Hausverwaltung F…… C…… GmbH und den Beklagten getroffen worden ist, wonach der Mietvertrag auf bestimmte Zeit bis zum 30. September 2017 geschlossen sein sollte. Ferner haben die Beklagten – von der Klägerin unbestritten – vorgetragen, dass neben der Laufzeit bis 30. September 2017 noch eine Option von 5 Jahren vereinbart worden ist.
Zur Wahrung der Schriftform ist ausreichend, wenn ein mündlich oder konkludent abgeschlossener Mietvertrag mit den in der äußeren Form des § 126 BGB niedergelegten Vertragsbedingungen inhaltsgleich ist (vgl. BGH Urteil vom 17.06.2015 – XII ZR 98/13, a..a.O., Tz. 33 m.w.N.). Hierfür ist – entgegen der Ansicht der Klägerin – nicht stets die körperlich feste Verbindung der die Urkunde bildenden Schriftstücke erforderlich, sondern die Urkundeneinheit kann sich auch aus der fortlaufenden Paginierung, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbarer Merkmale ergeben (vgl. BGH Urteil vom 24.09.1997 – XII ZR 234/95 NJW 1989,58; Bub/Treier/Heile/ Landwehr, a.a.O., II, Rdnr. 2486 m.w.N.).
Eine solche die Schriftform des § 126 BGB wahrende einheitliche Urkunde ist aber durch die beiden geänderten Seiten 1 und 2 des Mietvertrages (als Anlage K 2 vorgelegt) nicht erstellt worden.
(2) Die Anlage K 2 enthält mehrere Änderungen des ursprünglichen Vertrages, welche von der Vermieterseite angebracht worden sind. So ist in § 1 die zutreffende Anschrift des Mietobjekts mit ……straße … angegeben. Ferner ist in § 2 Ziffer 1 b) („Verträge von bestimmter Dauer“) unter Ziffer 1 Satz 1 geregelt, dass der Mietvertrag am 30.09.2017 endet. In Satz 2 ist aufgenommen, dass der Mietvertrag sich jeweils um 5 Jahre verlängert, falls er nicht 6 Monate vor Ablauf des Mietverhältnisses gekündigt wird. Darüber hinaus enthält § 4 Ziffer 2 eine Regelung zu „Mieterhöhung/ Wertsicherungsklausel“.
Die in der Anlage K 2 vorgenommenen Änderungen sind von der Vermieterseite, offenbar durch die Mitarbeiterin der Hausverwaltung Frau …… mit dem Vermerk „geändert 02.10.2012″ versehen und nur paraphiert, was für sich genommen als Unterschrift nach § 126 BGB nicht ausreichen würde.
Mit Schreiben vom 08. Oktober 2012 (Bl. 17 a) hat die Hausverwaltung die geänderte Fassung der Seiten 1 und 2 des Mietvertrages an die Beklagten mit der Bitte um Unterzeichnung zurückgesandt. Unstreitig sind die Beklagten dem nicht nachgekommen. Durch die Heftung der beiden von den Beklagten nicht unterschriebenen Seiten 1 und 2 auf den Ursprungsmietvertrag ist eine Urkundeneinheit im Sinne von § 126 BGB nicht hergestellt worden, weil die beiden Seiten auch in der Akte der Hausverwaltung nicht durch die zunächst gefertigten Seiten 1 und 2 ausgetauscht worden sind. Demzufolge beziehen sich die Unterschriften der Beklagten (auch der äußeren Form nach) nur auf die Anlage K 1. Die Anlage K 2 stellt sich danach als die bloße einseitige schriftliche Bestätigung mündlicher Änderungen dar, welche die Form des § 550 Abs. 1 BGB nicht wahrt (vgl. BGH Urteil vom 22.01.2014 – XII ZR 68/10, BGHZ 200,98 = NJW 2014,1087, Tz. 14).
(3) Darüber hinaus entspricht die Anlage K 2 nicht der am 02. Oktober 2012 vereinbarten Vertragsänderung. So haben die Beklagten unbestritten vorgetragen, dass ihnen in der Besprechung am 02. Oktober 2012 von Vermieterseite eine Option von 5 Jahren eingeräumt worden sei. Die Vereinbarung einer Mietoption findet sich in der Anlage K 2 nicht und ist damit auch in der Gesamtschau mit der Anlage K 1, in der handschriftlich “ 5 Jahre Option“ eingefügt ist, nicht eindeutig niedergelegt.
Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass zumindest die fünfjährige Laufzeit des Vertrages vom Willen der Beklagten und damit auch von ihren auf dem Ursprungsmietvertrag geleisteten Unterschriften gedeckt sei, ist dem nicht zu folgen. Denn eine mündliche Vertragsänderung in einem wesentlichen beurkundungsbedürftigen Punkt wie es die Vereinbarung einer Option zugunsten des Mieters ist (vgl. BGH Urteil vom 24.06.1987 – VIII ZR 225/86, NJW-RR 1987,1227; Senatsurteil vom 02.05.2013 – 8 U 130/12, GE 2013,808; vgl. Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 12. Auflage, § 550 BGB, Rdnr. 12 m.w.N.), bringt die Schriftform insgesamt zu Fall (vgl. Bub/ Treier/ Heile/ Landwehr, a.a.O., II, Rdnr. 2507 ff.).
Ferner ist in § 4 Ziffer 2 der Anlage K 2 eine Wertsicherungsklausel aufgenommen. Dass in der Besprechung vom 02.Oktober 2012 auch hierüber eine Einigung erzielt worden sein soll, wird von beiden Parteien nicht vorgetragen.
2. Da das Mietverhältnis bereits durch die Kündigung vom 16.05.2014 beendet worden ist, kommt es auf die mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15.12.2014 erklärte fristlose Kündigung wegen des Vorfalls vom 06. November 2014 nicht mehr an. Soweit die Klägerin ihren Klageantrag auch auf die in der Berufungsinstanz erklärte Kündigung gemäß Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 26. November 2015 wegen unpünktlicher Mietzahlungen stützt, muss auch hierüber aus den dargelegten Gründen nicht entschieden werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 7 und 10,711 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).