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Verkehrsunfall mit Fußgänger – Begrenzung der Geldrente

Grundsatzurteil: Lebenslange Geldrenten für Verkehrsunfall-Opfer

In einem Fall vor dem OLG Frankfurt ging es um die angemessene Begrenzung einer Geldrente nach einem Verkehrsunfall, bei dem ein Fußgänger schwer verletzt wurde. Das Gericht entschied, dass eine Begrenzung der Geldrente auf das 75. Lebensjahr des Klägers nicht angemessen ist und passte das Urteil des Landgerichts Wiesbaden entsprechend an, wobei die Beklagten zu verschiedenen Zahlungen verurteilt und teilweise Haftungsquoten festgelegt wurden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 26 U 61/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Begrenzung der Geldrente auf das 75. Lebensjahr ist nach einem Urteil des OLG Frankfurt (Az.: 26 U 61/22) nicht angemessen.
  • Das Gericht hat das vorherige Urteil des Landgerichts Wiesbaden abgeändert und die Beklagten zu Schadensersatz, Schmerzensgeld und einer monatlichen Haushaltsführungsrente verurteilt.
  • Die Verletzungen des Klägers umfassen u.a. ein Schädelhirntrauma und mehrere Frakturen, die zu dauerhaften Beeinträchtigungen geführt haben.
  • Der Beklagte Fahrzeugführer konnte sich nicht von der Vermutung eines Verschuldens entlasten, da er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte.
  • Das Gericht hat eine Mitverschuldensquote von 80 % zu Lasten des Klägers und 20 % zu Lasten der Beklagten festgelegt.
  • Die Schadensersatzansprüche umfassen neben der Rente für Haushaltsführungsschaden auch Schmerzensgeld, Verdienstausfall und weitere Positionen.
  • Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Geldrenten nach einem Verkehrsunfall

Nach einem schweren Verkehrsunfall kann die Zahlung einer Geldrente für den Geschädigten von großer Bedeutung sein. Häufig sind die Folgen eines solchen Unfalls langwierig und führen zu dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen. In diesen Fällen soll die Geldrente den Ausgleich für den erlittenen Nachteil schaffen.

Eine zentrale Frage ist, ob und wie eine solche Rente zeitlich begrenzt werden kann. Denn oft lassen sich die Folgen eines Unfalls nicht exakt abschätzen. Hier streiten Geschädigte und Schädiger häufig darüber, welcher Zeitraum für die Rentenzahlung angemessen ist. Entscheidend sind stets die konkreten Umstände im Einzelfall.

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➜ Der Fall im Detail


Verkehrsunfall mit Fußgänger führt zu Grundsatzurteil über Geldrenten

Im August 2012 ereignete sich ein schwerer Verkehrsunfall, bei dem ein Fußgänger von einem Pkw erfasst und dabei erheblich verletzt wurde. Der Kläger, der Fußgänger, erlitt unter anderem ein Schädelhirntrauma, mehrere Frakturen sowie eine Halswirbelfraktur. Nach dem Unfall folgten ein längerer Krankenhausaufenthalt und eine Rehabilitationsphase. Der Beklagte, der Fahrzeugführer, wurde beschuldigt, die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten zu haben. Der Unfall löste eine rechtliche Auseinandersetzung aus, in der es vorrangig um Schadensersatzansprüche und die Höhe des Schmerzensgeldes ging.

Die Entscheidung des Gerichts: Ein detaillierter Blick

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main fällte ein Urteil, das sich insbesondere mit der Frage der Angemessenheit einer Begrenzung der Geldrente für den geschädigten Fußgänger auseinandersetzte. Das Gericht entschied, dass eine Begrenzung der Geldrente im Sinne des § 843 BGB auf das 75. Lebensjahr des Klägers nicht angemessen sei. Damit setzte sich das Gericht mit der dauerhaften finanziellen Absicherung des Opfers auseinander und betonte die Notwendigkeit einer lebenslangen Unterstützung bei schweren und langwierigen Unfallfolgen.

Die rechtliche Begründung und ihre Bedeutung

Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem mit dem erheblichen Umfang der erlittenen Verletzungen und den langfristigen Folgen, die eine dauerhafte Beeinträchtigung des Klägers nach sich zogen. Es wurde festgestellt, dass der Beklagte zu 2 die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte und ihm somit ein Mitverschulden am Unfall zukam. Jedoch trug auch der Kläger eine Mitschuld, da er unachtsam die Straße betreten hatte. Daraus resultierte eine Haftungsquote, die das Gericht zu Lasten des Klägers festlegte.

Konsequenzen für die Zukunft

Die Entscheidung des OLG Frankfurt hat weitreichende Konsequenzen für ähnliche Fälle. Sie unterstreicht die Notwendigkeit, bei der Festsetzung von Geldrenten nach Verkehrsunfällen individuell auf die Lebensumstände und die Langzeitfolgen für die Geschädigten einzugehen. Die Ablehnung einer starren Altersgrenze für die Auszahlung von Renten betont den Grundsatz der individuellen Schadensregulierung und könnte somit Einfluss auf zukünftige Gerichtsentscheidungen haben.

Die Rolle der Versicherungen und die praktischen Auswirkungen

Die Entscheidung wirft auch ein Schlaglicht auf die Rolle der Versicherungen bei der Regulierung von Unfallschäden. Es wird deutlich, dass Versicherungsgesellschaften gefordert sind, ihre Policen und die Praxis der Schadensregulierung an die Rechtsprechung anzupassen. Für Unfallopfer bedeutet das Urteil eine Stärkung ihrer Rechte und die Aussicht auf eine gerechtere und angemessenere Entschädigung für erlittene Unfallschäden.

Zusammenfassung

Das Urteil des OLG Frankfurt markiert einen wichtigen Punkt in der Rechtsprechung zu Verkehrsunfällen und der damit verbundenen Schadensregulierung. Es stellt die Bedürfnisse und die langfristige Absicherung der Unfallopfer in den Vordergrund und fordert eine flexible und individuelle Betrachtung jedes Einzelfalls. Diese Entscheidung könnte somit richtungsweisend für die Behandlung ähnlicher Fälle in der Zukunft sein.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Rechte haben Fußgänger bei einem Verkehrsunfall?

Fußgänger haben bei einem Verkehrsunfall grundsätzlich Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, wenn sie unverschuldet in den Unfall verwickelt wurden. Dabei genießen sie als schwächere Verkehrsteilnehmer besonderen Schutz:

  • Der Kfz-Halter haftet verschuldensunabhängig allein aufgrund der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs (§ 7 StVG). Nur bei höherer Gewalt oder alleinigem Verschulden des Fußgängers entfällt diese Haftung ganz.
  • Autofahrer müssen gegenüber Fußgängern erhöhte Sorgfalt walten lassen und besonders rücksichtsvoll fahren. Vor allem gegenüber Kindern, älteren und behinderten Menschen besteht eine gesteigerte Rücksichtnahmepflicht.
  • Verstößt der Fußgänger gegen seine Sorgfaltspflichten aus § 25 StVO, z.B. durch plötzliches Betreten der Fahrbahn ohne auf den Verkehr zu achten, kann ihm ein Mitverschulden angelastet werden. Dies führt zu einer Haftungsverteilung zwischen Kfz-Halter und Fußgänger.
  • Bei grober Fahrlässigkeit des Fußgängers, etwa durch Überqueren der Straße bei Rot oder Dunkelheit ohne auf Verkehr zu achten, kann dessen Verschulden sogar so schwer wiegen, dass die Betriebsgefahr des Kfz ganz zurücktritt und der Fußgänger allein haftet.
  • Verletzte Fußgänger haben Anspruch auf Schmerzensgeld und Ersatz ihrer materiellen Schäden wie Verdienstausfall, Heilbehandlungskosten etc. Die Höhe richtet sich nach Ausmaß und Folgen der Verletzungen und einem eventuellen Mitverschulden.

Zusammengefasst genießen Fußgänger als schwächere Verkehrsteilnehmer zwar besonderen Schutz, müssen sich aber auch selbst verkehrsgerecht verhalten. Nur bei alleinigem Verschulden des Fußgängers haftet dieser selbst, ansonsten greift immer auch die Gefährdungshaftung des Kfz-Halters.

Wie wird die Höhe des Schmerzensgeldes nach einem Verkehrsunfall bestimmt?

Die Höhe des Schmerzensgeldes nach einem Verkehrsunfall hängt von verschiedenen Faktoren ab und wird für jeden Einzelfall individuell bestimmt. Es gibt keine feste Formel oder Tabelle, anhand derer sich die Summe berechnen lässt. Folgende Aspekte spielen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine wichtige Rolle:

  • Schwere und Ausmaß der erlittenen Verletzungen: Je gravierender die körperlichen Schäden sind, desto höher fällt in der Regel das Schmerzensgeld aus. Schwerste Verletzungen wie Querschnittslähmungen, Hirnschäden oder der Verlust von Gliedmaßen ziehen die höchsten Summen nach sich.
  • Dauer des Heilungsprozesses und der Arbeitsunfähigkeit: Längere Krankenhausaufenthalte, Reha-Maßnahmen und Zeiten der Arbeitsunfähigkeit erhöhen den Schmerzensgeldanspruch.
  • Dauerhafte Folgeschäden und Beeinträchtigungen: Bleiben nach dem Unfall langfristige gesundheitliche Probleme wie chronische Schmerzen, Bewegungseinschränkungen oder psychische Belastungen zurück, wird dies bei der Schmerzensgeldbemessung berücksichtigt.
  • Alter und Lebenssituation des Geschädigten: Bei jüngeren Unfallopfern oder Personen mit Unterhaltspflichten fallen die Summen tendenziell höher aus, da die Folgen der Verletzungen sie härter treffen.
  • Grad des Verschuldens beim Unfallverursacher: Grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz können zu einem höheren Schmerzensgeld führen als leichte Verstöße. Auch eine verzögerte Schadensregulierung durch die gegnerische Versicherung kann sich steigernd auswirken.
  • Schmerzensgeldtabellen als Orientierung: Gerichte orientieren sich bei der Entscheidung häufig an Urteilen in vergleichbaren Fällen, die in sogenannten Schmerzensgeldtabellen gesammelt sind. Diese geben Richtwerte vor, sind aber nicht verbindlich.

Letztlich liegt die Entscheidung über die Höhe im Ermessen des Gerichts, falls sich die Parteien nicht außergerichtlich einigen. Erfahrene Anwälte können anhand der Umstände des Einzelfalls und mithilfe der Schmerzensgeldtabellen die Größenordnung des Anspruchs abschätzen. Die tatsächlich erstrittenen Summen reichen von wenigen hundert Euro bei leichteren Verletzungen bis hin zu sechsstelligen Beträgen oder gar lebenslangen Renten in Extremfällen.

Was bedeutet die Begrenzung der Geldrente und wann kommt sie zur Anwendung?

Die Geldrente ist eine Form des Schadensersatzes, die bei schweren Unfallfolgen zum Tragen kommt. Sie soll den Verdienstausfall und erhöhte Bedürfnisse des Geschädigten ausgleichen, wenn die Verletzungen zu einer dauerhaften Erwerbsminderung oder Pflegebedürftigkeit führen. Die Rente wird dann regelmäßig, meist monatlich, an das Unfallopfer gezahlt.

Eine Begrenzung oder Befristung der Rentenzahlung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht:

  • Wenn von vornherein feststeht, dass der Geschädigte nur für einen absehbaren Zeitraum beeinträchtigt sein wird, kann ausnahmsweise eine Rente für begrenzte Dauer gerechtfertigt sein. Dies ist aber selten, da sich die Unfallfolgen meist nicht sicher vorhersagen lassen.
  • Bei geringfügigen Beeinträchtigungen oder unsicherer Prognose bevorzugen Gerichte häufig die Zahlung einer Kapitalabfindung anstelle einer Rente. Damit ist der Anspruch ein für alle Mal abgegolten.
  • Verstirbt der Geschädigte, wandelt sich der Rentenanspruch in eine Todesfallleistung an die Hinterbliebenen um. Diese ist niedriger als die ursprüngliche Rente und zeitlich begrenzt.

In der Regel wird die Geldrente jedoch unbefristet zugesprochen, da nur so eine angemessene Kompensation der Unfallfolgen sichergestellt ist. Gerade bei schweren Verletzungen mit ungewissem Heilungsverlauf dient die Rente dazu, das Existenzminimum des Opfers lebenslang abzusichern. Eine Begrenzung wäre hier nicht sachgerecht.

Die Höhe der Rente orientiert sich am konkreten Einkommensverlust und Mehraufwand, den der Geschädigte hat. Sie ist anpassungsfähig, wenn sich die Verhältnisse ändern, und wird jährlich dynamisch erhöht. Nur so bleibt die Kaufkraft der Rente erhalten.

Insgesamt ist die Geldrente ein wichtiges Instrument, um die Folgen schwerster Unfälle für die Opfer erträglich zu machen. Sie stellt keine Bereicherung dar, sondern deckt nur den unfallbedingten Mehrbedarf. Eine Begrenzung ist daher nur in begründeten Ausnahmefällen angebracht und eher die Ausnahme als die Regel.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 843 BGB – Schadensersatz in Form einer Geldrente Der § 843 BGB regelt den Schadensersatz bei Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung in Form einer Geldrente. Im Kontext des Urteils ist die Entscheidung gegen eine Begrenzung der Geldrente auf das 75. Lebensjahr des Geschädigten zentral, da sie eine lebenslange finanzielle Absicherung für schwer und dauerhaft Geschädigte nach Verkehrsunfällen betont.
  • § 7 StVG – Haftung des Fahrzeughalters Der § 7 StVG stellt die Grundlage für die Haftpflicht des Fahrzeughalters bei Verkehrsunfällen dar. Das Urteil bezieht sich auf die Haftung des Fahrzeughalters für die Schäden des Fußgängers, unterstreicht aber auch die Bedeutung der individuellen Haftungsquoten.
  • § 18 StVG – Haftung des Fahrzeugführers Der § 18 StVG regelt die Haftung des Fahrzeugführers und ergänzt § 7 StVG um die persönliche Verantwortung des Fahrers. Dies ist relevant für die Beurteilung der Schuldfrage und die Festlegung der Haftungsquote zwischen Fahrzeugführer und Geschädigtem.
  • § 254 BGB – Mitverschulden Der § 254 BGB behandelt das Mitverschulden bei Schadensfällen und ist für die Berechnung der Schadensersatzhöhe entscheidend. Die Anwendung dieses Paragraphen im Urteil spiegelt die Berücksichtigung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge zum Unfallgeschehen wider.
  • § 115 VVG – Direktanspruch gegen den Versicherer Der § 115 VVG ermöglicht Geschädigten eines Verkehrsunfalls, direkt Ansprüche gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers geltend zu machen. Dieser Aspekt ist für die Regulierung von Unfallschäden und die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wichtig.
  • § 9 StVG und § 25 StVO – Verkehrsregeln und Mitverschulden § 9 StVG und § 25 StVO sind relevant für die Bewertung des Verhaltens der Unfallbeteiligten und die Ermittlung eines möglichen Mitverschuldens, insbesondere beim Überqueren der Fahrbahn durch Fußgänger und die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzungen durch Fahrzeugführer.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 26 U 61/22 – Urteil vom 23.11.2023

Leitsatz

Eine Begrenzung der Geldrente im Sinne des § 843 BGB auf das 75. Lebensjahr ist nicht angemessen.

Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 20. Oktober 2022 teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 2.174,31 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. November 2013 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von € 6.000,- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. November 2013 zu zahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger eine monatliche Haushaltsführungsrente in Höhe von € 25,80 ab dem 1. Juni 2015 zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger 20 % der zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die auf dem Unfall vom 30. August 2012 beruhen, einschließlich solcher künftiger, wenn auch nur möglicher und nicht voraussehbarer, unfallbedingter Schäden und Verletzungsfolgen zu ersetzen, soweit nicht Ansprüche bereits auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen werden und der Kläger insoweit nicht mehr anspruchsberechtigt ist.

5. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

6. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

7. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben der Kläger zu 75 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 25 % zu tragen.

8. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil vom 20. Oktober 2022 sind vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt jeweils nachgelassen, die Zwangsvollstreckung seitens der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die entsprechende Partei vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

9. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegenüber den Beklagten Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 30. August 2012 ereignet hat.

An diesem Tag befuhr der Beklagte zu 2 gegen 18:00 Uhr mit dem Personenkraftwagen der Beklagten zu 1 mit dem amtlichen Kennzeichen …, das bei der Beklagten zu 3 versichert ist, in Stadt1 die Unterführung der Straße1 aus Richtung Straße2 kommend in Fahrtrichtung Stadt2-Stadtteil1. In diesem Bereich ist die Straße1 sechsspurig, es besteht eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h. Der Kläger betrat die Fahrbahn, wo er von dem Beklagtenfahrzeug erfasst und schwer verletzt wurde. Der Kläger erlitt insbesondere ein Schädelhirntrauma, mehrere Frakturen, u.a. des Beckenrings, eine Halswirbelfraktur und eine Fraktur des Unterschenkels sowie weitere Verletzungen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Befund der Klinik1 Stadt1 vom 17. September 2012 (BI. 20 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger wurde in der Klinik1 Stadt1 bis zum 14. September 2012 stationär behandelt. In unmittelbarem Anschluss daran fand bis zum 26. Oktober 2012 eine stationäre Reha-Behandlung in Stadt3 statt. Wegen der dortigen Befunde wird auf den Entlassungsbericht vom 29. Oktober 2012 (BI. 23 ff. d. A.) Bezug genommen. Infolge des Unfalls bestand eine hundertprozentige Arbeitsunfähigkeit bis zum 15. September 2013.

Die Polizeidirektion Stadt1 beauftragte wegen des Unfalls die Niederlassung Stadt2 der Y GmbH mit der Erstattung eines Beweissicherungsgutachtens. Wegen des Inhalts dieses Gutachtens wird auf die Ausarbeitung des A vom 12. Juli 2013 (BI. 96 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger forderte die Beklagten zur Abgabe eines Haftungsanerkenntnisses sowie zur Zahlung einer ersten Abschlagszahlung auf. Mit Schreiben vom 4. November 2013 lehnten die Beklagten jegliche Leistung ab.

Der Kläger hat behauptet, er habe vom 16. September 2013 bis zum 25. Oktober 2013 eine Wiedereingliederung in seinen Beruf als Beruf1 absolviert. Am 4. Dezember 2013 habe er sich unfallbedingt einer erneuten Operation unterziehen müssen, woraufhin er zunächst wieder arbeitsunfähig gewesen sei. In der Zeit vom 2. Juni 2014 bis 11. Juli 2014 habe sich erneut eine Wiedereingliederung angeschlossen. Der Kläger hat weiter behauptet, es seien erhebliche unfallbedingte Dauerschäden verblieben. So leide er bis heute unter anhaltendem Schwindel und hierdurch bedingt unter Gangunsicherheit mit Schwanken. Seine Konzentrationsfähigkeit sei stark eingeschränkt, außerdem leide er unter Kopfschmerzen. Belastungsabhängig schmerze das linke Bein mehr oder weniger. Sein Gedächtnis sei beeinträchtigt und insgesamt sei er aufgrund des Unfalls körperlich weniger belastbar. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit liege schon heute bei zumindest 40 %.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 9.849,62 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 5. November 2013 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 5. November 2013,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger eine monatliche Haushaltsführungsrente in Höhe von € 121,78 ab 1. Juni 2015 auf Lebenszeit zu zahlen, und

4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den gesamten bereits entstandenen und noch entstehenden materiellen und zukünftigen immateriellen Schaden aus dem Unfallgeschehen vom 30. August 2012 zu 50 % zu ersetzen, soweit die Schadensersatzansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten haben erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, der Beklagte zu 2 sei zum Unfallzeitpunkt im fließenden Verkehr mit einer Geschwindigkeit von 50 bis maximal 55 km/h gefahren. Als er das Ende der Unterführung erreicht habe, habe er den Kläger am rechten Fahrbahnrand am Ende des hohen Geländers der Unterführung noch kurzfristig wahrnehmen können. Dieser sei aus Sicht des Beklagten zu 2 durch das Unterführungsgeländer zunächst vollständig verdeckt gewesen und erst auf entsprechender Höhe des Beklagtenfahrzeugs sichtbar geworden. Zudem sei die Sicht durch Alleebäume und Grasböschungen erschwert gewesen. Noch bevor der Beklagte zu 2 überhaupt auf das Auftauchen des Klägers habe reagieren können, habe dieser unachtsam und ungeachtet des Vorrangs des fließenden Verkehrs – und ohne sich blickweise nach links abzusichern – die Fahrbahn an einer nicht für die Querung von Fußgängern vorgesehenen Stelle betreten und sei direkt vor das Beklagtenfahrzeug gelaufen, so dass der Beklagte zu 2 eine Kollision nicht mehr habe vermeiden können.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Nach Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen C vom 17. Oktober 2016 (Bl. 171 ff. d. A.) und des Ergänzungsgutachtens vom 17. März 2017 (Bl. 212 ff. d. A.), eines biomechanischen Gutachtens des Sachverständigen B vom 12. Dezember 2018 (Bl. 341 ff. d. A.) und des Ergänzungsgutachtens vom 17. Juni 2019 (Bl. 399 ff. d. A.), eines orthopädischen Gutachtens des Sachverständigen D vom 26. Oktober 2020 (Bl. 507 ff. d. A.), eines neurologischen Gutachtens des Sachverständigen E vom 19. Mai 2022 (Anlagenband) sowie des neuropsychologischen Gutachtens des F vom 25. April 2022 (Anlagenband) und Vernehmung des Zeugen G (Bl. 309 ff. d. A.) hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 1.970,71 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 5. November 2013 zu zahlen. Weiter hat es die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von € 6.000,- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. November 2013 zu zahlen. Darüber hinaus sind die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden, an den Kläger eine monatliche Haushaltsführungsrente in Höhe von € 20,64 ab dem 1. Juni 2015 zu zahlen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sei dem Grunde nach gegeben. Dieser folge gegen die Beklagte zu 1 aus § 7 StVG, §§ 249, 253 Abs. 2 BGB, gegen den Beklagten zu 2 aus § 18 StVG, §§ 249, 253 Abs. 2 BGB und gegen die Beklagte zu 3 aus den §§ 7, 18 StVG in Verbindung mit § 115 VVG.

Dem Beklagten zu 2 sei die Exkulpation für sein nach § 18 Abs. 1 StVG vermutetes Verschulden nicht gelungen, da er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht unerheblich überschritten habe. Die Kollisionsgeschwindigkeit des Fahrzeugs habe mindestens 62-65 km/h betragen.

Allerdings müsse sich der Kläger eine Mitverschuldensquote von 80 % gemäß § 9 StVG in Verbindung mit § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen, da ihn die ganz überwiegende Verantwortlichkeit für den Unfall treffe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Landgerichts fest, dass der Kläger grob fahrlässig gegen die Sorgfaltsanforderungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 StVO verstoßen habe.

Der Kläger habe gem. § 25 Abs. 3 Satz 2 StVO die Straße nur an einem ampelgeregelten Fußgängerüberweg überschreiten dürfen. Dies habe die Verkehrslage erfordert, da es sich bei der überquerten Straße um eine viel befahrene Durchgangsstraße handele, die für die Überquerung durch Fußgänger weder vorgesehen noch geeignet sei. Diese Sorgfaltspflicht habe der Kläger grob fahrlässig missachtet.

Weiter hat das Landgericht angenommen, dass der Kläger unter grob fahrlässiger Missachtung seiner Pflicht aus § 25 Abs. 3 Satz 1 StVG ohne hinreichende Beachtung des Fahrzeugverkehrs auf die Fahrbahn getreten sei. Hierfür spreche der Beweis des ersten Anscheins. Komme es zu einem Zusammenstoß eines querenden Fußgängers mit einem Kraftfahrzeug, indiziere dies ein Verschulden des Fußgängers und insbesondere eine unzureichende Beobachtung der Verkehrslage.

Allerdings hafte der Kläger nicht alleine für den Unfall. Ein Mitverschulden des Beklagten zu 2 sei mit 20 % anzusetzen. Es könne nicht festgestellt werden, dass das Verhalten des Klägers für den Unfall allein ursächlich geworden ist und nicht noch ein Fehlverhalten des Beklagten zu 2 in Betracht komme. Eine Bewertung des Mitverschuldens des Fußgängers, die jegliche Haftung des Kraftfahrers ausschließe, komme lediglich in besonderen Ausnahmefällen und nur dann in Betracht, wenn dieser keine Verkehrsverstöße begangen habe. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür treffe gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 StVO den Beklagten zu 2 als Fahrer. Insofern sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 2 die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten und damit die an einen Idealfahrer zu stellenden Anforderungen offensichtlich nicht erfüllt habe. Aus den Gutachten des Sachverständigen C folge, dass wenn der Beklagte zu 2 mit der zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h gefahren wäre, sich die Aufprallgeschwindigkeit auf 34 km/h und damit fast um die Hälfte reduziert hätte. Das Gutachten des Sachverständigen B habe bestätigt, dass bei einer um ca. 30 km/h reduzierten Aufprallgeschwindigkeit die Verletzung des Klägers mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit deutlich geringer gewesen wären.

Der Höhe nach habe der Kläger Anspruch auf Ersatz seines Haushaltsführungsschadens in Höhe von € 653,12 sowie auf Zahlung einer monatlichen Haushaltsführungsrente in Höhe von € 20,64 ab dem 1. Juni 2015. Das Landgericht hat den Haushaltsführungsaufwand des Klägers auf Grundlage seiner Angaben gem. § 287 ZPO auf 15 Stunden wöchentlich geschätzt. Für die Zeiten des stationären Aufenthalts des Klägers hat es den Haushaltsführungsaufwand (Erhaltungsaufwand) auf 0,5 Stunden wöchentlich geschätzt. Den für eine fiktive Hilfskraft anzusetzenden Stundensatz hat das Landgericht auf € 8,00 geschätzt. Die dauerhafte Minderung der Haushaltsführung hat es auf Grundlage der Angaben des Sachverständigen E auf 20 % geschätzt.

Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf das angegriffene Urteil vom 20. Oktober 2022 (Bl. 670 ff. d. A.) verwiesen.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 25. Oktober 2022 (Bl. 687 d. A.) zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem hier am 25. November 2022 eingegangenen Anwaltsschriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt (Bl. 705a d. A.). Der Vorsitzende des Senats hat die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß um einen Monat bis zum 27. Januar 2023 verlängert (Bl. 714 d. A.). Seine Berufung hat der Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 16. Januar 2023 begründet, der hier per beA am 25. Januar 2023 eingegangen ist (Bl. 717 ff. d. A.).

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Rechtsschutzziele teilweise weiter.

Zur Begründung rügt er u. a., die Beklagten treffe gem. § 254 BGB ein Mitverschulden von 50 %. Aus dem Gutachten des Sachverständigen C ergebe sich, dass von einer Kollisionsgeschwindigkeit von 62 bis 79 km/h auszugehen sei. Damit nähere sich die Geschwindigkeit des Beklagten zu 2 einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit von 60 % an, die nach Ansicht des Klägers eine Alleinhaftung zur Folge hätte. Es sei nicht gesichert, dass er unmittelbar vor dem Beklagten zu 2 auf die Straße getreten sei. Die Aussage des Zeugen G sei unergiebig. Schließlich greife der Anscheinsbeweis für das Verschulden des Klägers nicht, da die genaue Entfernung zwischen Kläger und Beklagten zu 2 im Zeitpunkt, als ersterer auf die Straße trat, nicht festgestellt werden konnte.

Zur Höhe des Schadens führt der Kläger unter anderem aus, für den (fiktiven) Haushaltsführungsschaden und den Pflegeschaden sei je ein Stundensatz von € 9,51 anzusetzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung des Klägers wird auf die Anwaltsschriftsätze vom 16. Januar 2023 (Bl. 717 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger weitere, über die erstinstanzlich ausgeurteilten Beträge hinausgehende € 3.438,32, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. November 2013 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger ein weiteres, über € 6.000,00,- hinausgehendes Schmerzensgeld, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz dem 5. November 2012 zu zahlen,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger eine weitergehende, über die bereits ausgeurteilte monatliche Haushaltsführungsrente hinausgehende, Haushaltsführungsrente ab 1. Juni 2015 in Höhe von € 102,04 zu zahlen, und

4. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger die bereits entstandenen und noch entstehenden materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden, die ihm durch den Unfall vom 30. August 2012 entstanden sind, einschließlich solcher künftiger, wenn auch nur möglicher und nicht voraussehbarer, unfallbedingter Schäden und Verletzungsfolgen zu ersetzen, soweit nicht Ansprüche bereits auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen werden und der Kläger insoweit nicht mehr anspruchsberechtigt ist.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten haben mit Anwaltsschriftsatz vom 21. März 2023 (Bl. 738 ff. d. A.), der hier noch am selben Tage per beA eingegangen ist, Anschlussberufung eingelegt und beantragen, unter Abänderung des am 20. Oktober 2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Wiesbaden, Aktenzeichen 14 O 98/19, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Hilfsweise beantragen sie, das Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Beweisaufnahme an das Landgericht Wiesbaden zurückzuverweisen.

Die Beklagten führen aus, der Unfall sei allein vom Kläger verursacht worden, weshalb ihm ein Mitverschulden von 100 % anzurechnen sei.

Zur Höhe des Schadens führen sie aus, der Haushaltsführungsschaden sei schon nicht schlüssig dargelegt; es fehle insoweit an hinreichenden Anknüpfungstatsachen für eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO. Jedenfalls sei ein geringfügiger Haushaltsführungsschaden von 20 % durch Umorganisation des Haushalts kompensierbar und daher nicht zu ersetzen. Ferner seien sowohl beim bereits erlittenen Haushaltsführungsschaden als auch bei der Haushaltsführungsrente Urlaubszeiten des Klägers, in denen er den Haushalt nicht führt, mindernd zu berücksichtigen. Schließlich sei die Zahlung der Haushaltsführungsrente auf das 75. Lebensjahr des Klägers zu begrenzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung und der Anschlussberufungsbegründung der Beklagten wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 21. März 2023 (Bl. 738 ff. d. A.)Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten der Erwiderung des Klägers auf die Anschlussberufungsbegründung der Beklagten wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 7. April 2023 (Bl. 752 ff. d. A.)Bezug genommen.

Die beigezogenen Ermittlungsakten des Staatsanwaltschaft Wiesbaden mit dem Aktenzeichen 5520 Js 36143/12 VU waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Soweit er seinen Feststellungsantrag im Vergleich zum erstinstanzlichen Verfahren teilweise anders formuliert, handelt es sich hierbei im Wesentlichen lediglich um eine Klarstellung ohne inhaltliche Änderung, die ohne Weiteres zulässig ist. Eine inhaltliche Abweichung liegt allerdings insofern vor, als keine Beschränkung auf 50 % der entstandenen Schäden mehr vorgenommen wird. Insoweit handelt es sich um eine gem. den §§ 525 Satz 1, 264 Nr. 2 Fall 1 ZPO ohne Zustimmung des Gegners zulässige, da lediglich betragsmäßige, Erweiterung des Klageantrags.

2. Die Berufung hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg.

a. Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 2 aus den §§ 7, 18 Abs. 1 StVG einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von € 6.000,00, Zahlung materiellen Schadensersatzes in Höhe von € 2.174,31 sowie einer monatlichen Haushaltsführungsrente in Höhe von € 25,80 ab dem 1. Juni 2015.

aa. Die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten zu 2 dem Grunde nach aus § 18 Abs. 1 StVG liegen vor. Insbesondere ist dem Landgericht darin zu folgen, dass dem Beklagten zu 2 der nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG obliegende Entlastungsnachweis hinsichtlich seines Verschuldens nicht gelungen ist.

§ 18 Abs. 1 StVG normiert eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast. Das unfallursächliche Verschulden des Fahrzeugführers wird hiernach widerlegbar vermutet, solange dem Fahrzeugführer nicht der Entlastungsbeweis des § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG gelingt. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn feststeht, dass den Fahrzeugführer bezüglich sämtlicher in Betracht kommender Unfallursachen kein Verschulden trifft, d. h., es geht zu seinen Lasten, wenn der Sachverhalt ungeklärt bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.1974 – VI ZR 37/73 -, juris). Haftungsmaßstab für das Verschulden des Fahrzeugführers ist insoweit § 276 BGB, wonach fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Folglich hat der Fahrzeugführer nachzuweisen, dass er sich so verhalten hat, wie dies ein ordentlicher Kraftfahrzeugführer unter den gegebenen Umständen auch getan hätte. Anzulegen ist das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil eines besonnenen und gewissenhaften Verkehrsteilnehmers zu fordern ist. Er muss nachweislich alles einem ordentlichen Durchschnittskraftfahrer Zumutbare getan haben, um den Unfall zu vermeiden (vgl. etwa OLG Hamm, Urteil vom 10.03.2000 – 9 U 128/99 -, juris).

Gemessen daran hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass dem Beklagten zu 2 der Entlastungsbeweis nicht gelungen ist. Gem. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit auch unter günstigsten Umständen innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h. Gegen diese ihn treffende Sorgfaltspflicht hat der Beklagte zu 2 schuldhaft verstoßen, indem er zum Zeitpunkt des Unfalls mindestens 62-65 km/h fuhr. Die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts beruhen auf der nicht zu beanstandenden Würdigung des Gutachtens des Sachverständigen C (S. 8, Bl. 178 d. A.).

Die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung war auch unfallursächlich. Die Frage der Kausalität ist bereits im Rahmen des Verschuldens und nicht erst auf Ebene der Haftungsabwägung relevant. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG („nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht“). Der rechtliche Ursachenzusammenhang zwischen Geschwindigkeitsüberschreitung und Unfall ist zu bejahen, wenn bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation der Unfall vermeidbar gewesen wäre. Vermeidbarkeit ist auch bei geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitungen dann anzunehmen, wenn der Unfall bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zwar nicht räumlich, wohl aber zeitlich vermeidbar gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn es dem Fahrer bei einer verkehrsordnungsgemäßen Fahrweise zwar nicht gelungen wäre, das Fahrzeug noch vor der späteren Unfallstelle zum Stehen zu bringen, wenn er den Personenkraftwagen aber so stark hätte abbremsen können, dass es dabei zumindest zu einer deutlichen Abmilderung des Unfallverlaufes und der erlittenen Verletzungen gekommen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2005 – VI ZR 228/03 -, juris).

Nach den Feststellungen des Landgerichts lagen diese Voraussetzungen einer unfallkausalen Geschwindigkeitsüberschreitung vor. Das Landgericht hat, gestützt auf das Gutachten der Sachverständigen C, rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sich bei Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h die Kollisionsgeschwindigkeit auf lediglich 34 km/h reduziert hätte. Gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen B hat das Landgericht festgestellt, dass bei einer um ca. 30 km/h reduzierten Aufprallgeschwindigkeit die Verletzung des Klägers mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit deutlich geringer gewesen wären.

Die Beklagten haben keine Gründe dargetan, die im Sinne des § 529 Abs.1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellung, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung unfallkausal war, begründen. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, folgt aus § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG, dass der Fahrzeugführer die Darlegungs- und Beweislast für die (fehlende) Unfallkausalität seines Verhaltens trägt. Kann der Geschehensablauf auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden, dann ist dieser Beweis nur erbracht, wenn nachgewiesen ist, dass den Fahrer bezüglich sämtlicher in Betracht kommender Möglichkeiten kein Verschulden trifft, d. h., es geht zu seinen Lasten, wenn der Sachverhalt ungeklärt bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.1974 – VI ZR 37/73 -, juris). Hier kam neben der Unachtsamkeit des Klägers die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 2 in Betracht. Entsprechend oblag es ihm zu beweisen, dass auch bei Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h die Verletzungen des Klägers nicht signifikant abgemildert worden wären.

Dieser Beweis ist den Beklagten nicht gelungen. Das Beweismaß für die haftungsbegründende Kausalität folgt den strengen Anforderungen des § 286 ZPO (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 27.01.2021 – 4 U 87/18 -, juris). Die Beklagten rügen, der Sachverständige habe nicht feststellen können, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung im vorliegenden Fall tatsächlich zu schwereren Verletzungen geführt habe bzw. ob er dieselben Verletzungen auch bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erlitten hätte. Dabei verkennen die Beklagten die Beweislastverteilung. Es war nicht Sache des Klägers, die von den Beklagten formulierte Beweisfrage zu beweisen, sondern es war an den Beklagten zu beweisen, dass auch bei Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h die Verletzungen des Klägers nicht signifikant abgemildert worden wären. Die infolge der Begutachtung verbleibenden Zweifel, welche Verletzungen der Kläger konkret bei Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit erlitten hätte, gehen aufgrund der Beweislastverteilung zu Lasten der Beklagten. Für die vom Landgericht getroffene Feststellung der Kausalität war aufgrund der Beweislastverteilung bereits ausreichend, dass es den Beklagten nicht gelungen ist, die fehlende Kausalität der Geschwindigkeitsüberschreitung zu beweisen. Dies hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, nachdem es die Ausführungen des Sachverständigen in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt hat.

Auch ergibt sich aus der pauschalen Rüge der Beklagten hinsichtlich der Methodik des Gutachtens nicht, dass die Beweisaufnahme des Landgerichts durch das Gutachten B unvollständig wäre. Sie zeigen nicht auf, inwiefern eine konkretere Darstellung der bei geringerer Geschwindigkeit hypothetisch eingetretenen Verletzung des Klägers überhaupt möglich gewesen wäre. Dies ist auch nicht ersichtlich. Es liegt auf der Hand, dass sich ein hypothetischer Kausalverlauf – wie der von den Beklagten zu beweisende – in der Regel nur näherungsweise durch Heranziehen statistischer Erfahrungswerte ermitteln lässt.

bb. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei eine Haftungsquote von 80 % zu 20 % zu Lasten des Klägers angenommen. Den Kläger trifft gem. § 9 StVG in Verbindung mit § 254 Abs. 1 BGB ein überwiegendes Mitverschulden wegen des grob fahrlässigen Verstoßes gegen seine Sorgfaltspflichten aus § 25 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 StVG (nachfolgend (1)). Der Beklagte zu 2 hat mit seiner Geschwindigkeitsüberschreitung einen kausalen Beitrag zur Verursachung des Unfalls geleistet (s. o.), der im Rahmen der Haftungsabwägung mit einer Quote von 20 % zu seinen Lasten zu berücksichtigen ist (2). Auch die Beklagten zu 1 und zu 3 haften mit einer Quote von 20 % (nachfolgend (3).

(1) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass den Kläger ein überwiegendes Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB an dem Unfall trifft.

Das Landgericht hat seine Erwägung zum Mitverschulden des Klägers auf zwei grob fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzungen des Klägers gestützt. Zum einen hat das Landgericht den Verstoß des Klägers gegen § 25 Abs. 3 Satz 1StVO dadurch, dass dieser die Fahrbahn an einer hierfür nicht geeigneten Stelle (vielbefahrene Durchgangsstraße) überschritten hat, in den Blick genommen. Diese Feststellung hat der Kläger mit seiner Berufung nicht gesondert angegriffen.

Zum anderen hat das Landgericht die Haftungsabwägung rechtsfehlerfrei darauf gestützt, dass der Kläger unter grob fahrlässiger Missachtung seiner Pflicht aus § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO ohne hinreichende Beachtung des Fahrzeugverkehrs auf die Fahrbahn getreten sei. Diese Feststellung stützt das Landgericht unter anderen auf den Anscheinsbeweis, dass ein Verschulden des Fußgängers und insbesondere eine unzureichende Beobachtung der Verkehrslage indiziert sei, wenn es zu einem Zusammenstoß eines querenden Fußgängers mit einem Kraftfahrzeug komme. Die Rüge des Klägers, der Anscheinsbeweis komme hier nicht zum Tragen, da die Entfernung des Fußgängers zum Kraftfahrzeug nicht festgestellt sei, verfängt nicht. Der hierzu von dem Kläger zitierten Entscheidung (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 10.05.1957 – 3 U 6/57 -, VM 1957, 125, Bl. 270 d. A.) ist zum einen der von ihm postulierte Rechtssatz nicht zu entnehmen. Zum anderen hat das Landgericht seine Feststellungen zum Verschulden des Klägers nicht allein auf den Anscheinsbeweis, sondern zusätzlich auf die Aussage des Zeugen G gestützt. Dieser hat gesehen, wie der Kläger zunächst auf dem Grünstreifen stand und unmittelbar danach auf der Straße vor dem Beklagtenfahrzeug. Dass der Zeuge – wie der Kläger in der Berufung ausführt – den dazwischenliegenden Bewegungsvorgang des Klägers nicht gesehen hat, begründet keine Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Landgerichts. Dieses hat nämlich aus den innerhalb kurzer Zeit erfolgten Beobachtungen des Zeugen rechtsfehlerfrei geschlossen, dass der Kläger sich unmittelbar nach der ersten Beobachtung durch den Zeugen auf die Fahrbahn vor das Fahrzeug des Beklagten zu 2 begeben hat.

Zu keinem anderen Ergebnis führt es, dass der Kläger in der Berufungsbegründung unter Bezugnahme auf S. 8 des Gutachtens des Sachverständigen C darauf verweist, die Kollisionsgeschwindigkeit habe „bis zu 79 km/h“ betragen. Bei der Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB ist die Abwägung aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10.10.2023 – VI ZR 287/22 -, juris, m. w. N.). Im Streitfall steht auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen C nur fest, dass der Beklagte zu 2 zum Zeitpunkt des Unfalls mindestens 62-65 km/h gefahren ist (s. S: 8 des Gutachtens vom 17. Oktober 2016, Bl. 178 d. A.). Eine höhere Geschwindigkeit des von dem Beklagten zu 2 gesteuerten Fahrzeugs ist danach zwar denkbar, aber nicht bewiesen.

Vor diesem Hintergrund erübrigen sich weitere Erwägungen dazu, welche Auswirkung eine noch höhere Geschwindigkeit des von dem Beklagten zu 2 gesteuerten Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Unfalls auf die Haftungsverteilung hätte.

Sofern der Kläger vorträgt, es sei nicht gesichert, ob das Fahrzeug des Beklagten zu 2 für den Kläger vor Betreten der Fahrbahn sichtbar war, kann dem nicht gefolgt werden. Dagegen spricht bereits, dass der Zeuge G, der hinter dem Beklagten zu 2 gefahren ist, ausgesagt hat, dass er den Kläger auf dem Grünstreifen wahrgenommen hat, bevor dieser die Fahrbahn betreten hat. Das Landgericht hat diese Aussage in nicht zu beanstandender Weise als glaubhaft gewürdigt. Wenn aber sogar der hinter dem Beklagten zu 2 fahrende Zeuge G den Kläger sehen konnte, so muss es dem Kläger in diesem Moment seinerseits möglich gewesen sein, den vor dem Zeugen G fahrenden Beklagten zu 2 wahrzunehmen.

(2) Auch die Bewertung der Verschuldensbeiträge der Parteien mit 80 % zu 20 % zu Lasten des Klägers ist nicht zu beanstanden. Die Bewertung des grob fahrlässigen Verschuldensbeitrags des Klägers mit 80 % begegnet keinen Bedenken. Den Verschuldensbeitrag durch die schuldhafte und unfallkausale Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 2 hat das Landgericht rechtsfehlerfrei mit 20 % bewertet. Hinsichtlich der Kausalität der Geschwindigkeitsüberschreitung wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

(3) Die Beklagte zu 1 trifft als Halterin dieselbe Haftungsquote wie den Beklagten zu 2 als Fahrer. Denn Fahrer und Halter desselben Kraftfahrzeugs, die dem Mitschädiger gegenüber ausgleichspflichtig sind, bilden eine sog. Haftungseinheit, die unterschiedliche Haftungsquoten zwischen beiden verbietet (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26.04.1966 – VI ZR 221/64 -, NJW 1966, 1262; Urteil vom 27.10.2010 – IV ZR 279/08 -, NJW 2011, 447, 449). An dieser Haftungseinheit nimmt der Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs – hier die Beklagte zu 3 – wegen des sich aus § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG ergebenden Schuldbeitritts teil (vgl. etwa Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke (Hrsg.), Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, § 12 StVG, Rdnr. 9).

cc. Hinsichtlich der Anspruchshöhe ist das landgerichtliche Urteil lediglich hinsichtlich des Haushaltsführungsschadens und des Pflegeschadens des Bruders zu beanstanden. Der Kläger hat Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von € 6.000,00, Schadensersatz in Höhe von insgesamt € 2.174,31 sowie auf Zahlung einer monatlichen Haushaltsführungsrente in Höhe von € 25,80 ab dem 1. Juni 2015.

(1) Ein höheres Schmerzensgeld war dem Kläger nicht zuzuerkennen, weil die Bemessung durch das Landgericht keinem Rechtsfehler unterliegt. Die von dem Kläger in der Berufung ins Feld geführten Bemessungsfaktoren hat das Landgericht sämtlich in seiner Abwägung berücksichtigt. Es hat die unfallbedingten Verletzungen des Klägers, die Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und die Dauerschäden in seine Ermessenserwägung im Einzelfall eingestellt.

(2) Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz seines Haushaltsführungsschadens in Höhe von € 816,40 sowie auf Zahlung einer monatlichen Haushaltsführungsrente in Höhe von € 25,80 ab dem 1. Juni 2015.

(a) Das angegriffene Urteil ist bezüglich des Haushaltsführungsschadens lediglich hinsichtlich des angesetzten Stundensatzes von € 8,00 zu beanstanden.

Die Würdigung des Landgerichts hinsichtlich des für den Haushaltsführungsschaden anzusetzenden Stundesatzes ist insoweit rechtsfehlerhaft, als es seiner Entscheidung ohne weitere Erläuterung und Offenlegung der Grundlagen der Schätzung einen Stundensatz von € 8,00 zugrunde gelegt hat.

Der Senat schätzt nach eigener Würdigung der Umstände des Einzelfalles gemäß den §§ 525 Satz 1, 287 Abs. 1 ZPO den Stundensatz auf € 10,00. Die Höhe des Stundensatzes hat sich grundsätzlich am Nettolohn einer vergleichbaren entgeltlich eingesetzten Hilfskraft auszurichten (vgl. etwa OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.08.2018 – 8 U 53/15 -, juris; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 843, Rdnr. 18). Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Bezug auf die Vergütung einer entsprechenden Hilfskraft in der Bundesrepublik Deutschland erhebliche regionale Unterschiede bestehen (vgl. etwa Gräfenstein/Strunk, NZV 2020, 176, 179). Auch das vom Kläger in Bezug genommen Urteil des BGH setzt insofern keine allgemein gültigen Maßstäbe, sondern hat lediglich im Einzelfall eine Anlehnung des Stundensatzes an den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) durch das OLG Oldenburg nicht beanstandet (s. BGH, Urteil vom 03.02.2009 – VI ZR 183/08 -, NJW 2009, 2060, 2061).

Vor diesem Hintergrund ist im Streitfall der insoweit anzusetzende Stundensatz für den hier relevanten Zeitraum auf € 10,00 zu schätzen (so etwa auch OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.08.2018 – 8 U 53/15 -, juris; Urteil vom 14.01.2019 – 29 U 69/17 -, juris; OLG Köln, Urteil vom 25.11.2015 – I-5 U 73/14 -, juris; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.10.2017 – 2-25 O 231/09 -).

In dieser Schätzung liegt kein Verstoß gegen den §§ 525 Satz 1, 308 Abs. 1 ZPO. Zwar hat der Kläger insoweit lediglich einen Stundensatz in Höhe von € 9,51 angesetzt. Daran ist der erkennende Einzelrichter des Senats indes nicht gebunden. Beantragt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer bestimmten Summe, die sich aus einzelnen unselbständigen Rechnungsposten zusammensetzt, dann ist das Gericht befugt, diese Rechnungsposten der Höhe nach zu verschieben und auch über den bei einzelnen Posten genannten Betrag hinauszugehen, sofern nur die beantragte Höhe insgesamt nicht überschritten wird (vgl. Musielak, in: ders./Voit (Hrsg.), ZPO, 20. Aufl. 2023, § 308, Rdnr. 5 m. w. N.). So liegt es hier, da auch mit dem durch den erkennenden Einzelrichter angesetzten Stundensatz die von dem Kläger mit seinem Berufungsantrag zu 3 begehrte Höhe der Haushaltsführungsrente deutlich unterschritten wird.

(b) Das Landgericht hat im Übrigen rechtsfehlerfrei einen ersatzfähigen Haushaltsführungsschaden im Umfang von insgesamt 2.033 Stunden unter dem Gesichtspunkt der vermehrten Bedürfnisse im Sinne des § 843 Abs. 1 Fall 2 BGB angenommen.

(aa) Das Landgericht hat den Umfang der Haushaltsführung des Klägers rechtsfehlerfrei nach § 287 ZPO auf 15 Stunden pro Woche geschätzt. Eine Orientierung an dem Tabellenwerk von Schulz-Borck/Pardey ist dabei zulässig (vgl. etwa BGH, Urteil vom 03.02.2009 – VI ZR 183/08 -, NJW 2009, 2060). Zieht das Gericht dieses Tabellenwerk – wie hier – für seine Schätzung heran, ist es ausreichend, wenn der Geschädigte als Anknüpfungstatsachen die Größe und Ausstattung des Haushaltes sowie die Anzahl und das Verhältnis zu den darin lebenden Personen angibt (vgl. OLG München, Urteil vom 26.05.2010 – 20 U 5620/09 -, NJOZ 2010, 1820, 1821). Die Angabe der im Einzelnen anfallenden Haushaltstätigkeiten ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht erforderlich, da den Tabellenwerten diesbezüglich Durchschnittswerte zugrunde liegen, auf die das Gericht sich bei seiner Schätzung zulässigerweise stützen darf. Darüber hinaus hat der Kläger hier substantiiert zu den im Einzelnen anfallenden Tätigkeiten vorgetragen (Bl. 122 d. A.). Gemessen daran hat das Landgericht den Haushaltsführungsschaden anhand der vom Kläger angegebenen Anknüpfungstatsachen (Wohnungsgröße 52 qm mit kleinem Garten; 1-Personen-Haushalt) unter Zuhilfenahme des Tabellenwerks von Schulz-Borck/Pardey rechtsfehlerfrei auf 15 Stunden pro Woche geschätzt.

(bb) Das Landgericht hat den Umfang des Haushaltsführungsschadens während des Reha-Aufenthalt des Klägers rechtsfehlerfrei auf 0,5 Stunden pro Woche geschätzt. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass in einem 1-Personen-Haushalt während eines stationären Klinik- oder Reha-Aufenthalts die Minderung der Haushaltsführung zwar 100 % beträgt, aber lediglich der sog. Erhaltungsaufwand als Haushaltsführungsschaden anzusetzen ist (vgl. Gräfenstein/Strunk, NZV 2020, 176, 180). Der Erhaltungsaufwand umfasst üblicherweise Tätigkeiten wie beispielsweise Blumen gießen, Briefkasten leeren usw. Der Kläger hat erstinstanzlich nicht konkret vorgetragen, welche Erhaltungstätigkeiten während der Abwesenheit des Klägers in seinem Haushalt angefallen sind. Er hat lediglich pauschal behauptet, dass der Erhaltungsaufwand sich auf 50 % des üblichen Haushaltsführungsaufwands belaufe (Bl. 7 u. 123 d. A.). Insofern durfte das Landgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des OLG Schleswig vom 24. April 2008 in dem Verfahren 7 U 81/06 (ZfS 2009, 259) den wöchentlichen Erhaltungsaufwand auf 0,5 Stunden schätzen.

Auch im zweitinstanzlichen Verfahren hat der Kläger nicht dargelegt, dass Hausarbeiten in einem größeren Umfang als die vom Landgericht geschätzten 0,5 Wochenstunden angefallen wären. Aus der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 03.02.2009 – VI ZR 183/08 -, NJW 2009, 2060, 2061) folgt keineswegs, dass der Erhaltungsaufwand „zumindest mit 15 %“ anzusetzen wäre. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung gerade ausgesprochen, dass während der Zeit einer stationären Behandlung der Haushaltsführungsschaden in einem Ein-Personen-Haushalt naturgemäß deutlich reduziert ist und sich im Allgemeinen auf notwendige Erhaltungsmaßnahmen beschränkt (BGH, a. a. O.). Dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof im konkreten Einzelfall eine Schätzung der Reduktion auf 3 Stunden (15 %) des üblicherweise anfallenden Aufwands nicht beanstandet hat, lässt sich nicht die verallgemeinerungsfähige Aussage entnehmen, dass ein entsprechender Ansatz stets vorzunehmen sei (in diesem Sinne wohl auch Pardey in: Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl. 2020, Kap. 4, Rdnr. 223). Ebenso wenig hat der Kläger mit der Bezugnahme auf das Urteil des OLG Nürnberg vom 23. Dezember 2015 in der Sache 12 U 1263/14 (BeckRS 2016, 1225, Rdnr. 32 ff.) konkrete Anhaltspunkte vorgebracht, die eine andere Bewertung des Erhaltungsaufwands im vorliegenden Fall rechtfertigen würden.

(cc) Die Schätzung der Minderung der Fähigkeit des Klägers zur Haushaltsführung auf 20 % durch das Landgericht ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht hat dabei berücksichtigt, dass dem Sachverständigen E keine präzise Angabe zur Minderung der Haushaltsführung möglich war, da ihm Angaben über die im Einzelnen ausgeführten Tätigkeiten fehlten. Es hat aber dessen Aussage zugrunde gelegt, dass aufgrund des Gesamteindrucks und im Hinblick auf die von ihm als Folge des Unfalls festgestellten Dauerschäden von einer ganz erheblichen Beeinträchtigung der selbständigen Haushaltsführung auszugehen ist. Eine solche Aussage eines Sachverständigen ist als Anknüpfungstatsache für eine Schätzung nach § 287 ZPO ausreichend. Insofern hat das Landgericht – entgegen der Auffassung der Beklagten nicht seine Sachkunde anstelle der des Sachverständigen gesetzt. Vielmehr hat es basierend auf der Einschätzung des Sachverständigen das getan, was dem Gericht nach § 287 ZPO möglich ist. Während dem Sachverständigen der Umfang der Haushaltsführung nicht detailliert bekannt war, durfte das Gericht diese unter Zuhilfenahme des Tabellenwerks Schulz-Bork/Pardey schätzen (s. o.). Anknüpfend an die Schätzung des Umfangs des Haushaltsführungsaufwands durfte es in Zusammenschau mit der Aussage des Sachverständigen E eine Schätzung der Minderung der Haushaltsführung auf 20 % vornehmen.

Eine Minderung der Haushaltsführung von 20 % ist hier, entgegen der Auffassung der Beklagten, auch nicht kompensierbar oder zu vernachlässigen. Im konkreten Einzelfall führt der Kläger einen 1-Personen-Haushalt, so dass es ihm nicht möglich ist, seine Minderung der Haushaltsführungsfähigkeit durch Umorganisation zu kompensieren. Das von den Beklagten hierzu in Bezug genommene Urteil des Kammergerichts beruht auf der Erwägung, dass es dem Geschädigten, der mit seiner Ehefrau bislang gemeinsam jeweils anteilig den Haushalt führte, ihm im Rahmen des § 254 BGB zuzumuten sei, seinen Haushalt so umzuorganisieren, dass er diejenigen Tätigkeiten übernimmt, zu denen er trotz der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen in der Lage war (Urteil vom 26.02.2004 – 12 U 276/02 -, juris). Während eine solche Umorganisation der Haushaltsführung im Mehrpersonenhaushalt je nach Konstellation denkbar sein mag (vgl. aber OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.08.2018 – 8 U 53/15 -, juris), kommt dies im Einpersonenhaushalt grundsätzlich nicht in Betracht.

(dd) Eine Reduzierung des Haushaltsführungsschadens während Urlaubszeiten des Klägers ist nicht vorzunehmen. Zwar mag den Beklagten im Ansatz darin zuzustimmen sein, dass bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens Urlaubszeiten grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Zu berücksichtigen sind Urlaubszeiten allerdings nur insofern, als in dieser Zeit tatsächlich keine oder weniger Haushaltsarbeiten anfallen, etwa, weil infolge der Abwesenheit keine Gartenarbeit anfällt oder keine Nahrungszubereitung inklusive Einkauf und Geschirrspülen, da diese im Hotel oder Restaurant stattfindet. Allerdings hat der Kläger hier unbestritten vorgetragen, dass er seinen Urlaub zuhause verbringt und lediglich Tagesausflüge in die nähere Umgebung unternimmt. Insofern ist keine nennenswerte Reduzierung des Haushaltsführungsaufwands des Klägers während seiner Urlaubszeiten ersichtlich.

(ee) Eine Begrenzung der Zahlung der Haushaltsführungsrente bis zum 75. Lebensjahr des Klägers war nicht vorzunehmen. Es liegt im Rahmen des nach § 287 ZPO eröffneten tatrichterlichen Ermessens, eine monatliche Rente für den Haushaltsführungsschaden auf ein gewisses Lebensalter, beispielsweise das 75. Lebensjahr, zu begrenzen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 07.05.1974 – VI ZR 10/73 -; NJW 1974, 1651; OLG München, Urteil vom 10.03.2021 – 10 U 176/20 -, juris). Daraus folgt, dass es sich dabei keineswegs um eine zwingende Grenze handelt, sondern um eine Ermessensentscheidung des Gerichts im Einzelfall.

Eine solche Begrenzung der Rentenzahlung bis zum 75. Lebensjahr hält der erkennende Einzelrichter des Senats im konkreten Einzelfall indessen nicht für angemessen (in diesem Sinne etwa auch OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.03.2020 – 22 U 82/18 -, NJW-RR 2020, 1225, 1225 f.; OLG Köln, Urteil vom 25.11.2015 – I-5 U 73/14 -, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 18.04.2016 – 12 U 996/15 -, BeckRS 2016, 106229; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.09.2006 – 1 W 53/06 -, BeckRS 2008, 4698). Denn auch nach dem 75. Lebensjahr besteht weiter die Notwendigkeit der Haushaltsführungstätigkeit, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger im gleichem zeitlichem Umfang die Hausarbeit vornimmt, wie dies zuvor der Fall war. Selbst wenn der Kläger in Zukunft weniger leistungsfähig würde, so ist doch davon auszugehen, dass er dann trotzdem mindestens in gleichem Umfang in der Haushaltsführungstätigkeit eingeschränkt ist. Angesichts der als allgemein bekannt zu unterstellenden Tatsache, dass die Lebenserwartung der Bevölkerung und deren Selbständigkeit im Alter fortgehend steigt (vgl. die entsprechenden statistischen Nachweise bei Gräfenstein/Deller ZfS 2014, 69), muss nach der Überzeugung des erkennenden Einzelrichter des Senats davon ausgegangen werden, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Kläger ohne das Schadensereignis, wie die weit überwiegende Zahl der Bevölkerung, den Haushalt auch nach dem 75. Lebensjahr noch selbstständig führen könnte. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn ganz konkret in der Person des Klägers Umstände erkennbar wären, die Anlass dazu gäben, die überwiegende Wahrscheinlichkeit dieses Verlaufs in Zweifel zu ziehen. Solche Umstände sind aber weder von der Beklagtenseite vorgetragen worden, noch anderweitig ersichtlich.

Sollten insoweit künftig tatsächlich Änderungen eintreten, können diese im Rahmen der Abänderungsklage nach § 323 ZPO eingebracht werden und so eine Abänderung des Vollstreckungstitels herbeigeführt werden. Die Systematik des § 843 BGB zeigt aber deutlich, dass dies Sache der Beklagten ist. Würde man hingegen bereits jetzt die Rentenzahlung auf das 75. Lebensjahr begrenzen, könnte der Kläger die unfallkausale Beeinträchtigung seiner Haushaltsführungsfähigkeit über diese Altersgrenze hinaus lediglich durch über einen (allgemeinen) Feststellungsantrag geltend machen. Im Rahmen der bloßen Feststellungsklage müsste der Kläger dann regelmäßig den Nachweis führen müsste, dass sein Gesundheitszustand sich nicht verändert hat. Dies würde die Beweislast zu Lasten des Klägers in das Gegenteil der in § 843 BGB angelegten Grundsätzen verkehren und ist daher abzulehnen (vgl. etwa OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.03.2020 – 22 U 82/18 -, NJW-RR 2020, 1225).

(c) Aus den vorgenannten Werten errechnet sich der Haushaltsführungsschaden des Klägers wie folgt:

(aa) Erlittener Haushaltsführungsschaden:

………………

Der Haushaltsführungsschaden des Klägers berechnet sich nach der Formel „Gesamtzahl der Stunden x Prozentsatz MdH x Stundensatz “. Hiervon ist sodann die Haftungsquote der Beklagten von 20 % in Ansatz zu bringen. Daraus ergeben sich die folgenden Beträge:

für den Zeitraum 30.8.2012 bis zum 26.10.2012:

2 h x 100 % MdH x € 10,00 = € 20,00

€ 20,00 x 0,2 (Haftungsquote 20 %) = € 4,00

(Differenz zum erstinstanzlich zugesprochenen Betrag: € 0,80)

und für den Zeitraum 27.10.2012 bis zum 31.05.2015:

2.031 h x 20 % MdH x € 10,00 = € 4.062,00

€ 4.062,00 x 0,2 (Haftungsquote 20 %) = € 812,40

(Differenz zum erstinstanzlich zugesprochenen Betrag: € 162,48)

Der Haushaltsführungsschaden des Klägers für die Zeit vom 30. August 2012 bis zum 31. Mai 2015 beläuft sich damit insgesamt auf € 816,40.

(bb) Für den Zeitraum ab dem 1. Juni 2015 hat der Kläger Anspruch auf eine monatliche Haushaltsführungsrente in Höhe von € 25,80 (64,5 Stunden monatlich x 20 % MdH x € 10,00 x 0,2 (Haftungsquote 20 %).

Soweit der Kläger einen Betrag von € 122,68 bzw. einen Differenzbetrag von € 102,04 geltend macht hat, hat er dabei die Haftungsquote nicht berücksichtigt bzw. fälschlicherweise eine Haftungsquote der Beklagten von 100 % zugrunde gelegt.

(3) Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz des Pflegeaufwands seines Bruders in Höhe von € 48,00 zu. Diesbezüglich rügt der Kläger zu Recht einen Rechenfehler des Landgerichts. Dieses hat einen Pflegeaufwand des Bruders des Klägers von 24 h rechtsfehlerfrei festgestellt, der von keiner der Parteien angegriffen wird. Allerdings hat das Landgericht hierbei zweimal eine Quote von 20 % in Ansatz gebracht, obwohl ein solcher Ansatz lediglich einmal zur Berücksichtigung der Haftungsquote geboten war. Auch insoweit schätzt der erkennende Einzelrichter des Senats den anzusetzenden Stundensatz gem. den §§ 525 Satz 1, 287 ZPO auf € 10,00 (s. o.).

Demnach berechnet sich der Pflegeschaden wie folgt:

24 h x € 10,00 x 0,2 (Haftungsquote 20 %) = € 48,00.

(Differenz zum erstinstanzlich zugesprochenen Betrag: € 40,32)

(4) Ferner hat der Kläger unter Zugrundelegung der Haftungsquote von 20 % anteilig Ansprüche auf Ersatz seines Verdienstausfalls in Höhe von € 1.268,91, des Kleiderschadens in Höhe von € 36,00 und der Auslagenpauschale in Höhe von € 5,00. Insofern ist das Urteil des Landgerichts rechtsfehlerfrei.

b. Der Feststellungsantrag ist zulässig (aa) und teilweise begründet (bb).

aa. Das insoweit erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor.

Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Kläger sich in der Lage gesehen hat, bezüglich einzelner Zeiträume und bestimmter Schadenspositionen den Haushaltsführungsschaden genau zu beziffern.

Ein Kläger ist grundsätzlich nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann. Es besteht jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Dementsprechend kann der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 08.07.2003 – VI ZR 304/02 -, NJW 2003, 2827; Urteil vom 19.04.2016 – VI ZR 506/14 -, NJW-RR 2016, 759; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.03.2017 – 8 U 228/11 -, juris). Der Kläger kann in einem solchen Fall nicht hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens auf eine Leistungsklage verwiesen werden. Er ist also nicht gehalten, sein Klagebegehren in einen Leistungs- und einen Feststellungsantrag aufzuspalten (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2016 – VI ZR 506/14 -, NJW-RR 2016, 759; Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20 -, NJW-RR 2022, 23, 25). Der Kläger muss dann auch nicht nachträglich seinen Feststellungsantrag in einen Leistungsantrag abändern, wenn dies aufgrund der Schadensentwicklung im Laufe des Rechtsstreits möglich würde, weil sich der Anspruch beziffern ließe (vgl. etwa BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20 -, NJW-RR 2022, 23, 25).

bb. Soweit der Kläger die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden begehrt, ist dieser Antrag teilweise begründet.

(2) Der Feststellungsantrag ist hinsichtlich künftiger, nicht vorhersehbarer immaterieller Schäden teilweise begründet.

Das Landgericht hat den Feststellungsanspruch hinsichtlich künftiger immaterieller Schäden zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, dass diese bereits mit dem Schmerzensgeld abgegolten sein. Dies trifft lediglich auf die vorhersehbaren künftigen Schäden zu, nicht jedoch auf nicht vorhersehbare. Bei einem uneingeschränkten Schmerzensgeldbetrag für eine erlittene Körperverletzung werden durch den zuerkannten Betrag nur diejenigen Schadensfolgen abgegolten, die entweder bereits eingetreten sind und objektiv erkennbar waren oder deren (künftiger) Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.02.2006 – VI ZR 322/04 -, NJW-RR 2006, 712, 713 m. w. N.).

Dagegen werden Verletzungsfolgen, die zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht eingetreten waren und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, mit denen also nicht oder nicht ernstlich gerechnet werden musste und die deshalb zwangsläufig bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt bleiben müssen, von der vom Gericht ausgesprochenen Rechtsfolge nicht umfasst und können deshalb Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld sein (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.02.2006 – VI ZR 322/04 -, NJW-RR 2006, 712, 713 m. w. N.). Insoweit hat das Landgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen. Eine Beschränkung auf vorhersehbare Schäden war dem erstinstanzlichen Feststellungsantrag nicht zu entnehmen und auch nicht naheliegend. In zweiter Instanz hat der Kläger explizit klargestellt, dass sich der Feststellungsantrag auf künftige nicht vorhersehbare Schäden bezieht.

Hinsichtlich künftiger, nicht vorhersehbarer immaterieller Schäden ist ein Anspruch des Klägers im Streitfall zu bejahen. Für das Zuerkennen eines Feststellungsanspruchs in Bezug auf immaterielle Zukunftsschäden sind maßvolle Anforderungen zu stellen. Hierfür genügt es, dass eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden besteht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.07.1989 – VI ZR 234/88 -, NJW-RR 1989, 1367). Das trifft bei schwereren Unfallverletzungen in aller Regel zu. Der Feststellungsanspruch kann in Fällen dieser Art nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen immerhin zu rechnen; es ist nicht erforderlich, dass der Kläger von dem späteren Schaden eine bestimmte Vorstellung hat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.07.1989 – VI ZR 234/88 -, NJW-RR 1989, 1367).

Der Kläger hatte unter Beweisantritt dargelegt, dass die Schwere der erlittenen Verletzungen und Dauerschäden die ernsthafte Gefahr zukünftiger immaterieller Schäden nahelege. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Kläger durch den Unfall folgende Verletzungen und Gesundheitsschäden erlitten: Schädelhirntrauma, Hirnkontusion parietal., Subarachnoidalblutung, Verletzung der Arteria vertebralis, offene Unterschenkelfraktur, die Beckenringfraktur, Halswirbelfraktur, Milzruptur, eine Platzwunde und Hautabschürfungen sowie Schwindel. Die Verletzung hatte einen zweiwöchigen stationären Krankenhausaufenthalt, eine sechswöchigen Reha-Nachbehandlung, sowie eine weitere Operation aufgrund von Komplikationen zur Folge. Als Unfallfolgen bestehen belastungsabhängigen Schmerzen im linken Bein, eine eingeschränkte Beweglichkeit des linken Sprunggelenks, diskrete Halbseitenlähmung links, Schwindel, Kopfschmerzen, eine Antriebsstörung und eine starke Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit dauerhaft fort.

Dies bedeutet, dass der Kläger bei dem Unfall eine schwere Kopf- und Beinverletzung davongetragen hat, an deren Folgen er heute noch leidet und auch in Zukunft leiden wird. Zwar sind diese Folgen, soweit sie bisher erkennbar sind, bereits durch den zuerkannten Schmerzensgeldanspruch abgegolten. Nach der Art und dem Schweregrad der Verletzungen kann jedoch bei verständiger Beurteilung mit weiteren unfallbedingten immateriellen Schäden durchaus gerechnet werden. Damit ist der Feststellungsanspruch hinsichtlich künftiger immaterieller Schäden auch in der Sache begründet.

Allerdings ist auch bei der Einstandspflicht für künftige Schäden die Haftungsquote von 20 % zu berücksichtigen. Der Feststellungsanspruch ist daher nur in diesem Umfang begründet.

(3) Auch hinsichtlich künftiger materieller Schäden ist ein Feststellungsanspruch gegeben. Ausreichend ist für die Begründetheit eines Feststellungsantrags, dass die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2017 – VI ZR 423/16 -, NJW 2018, 1242, 1248). Jedenfalls in Fällen, in denen die Verletzung eines (durch § 823 Abs. 1 BGB oder durch § 7 Abs. 1 StVG geschützten) Rechtsguts und darüber hinaus ein daraus resultierender Vermögensschaden bereits eingetreten sind, gibt es keinen Grund, die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere, künftige Schäden von der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts abhängig zu machen. Materiell-rechtlich wird es den Anspruch auf Ersatz dieser Schäden ohnehin nicht geben, solange diese nicht eingetreten sind; von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts hängt die Entstehung des Anspruchs also nicht ab. Die Leistungspflicht soll bei künftige Schäden erfassenden Feststellungsklagen deshalb nur für den Fall festgestellt werden, dass die befürchtete Schadensfolge wirklich eintritt. Da dementsprechend der Feststellungsausspruch nichts darüber aussagt, ob ein künftiger Schaden eintreten wird, ist es unbedenklich, die Ersatzpflicht des Schädigers für den Fall, dass der Schaden eintreten sollte, bereits jetzt festzustellen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17.10.2017 – VI ZR 423/16 -, NJW 2018, 1242, 1248). Im Streitfall sind die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs u. a. aus § 7 Abs. 1 StVG wegen einer Körperverletzung und Gesundheitsschädigung des Klägers gegeben und verschiedene daraus resultierender Vermögensschäden bereits eingetreten (s. o.). Weitere Anforderungen sind an die Begründetheit des Feststellungsanspruchs bestehen nicht.

Auch insoweit ist die Haftungsquote von 20 % zu berücksichtigen. Der Feststellungsanspruch ist daher nur in diesem Umfang begründet.

c. Der Zinsausspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB.

d. Die Haftung der Beklagten zu 1 folgt aus § 7 Abs. 1 StVG, die der Beklagten zu 3 aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.

3. Da der Berufung durch Urteil teilweise stattgegeben wurde, ist auch über die Anschlussberufung zu entscheiden (§ 524 Abs. 4 ZPO). Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist aus den oben ausgeführten Gründen unbegründet. Eine Abänderung des Urteils zu Gunsten der Beklagten ist nicht veranlasst.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.

6. Die Revision ist nicht zuzulassen.

Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Sie wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Es handelt sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls geprägte Sache.

Die Zulassung der Revision ist im Streitfall auch nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZR 75/02 -, NJW 2002, 2295; Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02 -, NJW 2003, 1943, 1945; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.10.2013 – 15 U 127/13 -, juris). Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im Streitfall nicht statt.

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