LG Münster – Az.: 23 O 34/16 – Urteil vom 01.07.2016
Die Beklagte wird verurteilt, das an sie verpachtete Objekt N (ehemals Diskothek „B“) mit sämtlichen Räumlichkeiten sowie der zum Objekt gehörenden Parkplatzfläche von circa 30.000 qm an den Kläger herauszugeben nebst sämtlichen zum Objekt gehörenden Schlüsseln.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 EUR.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Herausgabe von zu einem Betrieb einer Diskothek verpachteten Räumlichkeiten und Parkplatzflächen nach fristloser Kündigung.
Die Parteien sind Kaufleute. Der Kläger betreibt gewerbsmäßig die Vermietung von Grundstücksobjekten.
Durch Pachtvertrag vom 07.08.2015 (Anlage K 1, Blatt 4 bis 9 der Akten) verpachtete der Kläger an die Beklagte die Räumlichkeiten N 1 in J (ca. 5.000 m²) mit zugehöriger Parkfläche (ca. 30.000 m²) zum Betrieb einer Diskothek zu einem Pachtzins von 29.750,00 EUR inklusive Mehrwertsteuer zuzüglich Betriebskosten in Höhe von 4.165,00 EUR inklusive Mehrwertsteuer, wobei monatlich 2.000,00 EUR von dieser Betriebskostenvorauszahlung mit der Kaution verrechnet werden sollten. Die zu leistende Kaution, welche die Beklagte auch an den Kläger geleistet hat, belief sich auf 240.000,00 EUR. Der monatlich zu zahlende Pachtzins einschließlich Betriebskostenvorauszahlung belief sich nach Abzug der genannten 2.000,00 EUR auf 31.915,00 EUR inklusive Mehrwertsteuer. Gemäß § 9 des Pachtvertrages waren der Pachtzins und die Betriebskostenvorauszahlung monatlich im Voraus bis zum 3. Werktag des Monats zu zahlen.
Gemäß § 17 Abs. 2 des Pachtvertrages schuldet die Beklagte nach Beendigung des Pachtverhältnisses eine Nutzungsentschädigung mindestens in Höhe des zuletzt geschuldeten vertraglichen Pachtzinses zuzüglich der zuletzt geschuldeten Betriebskostenvorauszahlungen, wenn sie den Mietgebrauch nach Beendigung des Pachtverhältnisses fortsetzt.
Der Kläger übergab das Pachtobjekt der Beklagten am 17.08.2015. Das Pachtverhältnis begann am 01.09.2015 zu laufen und sollte gemäß § 6 Abs. 1 des Pachtvertrages am 31.08.2015 enden.
Die Beklagte zahlte lediglich den Pachtzins für September 2015. Weitere Pachtzinsen und Betriebskostenvorauszahlungen leistete sie nicht. Sie betreibt das Objekt seit Oktober 2015 nicht mehr.
Mit Anwaltsschreiben vom 11.02.2016 (Anlage K 2, Blatt 10/11 der Akten) hat der Kläger dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten u. a. mitgeteilt, zwischenzeitlich seien fünf Mieten nicht gezahlt worden. Die Fortführung des Pachtvertrages mache keinen Sinn mehr. Er hat deshalb im Vergleichswege eine Beendigung des Pachtverhältnisses mit sofortiger Wirkung, Herausgabe der Liegenschaft und der Schlüssel bis zum 15.02.2016 und Verrechnung der offenen Pachtzinsforderungen mit der gezahlten Kaution vorgeschlagen, wobei mit der Regelung keine Rechte der Parteien gegeneinander auf Schadensersatz und Herausgabe ausgeschlossen sein sollten. Für den Fall, dass die Beklagte dem Vorschlag nicht bis zum 12.02.2015 zustimmte, hat der Kläger die fristlose Kündigung des Pachtvertrages zum 18.02.2016 erklärt.
Mit Anwaltsschreiben vom 15.02.2016 hat die Beklagte gegenüber den Klägervertretern mitgeteilt, sie bleibe dabei, dass eine Schlüsselübergabe an den Kläger nur im Rahmen einer abschließenden Vereinbarung in Betracht komme, in welcher die gegenseitigen Interessen Berücksichtigung fänden.
Daraufhin hat der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 16.02.2016 wegen des bestehenden Zahlungsverzuges der Beklagten die fristlose Kündigung des Pachtvertrages zum 18.02.2016 erklärt (Anlage K 4, Blatt 13/14 der Akten).
Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Herausgabe des verpachteten Objekts N in J mit sämtlichen Räumlichkeiten und der zum Objekt gehörenden Parkfläche.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, das an sie verpachtete Objekt N (ehemals Diskothek „B“) mit sämtlichen Räumlichkeiten sowie der zum Objekt gehörenden Parkplatzfläche von ca. 30.000 m“ an den Kläger herauszugeben nebst sämtlichen zum Objekt gehörenden Schlüssel.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, das Landgericht Münster sei örtlich unzuständig. Zuständig sei das Landgericht Bielefeld.
Weiter meint die Beklagte, die Klage sei derzeit unbegründet. Die offenen Mietzinsen berechne sie entsprechend der Erklärung in ihrem Schreiben vom 16.02.2016. Die Kaution sei noch nicht verbraucht.
Die Beklagte behauptet, sie strebe eine Teilrückzahlung der Kaution gegen Herausgabe des Pachtobjektes und Erteilung gegenseitiger Generalquittung an.
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe das Objekt bereits im November 2015 über einen professionellen Verteiler einem weiten Fachpublikum angeboten. Damit sei hier die Weiterführung des Objektes praktisch unmöglich gemacht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Münster örtlich zuständig.
Das Landgericht Münster ist gemäß § 29 a Abs. 1 ZPO örtlich ausschließlich zuständig. Denn bei dem vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich um eine Streitigkeit über einen Anspruch aus einem Pachtverhältnis über Räume. Gemäß § 29 a Abs. 1 ZPO ist in einem solchen Fall örtlich das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bereich sich die Räume befinden. Da sich die Räume in J und damit im Landgerichtsbezirk Münster befinden, ist das Landgericht Münster örtlich ausschließlich zuständig.
II.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe der Räumlichkeiten und zugehörigen Parkflächen an die Beklagte aus §§ 581 Abs. 2, 546 Abs. 1 BGB.
1. Zwischen den Parteien bestand ein Pachtvertrag.
2. Dieser Pachtvertrag ist durch die vom Kläger erklärte fristlose Kündigung beendet worden.
a) Jedenfalls mit dem Anwaltsschreiben vom 16.02.2016 hat der Kläger gegenüber der Beklagten die fristlose Kündigung des Pachtverhältnisses erklärt.
b) Zu diesem Zeitpunkt bestand auch ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung, der sich aus §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3a BGB ergibt.
Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB liegt ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung insbesondere dann vor, wenn der Pächter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist.
Am 16.02.2016 befand sich die Beklagte mit fünf aufeinanderfolgenden Monatspachtzinsen, nämlich denen für die Monate Oktober 2015 bis Februar 2016 in Verzug. Die Beklagte war verpflichtet, die jeweiligen Monatspachtzinsen bis zum 3. Werktag des jeweiligen Monats im Voraus zu zahlen (§ 9 des Pachtvertrages). Sie ist deshalb gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB jeweils mit der Zahlung des monatlichen Pachtzinses mit Ablauf des jeweils dritten Werktags des betreffenden Monats in Verzug gekommen, ohne dass es einer Mahnung bedurfte.
c) Dass der Beklagten Gegenansprüche gegen die Klägerin zugestanden hätten, mit welcher diese gegenüber den Pachtzinsansprüchen hätte aufrechnen können oder welche zu einer Herabsetzung des Pachtzinsanspruches geführt hätten, ist weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen.
aa) Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe das Objekt bereits im November 2015 über einen professionellen Verteiler gegenüber einem weiten Fachpublikum angeboten, ist nicht ersichtlich, in welcher Weise dies einen Schadensersatzanspruch auslösen sollte. Denn mit einem solchen Vorgehen hätte der Kläger lediglich seine berechtigten Interessen und Rechte wahrgenommen. Denn nach dem Ablauf des dritten Werktags des November 2015 befand sich die Beklagte bereits mit der Zahlung von zwei aufeinanderfolgenden Monatspachtzinsen (Oktober 2015 und November 2015) in Verzug, so dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt gemäß §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 a) BGB zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen wäre. Wenn er unter diesen Voraussetzungen nach einem anderweitigen Pachtinteressenten Ausschau gehalten hätte, hätte er damit lediglich seine Rechte wahrgenommen und dadurch keine Pflichten gegenüber der Beklagten aus dem Pachtvertrag verletzt.
bb) Die Beklagte konnte auch bis zum 16.02.2016 und kann auch derzeit nicht mit einem Anspruch aus ihrer Kaution gegenüber den Pachtzinsforderungen des Klägers gegen sie aufrechnen oder insoweit eine Verrechnung vornehmen.
(1) Das gilt schon deshalb, weil die Pflicht zur Rückzahlung der Kaution durch den Verpächter an den Pächter aufschiebend bedingt ist durch die Beendigung des Pachtverhältnisses, die Rückgabe der Pachtsache und den Ablauf einer angemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist, die sich an die Rückgabe der Pachtsache anschließt (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Auflg., vor § 535, RN 126). Insoweit handelt es sich um einen aufschiebend bedingten Rückgabeanspruch (§ 158 Abs. 1 BGB).
Im Streitfall war zum Zeitpunkt der Erklärung der Kündigung am 16.02.2016 keine der drei Bedingungen dafür, dass die Rückzahlung der Kaution gefordert werden kann, erfüllt.
Damit stand dem Kläger ein Zurückbehaltungsrecht an der Kaution gemäß § 273 BGB zu. Damit war der Rückzahlungsanspruch der Beklagten einredebehaftet, so dass die Beklagte deshalb gemäß § 390 BGB nicht mit dem Anspruch auf Rückzahlung der Kaution gegenüber den Pachtzinsansprüchen aufrechnen konnte.
(2) Da die Beklagte die Pachtsache bisher nicht zurückgegeben hat und zudem nach einer Rückgabe noch eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist verstrichen sein müsste, in welcher der Kläger prüfen kann, ob u.a. etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen Schäden an der Pachtsache oder aus anderen Gründen bestehen, ist die Beklagte auch jetzt noch nicht berechtigt, mit dem Anspruch auf Rückzahlung der Kaution gegenüber den Pachtzinsansprüchen des Klägers aufzurechnen oder eine Verrechnung vorzunehmen.
cc) Aus den zu I. 2.c) bb) ausgeführten Gründen, die hier entsprechend gelten, hat die Beklagte gegenüber dem Anspruch auf Herausgabe der Räumlichkeiten und des Grundstücks auch kein Zurückbehaltungsrecht wegen der von ihr geleisteten Kaution. Soweit sie sich – entsprechend der Erklärung ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung – gegenüber dem begründeten Herausgabeanspruch der Klägerin auf die „tatsächliche“ Lage beruft, um eine Teilrückzahlung ihrer Kaution zu erreichen, erscheint dies nicht unbedenklich. Es kann jedoch dahin stehen, ob dies möglicherweise strafrechtlich relevant sein könnte, weil es darauf für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt.
3) Da das Pachtverhältnis wirksam aufgrund der fristlosen Kündigung durch den Kläger beendet ist, ist die Beklagte gemäß §§ 581 Abs. 2, 546 Abs. 1 BGB zur Rückgabe der Pachtsache verpflichtet.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1 ZPO.