Übersicht
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Lübeck
- Datum: 17.10.2024
- Aktenzeichen: 5 O 125/23
- Verfahrensart: Zivilverfahren
- Rechtsbereiche: Vertragsrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Ein Energieversorgungsunternehmen, das die Zahlung einer Stromrechnung von 17.948,11 € sowie Inkassokosten von 924,80 € vom Beklagten fordert. Die Klägerin argumentiert, dass ein Vertrag zur Belieferung mit Strom durch die tatsächliche Entnahme von Strom zustande gekommen sei und dass der Beklagte aufgrund seiner Rolle als Mieter für die Verbrauchsstelle zahlen müsse.
- Beklagter: Eine Einzelperson, die behauptet, keinen Vertrag mit der Klägerin geschlossen zu haben. Der Beklagte gibt an, die Stromzahlungen an den Vermieter geleistet zu haben und dass nach dem Auszug aus der Wohnung im Juni 2018 kein Stromverbrauch in der Höhe von 55.242 kWh (wie von der Klägerin behauptet) mehr stattgefunden habe.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin fordert die Bezahlung einer Stromrechnung für den Zeitraum, in dem der Beklagte eine Wohnung in einem Gewerbegebiet gemietet hatte. Es besteht Uneinigkeit über den tatsächlichen Stromverbrauch und den Vertragsabschluss bezüglich der Stromversorgung.
- Kern des Rechtsstreits: War der Beklagte zur Zahlung der von der Klägerin gestellten Stromrechnung verpflichtet, obwohl er bestreitet, einen Vertrag mit der Klägerin geschlossen zu haben und den Stromverbrauch in Frage stellt?
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen.
- Begründung: Die Klägerin konnte weder das Zustandekommen eines Vertrages noch den tatsächlichen Stromverbrauch des Beklagten nachweisen. Der Beklagte bestreitet plausibel mit Nichtwissen und die Klägerin hat es versäumt, den notwendigen Kostenvorschuss für die Beweiserhebung zu leisten, weshalb die Beweisaufnahme nicht stattgefunden hat.
- Folgen: Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Es gibt keine weiteren Möglichkeiten zur Beweisführung, da die Klage bereits zurückgenommen wurde und das Urteil vorläufig vollstreckbar ist.
Vertragsprüfung im Energiemarkt: Beweislast und Verbraucherschutz im Fokus
Ein Stromlieferungsvertrag regelt die energiewirtschaftlichen Beziehungen zwischen einem Anbieter und einem Kunden. Dabei sind die Vertragsbedingungen von zentraler Bedeutung, da sie Rechte und Pflichten beider Parteien festlegen. Insbesondere das Zustandekommen eines solchen Vertrags und die damit verbundene rechtliche Rahmenbedingungen sind entscheidend, um Klarheit über Lieferverpflichtungen und Kündigungsfristen zu schaffen.
Ein wichtiger Aspekt in der Vertragsprüfung ist die Beweislast, die im Streitfall darüber entscheidet, wer die Nachweisführung für das Zustandekommen des Vertrages übernehmen muss. Gerade im Kontext der Energiewende und der zunehmenden Anbieterwechsel wird die Transparenz der Kosten und Preise sowie die Einhaltung des Verbraucherschutzes immer relevanter. Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall beleuchtet, der diese Themen anschaulich veranschaulicht und analysiert.
Der Fall vor Gericht
Stromrechnung über 17.948 Euro nach Nutzung von Gewerbeimmobilie als Unterkunft
Ein Energieversorgungsunternehmen scheiterte vor dem Landgericht Lübeck mit der Forderung von knapp 18.000 Euro für Stromkosten. Der Fall dreht sich um die Nutzung einer Gewerbeimmobilie als Unterkunft für Mitarbeiter, die sich später als unzulässig herausstellte.
Unklare Zuordnung des Stromverbrauchs in Gewerbegebäude
Der Beklagte hatte im Mai 2016 Räumlichkeiten in einem Gebäude angemietet, in dem sich neben der streitgegenständlichen Einheit noch drei weitere Gewerbeeinheiten befanden – ein Metallschweißer, ein Reifenverkauf und eine Werkstatt. Die angemieteten Räume nutzte er nicht selbst, sondern zur Unterbringung von vier bis fünf Mitarbeitern. Später stellte sich heraus, dass sich die Räumlichkeiten in einem reinen Gewerbegebiet befanden und eine Wohnnutzung nicht zulässig war. Das Mietverhältnis wurde daraufhin beendet.
Strittige Stromabrechnung für Sommermonat
Das Energieversorgungsunternehmen stellte dem Beklagten im Februar 2019 eine Schlussrechnung über 17.948,11 Euro für einen Stromverbrauch von 55.242 kWh im Zeitraum vom 15. Juni bis 18. Oktober 2018. Der Beklagte bestritt sowohl den Vertragsschluss als auch den hohen Verbrauch. Nach seinen Angaben erfolgte die Räumung bereits Ende Juni 2018, zudem habe er die Stromkosten monatlich in bar an den Vermieter gezahlt.
Beweislast für Stromverbrauch nicht erfüllt
Das Landgericht Lübeck wies die Klage ab, da das Energieversorgungsunternehmen den tatsächlichen Stromverbrauch des Beklagten nicht nachweisen konnte. Die Richter ließen dabei offen, ob überhaupt ein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen war. Entscheidend war, dass die Anfangs- und Endzählerstände nicht zweifelsfrei belegt werden konnten. Das Gericht hatte eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Vermieters angeordnet und von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht. Da das klagende Unternehmen diesen Vorschuss trotz mehrfacher Aufforderung nicht einzahlte, konnte keine Beweisaufnahme erfolgen.
Das Gericht betonte, dass der Beklagte die vom Vermieter mitgeteilten Zählerstände legitimerweise mit Nichtwissen bestreiten konnte. Er hatte während der Mietzeit keine Stromzähler in dem Gebäude kontrolliert. Das vorgelegte Übergabeprotokoll hatte er nach eigenen Angaben mangels ausreichender Sprachkenntnisse unterschrieben, ohne es vollständig zu verstehen. Da die Anfangs- und Endzählerstände für die Bestimmung des Stromverbrauchs unerlässlich sind und diese nicht nachgewiesen werden konnten, musste die Klage abgewiesen werden.
Die Schlüsselerkenntnisse
Ein Energieversorger muss für eine Stromrechnung über 17.948 Euro sowohl den korrekten Zählerstand zu Beginn als auch am Ende des Abrechnungszeitraums zweifelsfrei nachweisen können. Die bloße Mitteilung der Zählerstände durch den Vermieter reicht dafür nicht aus. Wenn ein Mieter die Zählerstände nicht selbst kontrolliert hat und das Übergabeprotokoll aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht verstanden hat, kann er diese mit Nichtwissen bestreiten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie eine hohe Stromrechnung erhalten, müssen Sie diese nicht einfach bezahlen, nur weil der Vermieter die Zählerstände an den Energieversorger übermittelt hat. Sie haben das Recht, die Richtigkeit der Zählerstände anzuzweifeln, wenn Sie diese nicht selbst überprüft haben. Besonders wichtig ist es, bei Ein- und Auszug die Zählerstände selbst zu dokumentieren, idealerweise mit Fotos. Haben Sie ein Übergabeprotokoll aufgrund von Sprachbarrieren nicht vollständig verstanden, können Sie dies später als Argument nutzen, um die darin festgehaltenen Zählerstände anzuzweifeln.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer muss bei Stromrechnungen was beweisen?
Bei außergewöhnlich hohen Stromrechnungen liegt die Beweislast grundsätzlich beim Energieversorger. Steigt der Stromverbrauch ohne ersichtlichen Grund erheblich an, muss der Versorger nachweisen, dass der Kunde tatsächlich diese Strommenge verbraucht hat.
Voraussetzungen für die Beweislastumkehr
Die Beweislast kehrt sich um, wenn eine ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht. Dies ist insbesondere der Fall bei:
- Einem drastischen Anstieg des Verbrauchs gegenüber Vorjahreswerten
- Unplausiblen Abweichungen vom üblichen Verbrauchsverhalten
- Verbrauchswerten, die deutlich über dem Durchschnitt vergleichbarer Haushalte liegen
Rechte der Verbraucher
Wenn Sie eine ungewöhnlich hohe Stromrechnung erhalten, können Sie von einem vorläufigen Zahlungsverweigerungsrecht nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV Gebrauch machen. Der Energieversorger muss dann:
- Den tatsächlichen Verbrauch der in Rechnung gestellten Energiemenge nachweisen
- Technische Fehler im eigenen Bereich ausschließen
- Die Plausibilität der Messwerte belegen
Praktische Bedeutung
Ein Beispiel verdeutlicht die Rechtslage: Bei einer vierköpfigen Familie stieg der monatliche Verbrauch von 135 kWh auf 1.000 kWh. Das Gericht entschied, dass der Versorger die Korrektheit dieser Abrechnung beweisen muss. Da dies nicht gelang, musste die Familie statt der geforderten 3.000 Euro nur 350 Euro zahlen.
In einem anderen Fall verlangte ein Versorger von einem älteren Ehepaar 9.000 Euro für einen zehnfach erhöhten Verbrauch. Der BGH bestätigte, dass der Versorger in solchen Fällen die Richtigkeit seiner Forderung beweisen muss.
Welche Beweismittel sind bei Stromrechnungen zulässig?
Bei Streitigkeiten über Stromrechnungen werden verschiedene Beweismittel von den Gerichten anerkannt. Die Beweislast für die Richtigkeit der Rechnung liegt grundsätzlich beim Energieversorger.
Dokumentation der Zählerstände
Fotos vom Stromzähler mit Datum sind ein wichtiges Beweismittel für den tatsächlichen Verbrauch. Wenn Sie regelmäßig Ihre Zählerstände dokumentieren, können Sie diese bei Unstimmigkeiten als Nachweis verwenden.
Technische Überprüfungen
Der Energieversorger kann die Richtigkeit des Zählers durch ein Gutachten nachweisen lassen. Bei Zweifeln an der Messgenauigkeit haben Sie das Recht, eine Zählerbefundprüfung nach § 8 Abs. 2 StromGVV zu beantragen.
Verbrauchsnachweise
Bei ungewöhnlich hohem Stromverbrauch müssen Sie nachweisen können, dass die berechnete Strommenge nicht verbraucht wurde. Hierfür sind folgende Nachweise relevant:
- Dokumentierte Verbrauchshistorie der vergangenen Abrechnungsperioden
- Auflistung der vorhandenen Stromabnehmer im Haushalt
- Nachweis des normalen Lebenszuschnitts und typischen Verbrauchsverhaltens
Rechtliche Einwendungen
Bei offensichtlichen Fehlern in der Stromrechnung können Sie sich auf § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV berufen. Die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers muss dabei durch konkrete Tatsachen belegt werden, wie etwa eine extreme Abweichung vom üblichen Verbrauch.
Schätzungen
Schätzungen des Verbrauchs sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, etwa wenn der Zähler nicht zugänglich war und mindestens zwei Ableseversuche erfolglos blieben. Bei unzulässigen Schätzungen können Sie eigene Aufzeichnungen und Fotos als Gegenbeweis vorlegen.
Was gilt bei fehlenden oder unklaren Zählerständen?
Bei fehlenden oder unklaren Zählerständen gelten strenge rechtliche Vorgaben für die Verbrauchsermittlung. Eine Schätzung des Zählerstands ist nur zulässig, wenn der Ableser keinen Zutritt zum Zähler erhält oder keine Selbstablesung erfolgt.
Rechtmäßige Schätzung
Der Energieversorger darf den Verbrauch nur dann schätzen, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
- Sie wurden zuvor zur Übermittlung des Zählerstands aufgefordert
- Sie haben einem Ableser den Zugang zum Zähler verwehrt
Bei einer zulässigen Schätzung muss sich der Versorger am letzten regulär ermittelten Verbrauch orientieren. Liegen keine Vergangenheitsdaten vor, erfolgt die Schätzung anhand von Erfahrungswerten vergleichbarer Wohnungen.
Dokumentation und Beweislast
Wenn Sie selbst den Zählerstand ablesen, sollten Sie diesen sorgfältig dokumentieren, idealerweise mit einem Foto und Datum. Diese Dokumentation ist wichtig, denn bei Streitigkeiten akzeptieren Gerichte in der Regel die Schätzungen des Netzbetreibers, sofern der Verbraucher keinen anderen Zählerstand nachweisen kann.
Vorgehen bei fehlerhaften Zählerständen
Stellen Sie einen offensichtlich falschen Zählerstand fest, haben Sie folgende Möglichkeiten:
Der erste Schritt ist ein schriftlicher Widerspruch gegen die fehlerhafte Abrechnung. Dabei müssen Sie den Fehler präzise beschreiben, damit der Versorger diesen nachvollziehen kann.
Bei einem mehr als doppelt so hohen Verbrauch im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ohne erkennbare Gründe steht Ihnen ein gesetzliches Recht zur Zahlungsverweigerung zu. In diesem Fall können Sie eine Befundprüfung des Zählers beantragen.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei offensichtlich unplausiblen Verbrauchsmengen die Beweislast beim Energieversorger liegt. Dies bedeutet, dass nicht Sie als Verbraucher beweisen müssen, dass der Verbrauch nicht angefallen ist, sondern der Versorger den erhöhten Verbrauch nachweisen muss.
Welche Rechte habe ich bei überhöhten Stromrechnungen?
Bei überhöhten Stromrechnungen steht Ihnen ein gesetzlich verankertes Widerspruchsrecht zu. Sie müssen offensichtlich unrichtige Rechnungen nicht bezahlen.
Prüfung der Rechnung
Zunächst sollten Sie die Stromrechnung auf folgende Punkte kontrollieren:
- Korrekte Zählerstände und Kundendaten
- Richtige Berechnungen der Verbrauchswerte
- Vereinbarte Strompreise
- Abrechnungszeiträume
Widerspruchsrecht bei offensichtlichen Fehlern
Ein Zahlungsaufschub oder eine Zahlungsverweigerung ist in folgenden Fällen möglich:
Der Verbrauch ist ohne erkennbaren Grund mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum und Sie haben eine Zählerprüfung beantragt. Bei unangekündigten Preiserhöhungen während des Abrechnungszeitraums können Sie ebenfalls Widerspruch einlegen.
Korrektes Vorgehen
Bei Unstimmigkeiten sollten Sie einen schriftlichen Widerspruch per Einschreiben an den Stromversorger senden. Beschreiben Sie darin den Fehler möglichst präzise. Eine Versorgungsunterbrechung müssen Sie bei einem berechtigten Widerspruch nicht befürchten, solange der unstrittige Anteil bezahlt wird.
Schlichtungsmöglichkeiten
Reagiert der Stromanbieter nicht auf Ihre Reklamation, können Sie sich an die Schlichtungsstelle Energie wenden. Das Verfahren ist für Verbraucher kostenfrei. Bei einer sich abzeichnenden längeren Auseinandersetzung empfiehlt es sich, die Rechnung unter Vorbehalt zu zahlen.
Sie können sich auch an den Bund der Energieverbraucher wenden, der bei gehäuften Beschwerden eine Prüfung des Energieversorgers veranlasst.
Wann kommt ein Stromliefervertrag rechtlich zustande?
Ein Stromliefervertrag kann auf zwei verschiedenen Wegen rechtlich wirksam entstehen:
Ausdrücklicher Vertragsschluss
Seit dem 27. Juli 2021 müssen Stromlieferverträge mit Haushaltskunden zwingend in Textform geschlossen werden. Dies bedeutet, der Vertrag muss per Brief, E-Mail, Fax oder SMS abgeschlossen werden. Ein rein telefonischer oder mündlicher Vertragsschluss ist nicht mehr möglich.
Konkludenter Vertragsschluss
Wenn Sie Strom aus dem Netz entnehmen, kommt ein Vertrag auch ohne ausdrückliche Erklärung zustande. Das Bereitstellen von Strom durch den Versorger gilt als Realofferte, also als Vertragsangebot. Durch die tatsächliche Stromentnahme nehmen Sie dieses Angebot automatisch an.
Besondere Fallkonstellationen
Der konkludente Vertragsschluss gilt jedoch nicht in allen Fällen. Ein Vertrag kommt nicht zustande, wenn:
- Sie bereits einen Vertrag mit einem anderen Stromversorger haben
- Sie nicht wissen, dass Ihr bisheriger Versorger Sie nicht mehr beliefert
Grundversorgung
Ein Grundversorgungsvertrag entsteht automatisch, wenn:
- Sie Ihren bisherigen Stromliefervertrag kündigen und weiter Strom verbrauchen
- Ihr Energielieferant den Vertrag wirksam kündigt
- Sie den bestehenden Vertrag auslaufen lassen
Die Bereitstellung des Stromanschlusses verpflichtet Sie zur Zahlung des bezogenen Stroms nach den geltenden Tarifen. Der Versorger muss im Gegenzug eine kontinuierliche Stromversorgung gewährleisten.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Beweislast
Die rechtliche Verpflichtung einer Partei in einem Gerichtsprozess, bestimmte Tatsachen zu beweisen. Nach § 286 ZPO muss derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die dafür erforderlichen Tatsachen beweisen. Kann er dies nicht, verliert er den Prozess. Im Beispielfall musste der Energieversorger den tatsächlichen Stromverbrauch nachweisen, was nicht gelang.
Kostenvorschuss
Eine vom Gericht angeordnete Vorauszahlung für Prozesskosten, die gemäß § 379 ZPO vor Durchführung bestimmter Prozesshandlungen zu leisten ist. Der Vorschuss dient zur Deckung von Auslagen, beispielsweise für Zeugenvernehmungen. Die Nichteinzahlung kann wie im vorliegenden Fall dazu führen, dass wichtige Beweise nicht erhoben werden können.
Bestreiten mit Nichtwissen
Eine prozessuale Verteidigungsmöglichkeit nach § 138 Abs. 4 ZPO, bei der eine Partei erklärt, dass sie die vom Gegner behaupteten Tatsachen nicht kennt und auch nicht kennen muss. Im Fall konnte der Beklagte die Zählerstände mit Nichtwissen bestreiten, da er keinen Zugang zu den Zählern hatte und diese nicht kontrollierte.
Stromlieferungsvertrag
Ein Vertrag zwischen Energieversorger und Kunde über die Lieferung elektrischer Energie, der nach §§ 433, 611 BGB geschlossen wird. Er regelt wesentliche Punkte wie Liefermenge, Preis und Laufzeit. Besonderheiten ergeben sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Die Existenz eines solchen Vertrags ist Voraussetzung für Zahlungsansprüche des Versorgers.
Schlussrechnung
Die abschließende Abrechnung eines Energieversorgers nach § 40 EnWG, die den gesamten Abrechnungszeitraum umfasst und alle Verbräuche sowie Abschlagszahlungen berücksichtigt. Sie muss transparent und nachvollziehbar sein. Im Fall war die Schlussrechnung mangels nachgewiesener Zählerstände nicht durchsetzbar.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 535 BGB (Mietvertrag): Dieser Paragraph regelt die Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern in Deutschland. Im Rahmen eines Mietvertrags ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache zu gewähren, während der Mieter im Gegenzug die vereinbarte Miete zu zahlen hat. Im vorliegenden Fall ist die Frage, ob der Beklagte als Mieter auch für die damit verbundenen Nebenkosten, wie die Stromrechnung, verantwortlich ist, zentral.
- § 1 Abs. 1 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz): Das Energiewirtschaftsgesetz regelt den Markt für Elektrizität und Gas in Deutschland, einschließlich der Grundversorgung von Haushaltskunden. Es besagt, dass der Betreiber eines Stromnetzes verpflichtet ist, Letztverbraucher mit Strom zu versorgen, was im vorliegenden Fall zur Frage führt, ob der Beklagte durch seine Nutzung der Mieträume als Verbraucher gilt und somit möglicherweise einen Vertrag mit dem Energieversorger geschlossen hat.
- § 812 BGB (Ungerechtfertigte Bereicherung): Dieser Paragraph behandelt die Rückforderung von Leistungen, die ohne rechtlichen Grund erbracht wurden. Der Beklagte könnte argumentieren, dass er nach Beendigung des Mietverhältnisses keinen rechtlichen Grund hatte, wodurch die Forderung der Klägerin auf Zahlung der Stromrechnung unrechtmäßig wird. Dies könnte sich auf die Entscheidung des Gerichts auswirken, ob die Klägerin das Recht hat, den Betrag einzufordern.
- § 242 BGB (Treu und Glauben): Dieser Paragraph beschreibt das Prinzip von Treu und Glauben im deutschen Zivilrecht und fordert von den Vertragsparteien, ihre vertraglichen Pflichten entsprechend den anerkannten Gebräuchen und der sozialen Verantwortung zu erfüllen. Im konkreten Fall könnte der Beklagte auf diesen Paragraphen verweisen, um argumentieren, dass die Forderung der Klägerin angesichts der Umstände (Nutzung des Gewerbegebiets ohne Genehmigung usw.) unangemessen ist.
- § 286 BGB (Zahlungsverzug): Diese Bestimmung regelt den Eintritt des Zahlungsverzugs und die damit verbundenen Folgen. Das Gericht muss bewerten, ob der Beklagte tatsächlich im Zahlungsverzug ist, insbesondere im Hinblick auf sein Argument, dass er keinen Vertrag mit der Klägerin eingegangen ist und die Zahlungen an den Vermieter geleistet hat. Der Nachweis über den Zahlungsverzug könnte entscheidend für die durchsetzbaren Forderungen der Klägerin sein.
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Das vorliegende Urteil
LG Lübeck – Az.: 5 O 125/23 – Urteil vom 17.10.2024
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